Protokoll der Sitzung vom 19.06.2013

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Um das noch einmal ganz klar zu sagen: Natürlich sollen sensible Informationen im Einzelfall geschützt werden. Wir wollen - wie es der Kollege Haase einmal so schön ausgedrückt hat - kein Neugierdegesetz. Wir nehmen den Datenschutz sehr ernst. In einem neu zu schaffenden Gesetz müssen das Recht auf Information auf der einen Seite und der berechtigte Datenschutz auf der anderen Seite sehr sensibel gegeneinander abgewogen werden.

Aber, Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren, uns geht es hier auch darum, die demokratische Willens- und Meinungsbildung zu fördern, und zwar indem wir Transparenz schaffen. Wenn die Menschen unseres Landes wissen, was ihre Behörden tun - und es sind ihre Behörden -, dann wird das auch die Akzeptanz von behördlichem Handeln stärken, und das kann doch nur im Interesse aller Demokraten sein.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Behörden und andere staatliche Stellen sind kein Selbstzweck. Sie dienen den Menschen in diesem Land und regeln das Miteinander. Die Menschen in Niedersachsen sollen daher Einblicke in das erhalten, was Behörden, Politik und beauftragte Stellen tun - im Sinne der Demokratie. In diesem Sinne freuen wir uns auf die Beratungen in den Ausschüssen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Starker, anhaltender Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Frau Rühl, das war Ihre erste Rede im Landtag. Die Gratulationen kommen schon. Es wird sicherlich nicht die letzte gewesen sein, sondern es werden - davon gehe ich, nach dem, was wir gehört haben, aus - noch viele weitere folgen.

Ich erteile dem nächsten Redner, Herrn Winkelmann von der CDU-Fraktion, das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Braucht Niedersachsen ein Informationsfreiheitsgesetz? Diese Frage, die zum heutigen Zeitpunkt sicherlich rhetorisch ist, möchte ich trotzdem einmal in aller Ernsthaftigkeit in den Raum stellen. Das Thema ist nicht neu, entsprechende Gesetze gibt es auf Länderebene seit 1998 und auf Bundesebene seit 2006.

Vergleichen wir einmal, wie es in anderen Bundesländern aussieht, in denen solche Gesetze schon seit Jahren existieren, und fragen wir dann: Haben wir wirklich in diesen anderen Bundesländern einen Zugewinn an Freiheitsrechten für Bürger erlebt? Gibt es dort eine bessere Situation im Hinblick auf Information und Teilhabe? Haben wir stattdessen hier in Niedersachsen eine Defizitlage erlebt, unter der Bürger gelitten hätten? Ich meine: eindeutig nein. Jedenfalls kann ich keine Unterschiede feststellen. Weder habe ich mich als Individuum in Niedersachsen in irgendeiner Form benachteiligt gefühlt, noch habe ich in 25 Jahren praktischer Anwaltstätigkeit irgendwann einmal geglaubt, dass ein Gesetz gerade dieses Inhaltes fehlt.

(Beifall bei der CDU)

Insofern war es auch kein Versäumnis, dass wir in der Vergangenheit ein solches Gesetz aus der alten Landesregierung heraus nicht erlebt haben. Klar ist aber - deswegen habe ich gesagt, dass die Frage, die ich gestellt habe, ob wir das Gesetz brauchen, rhetorisch ist -, dass wir ein solches Gesetz bekommen. Es ist ja in der Koalitionsvereinbarung verlautbart worden, dass ein solches Gesetz geschaffen werden soll.

Die FDP hat der stark belasteten Regierungsmannschaft die Arbeit abgenommen und jetzt in löblicher Weise etwas getan. Sie ist initiativ geworden. Das ist gut so. Wenn, Herr Kollege Dr. Genthe, eine Gesetzesvorlage von der FDP und nicht von der Landesregierung kommt, muss das nicht unbedingt ein qualitativer Nachteil sein.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir haben vorhin - zuletzt auch beim Tagesordnungspunkt, der die Abschaffung der Jagdsteuer betraf - gehört, was kommunalfreundlich sei und was nicht. Herr Minister Pistorius, ich bin ein Mensch, der eigentlich nicht wettet. Eine Wette aber würde ich eingehen. Wenn ich die Kommunen fragen würde, was ihnen lieber ist - dass wir die Jagdsteuer abschaffen, sie dann aber auch

von den Belastungen verschonen, die durch ein Transparenz- oder Informationsfreiheitsgesetz entstehen, das auch Kommunen belastet -, bin ich mir sicher, dass jeder kommunale Vertreter sagen würde: Ich kann auf die Jagdsteuer verzichten, ebenso aber auch darauf, mit Verwaltungsarbeit, die ein Übermaß darstellt, belastet zu werden.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Was wird denn ein solches Gesetz, über das wir hier reden, bringen? Seit Mai 2012 gibt es eine umfangreiche Evaluation im Zusammenhang mit dem Bundesgesetz aus 2006. Wenn man sich nicht den mehrere Hundert Seiten umfassenden Gesamtbericht, sondern nur den Extrakt, die Zusammenfassung, ansieht, stellt man fest, dass dort die Erkenntnis gewonnen wurde: Antragsteller sind in der Regel nicht die normalen Bürger, um die es uns doch angeblich geht. Es zeigt sich eindeutig, dass Antragsteller Rechtsanwälte, Lobbyisten und zum Teil Journalisten sind. Es handelt sich um wenige Berufsgruppen, die ihre Recherchearbeit - wie in alten Zeiten - nicht selber machen wollen, sondern die davon profitieren wollen, dass sie Rechercheaufgaben auf öffentliche Verwaltungen abladen können.

In dem Evaluationsbericht wird auf die unterschiedlichen Punkte Bezug genommen, um die es da geht. Dabei geht es um den Konflikt zwischen dem Informationsrecht von Bürgern und dem Verwaltungsaufwand, der entsteht. Dieser Verwaltungsaufwand, meine Damen und Herren, ist nicht gering, sondern erheblich.

Auch die Frage der Kosten wird angesprochen. Natürlich sollen die Kosten, die das Gesetz verursacht, mit Gebühren wieder hereingeholt werden. Aber der Evaluationsbericht kommt - ich empfehle Ihnen die Lektüre - auf Seite 5 - ich zitiere - zu dem Ergebnis, dass die Kosten bzw. Aufwendungen durch die zu erhebenden Gebühren nie ausgeglichen werden können. Bei sehr umfangreichen Anfragen, mit denen ein hoher Verwaltungsaufwand verbunden ist, oder bei Viel-Antragstellern wenden die Behörden die Gebührenerhebung zuweilen als Steuerungsmittel an. Das geht aber nach der Rechtsprechung, die es inzwischen gibt, nur begrenzt; denn die Gebührenerhebung ist nach oben hin gedeckelt.

Weiterhin gibt es das Konfliktfeld der Ausschlussgründe. Herr Limburg, ich darf Sie an dieser Stelle ansprechen. Sie sind eben als der Urheber einer früheren Gesetzesvorlage von Rot-Grün gehandelt worden. Sie haben zu Dr. Genthe gesagt, „ab

schreiben“ sei zwar ein Kompliment, aber keine geistige Leistung.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Das habe ich nicht gesagt!)

- So habe ich es verstanden. Dann ist meine Wahrnehmung vielleicht ein wenig falsch.

Ich kann Ihnen bei einem Vergleich der Gesetze, die wir bislang in Deutschland haben, sagen: Auf Bundes- und Länderebene sind diese sehr kurz gefassten Gesetze nahezu identisch. Große Unterschiede gibt es nicht. Auch ich glaube nicht, dass Rot-Grün das Gesetz in der letzten Legislaturperiode hier in Niedersachsen erfunden hat.

Fazit: In der Presseinformation, die das Ministerium gestern herausgegeben hat - damit möchte ich schließen -, steht - Zitat - etwas aus meiner Sicht ganz Wichtiges:

„Zentrale Regelung eines Informationsfreiheitsgesetzes ist es, jeder natürlichen und juristischen Person des Privatrechts einen Anspruch auf voraussetzungslosen Zugang zu Informationen des Staates und der Kommunen zu verschaffen.“

Wir reden davon, dass wir Kommunen entlasten, Verwaltung verschlanken und Kosten minimieren müssten. Wenn diese Gesetzesregelungen die kommunale Ebene erreichen würden, hätten wir einen entscheidenden Fehler begangen. Damit würden wir die kommunale Ebene schwächen. Das dürfen wir nicht tun. Ich freue mich auf interessante Beratungen im Rechtsausschuss.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Danke, Herr Kollege Winkelmann. Wenn ich recht informiert bin - das haben wir gerade überlegt -, war das auch Ihre erste Rede.

(Zurufe: Nein! - Profi!)

- Das hat man auch gemerkt.

(Heiterkeit - Jens Nacke [CDU]: Die erste Rede war ähnlich brillant!)

Jetzt hat sich Frau Ministerin Niewisch-Lennartz zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße es ausdrücklich, dass die FDP

das Thema der Informationsfreiheit auf ihre Fahnen geschrieben und hier einen entsprechenden Gesetzentwurf vorgelegt hat, auch wenn er in Teilen mit dem inhaltsgleich ist, was Bündnis 90/Die Grünen in der letzten Legislaturperiode hier eingebracht hat. Damals haben Sie allerdings dagegen gestimmt.

(Dr. Marco Genthe [FDP]: Ich nicht!)

Ich will aber nicht kritisieren, dass sich die FDP diesen Gesetzentwurf zum Vorbild genommen hat.

(Zuruf von der FDP)

- Ja, habe ich. Dazu komme ich gleich.

Ich will nicht kritisieren, dass die FDP das zum Vorbild genommen hat, nicht nur deshalb nicht, weil es ein inhaltliches Kompliment ist, sondern weil es grundsätzlich keinen Urheberrechtsschutz für Gesetzesvorlagen gibt.

Sie haben darauf hingewiesen, dass es auf Bundesebene andere, ähnliche Gesetze gibt. Das ist meines Erachtens nicht zu kritisieren. Man muss, glaube ich, gerade wegen der historischen Lauterkeit darauf hinweisen, dass Sie dem damaligen Gesetz vielleicht gerne zugestimmt hätten, wenn Sie denn nicht aus Koalitionstreue daran gehindert gewesen wären. Umso erfreulicher ist es natürlich, dass dieses Hindernis durch das Ergebnis der Landtagswahl für Sie nun entfallen ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Landesregierung stimmt mit der Fraktion der FDP im Grundsatz darin überein, dass das Land ein solches Informationsfreiheitsgesetz braucht. Deswegen steht das auch in der Koalitionsvereinbarung.

Wenn Sie sie allerdings genau lesen, können Sie feststellen, dass das, was in der Koalitionsvereinbarung steht, darüber hinausgeht. Wir wollen nicht nur ein Informationsfreiheitsgesetz, sondern wir wollen ein Transparenzgesetz verabschieden, das sich hinsichtlich der Regelungsbreite an dem Modell in Hamburg orientiert.

Das ist ein zentraler Unterschied; denn es geht nicht nur darum, Akteneinsicht zu bekommen und Auskünfte zu beantragen und gewährt zu bekommen, sondern daneben geht es um die Verpflichtung der Behörden, amtliche Dokumente und aufbereitete Informationen im Rahmen eines öffentlichen Registers mit einer Suchfunktion, die es dann jedem Bürger ermöglicht, darauf zuzugreifen, online zur Verfügung zu stellen. Entsprechende Ent

würfe gibt es in Bayern und auch auf der Ebene des Bundes.

In diese Richtung wollen wir in Niedersachsen gehen. Der Entwurf der FDP bleibt insoweit dahinter zurück. Eine moderne umfassende Regelung, wie sie die Niedersächsische Landesregierung beabsichtigt, braucht allerdings eine gründliche Vorbereitung. Der Vorwurf, wir würden uns zu viel Zeit lassen, geht meines Erachtens gerade bei diesem Gesetz gründlich fehl.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)