Protokoll der Sitzung vom 08.09.2010

Sie beten weiter Ihr Glaubensbekenntnis für die Stärkung der Hauptschule herunter, obwohl Ihr Kultusminister Althusmann inzwischen längst öffentlich eingesteht, dass die Hauptschule wohl nicht mehr zu retten ist. Vielleicht hat er es ja auf Ihrem Parteitag erzählt?

Sie bitten die Landesregierung, das Hauptschulprofilierungsprogramm durch eine Zuwendungsrichtlinie abzusichern - jetzt machen Sie schon Anträge zum laufenden Geschäft -, und Sie wollen die frei werdenden Mittel, die sich dadurch ergeben, dass Hauptschulen nach und nach geschlossen werden, ausgerechnet für die Sozialarbeit an den Förderschulen Lernen einsetzen - an den Förderschulen, die, wenn Sie die Inklusion wirklich ernst nehmen, als Erste nach und nach aufgelöst werden sollen. Aus Ihrer Sicht muss dahin dringend Sozialarbeit gebracht werden. Daran sieht man einmal, wie weit Sie in der Frage Inklusion denken.

Dann erklären Sie, dass Schulsozialarbeit Aufgabe der kommunalen Schulträger, der Jugendhilfe, und nicht Aufgabe des Landes sei. Das zeigt nun wirk

lich, wie ernst Sie Ihre eigene Politik nehmen. Sie wälzen doch die Problematik der finanziellen Zuständigkeit locker auf die Kommunen ab und lassen sie mit den Problemen um Kettenverträge und langfristige Arbeitsverträge im Regen stehen! Sie sorgen auf diese Weise weiter dafür, dass Schulsozialarbeit immer in prekären Beschäftigungsverhältnissen bleibt. Der Kollege Seefried hat doch gerade gesagt, dass Sozialarbeit Beziehungsarbeit sei. Wie passt das denn zusammen?

(Beifall bei den GRÜNEN - Kreszentia Flauger [LINKE]: Gute Frage!)

Nun noch kurz zu den Anträgen. Der SPD-Antrag liegt schon lange vor. Er ist zwar nicht sehr konkret, aber er hat Ihnen als CDU-Fraktion die Chance gelassen, ihn inhaltlich zu füllen. Diese Chance haben Sie verpasst. Der CDU-Antrag dagegen - das habe ich jetzt ausgeführt - ist bestenfalls als überflüssig zu bezeichnen. Ich finde ihn eher peinlich. Deswegen haben Sie ihn wahrscheinlich beim letzten Mal aus der Debatte zurückgezogen und ihn direkt überwiesen. Diesem Antrag werden wir auf keinen Fall zustimmen können.

Die Grüne-Fraktion hat ehrgeizigere Vorstellungen, wie eine passgenaue Unterstützung für die Schülerinnen und Schüler an allen Schulen stattfinden muss und aussehen muss. Diese Vorstellungen werde ich Ihnen morgen in der Beratung unseres Antrages „Starke Kinder lernen besser …“ gerne im Detail erläutern. Ich hoffe, dabei werden wir diskutieren, wie ein solches Konzept aussieht. Wir warten nicht mehr, bis die Landesregierung endlich in die Strümpfe kommt. Wir haben ein eigenes Konzept vorgelegt. Darüber diskutieren wir morgen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Danke schön, Frau Korter. - Für die Fraktion DIE LINKE: Frau Reichwaldt, Sie haben jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur abschließenden Beratung liegen uns heute zwei Anträge zur Schulsozialarbeit mit unterschiedlichen Ausschussempfehlungen vor. Da ist der Antrag der SPD-Fraktion, der dringende Verbesserungen der Schulsozialarbeit anmahnt - die Ausschussmehrheit empfiehlt Ablehnung -, und der völlig verwäs

serte Antrag von CDU und FDP, den Sie hier in Kürze vermutlich beschließen.

Ich denke, Einigkeit besteht bei uns allen zumindest darin, dass Schulsozialarbeit wertvoll und wichtig ist. Die verschiedenen Beratungs- und Unterstützungsangebote werden von Lehrkräften und Schülern gern und häufig angenommen. Das können wir alle unterschreiben. Die Frage ist nur, wie wir die Schulsozialarbeit an unseren Schulen festigen. Schulsozialarbeit ist ein integraler Bestandteil einer guten Schule. Eingebettet in ein Ganztagskonzept gehört sie zum Kern des Angebots. Insofern ist sie für uns eindeutig eine Aufgabe des Landes und muss auch vom Land finanziert werden,

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Frauke Heiligenstadt [SPD])

und zwar nicht nur durch einzelne Förderrichtlinien mit dem Ergebnis, dass es nur befristete Beschäftigungsverhältnisse gibt und vom Land zumeist nur halbe Stellen finanziert werden. Die Kosten für Schulsozialarbeit dürfen nicht vorrangig auf die Kommunen abgewälzt werden. Ebenso sagen wir Nein zu dem Ansinnen, mit den kommunalen Spitzenverbänden zu diskutieren, wie man den - ich zitiere - derzeit beschäftigten Schulsozialarbeitern langfristig berufliche Perspektiven aufzeigen kann. - Wenn ich da etwas Zynismus hineinlesen wollte, gäbe es eine solche Perspektive bereits. Sie lautet: Auf lange Sicht bekommt ihr nur kurzfristige Verträge.

Wenn wir alle im Landtag einer Meinung sind, dass die Sozialarbeiter an den Schulen von großer Wichtigkeit und unverzichtbar sind, dann sollte das Land auch die finanziellen Voraussetzungen schaffen.

Man kann mit den kommunalen Spitzenverbänden sprechen. Aber in dem Gespräch sollte die Botschaft verbreitet werden, dass das Land die Gelder für die Schulsoziarbeit bereitstellt.

(Beifall bei der LINKEN)

Schulsozialarbeit lebt von Vertrauen. Das kann man nicht aufbauen, wenn man sich Sorgen um den eigenen Job machen muss und nicht weiß, ob man diesen Job in sechs Monaten noch hat.

Einer der wichtigsten Aspekte des SPD-Antrages fehlt zudem im vorliegenden Antrag der Regierungskoalition fast völlig: Wir brauchen Schulsozi

alarbeit verlässlich an allen Schulformen und nicht nur an den Hauptschulen!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite dieses Hauses, Sie wollen die Schulsozialarbeit zur Rettung einer sterbenden Schulform benutzen. Ansonsten ist sie Ihnen ziemlich egal.

(Zustimmung von Ina Korter [GRÜNE])

Die Hauptschule darf aber nicht im Mittelpunkt der Debatte stehen. Im Mittelpunkt müssen alle Lehrkräfte und Schüler an allen Schulen des Landes stehen. Daher brauchen wir eine Ausweitung und Verstetigung des Programms, damit Schulsozialarbeit bedarfsorientiert und verlässlich an allen Schulformen stattfinden kann.

Meine Damen und Herren auf Seiten der Regierungskoalition, ich finde es sehr schade, wie Sie mit diesem Thema umgegangen sind. Ich hatte mich auf ernsthafte Debatten hier und im Ausschuss gefreut.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Ja, wir auch!)

Nach der ersten Beratung des SPD-Antrages im Plenum im letzten November kam aber erst nichts und dann dieser eigene Antrag. Das zeigt, wie wenig wichtig Ihnen das Thema ist.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Dem Antrag der SPD stehen wir weiterhin positiv gegenüber. Wir werden gegen die jeweiligen Ausschussempfehlungen stimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Frau Reichwaldt. - Für die FDPFraktion: Herr Kollege Försterling, bitte!

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schulsozialarbeit ist wichtiger denn je. Genau deswegen wurden seit 2003 mehr als 300 zusätzliche Schulsozialarbeiter durch die von CDU und FDP getragene Landesregierung finanziert.

(Beifall bei der FDP)

Genau deswegen haben wir, wie der Kollege Seefried geschildert hat, die Ganztagsschulen ausgebaut. Genau deswegen gibt es auch mehr Mittel für pädagogische Grundschulen als vor 2003. Genau deswegen gibt es auch besondere, zusätzliche Mittel für Grundschulen in sozialen Brennpunkten. Genau deswegen gibt es auch das Hauptschulprofilierungsprogramm. Ich sage es ganz deutlich: Bei diesem Programm geht es doch nicht darum, eine Schulform zu stärken, sondern es geht darum, jeden einzelnen Schüler zu unterstützen und ihm zu helfen.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Der Kollege Seefried hat Ihnen die Erfolgszahlen genannt. Die Abbrecherquote ist von fast 10 % auf 6,4 % deutlich gesunken.

(Zustimmung von Elisabeth Heister- Neumann [CDU])

Das ist ein Erfolg des Hauptschulprofilierungsprogramms. Da geht es um die Schüler und nicht um die Strukturen, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Deswegen ist das, was im Antrag von CDU und FDP formuliert ist, richtig: Der Einsatz von Sozialarbeitern sowie pädagogischen Mitarbeitern in Schulen für gezielte, bildungspolitisch notwendige Maßnahmen hat sich bewährt. Es ist falsch, zu meinen, man müsste pauschal, mit der Gießkanne, über das Land gehen, wie es der SPD-Antrag fordert, indem man einfach behauptet, man brauche an allen 3 300 Schulen Schulsozialarbeiter, aber nicht sagt, wie man die dafür erforderlichen 120 bis 150 Millionen Euro finanziell aufbringen möchte.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Natürlich steht darin, man solle dafür erst einmal ein Konzept erarbeiten. Das aber, was konkret darin steht, ist die sofortige Absicherung von 500 Stellen im Bereich der Landesschulbehörde, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Ich bin sehr gespannt auf die Haushaltsberatungen, ob Sie diese Forderung noch aufrechterhalten und gegenfinanzieren können.

(Frauke Heiligenstadt [SPD]: Das war schon im letzten Antrag drin!)

- Ich habe, ehrlich gesagt, meine Zweifel, Frau Heiligenstadt, dass Sie das entsprechend hinbekommen.

Natürlich ist Schulsozialarbeit auch kommunale Aufgabe. Sie ist auch Aufgabe der Jugendhilfe, weil sie eben nicht nur in der Schule stattfindet, sondern weil sie auch die Defizite im sozialen Umfeld der Schülerinnen und Schüler auffangen muss, um den schulischen Erfolg zu verbessern.

Das heißt, das ist natürlich Aufgabe aller Beteiligten und auch der Kommunen. Wie gesagt, das Hauptschulprofilierungsprogramm mit mehr als 12 Millionen Euro im Jahr zeigt deutlich, dass wir die Kommunen hier nicht alleinlassen.

Es ist keine Abkehr von dem Gedanken der Inklusion, zu sagen: Dort, wo noch Mittel im Hauptschulprofilierungsprogramm frei sind, in dem es darum geht, die Abbrecherquote, die Quote von Schülerinnen und Schülern ohne Schulabschluss, zu senken, sollen die freien Mittel zusätzlich in den Bereich der Förderschulen Lernen gehen, um genau dort dasselbe Ziel zu erreichen, nämlich die Abbrecherquote zu senken, um den einzelnen Schüler wieder in den Mittelpunkt zu stellen. - Das ist die richtige Vorgehensweise. Deswegen bitte ich um Zustimmung zu dem Antrag der Fraktionen der CDU und der FDP.