Protokoll der Sitzung vom 16.02.2011

(Beifall bei der CDU)

Als weiteres Projekt im Rahmen der ANKOMInitiative nenne ich die Carl-von-Ossietzky-Universität in Oldenburg. Dort ist der Schwerpunkt Wirtschaftswissenschaften. Hier betrifft es den Studiengang „Business Administration für kleine und mittlere Unternehmen“ und zusammen mit der Universität Bremen „Systems Engineering“. Hier besteht eine Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Emden/Leer.

Die Kooperation mit ausländischen Universitäten habe ich gar nicht erst genannt.

Mit diesen vier Projekten - deutschlandweit gibt es insgesamt elf - ist Niedersachsen führend.

Welche Schlussfolgerungen können wir daraus ziehen? - Die Offene Hochschule realisiert sich vor unseren Augen. 2007, also vor der Novelle, hat es tatsächlich nur wenige Studierende ohne Abitur gegeben. Jetzt gibt es bei den Informationstagen für das Studium ohne Abitur regelmäßig einen sehr großen Zulauf, so z. B. in Oldenburg. Hier hat sich die Zahl der Erstsemester von Studenten ohne Abitur nach der Einführung mehr als verdoppelt, ohne dass gezielt geworben worden wäre.

Herr Dr. Siemer, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Möhle?

Ja, gerne.

Sie haben das Wort, Herr Möhle!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Herr Siemer, Sie haben diese vier Projekte angesprochen. Können Sie sagen, wie viele Studierende sich hinter diesen Projekten verbergen?

Herr Dr. Siemer!

Das kann ich nicht konkret beantworten, aber ich kann Ihnen die Zahlen nachreichen. Ich habe mit Vertretern der vier Hochschulen gesprochen. Die Begeisterung dort war wesentlich größer, als sie bei den Vorrednern zum Ausdruck gekommen ist. Aber es gehört wohl zu dem Privileg der Opposition, das Glas immer halb leer zu sehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Eine weitere Schlussfolgerung aus den Projekten lautet: Die Durchlässigkeit verbessert sich weiter, und die Vernetzung funktioniert so, wie ich es aufgezeigt habe. Es gibt allerdings Herausforderungen, bei denen es durchaus einige Übereinstimmungen mit meinen Vorrednerinnen gibt. Zum einen müssen wir die große Vielfalt unseres Berufsausbildungs- und Weiterbildungs- sowie Studiensystems besser beherrschen. Bitte bedenken Sie, dass wir über 300 Ausbildungsberufe und zahlreiche Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten haben.

Das macht es natürlich bei der Frage eines Übergangs zwischen der beruflichen Bildung und dem Studium nicht gerade einfach, herauszufinden, welche berufliche Erfahrung zu welchem Studiengang passt. Auch die Anrechnung muss deutlich weniger aufwendig gestaltet werden, da wir wollen, dass die Erfahrung, die in der Vorbildung eingebracht wurde, auf das Studium angerechnet wird. Dies bringt für die Studierenden nicht nur einen Zeit-, sondern auch finanziellen Vorteil.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist - da stimme ich meinen Vorrednern durchaus zu -, dass die Studiengänge berufsbegleitend umgestellt werden müssen. Die Anforderungen derjenigen, die aus dem Beruf kommen, sind durchaus andere als die derjenigen, die nach dem Abitur zur Uni gehen. E-Learning wäre da ein Stichwort. Es ist auch wichtig, die inhaltliche Verbindung zwischen den Lernaufgaben mit der beruflichen Tätigkeit herzustellen. Außerdem muss der Übergang von der Praxis zum Studium besser gestaltet werden.

Abschließend noch ein kurzes Wort. Mich wundert, warum dieser Antrag heute gestellt wird. Ich habe mir die Debatte vom 8. Juni noch einmal vergegenwärtigt. Von Ihnen, Heinen-Kljajić, kamen in der Debatte genau zwei Sätze zu dem Thema der Offenen Hochschulen. Vier Monate später haben Sie eine Mündliche Anfrage gestellt. Fünf Monate später kommt der Antrag. Jetzt geht es auf einmal um die offene Hochschule als Erfolgsmodell. Wenn die Grünen mit einem solchen Tempo auch in anderen Bereichen arbeiten, dann werden sie uns zum Thema Erdkabel wahrscheinlich im Dezember einen Antrag mit der Forderung liefern, Erdkabel zum Erfolg zu machen.

Ein letzter Satz!

Hochschulpolitik ist bei CDU und FDP in guten Händen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Zu einer Kurzintervention auf Herrn Dr. Siemer spricht von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Dr. Heinen-Kljajić für anderthalb Minuten. Frau Dr. Andretta spricht im Anschluss daran.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Siemer, Sie kritisieren, dass wir damals in der Debatte zu der Einführung der Offenen Hochschule im Gesetz nur zwei Sätze gesagt haben und jetzt mit diesem Antrag kommen.

Ich kann Ihnen erklären, warum dieses Vorgehen in sich durchaus logisch ist: Das Problem ist, dass dadurch, dass man ausschließlich formale Hürden abbaut, nicht das in Gang kommt, was man damit intendiert.

Mit dem Antrag, den wir heute stellen, unternehmen wir den Versuch, das aufzugreifen, was sich seit der Gesetzesnovelle getan hat. Das sind an einzelnen Punkten durchaus Projekte, die vorbildlich sind. Den von Ihnen gerade angeführten Bachelor-Studiengang Sozialpädagogik in Lüneburg gibt es gar nicht mehr; der ist abgewickelt worden. Abgesehen davon ist das, was wir im Moment haben, maximal und punktuell immer wieder ein kleiner Erfolg.

Wir wollen mit unserem Antrag erreichen, dass das Thema Offene Hochschule für alle Hochschulen in Niedersachsen ein Thema wird und nicht nur für solche, die aus ANKOM-Projekten erwachsen sind oder aufgrund irgendwelcher Kooperationen vor Ort punktuell in dieses Thema einsteigen. Das muss ein Thema für alle Hochschulen werden, und das muss ein Thema werden, für das wir für alle Hochschulen Anreizsysteme schaffen müssen, die sich jenseits dessen abspielen, was im Moment als Einzelmaßnahmen oder Einzelprojekte existiert.

Herzlichen Dank. - Frau Dr. Andretta für anderthalb Minuten!

(Karl-Heinz Klare [CDU] - zu Dr. Ste- phan August Siemer [CDU] -: Was hast du denn da angerichtet?!)

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Klare, Herr Siemer hat nichts angerichtet. Er hätte vielleicht einmal die umfangreiche Anhörung zur Kenntnis nehmen sollen, die wir dazu im Wissenschaftsausschuss im Jahre 2009 durchgeführt haben und über die es auch ein Protokoll gibt, das man einsehen kann, wenn man selbst nicht anwesend war. Darin wird auch auf die Zahlen eingegangen.

Es waren insbesondere die Vertreterinnen und Vertreter der ANKOM-Projekte, die uns dringend ans Herz gelegt haben, über diese einzelnen, punktuellen Maßnahmen hinaus etwas zu tun, damit es nicht vom Zufall des Engagements einzelner Hochschulen abhängt, ob sich etwas bewegt oder nicht.

Ich nenne das Beispiel Oldenburg, weil Sie da mit den Zahlen nicht so sicher waren. Uns wurde berichtet, dass man in grundständigen BachelorStudiengängen in der ganzen Universität Oldenburg drei Meister gefunden hat. Von diesen Dreien war aber nur einer auffindbar.

Das heißt, offenbar hat auch das Gesetz, das die SPD-Regierung damals - und zwar gegen Ihren Widerstand; das gehört zur Wahrheit dazu - durchgesetzt hat, nicht bewirkt, dass diese Gruppe studiert. Das Gesetz allein hat nichts bewirkt.

Es geht heute nicht darum, dass wir Gesetzen das Wort reden, die man in Sonntagsreden zitieren kann, sondern darum, dass wir die Strukturen an den Hochschulen so ändern, dass diese Gesetze auch Füße bekommen und umgesetzt werden können.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Herr Dr. Siemer, möchten Sie antworten? - Ja, das wird signalisiert. Auch Sie haben anderthalb Minuten. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es hat tatsächlich sehr viel mit formalen Hürden zu tun, dass es noch so wenige Studenten in diesen Studiengängen gibt, weil sämtliche Anrechnungsverfahren extrem unübersichtlich sind und weil durchaus nicht ganz klar ist, mit welchem Berufsabschluss man welches Studium wählen kann. Das trägt zumindest nach Aussagen derjenigen, die an den Projekten teilnehmen - ich habe den Teilnehmern durchaus zugehört -, dazu bei, dass sich davon viele abschrecken lassen.

Das Problem besteht darin, dass Sie sich in Ihren Ausführungen immer einseitig auf die finanziellen Hürden fokussieren und andere Dinge bisher völlig ausgeblendet haben. Jedenfalls haben Sie sich vorher bei der Novellierung des Hochschulgesetzes dazu nicht geäußert.

Auch jetzt gehen Sie in Teilen an dem Problem vorbei. Ein wesentlicher Punkt besteht darin, dass das Studium für die Berufstätigen auch in seiner Struktur angepasst werden muss. Im Antrag der Grünen ist beispielsweise von einem Teilzeitstudium die Rede. Ein Teilzeitstudium ist etwas ganz anderes als ein passgenaues Studium für Berufstätige. Das wird dort immer verwechselt.

(Dr. Gabriele Heinen-Kljajić [GRÜNE]: Fernstudium!)

Protokolle kann man lesen. Das tue ich. Aber, Frau Andretta, Ihnen würde es helfen, einmal genau zuzuhören. Das kann man z. B. im Plenum tun.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank. - Für die Fraktion DIE LINKE hat sich Herr Perli zu Wort gemeldet. Bitte schön!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Dr. Siemer, die komplizierten Anrechnungsverfahren, von denen Sie gesprochen haben, sind in der Tat für manche Interessenten ein Problem. Aber das ist genau ein Resultat dessen, dass Sie hier ein viel zu kompliziertes Gesetz vorgelegt haben und überhaupt nicht weitreichend genug gewesen sind. Das ist auch ein Beweis dafür, dass für den Landtag auf Gesetzesebene, aber auch auf Maßnahmenebene noch Handlungsbedarf besteht.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren, die Öffnung der Hochschule ist eigentlich ein Thema, zu dem hier weitgehend Einigkeit besteht. Hochschulen und Universitäten sollen auch für Menschen zugänglich sein, die ihre Kompetenzen vor allem aus der beruflichen Bildung und Erfahrung erworben haben und diese im Studium vertiefen wollen. Eine solche Öffnung eröffnet dann Wege und Möglichkeiten für die Einzelnen und ist auch ein Beitrag dafür, dass das größte Manko im Bildungswesen zumindest abgemildert werden kann. Dieses Manko besteht darin, dass wir nach wie vor eine mangelnde Durchlässigkeit haben und dass damit eine soziale Spaltung verbunden ist.

Die Linke hat die gesetzliche Öffnung der Hochschulen immer begrüßt, auch wenn uns manches noch zu restriktiv ist. Aber dass CDU und FDP die neuen Chancen, die schon jetzt bestehen, nur

unzureichend anpacken, ist für uns nicht hinnehmbar.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Insofern können wir vieles von dem, was in dem Antrag der Fraktion der Grünen steht, mittragen. Es ist richtig, dass auf die bestehenden Angebote besser aufmerksam gemacht werden muss. Es ist richtig, dass die unterstützenden Maßnahmen vor der Aufnahme des Studiums verbessert werden müssen. Ich füge hinzu: Diese Unterstützung darf nicht mit der Immatrikulation beendet sein. Wenn man aus der freien Wirtschaft kommt, dann ist eine Hochschule schon ein ferner Planet. Deshalb brauchen wir insbesondere in der Anfangsphase eines Studiums - also in den ersten Semestern - spezielle Angebote. Denn die derzeit angebotenen Erstsemestertutorien sind für die in Rede stehende Zielgruppe weitgehend ungeeignet.

Zu drei Punkten des Grünen-Antrags möchte ich aber kritische Anmerkungen machen. In Ihren Feststellungen, Frau Heinen-Kljajić, bedauern Sie den Wegfall von Zulassungsprüfungen und die Entwicklung, dass die berufliche Qualifikation als Voraussetzung zum Hochschulzugang ausreiche. Hier möchte ich Ihnen deutlich widersprechen. Die Vorbereitungskurse, die Sie erwähnen, sind mit Sicherheit hilfreich. Aber punktuelle Zulassungsprüfungen stellen eine weitere Hürde beim Hochschulzugang dar. Aus unserer Sicht ist es deshalb richtig, alleine auf die berufliche Qualifikation abzustellen. Eine 30-jährige Elektrikerin mit jahrelanger beruflicher Erfahrung, die Elektrotechnik studieren will, darf nicht schlechter gestellt werden als ein 18-jähriger Abiturient, der Elektrotechnik studieren will.

(Zustimmung bei der LINKEN)