Besonders verwerflich ist, dass Sie die Regelsätze der nichterwerbsfähigen Menschen mit Behinderung um 25 % kürzen wollen. Auch das ist relativ unstrittig unter Ihnen. Nicht erwerbsfähige Menschen mit Behinderungen erhalten also 73 Euro pro Monat weniger, und das vor dem Hintergrund der geltenden UN-Konvention für die Rechte von Menschen mit Behinderung.
Das ist tatsächlich zu wenig. Sie diskutieren jetzt darüber, welche Brosamen die Kommunen verteilen sollen. Sie brauchen auch nicht so zu tun, als wollten Sie ehrlich über Leiharbeit und Mindestlöhne diskutieren. Entsprechende Anträge dazu haben Sie alle im Bundestag abgelehnt und somit entsprechende Regelungen verhindert.
Sie reden jetzt über eine Erhöhung der Regelsätze - so wurde es heute Morgen im NDR gesendet - um 8 Euro. Das ist jetzt der tolle Kompromiss. Ich bin gespannt, ob Sie darauf eingehen werden.
Ihnen ist darüber hinaus wichtig, dass die Landesfürsten, wie sie betitelt werden, verhandeln, statt dass vorher die Frauen die Verhandlungsführung übernehmen. Es streiten also die gleichen Leute um die Verteilung der Brosamen, die vorher 480 Milliarden Euro für die Rettung der Banken ausgegeben und verpulvert haben.
(Zuruf von der LINKEN: Scheinheilig ist das! - Christian Grascha [FDP]: Was ist das für ein Blödsinn!)
- Genau, das ist Klassenkampf. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie den Begriff „Klassenkampf“ in die Debatte eingeführt haben; denn nichts anderes
Die Regelsätze werden so lange eine untergeordnete Rolle spielen, solange Sie nicht die Zumutbarkeitsregelung für Arbeit im SGB II angehen; denn diese Zumutbarkeitsregelung ist in Wirklichkeit der Hebel, der für Deregulierung und Dumpinglöhne verantwortlich ist.
Reden Sie nicht von Glaubwürdigkeit! Wenn Sie glaubwürdig sein wollen, dann sorgen Sie dafür, dass die Menschen, die im Hartz-IV-Bezug sind, endlich wieder ausreichend Geld bekommen, damit sie menschenwürdig leben können. Sorgen Sie nicht immer um das Wohl der Banken, sondern um das Wohl der Menschen!
Herr Humke, mir steht es nicht zu, Ihnen vorzuschreiben, was Sie hier sagen sollen. Aber vielleicht sollten Sie zumindest eine Formulierung noch einmal überdenken, in der Sie Menschen zugemessen haben, sie würden etwas „fressen“. Ich halte das eines Parlamentes nicht für würdig.
Als nächste Rednerin hat sich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Helmhold gemeldet. Bitte sehr!
- Herr Kollege Perli, mir sind die Brecht-Zitate bekannt. Die müssen Sie nicht noch einmal zitieren.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sprechen heute über die Geschichte eines großen Scheiterns. Fast genau ein Jahr nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts musste die Bundesarbeitsministerin den Bankrott ihrer Bemühungen um eine verfassungsfeste Grundsicherung erklären.
Scheitern trägt. Aber eines ist doch klar: Verantwortlich dafür, tätig zu werden, war die Bundesarbeitsministerin. Sie hat untaugliche Vorschläge gemacht, wie den zur Chipkarte oder dass die Verantwortung für die Bildung der Kinder bei den Filemanagern der Jobcenter liegen sollte. Vor allem aber hat sie ein Gesetz vorgelegt, das den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der Berechnung der Regelsätze nicht entspricht.
Die FDP hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts die Republik erst einmal in eine absurde Diskussion über die angebliche Dekadenz des Sozialstaats und dessen sozialistische Züge verstrickt, und ansonsten hatte sie sehr viel damit zu tun, den Hoteliers die Steuern zu senken.
„Es gibt ein Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Daraus ergibt sich die Grundpflicht der Politik, für dieses Existenzminimum zu sorgen. Aber sie war pflichtvergessen, nun ein geschlagenes Jahr lang. Sie hat die Anstrengung, die sie den Banken gewidmet hat, sie hat das Verantwortungsbewusstsein, das sie bei der Bankenrettung gezeigt hat, den Armen in Deutschland verweigert.“
Ich will die wichtigsten Punkte noch einmal zusammenfassen: Die Vergleichsgruppe, nach der der Regelsatz bestimmt wurde, wurde systematisch armgerechnet, indem statt der untersten 20 % nur die untersten 15 % der Einkommen betrachtet wurden, indem die verdeckt Armen entgegen der Auflage des Bundesverfassungsgerichts und auch die Aufstocker nicht herausgerechnet wurden und indem dann noch willkürlich bei einzelnen Ausgabepositionen gekürzt und damit das Statistikmodell untergraben wurde. Das entspricht nicht dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, und niemand kann von uns verlangen, dass wir dem zustimmen.
Beim Bildungspaket für Kinder musste die Opposition dafür sorgen, dass die Bundesarbeitsministerin von dem kruden Vorschlag abließ, die Jobcen
ter damit zu betrauen, und dass auch die Kinder von Geringverdienern einbezogen werden. Aber, meine Damen und Herren, machen wir uns nichts vor: Beispielsweise das warme Mittagessen wird nur das Drittel der Kinder erhalten, das das Glück hat, in eine Schule zu gehen, die auch eine Kantine hat. Wo bleiben eigentlich die Anstrengungen des Bundes und auch des Landes Niedersachsen, endlich die entsprechende Infrastruktur zu schaffen, die nötig ist, um diese Ziele umzusetzen?
Noch ein Wort zu den Oberblockierern von der FDP. Ihr Bundestagsabgeordneter Heinrich Kolb hat sich in den Verhandlungen den zweifelhaften Spitznamen „Gromyko“ verdient, weil er immer nur dagesessen und nein gesagt hat, als es um die Zeit- und Leiharbeit und um Mindestlöhne ging. Da wäre man mit der CDU schon weiter gekommen. Der CDA-Bundesvorsitzende Karl-Josef Laumann wies der FDP am Freitag eine Mitverantwortung für das Scheitern der Verhandlungen zu. Wer wie die FDP eine gleiche Bezahlung von Stammbelegschaft und Leiharbeitern erst nach neun Monaten wolle, sei entweder böswillig oder habe keine Ahnung, so Laumann.
Mindestlöhne und Regelsätze bedingen einander. Ansonsten wird eine Abwärtsspirale der Armut produziert, die eine Existenzsicherung durch die Regelsätze nicht mehr ermöglicht. Die Einführung von Mindestlöhnen ist der einzige Weg für die Menschen, aus der Armutsfalle herauszukommen, und übrigens auch, um den hart arbeitenden Menschen, die Hungerlöhne erhalten und zusätzlich zum Amt gehen müssen, ihre Würde zurückzugeben.
Abgesehen davon finde ich es zutiefst unsozial, dass der Staat Hungerlöhne aufstocken muss. Deutschland ist heute in Teilen ein Niedriglohnland, und der Steuerzahler zahlt dafür Milliarden. Das akzeptieren wir nicht.
Wir akzeptieren keine Regelsätze, die nicht verfassungskonform und die inakzeptabel niedrig sind. Wir wollen gute Ganztagsschulen und Kindertagesstätten für alle Kinder statt eines Zehn-EuroGutscheins, der etwa für eine Viertelstunde Flötengruppenunterricht in der Woche ausreicht, und wir wollen eine Mindestlohnregelung, die die arbeitenden Menschen vor Ausbeutung schützt. Das, meine Damen und Herren, ist nicht zu viel verlangt.
Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! Es trifft sich gut, dass meine Vorrednerin mit Flötengruppenunterricht aufgehört hat. Von der Finanzierung von Musikschulen versteht sie nicht sehr viel. Das hat sich hier deutlich gezeigt.
Ich habe an dieser Stelle in der Vergangenheit schon einmal andeuten können, dass die meisten kommunal getragenen Musikschulen im Land Niedersachsen eine Sozialermäßigung gewähren. Wer dort ankommt und nachweist, dass er Bezieher der Grundsicherung ist oder eine ähnlich schmale Einkommensbasis hat, bekommt den Unterricht in der Musikschule umsonst oder für einen Monatsbeitrag von 10 Euro. Das würde also aus dem Bildungspaket abgedeckt.