Protokoll der Sitzung vom 09.06.2016

Meine Damen und Herren, Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen: Die Polizei in Niedersachsen kann ihre Aufgaben und die Einsatzlagen mit dem bestehenden Personal ganz offensichtlich erfolgreich bewältigen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Dafür, meine Damen und Herren, bedanke ich mich ganz ausdrücklich bei allen Polizeibeamtinnen und -beamten, die mit ihrer engagierten Arbeit dazu beigetragen haben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Damit, Herr Adasch - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, können Sie als Opposition nach meinem Eindruck nur schwer umgehen. Aber es wäre doch schön, wenn Sie die Erfolge einmal anerkennen und die Polizei dafür auch mal ein bisschen loben würden.

(Thomas Adasch [CDU]: Die loben wir bei jeder Gelegenheit!)

Der Polizei nutzt es jedenfalls nichts, wenn Sie ihre beachtliche Leistung, die sich auch in der Kriminalstatistik eindrucksvoll zeigt, immer wieder kleinreden.

(Petra Tiemann [SPD]: So ist es!)

Stattdessen lassen Sie die Kriminalitätsstatistik links liegen, meine Damen und Herren von der CDU, und nehmen sich allenfalls einzelne Phänomene vor, beispielsweise die Einbruchskriminalität.

Oder Sie verfolgen Ihr Ziel über Umwege, indem Sie die soziale Situation der Polizeibeamtinnen und -beamten in den Mittelpunkt stellen - exakt jene soziale Situation, meine Damen und Herren von der CDU, die Sie während Ihrer Regierungszeit selbst hervorgerufen haben.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie werden sich ja wohl noch erinnern, dass Sie es waren, die in Ihrer zehnjährigen Regierungszeit den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten die beruflichen Perspektiven genommen haben.

(Zurufe von der CDU)

- Das gehört jetzt zur Bilanz.

Sie haben mit Ihrem A-11-Erlass die Bedingungen dafür gesetzt, dass 80 % aller Polizeibeamtinnen

und Polizeibeamten es bestenfalls noch in das erste Beförderungsamt geschafft hätten, bevor sie sich von allen Karriereerwartungen hätten verabschieden müssen.

(Beifall bei der SPD)

Erst mit der Aufhebung Ihres A-11-Erlasses und der Schaffung von jährlich 1 500 zusätzlichen Beförderungsmöglichkeiten nach A 10 und A 11 haben dieser Innenminister Boris Pistorius und diese rot-grüne Mehrheit die Attraktivität des Polizeiberufs in Niedersachsen wieder auf ein einigermaßen angemessenes Maß gehoben.

(Beifall bei der SPD)

Ich will die Entwicklung der Stellensituation bei der Polizei einmal beschreiben. Es war die rot-grüne Vorvorgängerregierung, die die zweigeteilte Laufbahn für die niedersächsische Polizei im Jahr 1992 eingeführt hat. Ich bin Ihnen im Übrigen wirklich dankbar, meine Damen und Herren von der CDU, dass Sie diese Entscheidung bei Ihrer Regierungsübernahme 2003 nicht wieder kassiert, sondern übernommen und die personalwirtschaftliche Umsetzung im Jahr 2010 dann zum Abschluss gebracht haben.

Damit haben wir auch heute noch - das können wir alle gemeinsam, glaube ich, sehr zufrieden feststellen - alle Voraussetzungen für eine leistungsfähige und sozialkompetent agierende Bürgerpolizei.

Aber Sie haben die Stellen des ehemaligen mittleren Dienstes lediglich in Stellen des Eingangsamtes A 9, teilweise auch A 10 und in ganz geringem Umfang auch A 11 umgewandelt. Im Ergebnis war fast die Hälfte der Stellen des Polizeivollzugsdienstes im Haushalt 2012/2013 lediglich im Eingangsamt verortet.

Und es waren wiederum wir, diese rot-grüne Landesregierung, die dieses strukturelle Problem angepackt und in einem ersten Stellenhebungsprogramm 750 Stellen von A 9 nach A 10 und weitere 750 Stellungen von A 10 nach A 11 transferiert haben. Damit konnte immerhin der Anteil der Polizeivollzugsbeamtinnen und -beamten im Eingangsamt A 9 von 50 % auf aktuell ca. 42 % reduziert werden.

Das zeigt: Wir tun eine Menge zur Verbesserung der sozialen Situation unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten. Aber wir können auch nicht auf einen Schlag all das korrigieren, was Sie von 2003 bis 2012 liegengelassen

(Thomas Adasch [CDU]: Jetzt wird es albern! - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Oh!)

oder auf die falsche Spur gesetzt haben, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der SPD)

Aber in der Tat: Wir haben gegenwärtig eine Reihe von hohen Belastungsmomenten für die Polizei.

(Dr. Gero Hocker [FDP]: Hier in die- sem Saal auch!)

Die Ursachen liegen allerdings nicht in der Routine des Alltags, sondern in der ausgesprochen dichten Einsatzlage des vergangenen Jahres. Ich erspare Ihnen, das dezidiert vorzutragen. Der Innenminister hat u. a. auf Schloss Elmau hingewiesen: mit einem Umfang von insgesamt über 200 000 Einsatzstunden für die niedersächsische Polizei.

Vor diesem Hintergrund hatten unsere Polizeibeamtinnen und -beamten nach den Erhebungen der Landesregierung zum 31. Dezember vergangenen Jahres Zeitguthaben und Mehrarbeit in einer Größenordnung von ca. 1,4 Millionen Stunden angesammelt. Das ist viel, und wir nehmen das auch sehr ernst. Wir sagen deutlich, das kann kein Dauerzustand bleiben.

(Thomas Adasch [CDU]: Aha!)

Meine Damen und Herren, zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Zusammentreffen von Zugleichaufgaben keine neue Erscheinung darstellt. Im polizeilichen Alltag kommt es immer wieder vor, dass die Aufgaben gehäuft auftreten und in ihrer Folge auch Freizeitausgleich nur eingeschränkt möglich ist und dementsprechende Belastungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auftreten. Das war übrigens auch zu Regierungszeiten von CDU und FDP nicht anders.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die Ausweisung zusätzlicher Stellen nicht nur anhand der kurzfristigen Kassenlage, sondern anhand des langfristigen finanziellen Spielraums entschieden werden muss. Nichtsdestotrotz: Wir werden auch auf die für die Polizei herausfordernde Gesamtsituation in diesem Bereich reagieren und die Personalsituation angemessen anpassen. Ich halte es aber für völlig falsch, Personalanpassungen in einen Kontext mit steigenden Zahlen bei der Einbruchskriminalität zu stellen.

Der Grund für zusätzliche Mehreinstellungen ist auch, dass die Gesamtbelastung der Polizei zuge

nommen hat und dass schon die aktuelle Zuwanderung zusätzliche Aufgaben auch für die Polizei mit sich bringen wird. 102 231 Asylsuchende sind nach der offiziellen Statistik im vergangenen Jahr nach Niedersachsen gekommen. Damit ist unsere Bevölkerung um ca. 1,25 % angewachsen. Diese Menschen werden im Alltag genauso präsent sein, wie es die hier schon seit vielen Jahren lebenden Menschen auch sind. Sie werden genauso in Verkehrsunfälle verwickelt sein. Sie werden genauso vor Gefahren geschützt werden müssen. Sie werden genauso Opfer und Zeuge von Straftaten werden. Und sie werden genauso zum Teil selbst Straftaten begehen, wie es die Menschen tun, die schon lange bei uns leben. Dementsprechend wird sich allein durch diese Zuwanderung auch der Aufgabenbestand der Polizei erhöhen.

Meine Damen und Herren, wir haben daher bereits am 1. April des vergangenen Jahres 182 Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärter zusätzlich neu eingestellt. Wir werden diese Vorratseinstellung von jeweils 150 zusätzlichen Polizeikommissaranwärterinnen und -anwärtern auch in den Jahren 2017 und 2018 fortführen und damit im Rahmen der Organisationsvorsorge verstetigen.

Herr Oetjen, das sind Stellen über die Kompensation der reinen Abgangszahlen hinaus. Es sind 150 Stellen, die darüber hinausgehen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Die werden Sie nicht kriegen!)

Ich werde Sie weiter beruhigen: Wir werden auch die zu lange vernachlässigte soziale Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Polizeidienst verbessern. Ein Beispiel ist die Zulage für Dienst zu ungünstigen Zeiten, die wir zeitnah auf den Durchschnittswert der Bundesländer anheben werden. Wir wollen auch die Heilfürsorge für alle Polizeibeamtinnen und -beamte wieder einführen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Alles das sind Schritte zur Verbesserung der sozialen Situation - Schritte, die wir unseren Polizeibeamtinnen und -beamten angesichts ihrer herausfordernden und zunehmend komplexeren Aufgabe schuldig sind und die Sie in Ihrer Regierungszeit leider nicht vorgenommen haben, meine Damen und Herren von CDU und FDP.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Noch ein paar Worte zu dem Aspekt des Predective Policing, der vorausschauenden Polizeiarbeit.

(Jan-Christoph Oetjen [FDP]: Finden wir auch nicht gut!)

Die niedersächsische Polizei arbeitet auf der Grundlage eines detaillierten Lagebildes. Sie leitet daraus ihre strategischen und operativen Maßnahmen ab. Insofern arbeitet sie vorausschauend. Das möchte ich zunächst einmal feststellen.

Das kann man herzlich gerne mit Hilfsmitteln, mit Technik unterstützen. Auch das tun wir mit unserem NIVADIS-Vorgangsbearbeitungssystem, den eingesetzten Analysetools, die schon eine hervorragende Grundlage bieten. Wenn sich die technischen Voraussetzungen tatsächlich konkretisieren, können wir das sehr gerne mit entsprechenden Softwarelösungen ausweiten, die eine noch exaktere Analyse des zukünftigen Täterverhaltens möglich machen sollen. Dafür brauchen wir aber auch hinreichend konkrete Hinweise, dass das funktioniert. Nach all dem, was wir von unserem LKA von dessen Ergebnissen aus der Erprobung solcher Softwarelösungen wissen, ist das bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt schlicht nicht der Fall.

Andere Länder führen ebenfalls solche Erprobungen durch. Die gegenseitigen Erfahrungen werden ausgetauscht. Das ist auch in hohem Maße vernünftig. Wir beobachten auch mit großem Interesse, was gegenwärtig in Baden-Württemberg in einer Untersuchung der dortigen Polizei gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut mit einer solchen vielversprechenden Softwarelösung stattfindet. Wir halten es aber für falsch, aufgrund einer Eingebung, die Sie irgendwann einmal gehabt haben mögen, jetzt schon zu entscheiden „Wir machen das jetzt schon“, bevor wir uns nicht angeguckt haben, was ganz konkret bei dieser wissenschaftlichen Begleituntersuchung des Max-PlanckInstituts herausgekommen ist. Das scheint uns jedenfalls klüger zu sein, als hier Aktivitäten auszulösen, ganze Hardwarebereiche innerhalb der Polizei umzubauen und auf neue Softwarelösungen umzustellen und anschließend wieder zurückbauen zu müssen, weil sich möglicherweise die Hoffnungen in diese Software doch nicht erfüllt haben.

Insofern warten wir die Ergebnisse ab. Wenn sich das bestätigt, werden wir das selbstverständlich sehr gerne in Niedersachsen einführen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)