Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wie kann ein höherer Produktpreis eine Kontamination - sei es versehentlich oder absichtlich - verhindern? Höhere Lebensmittelpreise ändern nichts an dem Anreiz, minderwertige Rohstoffe zu verwenden und eine bessere Qualität als die tatsächlich vorhandene vorzutäuschen. Hier helfen nur Kontrolle und Strafverfolgung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich hinzufügen: Ein niedriger Lebensmittelpreis hat im Übrigen auch eine erhebliche soziale Komponente.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wenn wir heute, dankenswerterweise, eine Lebensmittelqualität nach höchsten internationalen Standards haben, so haben dies umfangreiches Fachwissen, äußerst empfindliche Analysemethoden, ein ausgefeiltes Überwachungssystem und strenge Gesetze bewirkt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Lassen Sie mich zum Schluss anmerken: Die Kontamination der Futtermittel ist nicht unvermeidbar gewesen; sie war auch kein Versehen. Sie ist mit krimineller Energie erfolgt.

(Lebhafter Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Leidtragende sind - neben den Verbrauchern - die mittelständischen landwirtschaftlichen Betriebe, nicht die großen Betriebe, die in integrierten Ketten ihre eigenen Futtermittelmühlen betreiben, nicht die kleinen Betriebe, die ihr eigenes Futter verwerten, sondern der Mittelstand, der sich arbeitsteilig aufgestellt hat und das Futter zukauft.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, wir leben in einer komplexen Welt. Nicht jeder ist bereit, sich mit den komplexen Zusammenhängen auseinanderzuset

zen. Aber wir alle als Verantwortliche in diesem Aufgabenfeld dürfen uns dieser Mühe nicht entziehen. Es führt zur weiteren Verunsicherung der Bürger, wenn hier falsche Erwartungen geweckt werden.

Für die Landesregierung gilt: Wir handeln, wir klären auf, wir machen Lösungsvorschläge und tragen die Umsetzung auch auf Bundesebene mit. Der Verbraucherschutz hat dabei absolute Priorität.

Ich danke Ihnen.

(Starker, nicht enden wollender Beifall bei der CDU und bei der FDP - Pat- rick-Marc Humke [LINKE]: So haben Sie bei Frau Grotelüschen auch ge- klatscht!)

Kolleginnen und Kollegen, wir treten in die Aussprache über die Regierungserklärung ein. Ich stelle fest, dass die Regierungserklärung knapp 16 Minuten gedauert hat. Nach unseren Gepflogenheiten erhalten für die nun folgende Aussprache die beiden großen Fraktionen die gleiche Zeit und die drei kleinen Fraktionen die Hälfte dieser Zeit. Somit ergeben sich folgende Redezeiten: für die Fraktionen der CDU und der SPD je 16 Minuten, für die Fraktion der FDP, die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und die Fraktion DIE LINKE je acht Minuten.

Ich erteile jetzt dem Kollegen Schostok das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Minister Lindemann, ich wünsche Ihnen zunächst, unabhängig von unseren unterschiedlichen politischen Einschätzungen über die Agrarpolitik des Landes Niedersachsen, viel Glück und Fortune in der Ausübung Ihres Amtes.

(Beifall)

Bei diesem Kabinett können Sie dieses Glück auch wirklich gebrauchen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist aller Ehren wert, Herr Minister Lindemann, dass Sie versuchen, für den Ministerpräsidenten die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Aber bei aller Wertschätzung und bei allem Bemühen, der Landesregierung wenigstens den Anschein des Handelns zu geben, muss ich leider sagen: Hier und

heute geht es nicht nur um Dioxin, die daraus resultierenden Folgen und diesen Skandal, sondern heute geht es um den Skandal im Skandal, meine Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

Es geht darum, dass sich diese Landesregierung seit Wochen als handlungsunfähig darstellt.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Dass sich ein Ministerpräsident über Wochen in der Staatskanzlei versteckt und sich selber aus der Verantwortung für dieses Land nimmt, hatte es in der Geschichte Niedersachsens bislang noch nicht gegeben.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Widerspruch bei der CDU - Ulf Thiele [CDU]: Herr Schostok, wo waren Sie eigentlich? Im Weihnachtsurlaub?)

Doch jetzt, Herr Ministerpräsident, haben Sie es ja geschafft, und Sie sehen auch erlöst aus.

(Zurufe von der CDU)

Herr Lindemann ist jetzt vereidigter Minister und Ihre Hoffnung heißt nun: Alles wird gut. Sie denken: Jetzt bin ich fein heraus. Sie haben sich wirklich durchlaviert, Herr McAllister.

(Beifall bei der SPD)

Wir hoffen für die Verbraucher und für die geschädigten Landwirte in diesem Land, dass Sie, Herr Minister, das, was Sie gestern bereits in einem Interview gesagt haben, einhalten und umsetzen können. Das kann und muss alles besser werden. Denn das, was sich die Landesregierung und vor allem der Ministerpräsident bisher geleistet haben, hat mit Krisenmanagement nicht das Geringste zu tun.

(Starker Beifall bei der SPD und bei der LINKEN - Karl-Heinrich Lang- specht [CDU]: Null Ahnung!) )

Meine Vorwürfe an Sie lauten:

Erstens. Sie verharmlosen eines der für unsere Gesundheit gefährlichsten Gifte, und damit verharmlosen Sie das Ausmaß der Krise.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Zweitens. Mindestens in drei entscheidenden Fällen sind in den letzten Wochen Informationen vom Staatssekretär, von Amtschef Ripke, bewusst zurückgehalten worden.

(Heinz Rolfes [CDU]: Was? Unglaub- lich! - Weitere Zurufe von der CDU - Johanne Modder [SPD]: Einfach ein- mal zuhören! - Glocke des Präsiden- ten)

Drittens werfe ich der Landesregierung sträfliches Nichtstun vor. Die Nichtakteure sind eindeutig der Ministerpräsident und Minister Sander. Letzter gibt es wenigstens im NDR-Interview zu. Er wenigstens hat die Größe.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der LINKEN)

An dieser Stelle möchte ich aber auch allen im Landesamt für Verbraucherschutz und bei den Landkreisen Verantwortlichen unseren Dank ausdrücken, die sich von Anbeginn der Krise unermüdlich im Einsatz befinden und die Verbraucher schützen.

(Beifall bei der SPD und bei der LIN- KEN)

Herr Lindemann, ich begrüße Ihre Ankündigung in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom gestrigen Tage, dass Sie - Zitat - die Agrarpolitik ausmisten wollen. Sie werden starke Verbündete brauchen, um das politisch durchsetzen zu können. Die finden Sie aber nicht in Herrn Ripke und auch nicht in Herrn Sander. Sie finden sie auch nicht im Herrn Ministerpräsidenten. Verlassen Sie sich nicht auf ihn! Denn Herr McAllister war in den vergangenen Tagen in der Lage, auch noch Öl ins Feuer zu gießen, anstatt Streit zu schlichten.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Lindemann, wir wünschen Ihnen bei dieser Herkulesaufgabe wirklich viel Erfolg. Das meinen wir ernst. Wir wünschen Ihnen viel Kraft und langen Atem.

Meine Damen und Herren, zum ersten Vorwurf! Wir befinden uns im Zentrum der größten Ernährungs- und Agrarkrise, die dieses Land je erlebt hat. Die vollständigen Ausmaße sind noch nicht einmal ablesbar. Das Vertrauen der Menschen in eine sichere Lebensmittelversorgung ist schlichtweg hin.

(Unruhe bei der CDU)

Die Absatzmärkte brechen ein. Niedersachsens Importpartner wenden sich ab. Und was erleben die Menschen hier? - Politikerstreit, Beteuerungen, man habe sofort gehandelt, man habe die Staatsanwaltschaft informiert.

Die Menschen fragen sich aber: Wie konnte es dennoch so weit kommen? Wie konnte es dazu kommen, dass Niedersachsen - das Agrarland Nummer eins, einer der wichtigsten Lebensmittelexporteure auf dem Weltmarkt - so ins Wanken gerät, dass sich Wirtschaftspartner vom Land Niedersachsen abwenden, dass sie unsere Produkte ablehnen, dass Betriebe, Existenzen und Arbeitsplätze vor dem Aus stehen und dass der Verbraucher schlichtweg nicht mehr weiß, wo er ins Einkaufsregal greifen soll und was er sich noch nehmen soll?