Protokoll der Sitzung vom 05.06.2008

Die CDU und die FDP sind diejenigen, die den wichtigen Schritt der Schulzeitverkürzung gehen. Das, was Sie von der SPD hier „hektische Maßnahmen“ und auch „Schnellschüsse“ nennen - so netterweise gegenseitig dann auch noch im Clinch -, läuft jetzt in Hessen ganz anders. Dort werden die Vorschläge des CDU-Kultusministers, die unseren gar nicht so unähnlich sind, als „Sofortprogramm“ anerkannt. Sie werden aber nicht als „Schnellschüsse“ oder ähnliches bezeichnet.

Der niedersächsische Wahlkampf liegt inzwischen mehr als vier Monate zurück, und jetzt sollte die Sacharbeit im Vordergrund stehen.

(Zustimmung bei der CDU)

Die Ministerin hat deshalb Zeichen gesetzt und den runden Tisch einberufen. Inzwischen hat sie deutliche, konkrete und sachlich gegliederte Ergebnisse vorgelegt.

(Zustimmung bei der CDU)

Sie werden von der politischen Gemengelage aber daran gehindert, einen vernünftigen Blick auf die Realität zu werfen.

(Ursula Körtner [CDU]: Das stimmt! Das ist wohl wahr!)

So kritisiert die SPD z. B. verschärfte Anforderungen mit dem Hinweis auf die Vergleichsarbeiten. Im Übrigen hätte ich mir gewünscht, dass Sie auf Ihren eigenen Antrag ein bisschen genauer eingegangen wären. Das haben Sie aber nicht getan. Warum wohl?

Wir alle waren uns einmal darüber einig, dass Leistungsstandards eingeführt und dann auch kontrolliert werden sollten. Interessant fand ich in diesem Zusammenhang die im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft erstellte Studie „PolitikCheck Schule“ des Instituts der Deutschen Wirtschaft - vor ungefähr zehn Tagen herausgekommen -, die gerade Niedersachsen von allen Bundesländern im Bereich Qualitätssicherung hohe Standards attestiert, und zwar eben durch interne Evaluation. Als Beispiel werden dabei just diese Vergleichsarbeiten sowie einige andere Dinge mehr genannt. So langte es dort zur Note zwei plus, und lediglich drei von 16 Bundesländern waren in diesem Bereich besser. Das sind die positiven Ergebnisse der Schulpolitik der vergangenen fünf Jahre.

(Beifall bei der CDU)

Auch das von Ihnen geforderte flexibel nach 12 oder 13 Jahren abzulegende Abitur haben wir schon längst. Darüber haben wir neulich doch gesprochen. Herr Poppe hat doch selbst Beispiele dafür angeführt. Dass an einer Schule nicht beides laufen kann, ist doch völlig klar. Wer in Niedersachsen langsamer auf das Abitur zusteuern will, geht in die Realschule und nach Klasse 10 in die 10. Klasse des Gymnasiums. Diese zwei 10. Klassen sind nie Wiederholung gewesen, da es Schulen verschiedener Geschwindigkeiten sind. So genau müssten wir schon einmal hingucken. Oder

er geht nach der 10. Klasse und jetzt sogar nach der 9. Klasse - die Ministerin hat es gesagt, und auch von Ihnen ist es eben direkt bemerkt worden - auf ein Gymnasium des berufsbildenden Bereiches.

Ich frage Sie ganz deutlich: Was ist das eigentlich anderes als - jetzt zitiere ich aus dem SPDAntrag - „die Flexibilisierung der Zeiten und Wege“, die Sie fordern? Diese Formulierung gefällt mir übrigens so gut, dass ich sie übernehmen werde. Da, wo wir die Flexibilisierung der Zeiten und Wege haben, sprechen Sie - gucken Sie noch einmal in Ihren Antrag - von „Ungereimtheiten“. Das verstehe, wer will; ich jedenfalls verstehe das nicht.

Die Ministerin hat nun für die Übergangsklassen - das ist das Entscheidende; denn wenn das System erst einmal läuft, brauchen wir uns keine Sorgen mehr zu machen - extra Förderstunden vorgesehen, wenn die Klassen größer sind, also mehr als etwa 30 Schülerinnen und Schüler umfassen. Sie gucken doch immer so gern in andere Bundesländer. Gucken Sie auch hier einmal richtig hin. Die Senkung der Klassenfrequenzen auf 30, wie dies in Hessen geschehen ist, können wir hier bei uns überhaupt nicht als Erfolg feiern. Warum nicht? - Weil wir im Schnitt eine Klassenfrequenz von nur 27 haben. Erkennen Sie das doch einmal an! Niedersachsen steht gut da.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Kreszentia Flauger [LINKE]: Gucken Sie sich doch einmal die Studienge- bühren von Hessen ab!)

- Darüber reden wir ein anderes Mal. Heute reicht die Zeit dafür nicht.

Vielleicht hätten Sie ja die Ergebnisse des runden Tisches abwarten sollen. Ich sehe den Beratungen gelassen, aber ohne jegliche Erwartung entgegen.

Zum Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hatten wir schon im April-Plenum gesprochen. Ich sage Ihnen ganz deutlich: Zum Abitur nach zwölf Jahren gibt es bildungspolitisch überhaupt keine Alternative.

(Beifall bei der CDU)

Der Niedersächsische Industrie- und Handelskammertag hat deshalb kürzlich festgestellt - wörtlich -: Im internationalen Vergleich sind zwölf Jahre nicht Turbo, sondern längst Standard. - Vielleicht nehmen Sie auch das einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei der CDU - David McAllister [CDU]: Richtig!)

Viele junge Leute in anderen Ländern haben ihr Studium schon mit etwa 23 Jahren abgeschlossen. In diesem Alter steuern sie bei uns gerade einmal auf die Zwischenprüfungen zu. Um dies zu verändern - jetzt machen wir einmal ganzheitliche Politik; das ist ja immer Ihr Wort -, gibt es drei wesentliche Stellschrauben: die Schulzeitverkürzung, die Straffung der Studiendauer und eine behutsame Senkung des Schuleintrittsalters. Diesen drei Stellschrauben hat sich diese Landesregierung in den letzten Jahren gewidmet, und sie tut dies auch weiterhin, und zwar um der jungen Leute willen, damit sie auf dem Arbeitsmarkt gleiche Wettbewerbschancen haben wie ihre europäischen Kollegen.

(Zustimmung bei der CDU)

Genau das erreichen wir jetzt. Deshalb wird G8, Frau Ministerin, ein Erfolgsmodell für Niedersachsen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Gleichwohl - das verhehle ich nicht - gibt es Sorgen bei einigen Eltern und Schülern, die man aber nicht instrumentalisieren sollte, auch wenn man in der Opposition sitzt. Sie sind nämlich besorgt darüber, dass die Anforderungen zu hoch sind, weil die Schulzeit kürzer ist und weil die Schülerinnen und Schüler das Abitur gemeinsam mit dem Jahrgang über ihnen machen. Außerdem bestehen Sorgen dahin gehend, dass zu wenig Freizeit und zu wenig Zeit für Hobbys vorhanden ist. Beides nehmen wir ernst, aber wir lehnen Dramatisierungen ab.

Ich betone nochmals: Der Begriff „Turboabitur“ - Sie können ihn so oft gebrauchen, wie Sie wollen - ist und bleibt falsch. Sie müssen diese Dinge im Gesamtzusammenhang der niedersächsischen Schulreform der letzten fünf Jahre sehen.

(Heiner Bartling [SPD]: Die war schlimm genug!)

Zwei Jahre OS sind abgeschafft worden, dadurch haben wir Spielraum geschaffen. Die Ausbildung am Gymnasium ist jetzt acht und nicht mehr sieben Jahre lang wie bei Ihnen. Das heißt, dieser Bildungsgang - heute geht es um die Gymnasiasten - ist länger und einheitlicher geworden. Das wollen wir erst einmal anerkennen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich halte deshalb fest: Eine um ein Jahr kürzere Schulzeit - das müssen wir auch den Eltern sagen; vielleicht sollten auch Sie einmal einen konstrukti

ven Dialog führen - bedeutet für unsere Kinder nicht, dass ein Jahr weniger Zeit zum effektiven Lernen bereitsteht.

Wir haben auch nicht die gesamte Stofffülle übernommen. Es ist richtig, dass die Ministerin jetzt bei der Aufgabe, die den Schulen zufällt, nämlich die Kerncurricula umzusetzen, ihre Hilfe anbietet, noch einmal Lernpläne straffen will und die Zahl der Förderstunden ausdehnt. Das sind weitere gute Ergebnisse des Runden Tisches. Meine Anerkennung!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Ich bin sicher, dass diese Maßnahmen die Sorgen der Eltern deutlich mindern werden.

Zum letzten Bereich der Sorgen: weniger Freizeit, keine Hobbys. Hier verteilen wir - das kann man auch anders formulieren, als Sie es getan haben; deshalb tue ich es - die Pflichtstunden von Klasse 5 bis 9 gleichmäßig, sodass nur einmal in der Woche Nachmittagsunterricht nötig ist. Zu der Anzahl der Klausuren, wenn sie in der Oberstufe reduziert werden: Bei kürzerer Oberstufenzeit bedeutet das eine Entlastung für Schüler wie Lehrer.

Vor allem aber gilt eines: Unsere Kinder verlieren ihre Kindheit und Jugend nicht durch unsere Schulzeitverkürzung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir holen gerade durch die Ganztagsschulen - und niemand hat so viele Ganztagsschulen eingerichtet wie diese Landesregierung in den letzen fünf Jahren -

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Widerspruch von der SPD)

viele Aktivitäten in die Schulen hinein - in den Bereichen Musik, Sport und Ähnliches -, die eigentlich vorwiegend zum Freizeitbereich gehören. Wir schaffen damit in meinen Augen einen neuen „Lebensraum Schule“, der bei Weitem nicht nur vom kognitiven Lernen geprägt ist. Das ist das Verdienst der Landesregierung der vergangenen Jahre, und das wird das Verdienst der Landesregierung der künftigen Jahre sein.

Ich stelle abschließend fest: Wir haben die Schulzeitverkürzung zum Abitur auf 12 Jahre und bleiben dabei. Unsere Schüler werden - Herr Poppe, Ihre Formulierung - dank der Flexibilisierung der Zeiten und Wege, die wir haben, das Abitur nach 12 oder 13 Jahren machen. Den Prozess des Übergangs gestalten wir sehr konkret mit allen

Beteiligten einvernehmlich. So wird die erfolgreiche Schulpolitik Niedersachsens der letzten fünf Jahre auch künftig fortgesetzt.

(Kreszentia Flauger [LINKE]: Um Himmels willen!)

Ich hätte mir gewünscht, Sie hätten die Ergebnisse des runden Tisches abgewartet und vielleicht diesen Antrag zurückgezogen. Ich denke, wir lehnen ihn ab.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke schön. - Zu einer Kurzintervention hat sich Herr Kollege Limburg von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gemeldet. Bitte schön!

Danke, Frau Präsidentin. - Frau Kollegin Bertholdes-Sandrock, ich möchte zwei Punkte Ihrer Rede scharf zurückweisen.

Erstens werfen Sie den Oppositionsfraktionen vor, dass wir die Ängste und Sorgen der Schülerinnen und Schüler missbrauchten, um hier damit Parteipolitik zu machen. Genau umgekehrt ist es richtig. Dieser Vorwurf fällt auf Sie zurück. Aufgabe von Politik ist es, Ängste und Sorgen von Menschen ernst zu nehmen. Das tun wir, und Sie ignorieren das alles.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)