Protocol of the Session on November 9, 2010

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(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich will kurz auf den Antrag der Fraktion der Grünen eingehen, über den wir im Umweltausschuss diskutiert haben. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass eine ähnliche Initiative auch schon auf der Ebene des Europäischen Parlaments gestartet wurde. Dieser wurde am Ende nicht gefolgt. Dabei ging es um die Frage, ob ein Genehmigungsstopp und ein Stopp für Verlängerungen von Bohrgenehmigungen im Bereich des Betriebs von Ölplattformen erlassen werden kann, bis es neue rechtliche Regelungen gibt. Da die Rechtslage die Möglichkeiten für einen solchen Stopp im Moment schlicht und ergreifend nicht hergibt, wir gleichzeitig erhebliche Schadensersatzforderungen gegenüber den nationalen Regierungen zu erwarten hätten und wir im Übrigen davon ausgehen müssten, dass die EU-Anrainer, insbesondere Norwegen, einer solchen Initiative nicht folgen würden, haben wir entschieden, diese Forderung aus dem Antrag der Grünen nicht mit aufzunehmen. Das haben wir im Umweltausschuss entsprechend beschlossen und werden das heute in ähnlicher Weise tun. Denn am Ende würde das das Gesamtanliegen nicht weiterbringen, sondern es würde im Gegenteil eine Forderung aufgenommen, die nicht haltbar wäre.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Insgesamt, sehr geehrte Damen und Herren, hat Niedersachsen ein sehr großes Interesse daran, höhere Sicherheitsstandards und die Klärung der Haftungsfrage herbeizuführen. Es ist gut, wenn der

Niedersächsische Landtag in dieser Frage heute ein sehr klares Signal gibt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Kollegin Rakow. Ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Risikovorsorge und Haftungsfragen bei der Erschließung von Ölvorkommen durch Bohrplattformen in der Nordsee verbessern“ - das ist die Überschrift des Antrages. Wir brauchen diese Verbesserungen, um den Schutz des einzigartigen Wattenmeeres sicherzustellen.

(Zustimmung bei der SPD)

Jeder noch so kleine Schritt in diese Richtung ist ein wichtiger Schritt. Darum werden wir diesem Antrag zustimmen. Insofern hat Herr Thiele recht: ein wenig Harmonie zum Feierabend.

Meine Damen und Herren, wir sollten allerdings alle miteinander nicht dem Irrtum verfallen, dass mit diesem Antrag alle Probleme gelöst wären. Wir haben die Probleme benannt. Die Verantwortlichen in Land, Bund und EU sind nun aufgefordert, im Sinne des Antrages zu handeln. Diesen Auftrag wollen wir heute erteilen - nicht mehr, aber auch nicht weniger.

Meine Damen und Herren, ich will erstens kurz auf die Ausgangssituation, zweitens auf die Ausschussdiskussion und drittens - sofern mir genug Zeit bleibt - auf die ungelösten Probleme, die angegangen werden sollen und müssen, eingehen.

Die Ausgangssituation, die sich nach dem Unglück der „Deepwater Horizon“ ergab, die Statements von EU-Kommissar Oettinger und Bundesumweltminister Röttgen in Bezug auf einen Bohrstopp haben wir bereits im Oktober diskutiert. Darüber heute noch einmal zu sprechen, schenke ich mir.

In der Zwischenzeit ist einiges passiert. Das EU-Parlament hat das Thema aufgegriffen und im Oktober eine wirklich umfangreiche Entschließung für mehr Sicherheit auf Ölplattformen verabschiedet - und dies mit sehr großer Mehrheit. Auch die EU-Kommission plant - ich zitiere - „erstmals umfassende EU-Vorschriften für Ölplattformen, um die weltweit höchsten Sicherheitsstandards zu gewährleisten.“ Insofern kommt unser Antrag etwas

spät; die Verantwortlichen arbeiten schon, und zwar in die Richtung, in die wir es uns wünschen.

Unsere Ausschussdiskussion war kurz und knapp. Wir haben kritisiert, dass die Formulierungen des Antrags nicht präzise genug sind, und konnten ganz einvernehmlich noch einen Verweis auf die Entschließung des EU-Parlaments einfügen. Insofern stimmen wir dem Antrag gerne zu.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat den vorliegenden Änderungsantrag gestellt, in dem ein Bohrstopp während der anstehenden Verhandlungen gefordert wird. So ein Bohrstopp wäre natürlich wünschenswert - darüber ist ja auch diskutiert worden -, aber - wir haben es eben gehört - rechtlich nicht machbar. Auch das EU-Parlament hat diesen Vorstoß verworfen. Insofern können wir uns auf diese Forderung nicht einlassen. Der Niedersächsische Landtag kann nun einmal nicht beschließen, dass Großbritannien oder Norwegen einen Bohrstopp verhängen.

Meine Damen und Herren, ich komme jetzt noch zu einigen Problemen, die gelöst werden müssen. Das erste Problem ist das Verantwortungsbewusstsein der Erdölförderer. Wiegt es genug gegenüber den Gewinninteressen? - Das ist die Frage. Das zweite Problem ist eng mit dem ersten verbunden. Dabei geht es um die jeweils nötige Kontrolle. Unser nächstgelegenes Fördergebiet, die Mittelplate, ist noch halb voll. Die Fördergenehmigung wurde gerade um 30 Jahre verlängert. RWE Dea beteuert, dass bisher kein Öl ausgetreten sei. Das hoffe ich. Ich hoffe auch, dass es so bleibt. Ich nehme an, das hoffen wir alle.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich möchte nie die Frage beantworten müssen, warum wir uns nicht mehr um die Sicherheitsanforderungen gekümmert haben, wieso wir den Beteuerungen der Unternehmen geglaubt haben. Wir erwarten auf der Mittelplate und überall sonst die bestmögliche Sicherheit. Wir erwarten, dass sich der niedersächsische Umweltminister im Austausch mit seinem Länderkollegen aus Schleswig-Holstein entsprechend kümmert, damit Mittelplate sicher bleibt.

(Zustimmung bei der SPD)

Jetzt gibt es ein neues großes Ölfeld vor der schottischen Küste in der Nordsee. Dort herrschen schwierigere Förderbedingungen als auf der Mittelplate, und es herrscht eine regelrechte Goldgräberstimmung. Niedersachsen ist hier nicht zustän

dig, im Schadensfall aber betroffen. Wir erwarten, dass auch vor Schottland die bestmöglichen Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden.

(Zustimmung bei der SPD)

Ein drittes Problem sind Entschädigungsregelungen für den Schadensfall. Es gibt sie für Schiffshavarien, aber bisher nicht für Ölplattformen. Wer im Schadensfall die Krabbenfischer, Touristikunternehmen und Anliegergemeinden entschädigt, ist ungeklärt. Da muss unbedingt Klärung her; auch das wollen wir mit dem Antrag erreichen.

(Zustimmung bei der SPD)

- Das sind die Krabbenfischer, ich sehe es.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es tun sich noch viele Fragen auf, die beantwortet werden müssen. Lösungen müssen gefunden und internationale Vereinbarungen getroffen werden. Da kann man den verantwortlichen Akteuren nur eine glückliche Hand wünschen. Vielleicht trägt die Entschließung heute ja etwas zu dem Glück bei.

Auf jeden Fall sollten wir alle unsere Kollegen im Europaparlament und im Bund in die Pflicht nehmen - im Interesse des Weltnaturerbes Wattenmeer und letztendlich in unser aller Interesse.

Danke schön.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Detlef Tanke [SPD]: Herr Thiele, auch mal klatschen!)

Für die Fraktion DIE LINKE rufe ich die Wortmeldung von Herrn Herzog auf. Ich erteile Ihnen das Wort, Herr Herzog.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ölverschmutzung macht vor Grenzen nicht halt, so wie Atomverseuchung auch nicht. Da reicht auch kein „Bei uns kann das nicht passieren“. Der Blow-out der Firma Mobil North Sea verseucht das Meer, und auch das Alltagsgeschäft trägt seinen Teil dazu bei. Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Für die niedersächsischen Gewässer und für die dazugehörige Ausschließliche Wirtschaftszone sind die Landesbehörden für Genehmigungen und für die anwendungsbereiten Sicherheitsvorkehrungen zuständig.

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko und die Explosion der Ölplattform „Deepwater Horizon“

haben den Horizont wieder ganz nah herangeholt und die Grenzen von Technik und die von Profitgier getriebene Hybris der Betreiberfirmen aufgezeigt.

Ein Einzelfall, so wie uns Tschernobyl noch immer verkauft wird? Oder gilt nicht vielmehr auch in der Ölbranche das gleiche Prinzip der totalen Risikounterschätzung und der immensen Unterversicherung im Schadensfall? - Bundesumweltminister Röttgen und auch der frische EU-Energiekommissar Oettinger waren schnell bereit, Moratorien statt eines „Weiter so!“ zu fordern. Aber wie man inzwischen sieht, waren es auch bei ihnen populistische Verbalplacebos, wie sie so oft nach Havarien verabreicht werden, mit einer Halbwertzeit im Wochenbereich.

Als Sie von CDU und FDP Ihren laschen Antrag im September starteten, waren auf der OSPARMeeresschutzkonferenz Röttgens und Oettingers Vorstöße gerade im Meer versenkt worden. Ebenso war die umfangreiche Entschließung des Europaparlaments längst in Arbeit. Statt der 3 übervorsichtigen, unkonkreten Bitten Ihres Antrags finden sich dort konkrete 27 Beschlusspunkte, die eingefordert werden, Herr Thiele.

(Ulf Thiele [CDU]: Die immer das Gleiche sagen!)

Dezidiert werden dort Fragen der Transparenz, der Kontrolle und der Stilllegungsmodalitäten angesprochen, und die Umwelt- und Sozialpraktiken der Unternehmen werden aufs Korn genommen. Die Themen Haftung und Versicherung werden konkret angegangen, und zwar in Form von Pflichtbeiträgen und durch die Errichtung eines Fonds. Schwellenwerte für Schäden sollen gesenkt und die biologische Vielfalt geschützt werden.

Seien Sie froh, Herr Thiele, dass Sie der Zusatz der SPD-Fraktion, der Ihren drei laschen Punkten als vierter nachgestellt wurde, vor einer absoluten Blamage bewahrt. Da heißt es:

„Der Landtag bittet die Landesregierung, sich im Sinne der Entschließung des Europäischen Parlaments einzusetzen.“

Ohne diese Ergänzung wäre Ihr Ursprungsantrag wirklich weiße Salbe, aufgetragen nach der Wundheilung, also eine peinliche, inhaltsarme Selbstinszenierung.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, selbstverständlich bleibt es wichtig, den Forderungen des EU-Kommissars Oettinger und des Ministers Röttgen nach einem Moratorium für Tiefseeölbohrungen Nachdruck zu verleihen, Herr Thiele, wie es der Änderungsantrag der Grünen vorsieht. Dem werden wir natürlich zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Hocker. Herr Dr. Hocker, ich erteile Ihnen das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die umweltpolitischen Tagesordnungspunkte des heutigen Plenartages sind von einem bestimmten Politikprinzip geprägt gewesen, und dieses Prinzip heißt: Der Verursacher muss für die Kosten aufkommen. Wir möchten eben nicht, dass der Steuerzahler die Kosten zu tragen hat, die entstehen, wenn etwa bei der Förderung oder beim Transport von Bodenschätzen Verschmutzungen passieren. Das gilt sowohl für die Bilgenentwässerung als auch für die Forderung nach einem Altlastenfonds und ebenso für einheitliche Regeln für die Haftung und für die Risikovorsorge für den Fall einer Ölkatastrophe in unserer Nordsee.

Weil sich Ölkatastrophen nicht von Landesgrenzen oder Seemeilenzonen beeindrucken lassen - das hat Herr Herzog eben gesagt -, hilft es wenig, wenn Deutschland wieder einmal als Musterknabe und Einzelkämpfer Umweltschutz betreibt. Es hilft der Umwelt nichts, wenn die Betriebe und Bürger in unserem Land mit Gebühren und Auflagen belastet werden, die im Ausland nicht gelten. Im Gegenteil: Dies bedeutet eine einseitige Belastung unserer Unternehmen, keinen Nutzen für unsere Umwelt und einen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen. Aus diesem Grunde möchten wir die strengen Auflagen, Haftungsvorgaben und Vorschriften zur Risikovorsorge, die für die deutsche Plattform Mittelplate gelten, auch für die fast 400 anderen Ölplattformen im Wattenmeer angewendet wissen.