Protokoll der Sitzung vom 09.11.2010

Zweitens. Dringend bewegen muss sich die Landesregierung dagegen nach Auffassung des Niedersächsischen Städtetages im Bereich der Integrierten Gesamtschulen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Ich finde es auch ziemlich unglaublich - das muss ich ganz ehrlich sagen -, dass Sie hier Peter von Oertzen bemühen und sagen, dass Sie angeblich mehr Gesamtschulen als zu Zeiten von Peter von Oertzen genehmigt haben.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Das stimmt! Das kann man zählen!)

Wollen wir einmal bei der Redlichkeit bleiben, Herr Dr. Althusmann?

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Herr von Oertzen war von 1970 bis 1974 Kultusminister. Am Ende seiner Amtszeit gab es 17 Integrierte Gesamtschulen. Die Integrierten Gesamtschulen sind erst 1974, also am Ende seiner Amtszeit, im Schulgesetz verankert worden. Sich nach mehr als 30 Jahren, fast 40 Jahren, hierhin zu stellen und zu sagen, Sie hätten mehr Gesamtschulen geschaffen als Herr von Oertzen, als sie noch gar nicht im Gesetz standen, finde ich ausgesprochen unredlich, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Im Übrigen: Nach 13-jähriger Landesregierung unter SPD-Führung gab es 61 Gesamtschulen in Niedersachsen.

(Karl-Heinz Klare [CDU]: Einschließ- lich KGS!)

- Ja, mit KGS, klar; aber 61. Unter Ihrer Regierungszeit sind es jetzt 32 geworden. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren: Jede einzelne Gesamtschule, die Sie genehmigen, ist von Eltern und Schülern und Schulträgern hart erkämpft.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Dr. Althusmann, Sie erwecken den Eindruck, dass Sie auf nahezu alle Forderungen des Landeselternrates, die er ja mit allen bildungspolitischen Verbänden abgestimmt hat, eingehen. Ich sage Ihnen: Das stimmt nicht. Das Herzstück und die Kernforderung sind die Abschaffung der Fünfzügigkeit an Integrierten Gesamtschulen und die Möglichkeit, dass Gesamtschulen genauso behandelt werden wie alle anderen Schulformen auch.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Während Sie sich in Ihrer Regierungserklärung noch bemühen und versuchen, das eine oder andere Argument zu begründen, sagen Sie zum Thema der Fünfzügigkeit bei Gesamtschulen lediglich den Satz:

„Eine Senkung der Hürden für die Neueinrichtung einer IGS ist mit Blick auf eine langfristige Entwicklung in Niedersachsen nicht zwingend notwendig.“

Meine Damen und Herren, mit dieser Formulierung schlägt Herr Dr. Althusmann die Tür zum Schulkonsens fast zu.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

In jedem Fall brüskieren Sie den Landeselternrat mit seinen Forderungen. Sie brüskieren die Bildungsverbände, die kommunalen Spitzenverbände und auch die Oppositionsfraktionen, die ja bereit waren, in Gespräche mit Ihnen einzutreten.

(Beifall bei der SPD)

Herr McAllister, von Ihrem groß angekündigten ideologiefreien Umgang mit der niedersächsischen Bildungspolitik ist nicht viel übrig geblieben. Im

Gegenteil! Mit dieser harten Haltung beim Thema Gesamtschulen haben Sie einen Kniefall vor Ihrem kleinen Koalitionspartner, der FDP, gemacht.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu der Schulform „Oberschule“: Herr Minister Althusmann, der eine oder andere aus der CDUFraktion zieht im Moment über die Lande und verkauft die Oberschule als die Wundertüte, in die sich jeder das hineinpacken kann, was er gerne will: ein bisschen Hauptschule, ein bisschen Realschule, ein bisschen KGS, ein bisschen IGS, zweizügig oder dreizügig, aber kein Schülerklau an Gymnasien, aber ganz viel integrierte Arbeit. Meine Damen und Herren, wie das mit dieser Wundertüte tatsächlich zu laufen hat, ist hier aber noch nicht schwarz auf weiß erklärt worden.

(Johanne Modder [SPD]: Das ist Ein- heitsschule!)

Jetzt in der Regierungserklärung sagen Sie auf einmal, überwiegend schulzweigübergreifend dürfe es nicht sein, sondern es müsse dann schon überwiegend schulzweigspezifisch sein. Was bedeutet das denn ganz konkret?

Dann werden Sie ganz butterweich. Am Anfang haben Sie noch gesagt, dass Sie die Oberschule mit teilgebundem Ganztagsangebot ausstatten. Das finden wir im Übrigen gut. Wir finden Ganztagsschulen gut. Das müssen alle Schulen haben, aber nicht nur die Oberschule.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Jedenfalls haben Sie das tatsächlich so eingetütet: Die kriegen kleinere Klassen; die kriegen Sozialarbeiter; die kriegen auch noch den teilgebundenen Ganztag. - In Ihrer Regierungserklärung heißt es jetzt schon wieder: unter Haushaltsvorbehalt; wenn die Mittel bereitstehen; gegebenenfalls ein Einstieg.

Wissen Sie, wie man so etwas nennt, Herr Dr. Althusmann? Das ist eine Echternacher Springprozession.

(Zustimmung von Johanne Modder [SPD])

Soll ich Ihnen erklären, was das ist? Drei Schritte vorwärts, zwei Schritte zurück. Das endet im Chaos. Daher ist es 1947 abgeschafft worden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Trotz vieler Unzulänglichkeiten Ihrer Vorschläge haben wir nach wie vor ein Interesse an der Lösung der Probleme vor Ort.

(Christian Dürr [FDP]: „Obwohl wir nicht konstruktiv sind, haben wir ein Interesse an der Lösung der Proble- me!“ - Weitere Zurufe - Glocke des Präsidenten)

Unsere Bedingungen für einen Schulkonsens haben wir anders als Sie, Herr Dürr, Herr Klare, gemeinsam mit allen bildungspolitischen Verbänden bis auf den Philologenverband - gemeinsam mit dem Landeselternrat, mit der GEW, mit den kommunalen Spitzenverbänden - verankert. Unsere Bedingung heißt: Es muss gleiche Bedingungen für alle Schulformen geben. Die Diskriminierung der Integrierten Gesamtschule muss aufhören!

(Gudrun Pieper [CDU]: Das gibt es doch wohl nicht!)

Dazu gehört die Abschaffung der Fünfzügigkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Die Integrierte Gesamtschule muss ersetzend sein können. Sie können doch niemandem mehr erklären, warum die neue Oberschule vom Typ 2 mit gymnasialem Anteil einen einzügigen Gymnasialzweig haben darf, während eine Integrierte Gesamtschule nach wie vor fünfzügig sein muss, bevor sie überhaupt eingerichtet wird. Das kann niemand mehr ernsthaft erklären, Ihre eigene Fraktion im Übrigen auch nicht mehr.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Schulträger müssen in die Lage versetzt werden, alle Schulen als gebundene Ganztagsschulen zu führen. Bei all dem muss der Elternwille für die Schullaufbahn der Kinder maßgeblich sein.

Das sind im Übrigen auch die Bestandteile des Konzeptes „Gute Schule“, das wir hier schon vor Monaten vorgelegt haben und über das Sie leider, weil Sie jetzt sehr stark mit der Schulformdiskussion beschäftigt sind, noch überhaupt nicht weiter nachgedacht haben.

Meine Damen und Herren, die SPD - dabei bleibe ich - wird weiterhin dafür eintreten, dass sich die Gesamtschulen dem Wettbewerb unter den gleichen Bedingungen stellen können, die Sie als faire Chance für die Oberschulen einfordern. Herr Althusmann, „fairer Wettbewerb“ heißt aber nicht, die Gesamtschulen mit Sandsäcken an den Füßen

zu versehen - Stichwort „Fünfzügigkeit“ bei den Integrierten Gesamtschulen - und die anderen Schulformen mit einem Motor auszurüsten, damit sie schneller laufen können, und beide auf eine 1 000-m-Strecke zu schicken. Das ist kein fairer Wettbewerb!

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der SPD)

Ich erteile dem Kollegen Klare von der CDU-Fraktion das Wort.

(Björn Thümler [CDU]: Jetzt wird es wieder sachlich! - Astrid Vockert [CDU]: Er stellt das klar!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Niedersachsen steht vor sehr großen schulpolitischen Herausforderungen. Von der Landesregierung gibt es ein Angebot zu einem Kompromiss in der Schulpolitik. Ich bin unserem Minister Bernd Althusmann dankbar, dass er es hier in Form einer Regierungserklärung dargestellt hat. Vielen Dank, Herr Minister!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Frau Heiligenstadt, nur eine Bemerkung, ich komme nachher sicherlich noch auf das eine oder andere Detail zu sprechen. Die Regierungserklärung war auf Zukunft ausgerichtet,