Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

Ganz ehrlich: Wenn wir in den Gesprächen auf einem solchen Niveau angelangt sind, dann bin ich einfach nur enttäuscht; denn sozial ist nun wirklich etwas anderes.

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Das ist das Niveau Ihrer Rede! - Patrick-Marc Humke [LINKE]: Ihre Politik ist alles andere als sozial!)

Sie sollten nicht vergessen, dass wir alle gemeinsam in diesem Land leben und dass wir alle gemeinsam miteinander reden und hier zu einem guten Ergebnis kommen müssen; denn es geht um die Zukunft unserer Kinder. Insbesondere das Bildungspaket bietet große Chancen und Chancengleichheit.

(Patrick-Marc Humke [LINKE]: Das glauben Sie doch wohl selbst nicht! 10 Euro mehr pro Monat!)

Das sollten wir nicht verspielen, sondern wir sollten gemeinsam daran arbeiten.

Ich kann nur hoffen, dass der jetzt tagende Vermittlungsausschuss zu einem guten Ergebnis kommt - zu einem besseren Ergebnis, als es bisher der Fall war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie sich zu guter Letzt eines sagen: Die Menschen blicken hier insbesondere auch auf die Opposition,

(Hans-Henning Adler [LINKE]: Und auch auf Sie!)

die von sich behauptet, ach so sozial zu sein. Ich finde, hier sollten Sie endlich auf Ihr Gewissen hören. Die betroffenen Menschen, die auf ein Ende der Diskussion warten, hätten es allemal verdient.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht nun der Kollege Watermann.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Humke hat Glück, dass so viele Redner nach ihm reden, weil man gar nicht weiß, auf welches Busserl man hier eingehen soll.

Ich muss wohl nicht wiederholen, dass das Bundesverfassungsgericht uns aufgegeben hat, einen Regelsatz zu berechnen, der nicht auf politischen Wertmarken basiert. Das hat der Kollege von der FDP-Fraktion zu Recht gesagt. Das ist auch das Manko in diesem Verfahren. Irgendwann waren nämlich von der FDP in der Koalition 5 Euro vorgegeben worden. Das Rechenexempel, dass man die politische Vorgabe eingehalten hat, ist leider Gottes sehr deutlich zu erkennen.

Dieser Umstand macht das Verfahren so kompliziert. Es macht deutlich, dass man nicht ohne Weiteres einen Kompromiss eingehen kann, wenn man weiß, dass man damit wieder etwas vor der Nase hat, bei dem die nächste Ohrfeige aus Karlsruhe schon ansteht. Deshalb tun wir uns auch so schwer damit, uns bei diesem Regelsatz zu bewegen. Denn wir sagen, dass die Rechenfaktoren falsch sind.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb betone ich, dass wir weiterhin einen ordentlichen Satz festlegen wollen. Wir haben als Sozialdemokraten zu keinem Zeitpunkt irgendeine Zahl genannt, sondern wir haben gesagt, welche Faktoren falsch sind. Da alle diese Faktoren von der Kollegin Helmhold und von anderen schon genannt worden sind, will ich damit meine Zeit nicht unnütz verplempern.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, bei dem es sehr viel Bewegung gegeben hat. Das war auch gut so. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil nämlich auch klar geregelt, dass etwas für Kinder zu machen ist. Für Kinder ist etwas zu machen, was in einem Bildungspaket angekündigt war. Leider sind dabei aber nur kleine Päckchen herausgekommen. Deshalb mussten wir nacharbeiten. Sie waren auch mit Bürokratie überfrachtet. Auch das ist jetzt eigentlich auf einem vernünftigen Weg.

Es gibt ein Manko. Das Manko ist benannt. Das Manko ist die Frage, wie es mit dem Mittagessen aussieht. Ist das Mittagessen eigentlich nur für diejenigen gedacht, wo es dann die vollen Schulkantinen gibt? Sind die Kinder, die in einer Situation leben, in der sie diese Möglichkeit nicht haben, gegenüber denen, die das Geld haben und zu

Hause vernünftig ernährt werden, schlechter zu stellen? - Das Ungeheuerliche an diesem Angebot ist, dass man nicht auf alle eingeht. Wir wollen, dass jedes Kind gleichbehandelt wird und dass diese Unterschiede unterbleiben.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, dann erzählt die Kollegin Mundlos hier etwas von Überfrachtungen.

(Heidemarie Mundlos [CDU]: Richtig! Genauso ist es!)

Man muss sich einmal vor Augen führen, welches Schauspiel hier vorgeführt wird: Das Schauspiel ist, die Koalitionsfraktionen hätten das schon längst eingebracht, indem sie den Kommunen im Rahmen der Gemeindefinanzreform versprochen hätten, sie von der Grundsicherung im Alter in Höhe von 3,7 Milliarden Euro zu entlasten. Dieses Paket nehmen Sie jetzt zurück, reißen das Geschenkpapier herunter, packen es neu ein und übergeben es den Kommunen wieder.

(Heinz Rolfes [CDU]: Nun bring mal nicht alles durcheinander!)

Das ist eine Ungeheuerlichkeit! Hier wird die kommunale Ebene hinters Licht geführt.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Das Schlimmste an diesem Paket ist, dass Sie sich das von der Agentur für Arbeit wiederholen, und zwar 4 Milliarden Euro. Das bedeutet, dass die Kommunen am Ende betuppt werden. Sie betrügen die Kommunen in Niedersachsen und auf Bundesebene, meine Damen und Herren! Diese Situation ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN - Ursula Helmhold [GRÜNE]: Richtig! - Heinz Rolfes [CDU]: Das ist ja unglaublich! Das ist eine Unverschämtheit! - Zuruf von Ulf Thiele [CDU])

- Wenn man 3,7 Milliarden Euro verspricht, aber dafür 4 Milliarden Euro einkassiert, dann ist das unter dem Strich ein Minusgeschäft, meine Damen und Herren.

(Björn Thümler [CDU]: Zwölf, Herr Watermann! Das wissen Sie auch!)

Sie machen hier eine wirklich unsägliche Politik.

Und dann stellen Sie noch infrage, dass über die Untersicherung, über den Mindestlohn überhaupt zu diskutieren ist. Die Bundesministerin ist für Arbeit und Soziales zuständig, aber sie gibt denen, die es nötig haben, nichts aus dem Sozialetat, und als Arbeitsministerin verwehrt sie einen Mindestlohn. Das ist unanständig.

Es gibt zu viele, die Vollzeit arbeiten und trotzdem zusätzlich noch Leistungen erhalten. Das muss aufhören. Ein Mindestlohn und ein anständiger Regelsatz müssen her!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, bei den GRÜ- NEN und bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, das Wort hat nun Herr Minister Bode.

(Björn Thümler [CDU]: Der kann ja mal aufklären! - Zurufe von der SPD - Gegenruf von Björn Thümler [CDU]: Er ist Verhandlungsführer - nur mal so nebenbei!)

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte gestern einen sehr schönen Abend, auch mit dem Kollegen Beck. Das ist ein sehr sympathischer Mensch - sehr konstruktiv, sehr pragmatisch; das muss ich ganz ehrlich sagen. Ich glaube übrigens, wenn er sich am Anfang intensiver für die SPD eingebracht hätte, dann wären wir weiter gekommen. Das muss man in der Tat so sagen, Herr Jüttner.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Herr Beck ist in allen Gesprächen - auch in der Vergangenheit - immer ein sehr konstruktiver Verhandlungs- und Gesprächspartner gewesen.

Herr Watermann, ich habe jetzt noch ein größeres Problem als Sie, weil vor mir fünf Redner gesprochen haben, auf die ich eigentlich eingehen müsste. Das ist in fünf Minuten noch schwieriger. Ich verstehe die Aussagen, die wir von den Grünen und der SPD gehört haben, so, dass sie sich auf Niedersachsen bezogen haben. Denn die Aussagen in Berlin sind zum Teil etwas anders.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, kommen wir zunächst einmal zum Grundproblem zurück.

Das Grundproblem ist, dass das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat, dass die sogenannte Hartz-IV-Gesetzgebung nicht verfassungskonform war, und uns als Gesetzgeber - sowohl Bundestag als auch Bundesrat - aufgegeben hat, bis zum 1. Januar 2011 eine verfassungskonforme Situation herzustellen und das Existenzminimum nachvollziehbar, transparent und realitätsbezogen zu ermitteln.

Diese Ermittlung hat seitens der Bundesregierung stattgefunden, und der Deutsche Bundestag hat zweimal einen entsprechenden Beschluss gefasst mit folgendem Ergebnis: Bei den Kindern hat man festgestellt, dass der Regelsatz, der nach der alten Rechtsprechung gewährt wird, sogar etwas höher als das Existenzminimum ist. Man hat politisch entschieden, ihn so zu belassen, wie er ist. In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht ebenfalls festgestellt, dass bei den Kindern Bildung und insbesondere Teilhabe zusätzlich zu dem Regelsatz sicherzustellen sind. Das war die Aufgabe im weiteren Verfahren. Bei den Erwachsenen ist man zu dem Ergebnis gekommen, dass ein um 5 Euro höherer Regelsatz das Existenzminimum abbilden würde.

Für die Niedersächsische Landesregierung möchte ich klarstellen, dass es uns nicht in erster Linie um die Aussage geht, dass der Regelsatz um 4, 5, 6, 8 oder 12 Euro erhöht wird. Für uns ist wichtig, dass das Berechnungsverfahren den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und unserer Verfassung genügt. Im Rahmen dieses Verfahrens ergibt sich dann ein Regelsatz als Wert.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Wir haben in den Verfahren die Berechnungssystematiken insgesamt intensiv geprüft und sie im Hinblick auf das Existenzminimum für verfassungsfest befunden. Dazu will ich nur eines sagen: Auch die Verhandler aus der Opposition haben im Verfahren immer davon gesprochen, die Regelsätze „verfassungsfester“ - nicht „verfassungsfest“ - zu machen. Das ist ein ganz entscheidender Hinweis darauf, wie diese Frage gewertet wird. Deshalb sind wir der festen Überzeugung, dass das, was bisher auf dem Tisch lag, keinen Zweifel an der Ermittlung des Regelsatzes zulässt.

Zur Frage der Überfrachtung: Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ging nicht nur um den Mindestlohn, sondern auch um die Zeitarbeit, die private Krankenversicherung, die Zusammensetzung von Tarifausschüssen. Insgesamt ist ein ganz gro

ßes Themenspektrum bearbeitet worden, das mit dem eigentlichen Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nichts mehr zu tun hatte.

Ich will Ihnen eines sagen - gerade auch für den Kollegen Kolb von der FDP; denn er war der Erste, der das Thema Equal Pay im Bundestag auf den Tisch gelegt hat -: Wir wollen - festgelegt durch Protokollerklärung der Bundesregierung und auch durch Protokollerklärung des Landes Niedersachsen im Bundesrat - bei der Zeitarbeit zu einer Lösung kommen. Es geht aber nicht, dass man die Zeitarbeit kaputt macht. Zeitweise sind - das muss ich ganz ehrlich sagen - schon skurrile Forderungen erhoben worden. Die Forderung, die dazu führt, dass ein Zeitarbeiter in der Einarbeitungsphase einen höheren Lohn bekommt als die Stammbelegschaft und erst nach der Einarbeitungsphase der Lohn nach dem Prinzip des Equal Pay reduziert wird, ist doch skurril! Insbesondere die Verhandlungspartner der SPD aus Niedersachsen haben das meines Erachtens auch erkannt - zumindest war das aus den äußeren Reaktionen erkennbar. Es wäre wirklich schöner gewesen, Frau Helmhold, wenn man bei diesen skurrilen Forderungen schneller zu einem Ergebnis gekommen wäre.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)