Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

(Beifall bei der SPD und Zustimmung von Kreszentia Flauger [LINKE])

Meine Damen und Herren, Ordnung im Arbeitsmarkt bedeutet auch mehr Steuereinnahmen für den Finanzminister und die Schonung der Sozialkassen. Keiner möchte hier im Land Aufstocker sein, weil er trotz Vollzeitarbeitsplatz unterhalb der Armutsgrenze arbeitet und lebt. Durch Ihre Tatenlosigkeit machen Sie aber viele Menschen dazu.

Hinzu kommt die ungleiche Entwicklung in Niedersachsen. Die Arbeitslosenquote beträgt in Delmenhorst 10 %, im Emsland und in der Grafschaft liegt sie unter 5 %. In Leer gibt es nur einen Ausbildungsplatz für zwei Ausbildungsplatzbewerber, während in Hannover für jeden Berufsanfänger ein Ausbildungsplatz angeboten wird.

All dies zeigt die regional völlig unterschiedlichen Startchancen in Niedersachsen. Aber Sie haben die Verpflichtung, für gleichwertige Lebens- und Arbeitsmarktchancen in allen Regionen Niedersachsens zu sorgen.

Den besonderen Herausforderungen 2011 antworten Sie sogar mit Kürzungen bei Ausbildungs- und

Qualifizierungsmitteln in Höhe von 2 Millionen Euro.

(Ralf Borngräber [SPD]: Unglaublich!)

Hier besteht aber dringender Handlungsbedarf für die Landesregierung.

(Präsident Hermann Dinkla übernimmt den Vorsitz)

Dritter Punkt, die Wirtschaftsförderung. EFRE und GRW bilden den eigentlichen Wirtschaftsfördertopf des Landes. Von den 292 Millionen Euro sind lediglich 82 Millionen Euro, also ganze 28 %, Eigenmittel des Landes. Wir alle haben noch Ihre Vollbremsung bei der einzelbetrieblichen Förderung in schlechter Erinnerung: Bis zum Bundestagswahltermin den Unternehmen und den kommunalen Wirtschaftsförderern Hoffnungen machen, und jetzt das Programm auf Sparflamme weiterfahren.

Aber es kommt noch schlimmer: Die GRW-Mittel des Bundes werden Sie laut Mipla nicht einmal mehr voll ausschöpfen, weil Sie die Kofinanzierung reduzieren. Einerseits wollen Sie verstärkt die KMU fördern, andererseits kürzen Sie die Mittel. 2011 verzichten Sie auf 1 Million Euro, und 2013 und 2014 soll auf jährlich 10 Millionen Euro verzichtet werden. Das heißt, die Wirtschaftsförderung wird dann in diesen Jahren um 40 Millionen Euro zurückgefahren.

Auch eine realistische Betrachtung Ihres erfolglosen Innovationsfonds fehlt. Auch hier wird deutlich, dass das Ministerium jahrelang auf das völlig falsche Pferd gesetzt hat.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Was?)

Obwohl Sie bei der Ausbildung, bei Innovationen, an Hochschulen oder der Energieeffizienz erfolgreich fördern könnten, werden die Mittel nicht einmal zu 20 % wirksam eingesetzt.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Bereich Infrastruktur. Das Thema JadeWeserPort als größtes industriepolitisches Projekt des Landes Niedersachsen ist Dauerthema im Wirtschaftsausschuss und im Landtag. Keiner hätte vor Jahren vermutet, wie eine Landesregierung ein solches Megaprojekt kaputtregieren kann.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, verschobene Inbetriebnahme, schlechte Verträge mit den Hafenbetreibern und ungelöste Aufgaben zum Thema Hinter

landanbindung. Nicht einmal die zeitgemäße Fertigstellung der Zweigleisigkeit bis zur geplanten Inbetriebnahme des Hafens 2012 ist heute sicher, entgegen allen vollmundigen Erklärungen der letzten Wochen.

Für eine komplette Ertüchtigung der Bahnstrecke sind laut Bundesverkehrswegeplan 471 Millionen Euro notwendig. Die auf drei Jahre gesplitteten 180 Millionen Euro reichen nicht für die Elektrifizierung und die Sanierung des bestehenden Gleiskörpers und für den Lärmschutz. Aber am schlimmsten ist: Ob die noch fehlenden 290 Millionen Euro überhaupt zur Verfügung gestellt werden, ist völlig offen.

Der Ministerpräsident hat vor vier Wochen hier im Plenum versucht, die Teilfinanzierungszusage des Bundes als großen Erfolg seiner Regierung darzustellen. In Wahrheit war es die bisher größte und folgenschwerste Niederlage für Niedersachsen und die maritime Wirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, beim Straßenbauplafond haben wir einen geplanten Rückgang von 76 Millionen Euro in 2010 auf 61 Millionen Euro im Jahr 2011. Trotz dringlicher Hinweise des Landesrechnungshofs lassen Sie geplant Landesvermögen verkommen.

(Heinz Rolfes [CDU]: Das ist doch gar nicht wahr!)

Wir fordern mindestens die Beibehaltung des alten Haushaltsansatzes. Das haben Sie nicht einmal als Fraktion erreicht, Herr Rolfes. Hören Sie doch auf!

Zur Y-Trasse möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Die Länder Bremen, Hamburg und Niedersachsen haben sich bereit erklärt, Mittel für die Planung der Y-Trasse vorzufinanzieren. In der Mipla geschieht ein Jahr lang erst einmal gar nichts. Dann werden für 2013 und 2014 zaghaft 8 bzw. 7 Millionen Euro eingestellt. Man gewinnt immer mehr den Eindruck, dass Sie das Projekt am liebsten der nächsten Landesregierung überlassen möchten. Dann sind Sie die Last wenigstens los. Wir helfen Ihnen da gerne.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Da müssen Sie bis 2038 warten!)

- Den Eindruck habe auch ich: Bei der Y-Trasse bis 2038 warten. So sind Sie gewickelt.

(Hans-Christian Biallas [CDU]: Dann geht der Ministerpräsident in den Ru- hestand!)

In der Zwischenzeit hätten wir uns einen größeren Ansatz zur Ertüchtigung der vorhandenen Schienennetze in Niedersachsen gewünscht, übrigens auch bei den NE-Bahnen. So verteidigt man nicht den Anspruch, Logistik- und Transitland Nummer eins in Deutschland zu werden oder zu bleiben.

Der Bund hat geplante Bahnprojekte überprüft und verschiedene Bauvorhaben gestrichen. Wieder einmal besonders stark betroffen ist Norddeutschland. In Niedersachsen werden die Projekte Langwedel–Uelzen, Oldenburg–Leer und Minden– Haste–Seelze nun als nicht mehr wirtschaftlich eingestuft. Dem haben Sie nichts entgegengesetzt.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Bereich Tourismus. Der Tourismus ist für Niedersachsen ein wichtiges wirtschaftliches Standbein. Nach Automobil- und Chemieindustrie steht der Tourismus an dritter Stelle in unserem Land. Wir wollen eine ausgewogene Entwicklung für ganz Niedersachsen, d. h. Harz, Heide, Küste und Weserbergland. Als sogenannte freiwillige Leistung definiert, bremsen Sie in diesem Bereich finanzschwache Kommunen immer weiter aus.

(Zustimmung bei der SPD)

Auch diese Kommunen müssen die Chance haben, in Tourismus zu investieren; denn da liegen Chancen, auch für finanzschwache Kommunen.

Meine Damen und Herren, last, but not least: Gute Arbeit sowohl der Verbraucherzentrale Niedersachsen als auch der niedersächsischen Verkehrswacht braucht weiterhin die Unterstützung des Landes. Ich habe auch im Hinblick auf die Verkehrswacht eine Bitte: Verkomplizieren Sie nicht die Auszahlung der Mittel durch Interventionen der NBank! Das ist kontraproduktiv.

(Klaus Krumfuß [CDU]: Das kriegen wir schon hin!)

Meine Damen und Herren, ich komme zum Fazit. Im Sommer dieses Jahres hat Ihnen das NIW im Regionalbericht Norddeutschland 2010 über aktuelle wirtschaftliche Entwicklungen des Landes die tatsächliche Lage Niedersachsens ins Stammbuch geschrieben. Dort wird zum Punkt „Herausforderungen und Handlungsbedarfe“ aufgeführt:

Erstens. Niedersachsen hat eine niedrigere Erwerbsquote von Frauen.

Zweitens. Das Land hat ein Defizit an Studierenden, die mehr als 10 % unter dem Bundesdurchschnitt liegt.

Drittens. Es besteht eine unter dem Bundesdurchschnitt liegende Lehr- und Forschungstätigkeit an Hochschulen.

Viertens. Die Quote der Hochqualifizierten liegt unter dem westdeutschen Durchschnitt.

Fünftens. Die niedersächsische Wirtschaft verfügt über unterdurchschnittlich viele Beschäftigte in technischen Berufen mit Ingenieurqualifikationen.

Sechstens. Die Arbeitnehmereinkommen liegen deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.

Siebtens. Die Steuerkraft unserer Städte und Kommunen ist schwächer als der Durchschnitt.

Herr Bode, das sind keine Siegesmeldungen! Was unternehmen Sie, um diesen Rückstand von Niedersachsen aufzuholen?

Ein anderer Abschnitt des NIW-Gutachtens ist mit der Überschrift „Besondere Problemräume in Norddeutschland“ versehen. Drei von vier Problemräumen liegen in Niedersachsen. Diese Problemräume sind: das gesamte südliche Niedersachsen mit dem Harz, dem Raum Göttingen/Northeim sowie dem Weserbergland,

(Zuruf von der SPD: Wohlstandsge- biet Göttingen! - Hans-Christian Bial- las [CDU]: Alles SPD-regiert!)

das nordöstliche Niedersachsen mit den Landkreisen Lüchow-Dannenberg, Uelzen und Teilen von Lüneburg und der niedersächsische Küstenraum, insbesondere der Unterweserraum mit den Landkreisen Wesermarsch und Cuxhaven sowie der Raum Wilhelmshaven. All diesen Problemräumen wird attestiert, dass ihre mehrdimensionalen Struktur- und Entwicklungsprobleme trotz des Einsatzes von Förderinstrumenten bisher nicht oder nur geringfügig entschärft werden konnten.

Auch hier frage ich Sie, Herr Bode: Wie soll es weitergehen? Welche Lösungsansätze haben Sie? - Weite Teile Niedersachsen gelten als Problemräume. Haben Sie diese großen Teile unseres Landes bereits aufgegeben? - Das darf doch nicht wahr sein!

Meine Damen und Herren, neue Akzente für die Zukunft werden wenig gesetzt. Der erfolglose Zu