- ja, das kann man auch sagen, wenn es denn eingelöst wird -, der Bundesgesundheitsminister festgestellt hat: In der Pflege seien erstens eine bessere Ausbildung, zweitens bessere Arbeitsbedingungen, drittens höhere Löhne nötig, und viertens gebe es dort einen Fachkräftemangel. Hört, hört! Das sind alles Feststellungen von Herrn Rösler, die er zu Zeiten, als er noch hier gesessen hat, alle in Abrede stellte.
Man höre und staune: Als Therapie wird vorgeschlagen, die Ausbildung in der Kranken- und Altenpflege zusammenzulegen und eine Ausbildungsumlage in der Altenpflege bundeseinheitlich zu organisieren
sowie Zuwanderungsregelungen zu lockern. Falls das nicht nur die Erleuchtung in der Weihnachtszeit war, sondern die Erkenntnis noch anhält, kann ich nur sagen: Dann einmal los, meine Damen und Herren! Es wird höchste Zeit in dieser Frage.
Wir stellen genau das Gegenteil fest. Wir stellen eine Flucht aus Tarifverträgen fest, wir stellen fest, dass es ein Wettbewerbsnachteil ist, tarifgerecht zu bezahlen, dass es ein Wettbewerbsnachteil ist, Leute auszubilden, dass wir zwischenzeitlich in Niedersachsen, die wir seit vielen Jahren Schlusslicht in der Finanzierung der Altenpflege sind, im vergangenen Jahr die 16. Insolvenz in der Altenpflege innerhalb eines Jahres zu verzeichnen hatten.
Da kann ich nur sagen: Es wird in der Tat höchste Zeit, endlich dafür zu sorgen, dass diesem ausgesprochen schwierigen Beruf auch von den politischen Mehrheiten die Wertschätzung entgegengebracht wird, die er dringend nötig hat.
Es muss ja einen Grund haben, dass RheinlandPfalz und Baden-Württemberg seit fünf Jahren die Umlagefinanzierung wieder eingeführt haben. Insbesondere das baden-württembergische Gesetz empfehle ich einmal nachzulesen. Fest steht jedenfalls eines: In der gesamten Pflegebranche und im politischen Umfeld gibt es kein Erkenntnisdefizit, aber es gibt ein dramatisches Handlungsdefizit. Dies ist eine der wenigen Positionen, bei denen diese Landesregierung - leider - einmal an der ersten Stelle war. Da wäre es besser gewesen, Sie wären ganz hinten, meine Damen und Herren.
Nach allen wissenschaftlichen Aussagen gibt es momentan 30 000 Kräfte in der Pflege zu wenig. Das wird sich in den nächsten neun Jahren auf weit mehr als 200 000 erhöhen. Das DIW sagt: Im Jahr 2020 werden uns 230 000 Vollzeitpflegekräfte fehlen. Wir haben es mit einem Sozialministerium zu tun, das seit Jahren akzeptiert, dass wir in Nie
dersachsen Pflegesatzverhandlungen 17 % unter dem Bundesschnitt tolerieren. Verflixt! Sie haben die Rechts- und Fachaufsicht. Beanstanden Sie doch solche völlig undurchsichtigen Pflegesätze endlich einmal!
Meine Damen und Herren, in Niedersachsen besteht die Situation, dass im Durchschnitt monatlich 160 Euro Schulgeld bezahlt werden. Wie soll ich eigentlich jungen Menschen, die nicht das Glück haben, in einer BBS zu sein, sondern in einer ebenfalls hoch qualifizierten privaten Altenpflegeschule sind, klarmachen, dass sie für ihre Ausbildung auch noch 160 Euro im Monat mitbringen müssen? Das ist doch hoch kontraproduktiv. Das treibt die jungen Leute heraus, aber nicht hinein, meine Damen und Herren.
Deshalb plädieren wir für die Schulgeldfreiheit. Sie ist übrigens überhaupt nicht so teuer. Wenn Sie das über drei Jahre rechnen, bedeutet das für das Land Niedersachsen 6 Millionen Euro. Das ist genau der Betrag, den Sie gerade bei der Kurzzeitpflege gekürzt haben.
Lassen Sie mich einmal etwas zur Kurzzeitpflege sagen. Frau Ministerin, ich bin eigentlich davon überzeugt, dass Sie mit einer sehr sozialen Grundüberzeugung an viele Themen herangehen.
Deshalb wäre es mir ganz lieb, wenn Sie beim Thema Kurzzeitpflege aufhörten, immer nur das zu erzählen, was die Fachabteilung aufschreibt. Sie sollten sich einmal ein Bild davon machen, was eigentlich in der Kurzzeitpflege in Niedersachsen los ist.
Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Die eine ist: Da kommt jemand aus dem Akutkrankenhaus, weil er austherapiert ist, weil man ihm sagt: Jetzt gehen Sie in eine Pflege. - Dann wird es mit Kurzzeitpflege probiert, und während des Kurzzeitpflegeaufenthalts stellt sich heraus, dass es eine Überführung in Dauerpflege geben wird. Zu die
sem Tatbestand sagt Ihr Ministerium: Das ist eine missbräuchliche Anwendung der Kurzzeitpflege. - Nein, das ist falsch. Das ist im Ansatz der Pflegeversicherung so gewollt gewesen und ist auch zusätzlich gefördert worden.
Der andere Bereich der Kurzzeitpflege betrifft Menschen, die zu Hause gepflegt werden, bis die Angehörigen an den Rand der Erschöpfung oder darüber hinaus kommen, bis diese dringend einmal rausmüssen, um sich selber zu erholen. Dafür ist eine Unterbringung in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung nötig, die bis zu vier Wochen dauern kann. Auch zu diesem Bereich sagt Ihr Ministerium: Die gesamte Kurzzeitpflege in Niedersachsen wird zu über einem Drittel fremdbelegt, und weil das so ist, kürzen wir in der gesamten Kurzzeitpflege den Investitionskostenzuschuss. - Ich bezweifle, dass die Kurzzeitpflege zu einem Drittel fremdbelegt ist. Aber wenn es so ist, warum bestrafen Sie dann an dieser Stelle alle Einrichtungen, alle Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen?
Ich will Ihnen einmal sagen, was das bedeutet. Das wissen auch Sie. Wir haben in Niedersachsen 300 Betten in 22 solitären Einrichtungen der Kurzzeitpflege.
- Ja, 23. In Wirklichkeit sind es nur fünf, weil die anderen an Krankenhäuser angebunden sind. Wir haben ganze fünf solitäre Einrichtungen, und zwar nur in Ballungsgebieten, weil solitäre Kurzzeitpflegeeinrichtungen in ländlichen Bereichen betriebswirtschaftlich überhaupt nicht geführt werden können. Weil das so ist, hat es das Instrument der eingestreuten Kurzzeitpflege gegeben, das ganz viele dringend brauchen, und zwar die, die Pflegeplätze suchen, und die, die Pflegeplätze vorhalten. Jetzt kommen Sie als Landesregierung und sagen: Denen nehme ich den Investitionskostenzuschuss weg.
Sie haben auf eine Anfrage meiner Kollegin Frau Geuter beziffert, was das bedeutet. Das bedeutet nämlich, dass die zu Pflegenden oder Pflegebedürftigen bei vier Wochen Unterbringung im Jahr einen um 448 Euro höheren Eigenanteil zu tragen haben. Was heißt das unterm Strich? - Ich nenne zunächst nur die Zahlen für die Pflegestufe I: In der Pflegestufe I betragen die Kosten für die Pflegebedürftigkeit im Durchschnitt 2 300 Euro. Die
Kurzzeitpflege zahlt 1 510 Euro. Für die Angehörigen bleiben bei vier Wochen in der Pflegestufe I 790 Euro übrig, die sie selber finanzieren müssen. Jetzt setzen Sie noch einmal 448 Euro drauf. Betroffene in der Pflegestufe I müssen in der Kurzzeitpflege in Niedersachsen zukünftig 1 238 Euro selber aufbringen. In der Pflegestufe II sind es über 1 600 Euro, in der Pflegestufe III knapp 2 200 Euro. Das können diese Menschen nicht. Das können sie nicht bezahlen. Das bedeutet, dass diese Entscheidung auf dem Rücken der Pflegebedürftigen und der zu Pflegenden getroffen wurde, vor allem derjenigen im ländlichen Bereich.
Frau Özkan, Sie geben über 100 Millionen Euro im Jahr für die stationäre Pflege an die Sozialhilfeträger. Dabei ist diese Kürzung um 6 Millionen Euro nicht sachlich begründet. Sie ist aus rein fiskalischen Gründen auf den Weg gebracht worden. Ich halte sie für unverantwortlich. Ich halte sie für unanständig und für in hohem Maße unchristlich. Machen Sie das bitte im Interesse der Betroffenen so schnell wie möglich rückgängig! Das ist für die Fläche eine Katastrophe. Jeder von Ihnen, der in die Häuser geht, hört genau das, was ich Ihnen gerade gesagt habe, meine Damen und Herren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Antrag der SPD-Fraktion. Wir debattieren dieses Thema hier nicht zum ersten Mal.
Wir fordern seit Langem die Wiedereinführung der Umlage in der Altenpflegeausbildung. Wir halten die zu begrüßenden Zuschüsse des Landes an die Altenpflegeschülerinnen ebenfalls für nicht ausreichend und fordern die Schulgeldfreiheit. Vor allen Dingen finden auch wir, dass die Pflegesätze hier in Niedersachsen viel zu niedrig sind, skandalös niedrig im Vergleich zu den anderen Bundesländern.
Wir halten die Kürzung der Landesmittel in der Kurzzeitpflege zumindest in großen Teilen für falsch, nämlich in den über 60 % der Fälle, wo sie richtig angewendet wird, nämlich als originäre Kurzzeitpflege. Dazu hatten wir einen entsprechenden Haushaltsänderungsantrag gestellt.
Meine Damen und Herren, ich glaube, heute, fünf Jahre nach der Veröffentlichung des Pflegeberichtes der Landesregierung, zweifelt keiner mehr an, dass wir in Niedersachsen einen riesigen Personalmangel - mit anderen Worten: einen Pflegenotstand - haben und dass dieser sich in Zukunft noch verschärfen wird. Vor fünf Jahren haben Sie das noch komplett abgeleugnet. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich dazu in dem neuen Pflegebericht, den wir eigentlich schon seit Dezember erwarten und den Sie immer noch zurückhalten, äußern werden. Leugnen kann man das jedenfalls nicht mehr.
Jetzt wäre angesichts der unzureichenden Schülerzahlen in Niedersachsen angezeigt, rechtlich den Pflegenotstand zu erklären und die Ausbildungsumlage umgehend einzuführen. Man höre und staune - auch ich wollte es kaum glauben -: Wir haben für diese Forderung jetzt Unterstützung von höchster Stelle bekommen. Bundesgesundheitsminister Rösler will sich laut eigener Erklärung in diesem Jahr vorrangig der Pflege widmen. Er hat sich tatsächlich im Dezember für eine bundesweite Ausbildungsumlage ausgesprochen. Ich begrüße das sehr und hoffe, dass wir jetzt zumindest in dem Teil dieses Hauses, der zu diesem Gesundheitsminister gehört, Unterstützung finden.
Die Umlage ist verfassungsgemäß. Das ist durchgeklagt. Es hindert uns wirklich niemand daran, sie jetzt wieder einzuführen und endlich Gerechtigkeit für die ausbildenden Einrichtungen zu schaffen.
Herr Rösler sagt jetzt richtigerweise, dass dreijährige Umschulungen wieder gefördert werden sollten. Das haben wir immer eingefordert. Es ist nur schade, dass er das nicht ein bisschen früher gemacht hat und dass wir lange warten mussten, bis Frau Özkan sich dankenswerterweise bereit erklärt hat, das vonseiten des Landes Niedersachsen zu machen. Eigentlich wäre das eine Aufgabe, die auch vom Bund aus zu erledigen wäre.
Ein bisschen gewundert hat mich Herrn Röslers wohlfeile Aussage, den Fachkräften müsste mehr gezahlt werden. Das ist zwar richtig. Aber Herr Rösler, der aus Niedersachsen kommt, müsste
wissen - diese Debatten hat er miterlebt -, dass gerade in Niedersachsen die Pflegesätze so skandalös niedrig sind, dass die tariftreuen Einrichtungen der Reihe nach zumachen müssen und in die Insolvenz gehen. Von mehr Bezahlung kann hier überhaupt nicht die Rede sein.
Das heißt, wir müssen für eine ausreichende Finanzierung sorgen. Ich hoffe, dass wir nach diesen Äußerungen aus Berlin jetzt auch da besser zueinander kommen und dass Sie uns hier im Land eine Antwort auf diese Frage geben.