Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Der Schienentransport ist am 5. November planmäßig in Frankreich gestartet. Aufgrund von Ankettaktionen sowie Blockaden und Abseilaktionen erreichte der Zug den Bahnhof Lüneburg am 7. November gegen 15.45 Uhr, rund zwölf Stunden später als vorgesehen.

(Christian Meyer [GRÜNE]: Waren Sie dabei?)

Durch massive Angriffe auf Polizeikräfte, die Gleisanlagen zwischen Lüneburg und Dannenberg sowie auf die für den Polizeieinsatz erforderliche Logistik und Infrastruktur verzögerte sich der Transport weiter. Er erreichte Dannenberg erst rund 25 Stunden später als erwartet, am 8. November gegen 9.30 Uhr.

Werter Herr Meyer, ich will gerne auf Ihren Zwischenruf eingehen. Ich habe gestern auch in einer prominenten Sendung die Frage gehört: Wo war denn eigentlich der Innenminister? - Ich will Ihnen

genau sagen - Herr Bartling sitzt da hinten -: Es ist Tradition und eine gute Absprache zwischen dem Polizeipräsidenten und dem Einsatzleiter, dass sich Mitglieder der Landesregierung, auch der Innenminister, ständig über die Lage informieren lassen, auch im Lagezentrum anwesend sind und sich kümmern, gerade wenn noch zusätzliche Kräfte von anderen Bundesländern angefordert werden, dass sie aber bewusst nicht in das Wendland fahren. Denn das würde dazu beitragen, dass Kräfte gebunden werden, und unter Umständen nicht zur Befriedung beitragen. Es hier so darzustellen, als wäre man sich zu fein, ist absolut nicht in Ordnung. Das lasse ich Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Zuruf von Helge Limburg [GRÜNE])

Meine Damen und Herren, auch der am nächsten Tag durchgeführte Straßentransport wurde durch zahlreiche Blockaden behindert. Der Castortransport endete schließlich am Dienstag, 9. November, gegen 9.50 Uhr mit der Einfahrt aller Behälter in das Zwischenlager Gorleben.

Im Zuge der polizeilichen Einsatzmaßnahmen wurden nach derzeitigem Stand insgesamt 131 Einsatzkräfte verletzt, davon 78 durch Einwirkung anderer Personen. Allen verletzten Beamtinnen und Beamten wünsche ich, dass sie rasch genesen und blad wieder auf den Beinen sind.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich will gern hinzufügen: Auch allen anderen, die sich in den letzten Tagen verletzt haben und erkrankt sind, wünschen wir genauso beste Genesung. Das ist doch gar keine Frage.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Beamten sind bei dem Einsatz bis an ihre Leistungsgrenzen gegangen. Die körperlichen Anstrengungen, aber auch die psychischen Belastungen waren enorm. Es ist wahr: In der Spitze kam es zu mehr als 24 Stunden Dauereinsatz. Der Grund hierfür liegt aber vor allem in logistischen Problemen - als Folge der Blockaden von Zufahrtstraßen durch Störer - und nicht darin, dass zu wenig Kräfte zur Verfügung gestanden hätten.

(Zurufe von der LINKEN)

Ich habe Ihnen dargestellt, dass wir rechtzeitig zusätzliche Kräfte nachgefordert haben.

Ich habe mir in den Berichten angeschaut, wer die Blockaden der Zufahrtstraßen durchgeführt hat, leider auch mit Treckern u. a. Ich will ausdrücklich sagen, dass die Absprachen mit den Bürgerinitiativen gerade aus dem Wendland in der Regel gehalten und dazu beigetragen haben, dass zumindest ein Großteil friedlich demonstriert hat.

Aber denjenigen, die sagen, sie wollten nicht den Polizeibeamten schaden, sondern eine politische Botschaft aussenden, sage ich: Um eine politische Botschaft zu bekräftigen, braucht man nicht dem Einsatz der Polizei und damit den Polizisten vor Ort direkt zu schaden. Das sollte in der Zukunft auf jeden Fall unterbleiben.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten zolle ich Anerkennung und Respekt dafür, dass sie die einsatzbedingten Herausforderungen und Belastungen so professionell angenommen und bewältigt haben. Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Landesregierung ihre Fürsorgepflicht ernst nimmt. Deshalb ist es jetzt ganz wichtig, eine Ruhepause zu ermöglichen. Durch ein rollierendes System stellen wir sicher, dass ohne Einschränkung der polizeilichen Arbeitsleistung ausreichend Freizeit zur Verfügung steht.

Daneben bieten wir den Einsatzkräften aber auch eine finanzielle Ausgleichsmöglichkeit an. Wir stellen sicher, dass bis zu 45 % der angefallenen Überstunden bezahlt werden können. Ein Teil wird bereits im Dezember überwiesen, der Rest nach Freigabe des Haushalts 2011.

(Zustimmung von Björn Thümler [CDU])

Meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen haben am Montag beschlossen, zusätzlich zu den bereits eingestellten Mitteln 500 000 Euro für das nächste Jahr zur Verfügung zu stellen - ein gutes, ein richtiges Signal. Herzlichen Dank für diesen Beschluss!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu Recht fordern die Gewerkschaften ein deutliches Zeichen der Wertschätzung für unsere Polizei. Zugegeben, durch die katastrophale finanzielle Situation in den letzten Jahren haben wir dem öffentlichen Dienst insgesamt einiges zumuten müssen. Deshalb bin ich dem Finanzminister und den Regierungsfraktionen außerordentlich dank

bar, dass im Haushalt 2011 Stellenhebungen im Umfang von fast 400 Beförderungen beschlossen sind. Denn damit können wir dem Ziel, Dienstposten und Stellen in Einklang zu bringen, erheblich näher kommen. Ich sage Ihnen: Das ist nur gerecht.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wie bei den früheren Transporten hat die Polizei ein differenziertes Sicherheitskonzept verfolgt: einerseits friedlichen Versammlungen so viel Raum geben wie möglich; andererseits konsequent einschreiten, um gewalttätige Aktionen zu unterbinden.

Die Landesregierung bekennt sich klar zur Demonstrationsfreiheit, die in Artikel 8 des Grundgesetzes verankert ist. Diese ist ein hohes und wertvolles Rechtsgut in unserer Demokratie. Sie zu achten und zu schützen, ist unsere Pflicht.

Schutz der Demonstrationsfreiheit bedeutet aber auch: Diejenigen, die unter dem Deckmantel des Versammlungsrechts Straf- und Gewalttaten planen und begehen, müssen konsequent zur Verantwortung gezogen werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Denn diese Kräfte sind es, die friedliche Proteste missbrauchen und die Demonstrationsfreiheit aushöhlen. Um es auf den Punkt zu bringen: Wer friedlich demonstriert, den schützt unser Rechtsstaat. Wer aber die Versammlungsfreiheit demontiert, den bekämpft unser Rechtsstaat.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ein wesentlicher Baustein für das Gelingen des Castoreinsatzes ist die Kooperation und Kommunikation zwischen den vor Ort Beteiligten. Ich möchte eine Aussage herausstellen, die ich im Vorfeld des Transports von verschiedenen Protestgruppen gehört habe: Die Polizei ist nicht unser Feind. - Diese Aussage kann als ein Beleg dafür gelten, dass eine Vertrauensbasis vor Ort gewachsen ist. Es besteht ein gegenseitiges Verständnis über die Interessen der Bürgerinitiativen einerseits und den Handlungsauftrag der Polizei andererseits. Vielleicht erinnern Sie sich: Das war in den 1990erJahren noch anders.

Das Konfliktmanagement der Polizei vermindert bei den Castoreinsätzen frühzeitig Konfliktpotenziale. Insgesamt waren 13 Konfliktmanagerteams im Einsatz, die dazu beigetragen haben, genau dieses Klima zu schaffen.

Offene Kommunikation und Diskussion, ein Aufeinander-Zugehen und weitere vertrauensbildende Maßnahmen sind unerlässlich und haben sich auch bewährt. Solche Maßnahmen helfen, das Verhalten gegenseitig transparent zu machen und damit Handlungsspielräume zu schaffen. Auf diese Weise konnte die Polizei auch beim aktuellen Castortransport mit friedlichen Demonstranten und Bürgerinitiativen durchaus erfolgreich kooperieren.

Kein Zweifel: Der ganz überwiegende Teil der Teilnehmer des Anti-Atom-Protests hat friedlich demonstriert. Besonders gefreut hat mich übrigens der friedliche Verlauf der Schülerdemonstration in Lüneburg am Freitag. Das war ein guter Auftakt. Das hatten wir auch anders. Mir war wichtig, dass gerade die Schülerinnen und Schüler hier auch ein Zeichen gesetzt haben.

(Klaus-Peter Bachmann [SPD]: Ein Zeichen gegen Ihre Atompolitik!)

Ich glaube, das darf man auch erwähnen. Diese friedliche Demonstration war ein richtiger Protest.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Helge Limburg [GRÜNE])

Herr Bachmann, ich bin für diesen Zwischenruf wirklich dankbar; denn anders als andere hat diese Landesregierung von Anfang an gesagt: Natürlich akzeptieren wir Protest. Wir akzeptieren Andersdenkende, gerade auch bei einer so schwierigen Frage. - An dieser Stelle darf ich Sie daran erinnern, was der Bundesumweltminister - - -

(Zuruf von Kurt Herzog [LINKE] - Un- ruhe - Glocke des Präsidenten)

- Entschuldigung; ich kann da auch mal anders argumentieren.

(Kurt Herzog [LINKE]: Sie wissen ge- nau, dass die Ärger kriegen! - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Wenn der Innenminister dieses Landes ausdrücklich hervorhebt, dass es eine Demonstration von Schülerinnen und Schülern - man kann natürlich darüber streiten, ob es gut ist, dass sie dafür den Unterricht verlassen haben - gegeben hat, die friedlich verlaufen ist und damit ein wichtiges Signal ist, dann sollten Sie das einmal zur Kenntnis nehmen und nicht gerade in dieser Situation dazwischenschreien.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich erinnere mich noch ganz genau daran, dass Bundesumweltminister Trittin im Jahr 2001 anläss

lich des Castortransportes gesagt hat: Ich kann den Protest anlässlich dieses Transportes überhaupt nicht verstehen. - Meine Damen und Herren, ob man es versteht oder nicht: Wir akzeptieren eine andere Meinung. Das ist, glaube ich, das Wichtigste, gerade in einer so heiklen Frage. Das lassen wir auch nicht in irgendeiner Weise anders darstellen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Doch zur Wahrheit gehört leider auch: Es haben sich während des aktuellen Castortransports massive Straf- und Gewalttaten ereignet, leider deutlich mehr als beim vergangenen Transport.