Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Wir haben es in den vergangenen Tagen auch schon an anderer Stelle gehört - ich kann es nur wiederholen -: Der Haushaltsentwurf der Regierungskoalition ist durchgehend fantasielos. Dies werde ich anhand von Beispielen beschreiben.

Die von der Landesregierung endlich selbst vorgenommene Abschaffung des sogenannten Innovationsfonds, der seinen Namen nie verdient hatte, war übrigens seit Jahren überfällig. Arbeitsmarktpolitische Anreize für die Förderung von guter Arbeit mit guten Löhnen sind im Landeshaushalt faktisch nicht vorhanden. Das ist umso schwerwiegender, als die schwarz-gelbe Bundesregierung gleichzeitig einen Kahlschlag in der Arbeitsmarktpolitik durchgedrückt hat.

Im Bereich Verkehr hält die Landesregierung in nicht hinnehmbarer Weise an der Priorität von Straßeninvestitionen gegenüber umweltfreundlichen Schienenprojekten im Verhältnis 60 : 40 fest.

Die seit dem Jahr 2006 anhaltende Kürzung der Regionalisierungsmittel des Bundes für den Schie

nenpersonennahverkehr wird im Jahr 2001 nicht, wie bislang, durch entsprechende zusätzliche Landesförderung ausgeglichen.

Zugleich lässt die Landesregierung die Landesstraßen in einem schlechten Zustand. Mittlerweile sind 90 % des Straßennetzes beschädigt. Fast die Hälfte darunter weist bereits mittlere und starke Schäden auf. Der Verzehr von Landesvermögen ist immens.

Auf dem Verkehrsgebiet hält die Landesregierung an ihrem Prestigeobjekt, der Y-Trasse zwischen Hannover und Bremen bzw. Hamburg, das einmal mindestens 4,5 Milliarden Euro öffentlicher Gelder kosten soll, im wahrsten Sinne des Wortes halsstarrig fest.

(Zustimmung bei der LINKEN - Gerd Ludwig Will [SPD]: Wäre es einmal so!)

Dabei weisen doch mehrere aktuelle Gutachten, darunter im Auftrag des Umweltbundesamtes, darauf hin, dass die Y-Trasse ungeeignet ist - wir haben es hier schon ganz häufig angesprochen -, den wachsenden Hinterlandverkehr der Nordseehäfen zügig und mit einem angemessenen finanziellen Aufwand zu bewältigen.

(Beifall bei der LINKEN)

Die Landesregierung will mit der im Haushalt veranschlagten Vorfinanzierung von Planungskosten des Bundes für die Y-Trasse Pflöcke für ihr Prestigeobjekt eindrücken.

Es spricht manches dafür, dass die Regierungskoalition mit ihrer anhaltenden Befürwortung der Y-Trasse offenbar auf dem Weg ist, ihr eigenes Stuttgart 21 in Niedersachsen zu schaffen. Wann kommen Sie, Herr Ministerpräsident McAllister und Herr Verkehrsminister Bode, in dieser Frage endlich zur Vernunft?

(Zurufe von der CDU: Was?)

Sehr geehrte Kolleginnen und sehr geehrte Kollegen, die bemerkenswerte Stabilität der Beschäftigung selbst zum Höhepunkt der Krise war nicht etwa das Ergebnis der guten Arbeit der Landesregierung, das war hauptsächlich das Ergebnis der starken Ausweitung der Kurzarbeit sowie des Abbaus von Arbeitszeitkonten und Überstunden.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Die Beschäftigten haben dafür gesorgt, dass sie in den Betrieben bleiben konnten - mit teilweise großen finanziellen Einbußen.

Der im Jahr 2010 mittlerweile eingetretene Beschäftigungszuwachs auch in Niedersachsen ist vor allem auf den starken Zuwachs bei der Leiharbeit, die wieder das Rekordniveau von vor der Krise erreicht hat, zurückzuführen.

Meine Damen und Herren auf der rechten Seite des Hauses, Sie sprechen von - - -

(Unruhe)

Frau Kollegin, ich darf Sie einmal kurz unterbrechen. - Die Kolleginnen und Kollegen, die an dem Thema nicht interessiert sind, aber dennoch Gespräche führen möchten, will ich darauf hinweisen, dass sie das auch außerhalb des Plenarsaals tun können. Ich finde, dass die Rednerin auch die Aufmerksamkeit verdient hat. - Bitte!

Danke schön. - Die Damen und Herren von der rechten Seite des Hauses haben darauf hingewiesen, dass die Betriebe wieder einstellen und dass die Arbeitslosenzahlen in Niedersachsen zurückgegangen sind. Sie müssen sich dann aber auch fragen: Zu welchen Bedingungen?

Ich habe hier eine Skala. Die linke Seite ist Niedersachsen.

(Jens Nacke [CDU]: Das ist eine Landkarte, die ganz Deutschland zeigt! - Christian Grascha [FDP]: Da gibt es West und Ost! Das ist links und rechts!)

Die dunklen Bereiche beweisen eindeutig die Zunahme von Minijobs. „Ländlich, westlich, weiblich“ wurde das genannt. Niedersachsen ist einer der Schwerpunkte dieser Minijobs. Und da sprechen Sie von einer Erholung des Arbeitsmarktes!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Befristete Arbeitsverhältnisse greifen immer mehr um sich. Nahezu die Hälfte der Neueinstellungen in diesem Jahr ist befristet; ich habe gerade darauf hingewiesen. Vor allem Jüngere sind betroffen. 28 % der unter 35-Jährigen hatten bisher ausschließlich befristete Arbeitsverhältnisse. Mittlerweile gibt es in Niedersachsen über 100 000 Frauen und Männer, deren zu geringeres Erwerbsein

kommen durch Hartz IV aufgestockt werden muss. Meine Damen und Herren, das ist für ein reiches Land wie Deutschland unerhört!

(Beifall bei der LINKEN)

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Landesbudgets werden von der gegenwärtigen Konjunkturbelebung und den damit einhergehenden Steuereinnahmen geprägt. Frau König, Sie haben richtigerweise gesagt, dass das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr voraussichtlich um 3,4 % ansteigen wird. Sie haben aber versäumt, zu erwähnen, dass die Bundesregierung für das kommende Jahr nur 1,8 % Wachstum prognostiziert. Die entsprechenden Folgen muss man natürlich auch diskutieren.

Die Linksfraktion warnt daher auch ausdrücklich davor, zu glauben, dass die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise bereits ausgestanden ist. Nach wie vor birgt die wirtschaftliche Entwicklung hierzulande nicht zu unterschätzende Risiken, die auch zu einer jähen Wendung führen können. Gefahren ergeben sich vor allem aus der weiterhin nur schleppenden Erholung der wirtschaftlichen Entwicklung und der hohen Arbeitslosigkeit in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dort ist der höchste Stand der Arbeitslosigkeit seit zehn Jahren zu verzeichnen.

(Beifall bei der LINKEN - Ernst-August Hoppenbrock [CDU]: Wir haben eine niedrige Arbeitslosenzahl!)

Aber auch die anhaltende Krise des Euro, die eine wesentliche Ursache in der massiv gestiegenen Verschuldung öffentlicher Haushalte bzw. von systemrelevanten Banken - wie in Irland - in mehreren Staaten des Euro-Raums hat, ist für die Konjunktur in Deutschland gefährlich. Meine Damen und Herren, das dürfen Sie nicht vergessen.

(Jens Nacke [CDU]: Aber euer Bild zeigt doch Solidarität! Das hat Herr Dr. Sohn gesagt!)

Da die Krise nicht ausgestanden ist, sind auch im Landeshaushalt spürbare Impulse für die Nachfragesteigerung dringend geboten. Diese Notwendigkeiten ignoriert die Landesregierung jedoch in unverantwortlicher Weise - und das in einer Situation, in der die schwarz-gelbe Bundesregierung gleichzeitig die Städtebaufördermittel für 2011 massiv gekürzt hat.

Die öffentlichen Investitionen im Landeshaushalt, die bereits jetzt einen vorläufigen Tiefstand erreicht

haben, sollen von Herrn McAllister und Herrn Möllring im Jahre 2011 sogar weiter zurückgefahren werden.

Unverantwortlich sind die Kürzungen beim Hochbau, die im Einzelplan 20 veranschlagt werden, um sage und schreibe 30 % im Vergleich zum Etatansatz des Jahres 2010. Was soll angesichts rückläufiger Hochbauinvestitionen die dauernde Lobhudelei der Minister Möllring und Bode zur Initiative Niedersachsen, wenn die dort veranschlagten zusätzlichen Investitionen jetzt durch Kürzungen an anderer Stelle wieder einkassiert werden? - Das bringt dann doch überhaupt nichts!

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Linksfraktion setzt mit ihren Änderungsanträgen zu den Einzelplänen 08 und 20 andere Schwerpunkte im Landeshaushalt. Ich möchte auf vier ausgewählte Schwerpunkte und Änderungsanträge hinweisen.

Als einen Schwerpunkt unserer Haushaltsvorschläge beantragen wir u. a. die Auflage eines Programms zur Beschäftigungsförderung für Langzeitarbeitslose und junge Arbeitslose.

(Beifall bei der LINKEN)

Für das Jahr 2011 sollen 50 Millionen Euro an Barmitteln und ab 2012 jährlich ebenfalls 50 Millionen Euro an Verpflichtungsermächtigungen etatisiert werden. Es ist kein Ruhmesblatt, wenn Deutschland von allen OECD-Staaten den höchsten Anteil von Langzeitarbeitslosen an der Arbeitslosigkeit insgesamt hat. Das ist nicht mehr hinnehmbar. Dagegen muss etwas getan werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Viele junge Menschen werden nach abgeschlossener Ausbildung von den Betrieben und Verwaltungen nicht übernommen. Junge Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wiederum sind oft als Erste von Stellenstreichungen betroffen. Andere haben befristete Verträge ohne Aussicht auf Übernahme.

Mit der Auflage des Programms zur Beschäftigungsförderung soll zugleich in einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor für Menschen mit Vermittlungshemmnissen eingestiegen werden. Sie sagen eindeutig, dass Sie nur Menschen fördern wollen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Chance haben. Wir sagen: Alle Menschen müssen gefördert werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Darum sagen wir auch: In Niedersachsen soll im Jahr 2011 endlich damit angefangen werden und sollen 50 Millionen Euro aus Landesmitteln für einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor bereitgestellt werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter Schwerpunkt besteht für die Linksfraktion darin, die Investitionsnachfrage nachhaltig anzukurbeln und gleichzeitig wirksam zum Umweltschutz beizutragen. Daher beantragen wir die Auflage eines Investitionsprogramms für die energetische Sanierung von Landesimmobilien; denn dort gibt es einen großen Rückstau, und da kann noch viel gemacht werden. Das ist zugleich auch ein wichtiger Impuls, um die Nachfrage nach Bau- und Ausrüstungsinvestitionen anzukurbeln.

(Beifall bei der LINKEN)

Unauflöslich damit verbunden ist ein dritter Schwerpunkt, den unsere Fraktion für den Landeshaushalt setzt. Für die Sanierung von Landesstraßen sollen im nächsten Jahr 14 Millionen Euro und für die Einrichtung von Radwegen 10 Millionen Euro mehr an Barmitteln eingesetzt werden.