Protokoll der Sitzung vom 07.12.2010

Das traurigste Kapitel aber ist immer noch Herr Sander. Obwohl er doch niedersächsischer Minister für Klima- und Umweltschutz ist, spiegelt sich im Haushaltsplan des Umweltministeriums der Klimaschutz an keiner einzigen Stelle wider.

(Björn Thümler [CDU]: Das ist ja ganz falsch!)

Im Wirtschaftsförderfonds des Wirtschaftsministeriums finden sich 2 Millionen Euro, im Jahr 2011 nur noch 1,8 Millionen Euro. Aber was wurde damit getan? - Sie haben eine Klimaschutzkommission mit anerkannten und ehrenwerten Experten zwei Jahre lang arbeiten lassen - mit anderthalbjähriger Verspätung; ich erinnere daran -, haben jetzt aber beschlossen, die Erarbeitung der Konzeption an Dritte zu vergeben. Ich finde, das ist ein Schlag ins Gesicht dieser Kommission und ihrer Mitglieder. Es ist ein weiteres Armutszeugnis für diese Landesregierung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch auf ein paar aktuelle Zahlen hinweisen. Im aktuellen Ländervergleich haben Sie extrem schlecht abgeschnitten. Sie haben sich in der aktuellen DIW-Bundesländerstudie zu erneuerbaren Energien von Platz 8 auf Platz 10 verschlechtert. Dort steht: In seinen Anstrengungen zur Nutzung regenerativer Energien hat das Land einen Platz im unteren Mittelfeld, bei der Programmatik sogar den letzten Platz. Ich zitiere aus der Studie:

„Nach eigenen Angaben liegt … ein Landesenergiekonzept für Niedersachsen im Entwurfsstadium vor, das noch im Jahr 2010 veröffentlicht werden soll.“

Ich glaube, Herr Umweltminister, wir werden das Konzept wieder einmal unter dem Tannenbaum finden, wenn Sie es denn überhaupt noch in diesem Jahr hinkriegen.

Es heißt weiter:

„Die Anstrengungen Niedersachsens für den technologischen und wirtschaftlichen Wandel haben sich im Vergleich zu anderen Ländern vermindert. Das politische Engagement für die Erneuerbare-Energien-Branche wird in Niedersachsen … am niedrigsten bewertet.“

Ich fasse zusammen: eine massive Verschlechterung im Zeitraum 2008 bis 2010, völlig falsche Weichenstellungen in der Energiepolitik, Fehlanzeige für den Vorrang von regenerativen Energien. Was findet sich denn hier von dem wieder, was Sie uns in Ihrer Regierungserklärung erzählt haben, Herr McAllister?

(Starker Beifall bei der SPD)

Noch etwas, was mit Wirtschaftspolitik zu tun hat: Niedersachsen als Agrarland Nummer eins ist mit der Ministerin Frau Grotelüschen wirklich schlecht vertreten. Dabei meine ich nicht nur die Auseinandersetzung um die Intensivtierhaltung und die Zustände dort. Zu den Fakten: Ihre Landwirtschaftsministerin bezeichnet in einem NDR-Auftritt mit fanatischem Bekennermut nun auch noch Stundenlöhne von 5 Euro in der Fleischverarbeitung als ausreichend, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Ich frage Sie, Herr McAllister: Geht’s noch? Wo bleiben denn Ihre Klarstellungen zu diesem Thema? Wollen Sie, dass Niedersachsen immer mehr zum Billiglohnland des Nordens verkommt? Stoppen Sie Frau Grotelüschen als Sprecherin des agrarindustriellen Komplexes! Stoppen Sie ihre hanebüchenen Vorstellungen von existenzsichernden Löhnen von 5 Euro in der Stunde, Herr Ministerpräsident!

(Starker Beifall bei der SPD - Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ein Thema, das auch mit Wirtschaft, aber nicht nur mit Wirtschaft zu tun hat, ist die Bildungspolitik in Niedersachsen. Sie ist wahrlich für Sie kein zentrales Zukunftsthema. Ich habe die Pressemitteilung der Regierungsfraktionen gelesen, die lautete: „Verlässlich und nachhaltig - Niedersachsen investiert in Bildung, Familie und Infrastruktur“. Mein Eindruck ist aber: Sie können nicht rechnen. Deshalb bieten wir Ihnen Nachhilfe an.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie haben 105 Millionen Euro Kürzung im Kultusetat plus eine globale Minderausgabe von 10 Millionen Euro. Das sind 115 Millionen Euro Einsparung - ein absoluter Rekord im Vergleich zu allen anderen Ressorts. Im Änderungsantrag Ihrer Fraktionen nehmen Sie aber nur 13,375 Millionen Euro zurück. Faktisch bleiben 100 Millionen Euro Einsparungen, es bleiben Kürzungen. Ich nenne das einen Etikettenschwindel. Niedersachsen investiert nicht in Bildung, sondern Niedersachsen kürzt bei der Bildung, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jens Nacke [CDU]: 115 minus 13 ist 100? Das ist auch keine gute Mathematik!)

Ihre Schulpolitik ist ohne Perspektive für die Schüler. Gleichzeitig betreiben Sie einen riesigen Aufwand, um Nebelmaschinen zur Verschleierung dieses Desasters aufzustellen. Auch die von Ihnen vorgeschlagene Oberschule ist ein Etikettenschwindel. Sie doktern unverantwortlich am Schulsystem herum und schaffen nur wieder eine neue Schulform. Anstatt alles offen zu besprechen, schlagen Sie nur halbgare Schulkonsense vor. Wir haben gesagt, wir verweigern uns nicht, und das bleibt auch so, Herr Althusmann.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir setzen einen Schwerpunkt auf gute Schule. Ich sage da nur: 62 Millionen Euro für 1 500 Vollzeitlehrerstellen, für die Ausstattung von Ganztagsschulen, kleinere Klassen, Beratungslehrkräfte und Schulsozialarbeit. So einfach geht das.

5 Millionen Euro für Inklusion: Niedersachsen ist da immer noch auf dem letzten Platz. Nur 6,6 % der Schüler mit Förderbedarf werden gemeinsam mit anderen Schülern unterrichtet. Wissen Sie, was der Bundesschnitt ist? - 18,4 %. Das ist ein Skandal.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, zur Bildung gehört auch der Wissenschaftsetat. Wir werden die Einsparung von 1,9 Millionen Euro in der Erwachsenenbildung komplett zurücknehmen. Wir werden auch die Studiengebühren zurücknehmen. Sie sind unsozial; wir werden sie abschaffen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Um auch wirklich das ganze Thema der sozialen Gerechtigkeit zu benennen: Im Sozialhaushalt fuhrwerken Sie genauso unverantwortlich herum. Sie planen Streichungen und Kürzungen. Sie schneiden 96 Millionen Euro aus dem Sozialetat des Landes heraus. Auch dieser Etat ist überproportional betroffen. Schwarz-Gelb leistet es sich damit, ausgerechnet denjenigen Menschen, die die Krise nicht verursacht haben, die gar nichts dafür können, einen Großteil der Krisenkosten aufzubürden. Das ist eine Unverschämtheit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD - Zuruf von der CDU: Falsch!)

Dann streichen Sie in der Altenpflege, obwohl sie die zentrale Zukunftsherausforderung für uns darstellt. Zeigen Sie doch einmal etwas mehr Wertschätzung für die häusliche Pflege und für die Altenpflegeberufe! Kümmern Sie sich doch einmal um eine solidarische Altenpflegeausbildung! Das ist in Niedersachsen längst überfällig. Sie sind auch in der Altenpflege bundesweit zum Schlusslicht geworden.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, damit es nicht vergessen wird, erinnere ich daran, dass Sie in der Behindertenhilfe 30 Millionen Euro streichen wollen. Wir setzen wieder 30 Millionen Euro für die Behindertenhilfe ein.

Wir wollen auch das Programm „Soziale Stadt“ wieder kompensieren und setzen 11 Millionen Euro für den Kinderschutz ein. Es ist also schlichtweg falsch, Herr McAllister und Frau Özkan, zu sagen, die Sozialkürzungen seien alternativlos; so sind Sie zitiert worden.

(Johanne Modder [SPD]: Es gibt im- mer eine Alternative!)

Richtig ist: Sie haben den Rahmen selber verengt, indem Sie für die Steuerprivilegien für Hoteliers gestimmt haben, die alleine 33 Millionen Euro Mindereinnahmen bringen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

In alle diese Zukunftsaufgaben muss investiert werden. Wir dürfen nicht weiter zurückfallen. Wir wissen, dass Sie schon auf kurze Sicht fahren. Auf kurze Sicht fahren wir aber in die Sackgasse.

Meine Damen und Herren, das Land ist nicht in der Lage, das strukturelle Defizit seines Staatshaushaltes allein durch immer neue Einsparungen dauerhaft auszugleichen. Deswegen haben wir ein langfristiges Konzept erarbeitet, gerade für die Zeit nach 2013 im Bund und im Land. Der Spielraum für staatliches Handeln muss deutlich erweitert werden. Deshalb sind dauerhafte Einnahmeverbesserungen notwendig. Verweigern Sie sich dieser Diskussion bitte nicht weiter!

(Zustimmung bei der SPD)

Um staatliche Aufgaben nachhaltig und angemessen erfüllen zu können, ist es nötig, Haushalte zu konsolidieren. Auch den Vorgaben des ab 2020 geltenden Neuverschuldungsverbotes muss Rechnung getragen werden. Das Land darf dabei aber die Lasten der Schuldenbremse nicht auf die kommunale Ebene abwälzen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Wir fordern deshalb: Werden Sie tätig! Die Einnahmen müssen verbessert werden. Wir fordern deshalb folgende Steuerrechtsänderungen: Wir sprechen uns für die Wiedereinführung einer Vermögensteuer aus.

(Ulf Thiele [CDU]: Alte Leier!)

Wir wollen eine ordentliche Erbschaftsteuer. Wir wollen eine Erhöhung der vermögensbezogenen Steuern, und wir setzen uns dafür ein, dass sie an den EU-Durchschnitt angepasst werden. Wir verlangen von Ihnen ferner die Streichung unsyste

matischer und unsinniger Ermäßigungstatbestände.

(Ulf Thiele [CDU]: Den Mittelstand wollen Sie zur Kasse bitten!)

Der Spitzensteuersatz im Einkommensteuerrecht ist wieder anzuheben.

(Beifall bei der SPD sowie Zustim- mung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Selbst Ihr Herr Minister Busemann hat sich unlängst dafür ausgesprochen. Hören Sie auch da auf die Kirchen!

(Jens Nacke [CDU]: Ist das die Rede vom letzten Jahr?)

Insgesamt könnte das Land mit Mehreinnahmen von über 1 Milliarde Euro jährlich rechnen. Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Herausforderung ernst! Die Zeiten haben sich da wirklich gewandelt.