Protokoll der Sitzung vom 19.02.2013

gierung bekennt sich ausdrücklich zur Schuldenbremse.

(Lachen bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Endlich einmal eine Neuigkeit in diesem Haus! Der Schuldenbremse haben Sie nämlich nicht zugestimmt! - Unruhe bei der CDU)

- Ich muss mich erst einmal an die Gepflogenheiten hier gewöhnen. Aber hat diese Seite des Hauses etwas gegen die Schuldenbremse?

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Ulf Thiele [CDU]: Wenn Sie einmal nach links gucken, wissen Sie, wo das Problem liegt!)

Die Überschuldung des Landes ist in den letzten zehn Jahren um 20 Milliarden Euro gestiegen. Meine Damen und Herren, so darf es nicht weitergehen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wir dürfen unsere ungelösten Probleme nicht schlichtweg an die nächste Generation weitergeben.

(Zurufe von der CDU: Ach!)

Das beantwortet aber alleine noch nicht die zweite Schlüsselfrage: Wie gewährleisten wir dennoch dringend notwendige Zukunftsinvestitionen, insbesondere in die Bildung? - Die Spielräume dafür zu erarbeiten, betrachte ich als eine Kernaufgabe der deutschen Politik insgesamt, aber auch der Landespolitik in den nächsten Jahren.

(Jens Nacke [CDU]: „Steuererhöhun- gen“ heißt das! „Steuererhöhungen“ ist das Wort, das Sie suchen!)

„Wir müssen sparen, koste es, was es wolle“ kann nicht unsere Devise sein. „Sparen und investieren“ - das muss unser Motto sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vor diesem Hintergrund ist die neue Landesregierung entschlossen, dicke Bretter zu bohren. Strohfeuer sind von uns nicht zu erwarten, ein langer Atem dagegen sehr wohl.

(Jörg Hillmer [CDU]: Was denn kon- kret?)

Die Landesregierung aus SPD und Bündnis 90/Die Grünen fühlt sich den Grundsätzen von Nachhal

tigkeit und sozialem Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zutiefst verpflichtet. Wir wissen: Wir müssen uns verändern, wenn wir bewahren wollen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen steht für uns das Engagement für Familienfreundlichkeit und Bildung im Vordergrund. Ich habe die sich abzeichnenden Veränderungen in der Gesellschaft skizziert. Meine Damen und Herren, das Kernproblem ist der Rückgang von Kinderzahlen. Daraus folgt, wie ich finde, ganz zwangsläufig, dass wir unsere Anstrengungen für ein familienfreundliches Niedersachsen erhöhen müssen. Ob junge Menschen eine Familie gründen, geht den Staat nichts an. Dafür günstige Rahmenbedingungen zu schaffen, ist aber sehr wohl eine staatliche Verpflichtung. Deswegen werden wir von Beginn unserer Regierungstätigkeit an die Bemühungen intensivieren, damit überall in unserem Land am 1. August 2013 der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz bedarfsgerecht erfüllt werden kann.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Wenn die Möglichkeit besteht, werden wir auch nach und nach die Qualität der frühkindlichen Förderung verbessern: Ich bin sicher: Das ist in mancherlei Hinsicht eine lohnende Investition. Damit bringen wir auch etwas voran, was für die moderne Gesellschaft prägend sein wird: die Gleichstellung der Geschlechter. - Ohne die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dieser Wandel kaum denkbar. Die Landesregierung ist sich der Bedeutung der Gleichstellungspolitik sehr bewusst: Unser Land braucht alle Talente - die der Männer und die der Frauen, sehr verehrte Damen und Herren.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Im Bereich der Bildungspolitik besteht dringender Nachholbedarf an vielen Stellen, Herr Kollege Nacke.

(Jens Nacke [CDU]: An der Stelle ha- ben Sie das erste Versprechen gebro- chen!)

Bildungspolitik ist längst ein Kernthema der gesellschaftlichen Entwicklung. Bildung entscheidet ganz wesentlich darüber, ob gut ausgebildete, qualifizierte junge Menschen selbstbewusst ihren Platz in der Gesellschaft finden oder ob sie sich von Kindheit an auf der Verliererstraße wiederfinden. Bil

dungspolitik ist mittlerweile Wirtschaftsförderung pur. In immer mehr Unternehmen herrscht längst Klarheit darüber, dass der Fachkräftebedarf die zentrale Herausforderung für die weitere Entwicklung ist. Das Beste, was wir für Niedersachsens Wirtschaft in der Zukunft tun können, ist eine fundierte Bildung und Ausbildung aller jungen Leute, bevor sie in den Arbeitsmarkt eintreten.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür brauchen wir das eine nicht und das andere umso dringlicher. Was wir nicht brauchen, ist ein vordergründiger Streit um Schulstrukturen, der in Niedersachsen buchstäblich seit Jahrzehnten tobt.

(Zuruf von der CDU: Oh!)

Damit will die Landesregierung Schluss machen. Wir werden keine bestehende Schulform abschaffen,

(Jens Nacke [CDU]: Das ist die Un- wahrheit!)

wir werden keine Schulform neu einführen.

(Jens Nacke [CDU]: Dann stimmt euer Vertrag nicht!)

Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, dass vor Ort diejenigen Schulen angeboten werden, die Eltern und Kommunen tatsächlich wollen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Deswegen werden wir die Diskriminierung von Gesamtschulen beenden.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

- Wenn Sie so weitermachen, wird das ein langer Nachmittag.

Wir werden die Fünfzügigkeit abschaffen. Wir werden dafür sorgen, dass Gesamtschulen wieder Ganztagsschulen sein werden. Ihrem pädagogischen Konzept folgend, wird das Abitur an den Gesamtschulen wieder nach neun Jahren möglich sein. Auf dieser Grundlage mögen dann der Elternwille und der kommunale Schulträger darüber entscheiden, welche Schulform den örtlichen Erfordernissen entspricht. Ich bin ganz sicher, auf dieser Grundlage werden wir sehr schnell pragmatisch Schulfrieden überall in Niedersachsen haben, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

So wenig wir einen Streit um Schulstrukturen brauchen, so sehr brauchen wir mehr Qualität in unserem Bildungswesen. Es entspricht doch schon dem gesunden Menschenverstand, dass der Bildungserfolg in einer Ganztagsschule höher ist als in einer Halbtagsschule. Soweit es die Rahmenbedingungen irgend möglich machen, wird die Landesregierung deswegen am Aufbau von Ganztagsschulen arbeiten. Je früher Kinder gefördert werden, desto effektiver. Daran werden wir uns orientieren.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Mehr Qualität darf nicht verwechselt werden mit mehr Stress in der Schule. Viele von uns nehmen mit Sorge die Klagen von Eltern und Lehrern zur Kenntnis, die darüber berichten, dass die Kinder inzwischen unter Dauerdruck stehen. Das gilt insbesondere an den Gymnasien in Verbindung mit dem Abitur nach acht Jahren. Auch an dieser Stelle wird die Landesregierung einen sehr dialogorientierten Ansatz verfolgen und gemeinsam mit den Schulen prüfen, welche Möglichkeiten für eine Entkrampfung des Schulalltages bestehen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die neue Landesregierung steht für mehr Qualität, aber auch für mehr Gerechtigkeit in der Bildungspolitik. Deswegen werden wir den Weg der Inklusion intensiv weiterverfolgen - wohl wissend, dass es ein langer Weg werden wird. Deswegen sind wir entschieden dafür, die Studiengebühren abzuschaffen.

(Starker Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Studiengebühren sind das Symbol für eine Politik, die Bildung vom Geldbeutel der Eltern abhängig macht.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das ist der eigentliche Grund dafür, dass sich dieser Gedanke in Deutschland nicht hat durchsetzen können - übrigens mittlerweile ganz unabhängig von den Parteifarben der Landesregierungen. Niedersachsen darf nicht das letzte Bundesland sein, das aus dieser Erkenntnis die richtigen Schlussfolgerungen zieht. Deswegen wollen wir die Studiengebühren zügig abschaffen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Übrigens: Der Wettbewerb um junge, gute Köpfe wird in Zukunft noch wesentlich härter werden. Niedersachsen leistet sich schon heute einen Export von Schulabgängern, von Abiturientinnen und Abiturienten. Deutlich mehr junge Niedersächsinnen und Niedersachsen verlassen unser Bundesland, um anderenorts ein Studium aufzunehmen, als aus anderen Bundesländern junge Leute nach Niedersachsen kommen. Das muss ein Alarmzeichen sein. Wir müssen hart dafür arbeiten, dass Niedersachsen ein attraktives Ausbildungsland wird.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)