Protokoll der Sitzung vom 09.12.2010

Wir haben auch einen Vorschlag gemacht, wie wir uns das vorstellen. Wir wollen 1 000 Euro für jeden, unabhängig von der Besoldungsgruppe. Wir wollen ein lineares Weihnachtsgeld, damit sich nicht durch eine Prozentforderung die Spreizung innerhalb der Besoldungsgruppen noch mehr erweitert.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben zwei Personengruppen besonders in den Blick genommen, die uns wichtig sind. Auf der einen Seite sind es die Referendarinnen und Referendare, weil sie nur 85 % des Anwärtergrundbetrages bekommen. Es gibt überhaupt keine Erklärung für diese Kürzung. Wir schlagen deshalb vor, ihr Gehalt auf 100 % zu erhöhen; denn was sie bekommen, ist wahrlich nicht viel.

Ebenso fordern wir, den einfachen Dienst im Bereich der Justizwachtmeister abzuschaffen, damit diese verantwortungsvolle Tätigkeit auch anständig bezahlt wird, und haben deswegen hier entsprechende Stellenanhebungen vorgesehen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben im Bereich der Justiz auch einen Gegenfinanzierungsvorschlag gemacht. Sehen Sie ihn sich einmal genau an! Unsere Vorstellungen gehen nämlich davon aus, dass der Ermittlungsdruck im Bereich der Steuerhinterziehung erhöht wird, und wenn wir damit Erfolg haben, dann hat das zur Folge, dass auf der Einnahmeseite in der Position „Geldstrafen und Geldbußen“ bei den Finanzgerichten höhere Einnahmen zu erzielen sind. Es ist völlig klar: Wenn wir da mehr Ermittlungen haben, haben wir mehr Strafverfahren, und die Steuerhinterzieher zahlen mehr Geldstrafen.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Ich kann mir vorstellen, dass das bei einigen in diesem Haus nicht so gern gesehen wird.

In Übereinstimmung mit anderen Fraktionen haben auch wir gesagt: Wir brauchen zehn Sozialrichterstellen. - Wir haben dafür 1 Million Euro eingesetzt.

Herr Haase, ich glaube, Sie haben da nicht ganz richtig gerechnet. Denn Sie müssen natürlich auch das Personal berücksichtigen, das sich um die zehn Sozialrichterstellen rankt. Die Richter brauchen ja auch Geschäftsstellen. Deshalb, so glaube ich, war Ihr Ansatz im Haushalt mit 600 000 Euro wohl etwas zu niedrig. Sie haben ja eben zu Recht gesagt: Justiz ist mehr als nur die Richterschaft.

(Hans-Dieter Haase [SPD]: So ist es!)

Diese Sozialrichterstellen werden auch notwendig sein. Denn die 5-Euro-Provokation, die jetzt im Rahmen der Hartz-Gesetze kommen soll und die gegenwärtig wohl noch im Bundesrat beraten wird, wird mit Sicherheit nicht zu einem Rechtsfrieden in diesem Bereich führen. Das kann man jetzt schon vorhersagen.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Es ist damit zu rechnen, dass diejenigen, die auf diese Weise mit Armut bestraft werden, versuchen werden, sich vor Gericht zu wehren.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Zu Recht!)

- Das werden sie probieren, selbstverständlich.

Die Fülle der falschen Hartz-IV-Bescheide, die wir schon in der Vergangenheit hatten, zeigt ja, dass das kein Missbrauch der Justiz ist, sondern dass sie zu Recht geklagt haben. Das haben uns auch die Sozialrichter bestätigt.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Herr Biester, ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dieses merkwürdige Zitat - „Sozialgerichte schottern“ - erklärt haben. Ihre Kollegin Frau Mundlos hat dazu in der Debatte gestern ja etwas Merkwürdiges gesagt. Das will ich Ihnen kurz vorlesen. Sie sagte:

„Andere wollen zerstören. Das zeigt jedenfalls der Satz aus linken Kreisen: ‚Sozialgerichte schottern’. Der SPD sei gesagt: Wer sich mit solchen Leuten einlässt, wird am Ende sein blaues Wunder erleben.“

(Beifall bei der CDU)

Wer sind „linke Kreise“, und was ist das für eine Unterstellung, auch gegenüber der SPD?

Ich habe dann den Zwischenruf gemacht:

„Nennen Sie doch einmal die Quelle für dieses Zitat!“

(Jens Nacke [CDU]: Frau Mundlos hat das gesagt!)

Sie haben jetzt zumindest gesagt, woher Sie es haben. Ich hatte Frau Mundlos anschließend gefragt, ob sie mir die Quelle nennen wolle. Sie sagte mir nur, sie habe das aus dem Internet. Das war ihre ganze Antwort darauf.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Na und? Haben Sie geguckt und nichts gefun- den, oder was?)

Ich will noch ein Problem ansprechen, nämlich das der Beratungshilfe. Wir haben gegenwärtig die merkwürdige Situation, dass die Position „Beratungshilfe“ im Etatansatz gekürzt wurde, und zwar angeblich aufgrund geringerer Fallzahlen in der vorherigen Zeit. Aber was passiert denn gegenwärtig in diesem Bereich? - Dazu kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung berichten: Wir können zunehmend beobachten, dass die Rechtspfleger mit der Beratungshilfe restriktiv umgehen und sich dabei auf eine Bestimmung im Beratungshilfegesetz berufen, die lautet, dass jemand Beratungshilfe nur dann in Anspruch nehmen kann, „wenn … nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen“. Das wird nun immer so ausgelegt, dass die Rechtsuchenden aufgefordert werden, sich von ihrem späteren Prozessgegner beraten zu lassen.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das ist pervers!)

Da wird Leuten, die Sozialhilfe oder Hartz IV beantragen, gesagt, sie sollten zur Arge gehen und dort Rechtsrat einholen. Desgleichen habe ich erlebt, dass jemand, der einen Asylantrag stellt, sich vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge beraten lassen soll - dem späteren Prozessgegner, wenn er nicht anerkannt wird. So geht das nicht!

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung von Helge Limburg [GRÜNE])

Deshalb haben wir hier eine Erhöhung vorgesehen, um wieder zu gerechten Verhältnissen zu kommen, damit jeder - ohne finanzielle Schranken - Zugang zu rechtlichem Rat bekommt.

Ich will noch etwas zu dem ÖPP-Projekt Bremervörde sagen. 294 Millionen Euro stehen uns jetzt ins Haus, die ab 2012 nach und nach abgearbeitet werden müssen - für ein Gefängnis, das wir nicht brauchen, weil über 1 000 Gefängnisplätze leer stehen. Ich frage mich manchmal: Was machen wir 2013, wenn wir dieses Projekt bezahlen müssen, obwohl wir es nicht brauchen? - Vielleicht gibt es

die Lösung, das Projekt zu stoppen und mit dem Investor über eine Entschädigung zu verhandeln, sozusagen über einen Verdienstausfall bzw. für entgangenen Gewinn.

Was wir dann von Ihnen, Herr Busemann, eigentlich nur noch zu verwalten haben, ist erbärmlich. Ihre Rolle läuft deshalb darauf hinaus, dass Sie eigentlich nur noch eine Erblast für Ihre Nachfolger sind, die abzuarbeiten ist.

(Beifall bei der LINKEN und Zustim- mung bei der SPD)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich Herr Kollege Limburg zu Wort gemeldet. Bitte!

Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Biester, Sie haben zu Recht angesprochen, dass die Unterschiede im Bereich der Justiz traditionell nicht so gravierend sind. Darum hatte ich mich eigentlich auf eine - wie Sie es genannt haben - etwas sachorientiertere Rede vorbereitet.

(Ulf Thiele [CDU]: Jetzt können Sie die nicht halten! Das ist schade!)

Ich war davon ausgegangen, dass wir das so fortführen. Dann habe ich allerdings Ihrem Beitrag zugehört. Es tut mir leid, Herr Kollege, aber der reizt doch zu reichlich Widerspruch.

(Wilhelm Heidemann [CDU]: Was? - Jens Nacke [CDU]: Na, dann mal los!)

Sie haben davon gesprochen, dass Sie die Justizpolitik seit 2003 nie spektakulär gestalten. Da muss ich Ihnen sagen: Das wird doch dem Justizminister Busemann überhaupt nicht gerecht. Wenn ich mir seine bundespolitischen Vorstöße seit 2008 anschaue, dann stelle ich fest, dass viel Spektakuläres dabei war. Wenn Sie gesagt hätten: „Wir waren nicht immer erfolgreich“, dann würde ich sagen: Da haben sie recht.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Bei den Debatten über Fahrverbote, über die Sicherungsverwahrung usw. war viel heiße Luft dabei, aber wenig Konkretes.

(Zuruf von der CDU: Na! - Hans- Dieter Haase [SPD]: Stimmt! Das muss einmal gesagt werden!)

Die Äußerungen von Herrn Busemann zur Sicherungsverwahrung sind hier bereits ausreichend kritisiert worden.

Aber jetzt zur aktuellen Neuregelung: Ich bin Ihnen, Herr Dr. Biester, sehr dankbar, dass Sie die Probleme dabei angesprochen haben.

In der Tat ist der Wegfall der nachträglichen Sicherungsverwahrung grundsätzlich zu begrüßen. Aber es besteht natürlich die Gefahr, dass wir, gerade weil eine Sicherungsverwahrung jetzt auch schon bei Ersttätern angeordnet werden kann, häufiger zu einer vorbehaltenen Sicherungsverwahrung kommen, über die endgültig erst kurz vor Ende der Haftzeit entschieden werden muss.

Das heißt, es besteht während einer möglicherweise sehr langen Haftzeit eine Unsicherheit darüber, was danach kommt. Insofern ist die Neuregelung in diesem Punkt überhaupt nicht so positiv, wie es teilweise in der Öffentlichkeit dargestellt worden ist.

(Zustimmung von Hans-Henning Adler [LINKE])

Wir Grüne haben sie im Bundestag abgelehnt, und wir lehnen sie weiterhin ab. Wie das gemacht worden ist, ist aus rechtsstaatlicher Sicht höchst fragwürdig.