Karsten Becker
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Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Minister, ich knüpfe an Ihre Ausführungen zur Elementarschadenversicherung an. Geht die Landesregierung davon aus, dass sich alle Menschen in Niedersachsen einer solchen Versicherung bedienen können, oder ist ihr gegebenenfalls bekannt, für wie viele Personen in Niedersachsen eine Möglichkeit nicht oder nur zu unvertretbar hohen Kosten besteht?
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Fredermann, zu Beginn: Auf Ihr Angebot, mal andere Tagesordnungspunkte von der Tagesordnung zu nehmen, kommen wir zurück. Das verspreche ich Ihnen hiermit!
Ansonsten, Herr Oetjen, Herr Fredermann: Was Sie hier an Nebelkerzen geworfen haben, das war wirklich in höchstem Maße beeindruckend. Ich weiß gar nicht, wie man so viel hier hineinschleppen kann. Ich wundere mich, dass ich Sie schon wieder sehen kann. Aber vielleicht stellen wir jetzt doch zu Beginn eines - wie ich finde - wichtigen Themas ein paar sachliche Aspekte wieder in den Vordergrund.
Ich will einmal feststellen, dass wir alle unsere tiefe Betroffenheit äußern, wenn wir Anlässe zur Kenntnis nehmen müssen, bei denen Menschen plötzlich und unter oftmals schrecklichen Umständen aus dem Leben gerissen werden, völlig gleichgültig, was da als Ursache im Hintergrund gestanden hat, ob es sich um Unfälle, um Katastrophenereignisse oder um kriminelle Handlungen gehandelt hat.
Ich glaube, entscheidend ist für die Opfer und allemal für deren Angehörige, was dort an Leid aufgehäuft wird. Wir alle, meine Damen und Herren, müssen das zum Anlass nehmen, uns sehr ernsthaft Gedanken darüber zu machen, wie wir die Ursachen und Anlässe für solche schrecklichen Ereignisse, die das Leben von Menschen dauerhaft beeinträchtigen, von Angehörigen dauerhaft
beeinträchtigen, minimieren und wie wir die Folgen solcher Ereignisse möglichst gering halten.
Ich finde, mit Ihren Beiträgen - mit Ihrem Beitrag, Herr Oetjen, und mit Ihrem Beitrag, Herr Fredermann - sind Sie diesem Anspruch nicht gerecht geworden.
Ich bin auch der Meinung - das will ich hier deutlich sagen -, dass wir zu kurz springen, wenn wir die Ereignisse, bei denen Menschen getötet oder schwer verletzt werden, bestimmten Kategorien zuordnen und dann die bloßen Zahlen in diesen Kategorien als allein beurteilungsrelevantes Kriterium hervorheben. Aber wir sollten schon zur Kenntnis nehmen, dass in Niedersachsen jährlich wiederkehrend mehr als 400 Menschen und in Deutschland mehr als 3 000 Menschen bei Verkehrsunfällen getötet werden.
Meine Damen und Herren, vielleicht ist es so, dass diese erschreckend hohen Zahlen zu so etwas wie einem Gewöhnungseffekt führen, der uns zuweilen auch den Blick auf die Notwendigkeit verstellt, entschlossen alles dafür zu tun, dass die Zahl der Unfalltoten und schwer Verletzten drastisch zurückgeht.
Wir müssen uns die Frage stellen: Ziehen wir nachhaltige Konsequenzen aus diesen schlimmen Verkehrsunfallbilanzen, und halten wir andere zur Überprüfung ihres Verhaltens an, oder ändern wir auch unser eigenes Verhalten? Wie gesagt, finde ich, dass wir unserer Verantwortung an dieser Stelle gerecht werden müssen.
Ich will das noch an einem anderen Beispiel deutlich machen. Nun bin ich kein Luftfahrtexperte. Aber 400 Menschen dürften ungefähr der Passagierzahl von zwei voll besetzten größeren Ferienfliegern entsprechen, die in den nächsten Monaten wieder verstärkt vom Flughafen Langenhagen an die Sonnenstrände dieser Welt fliegen. Meine Damen und Herren, ich glaube, wir alle können ermessen, wie die Welt reagieren würde und was am Himmel über Niedersachsen los wäre, wenn über dem Flughafen Langenhagen jedes Jahr zwei dieser Flugzeuge abstürzen würden: Der Himmel über Niedersachsen wäre leer.
Damit will ich nur einmal deutlich machen, was 400 Verkehrsunfalltote in der Bilanz tatsächlich bedeu
ten und mit welcher Leichtigkeit Sie sich in dieser Debatte heute darüber hinweggesetzt haben.
Meine Damen und Herren, darum ist es entscheidend, uns trotz dieser fatalen Gewöhnung an die Gefahren des Straßenverkehrs bewusst zu machen, dass hinter jedem Verkehrsunfalltoten die gleichen trauernden Ehefrauen und -männer, die gleichen Mütter, die gleichen Väter und die gleichen Kinder stehen wie auch bei allen anderen schrecklichen Todesfällen.
Wir alle können deutlich mehr tun, um die Zahl dieser schweren Verkehrsunfälle zu verringern.
Natürlich wird eine Erhöhung der Bußgelder nicht schlagartig zu einer Verringerung der Zahl der Unfallopfer führen. Wir wären naiv, wenn wir so etwas behaupten würden. Dafür bedarf es natürlich mehr. Dafür bedarf es vor allen Dingen einer entsprechenden Einstellung zum Straßenverkehr.
Meine Damen und Herren, besonders Sie, Herr Fredermann, die Hauptursache für Unfälle mit schwersten Unfallfolgen sind unangepasste Geschwindigkeit und alle Nebenerscheinungen aggressiven Verhaltens im Straßenverkehr. Es ist eben nicht die hohe Verkehrsdichte, bei der schwere Verkehrsunfälle passieren. Das Gegenteil ist der Fall. Leere Straßen sorgen dafür, dass viel zu schnell gefahren wird und bei Einzelunfällen dann Verkehrstote zu beklagen sind.
Deshalb muss es darum gehen, diese Einstellung zu verändern und dafür zu sorgen, dass erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen nicht mit einem Augenzwinkern hingenommen werden. Das, meine Damen und Herren, ist auch keineswegs aussichtslos. So etwas ist uns in dieser Gesellschaft hier in Deutschland nämlich bei einem anderen Verkehrsdelikt schon einmal gelungen, und zwar bei der Trunkenheit im Straßenverkehr.
Ich will das einmal kurz zusammenfassen. Während das bekannte „Glas zu viel“ bis in die 80erJahre hinein noch augenzwinkernd akzeptiert wurde und der Verlust des Führerscheins als Folge einer Trunkenheitsfahrt noch als Pech hingenommen wurde - nach dem Motto: das kann jedem mal passieren -, wird dies heute nicht mehr akzeptiert. Heute ist das Fahren unter Alkoholeinfluss gesellschaftlich geächtet. Ich glaube wirklich, dass man das so formulieren kann. Vor allen Dingen wird es
in der Folge auch nicht mehr praktiziert, und die Unfallzahlen in diesem Bereich sinken weiter.
Meine Damen und Herren, von einer solchen Einstellungsänderung sind wir bei den Geschwindigkeits- und Aggressionsphänomenen bedauerlicherweise noch meilenweit entfernt.
Herr Bode, ich erinnere an dieser Stelle an die GTI-Debatte, die wir zugegebenermaßen in einem anderen Zusammenhang, in einem anderen Kontext hier geführt haben.
Ich finde auch, dass die Menschen durchaus Spaß haben sollen. Sie sollen auch Spaß am Autofahren, am Fahren mit einem GTI haben. Das finde ich in Ordnung. Aber ich will ebenso deutlich sagen: Wenn die Konsequenz ist, dass ein falsch verstandenes Spaß-Haben, ein falsch praktiziertes Spaß-Haben in Getöteten und Schwerverletzten mündet, dann müssen wir hier etwas dagegen tun.
Und dazu kann eine spürbare Erhöhung der Geldbußen für rücksichtsloses und gefahrenträchtiges Verhalten einen spürbaren Beitrag leisten.
Meine Damen und Herren von der FDP, Herr Oetjen, ich will noch einmal auf Ihren Debattenbeitrag in den Ausschussberatungen zurückkommen. Sie haben dort erklärt, Frankreich sei mit einer höheren Zahl von Verkehrstoten gerade kein gutes Beispiel für die Wirksamkeit höherer Bußgelder.
Dazu kann ich nur Folgendes sagen: Das Gegenteil ist richtig. Man muss nur etwas tiefer hineingucken. Die Erhöhung der Straßenverkehrssicherheit ist und war eine wesentliche Zielsetzung der EUKommission, die in ihrem Weißbuch Verkehr aus dem Jahr 2001 die Zielsetzung formuliert hatte, bis zum Jahr 2010 die Zahl der Verkehrstoten in der EU zu halbieren.
Deutschland hat dieses Ziel verfehlt, Frankreich nicht. Neben fünf osteuropäischen Ländern ist es Luxemburg, Schweden, Spanien und Frankreich gelungen, die Zahl der im Straßenverkehr Getöteten um die Hälfte oder mehr zu reduzieren.
Frankreich hat das u. a. mit drastisch intensivierten Kontrollen und einer deutlichen Heraufsetzung der
Geldbußen für verkehrsgefährdendes Verhalten geschafft. Es war Innenminister Nicolas Sarkozy, der das damals veranlasst hat.
Um das klar zu sagen: Herr Fredermann, es geht nicht um eine lineare Anhebung von Geldbußen für bloßes Augenblicksversagen. Herr Oetjen, es geht nicht um das, was 60 oder 80 % der Autofahrer jeden Tag auf den Straßen erleben. Hier geht es ausdrücklich um Aggressionsdelikte, um herausgehoben schnelles Fahren und um erhebliches Überschreiten der Verkehrsgeschwindigkeit.
Es geht um rücksichtsloses Rasen. Das müssen wir hier deutlich machen. Ich hätte mir gewünscht, dass es uns gelungen wäre, hier gemeinsam deutlich zu machen, dass es uns darum geht, die Menschen auch angesichts ihrer Familienangehörigen besser zu schützen, als wir es in der Vergangenheit getan haben, damit es nicht wieder - wie in diesem Jahr - zu 400 Unfalltoten kommt.
(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)
Meine Damen und Herren, ein solches Zeichen sind wir den Menschen in diesem Land schuldig. Sie haben sich hier aber anders eingelassen. Was Sie hier geäußert haben, spricht den Opfern im Straßenverkehr schlicht Hohn.
Meine Damen und Herren, mehr als 400 Verkehrsunfalltote in diesem Land sind viel zu viel - nach unserem Empfinden. Dass Sie das anders sehen, haben Sie deutlich gemacht. Wie Sie das sehen, habe ich zur Kenntnis genommen.
Wir jedenfalls von SPD und Grünen werden gemeinsam mit dieser Landesregierung die Mittel, die uns zur Verfügung stehen, nutzen, um diesem gefährlichen Fehlverhalten im Verkehr, das diese Konsequenzen mit 400 Verkehrstoten in jedem Jahr zutage fördert, entschlossen entgegenzutreten.
Sie haben noch ein paar Sekunden Zeit, sich zu überlegen, ob Sie uns dabei folgen wollen.
Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Oetjen, Herr Fredermann, meine Damen und Herren von der FDP und von der CDU, ich habe nichts Neues gehört. Es bleibt dabei. Wir haben eine Debatte im Ausschuss gehabt. Wir haben heute eine Debatte gehabt. Übrigens stand in meinem Manuskript etwas anderes, als ich hier gesagt habe. Das war eine Reaktion auf Ihre Einlassung, die ich im Übrigen für absolut angemessen halte.
Es bleibt dabei: Sie haben sich zu dem Thema „Verkehrsunfalltote in Niedersachsen“ mit keinem Wort sachlich eingebracht und im Ausschuss keine Vorschläge dazu unterbreitet, wie man diesem Phänomen begegnen kann. Nichts, vollkommene Ebbe! Wir halten das für unzureichend. Sie halten das für angemessen. Und das unterscheidet uns.
Vielen Dank.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger können natürlich
vom Gesetzgeber völlig zu Recht erwarten, dass in einer Debatte über neue gesetzliche Eingriffsmöglichkeiten explizit geprüft wird, ob mit dieser Norm der angestrebte Zweck auch tatsächlich erreicht werden kann. Das gilt allemal, wenn mit der Einführung eines Eingriffsrechts empfindliche Einschränkungen von Grundrechtspositionen verbunden sind.
Meine Damen und Herren, gerade in einer Zeit, in der die Kriminalitätsängste aufgrund terroristischer Bedrohungsszenarien zunehmen und in Teilen der CDU die Eingriffsbefugnisse in verfassungsrechtlich bedenkliche Bereiche getrieben werden, bedarf es umso mehr einer konstruktiven Debatte zu der Frage, welche gesetzlichen Anpassungen überhaupt geeignet sind, um Sicherheitsaspekte tatsächlich zu verbessern, und welche Vorschläge bloße Placebo-Maßnahmen sind, die sich mit dem Anschein begnügen, kriminalitätsrelevant wirksam zu werden.
Meine Damen und Herren, nur dann, wenn wir diese Debatte wirklich sorgfältig führen, können wir am Ende den erwünschten Sicherheitsgewinn gegen Eingriffe in die individuellen Grundrechtspositionen vernünftig abwägen. Und nur dann können wir erwarten, einen breit getragenen gesellschaftlichen Konsens zu dieser Frage herstellen zu können.
Meine Damen und Herren, die Frage lautet also: Welche Wirkungen dürfen wir von der Videoüberwachung im öffentlichen Raum überhaupt erwarten? - Wir können das dank Untersuchungen aus den USA und aus Großbritannien recht präzise beschreiben. Erfreulicherweise, meine Damen und Herren von der FDP, haben Sie in Ihrem Antrag darauf verzichtet, die Erwartungen an Videoüberwachungsmaßnahmen mit Wirkungen wie der Verhinderung von Straftaten oder einer Verbesserung des subjektiven Sicherheitsempfindens zu überfrachten. Das kann Videoüberwachung nämlich in der Tat kaum leisten.
Videoüberwachung kann allerdings zu einer schnelleren Täterermittlung und unter Umständen auch zu einer besseren Beweislage führen. Allerdings, meine Damen und Herren von der FDP, werfen Sie sich mit der Forderung nach qualitativer Verbesserung der Videoaufzeichnungen dann doch, lieber Herr Oetjen, hinter den Zug.
Die Aktualisierung der technischen Ausstattung unserer Sicherheitsdienste ist natürlich eine stän
dige Aufgabe. Das Landespräsidium hat die Erarbeitung eines Konzepts für die zukünftige Videoüberwachung insbesondere mit der technischen Modernisierung der Anlagen bereits in Auftrag gegeben. Insofern ist der Eindruck, den Sie hier suggerieren, die Landesregierung kümmere sich nicht darum, nicht richtig.
Denn natürlich - da ist Ihnen zuzustimmen - muss das erzeugte Bildmaterial, wenn die Überwachung tatsächlich zur Aufklärung von Straftaten beitragen soll, diese Absichten auch in technischer Hinsicht unterstützen - wohlgemerkt an Örtlichkeiten, die konkret kriminalitätsbelastet sind bzw. erwarten lassen, dass es an ihnen zu Straftaten kommt.
Meine Damen und Herren von der FDP, mir ist allerdings nicht ganz klar, wie Sie sich die Echtzeitbeobachtung der Videoaufnahmen, die Sie hier mit dem Begriff „Monitoring-Verfahren“ beschreiben, ganz konkret vorstellen. Es spricht nichts gegen die bereits aktuell praktizierte Lösung, Videoaufnahmen bei entsprechenden Lagen in die Führungs- und Lagezentren einzuspielen, um dort aktuell den Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, die den Einsatz führen, eine Übersicht über die Lage zu ermöglichen.
Die Schaffung einer eigenen Organisationseinheit, die sich dann aber wohl ausschließlich mit der Betrachtung von Videoaufnahmen befassen soll, ist allerdings weit weg von der Praxis des polizeilichen Alltags und vor allen Dingen, meine Damen und Herren, von der Sicherheitslage im Lande. Um es ganz deutlich zu sagen: Wir haben im täglichen Lebensalltag keine derartigen Lagen oder Beobachtungsbrennpunkte, an denen sich eine permanente Beobachtung sinnvoll anbieten würde.
Meine Damen und Herren, das ist mir jetzt sehr wichtig: Wenn es solche Brennpunkte tatsächlich gäbe, dann würden wir ganz sicher nicht zuerst über die Installation von Videobeobachtung nachdenken, sondern dafür sorgen, dass die Polizeipräsenz an solchen Örtlichkeiten ganz deutlich verstärkt wird. Die reale physische Präsenz gut ausgebildeter, lageangemessen ausgerüsteter und handlungskompetenter Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten ist nämlich allemal besser und den Bürgerinnen und Bürgern im Übrigen auch wesentlich lieber als eine virtuelle Cyber-Polizeistreife vor einem Videobildschirm.
Meine Damen und Herren, darum sollten wir alle gemeinsam hier nicht den Eindruck erwecken, durch Videoüberwachung würden Straftaten oder Gefahren per se rascher erkannt, wenn man sie
nur durch eine zusätzliche Beobachtungsform wie eine virtuelle Polizeistreife ergänzte. Wir sollten uns hüten, hier in eine selbst gestellte Falle zu laufen, indem wir die Videografie des Lebensalltags zu einer Normalität kultivieren und dann feststellen, dass wir die Bilder- und Datenflut gar nicht mehr im Blick behalten, geschweige denn auswerten können.
Was sich dann nämlich sofort anschließt, meine Damen und Herren, ist der Ruf nach einer automatisierten Auswertung. Erst setzen wir Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte vor Monitore, anstatt sie auf der Straße mit den Bürgerinnen und Bürgern interagieren zu lassen, und anschließend ersetzen wir die Polizisten durch verdachtsgenerierende Algorithmen, weil wir der Bilderflut nicht mehr Herr werden.
Meine Damen und Herren, ich halte das nicht für eine kluge Strategie. Es ist nämlich auch keine verlockende Vorstellung, dass ein den Überwachungskameras nachgeschalteter Algorithmus einen Menschen, der sich im öffentlichen Raum bewegt, beobachtet, sein Verhalten bewertet und die Situation dann völlig autonom als normal oder als außergewöhnlich bewertet und dementsprechend Alarmierungen oder weitergehende Maßnahmen auslöst.
Meine Damen und Herren, was ist denn mit dem Menschen, dessen Aussehen oder Verhalten die Verdachtserkennung eines solchen Programms zwar unberechtigt, aber mit schöner Regelmäßigkeit auslöst? Was passiert denn mit dieser Person, wenn sie infolge solcher automatischer Selektion mit schöner Regelmäßigkeit den sich anschließenden Kontrollaktionen unterworfen wird? Und wer legt eigentlich fest, welche Verhaltensweisen, welches Aussehen oder welche persönlichen Merkmale verdachtsauslösend sein sollen und welche nicht?
Wie Sie in Ihrem Antrag richtig feststellen, meine Damen und Herren von der FDP, haben wir zu diesen Aspekten in der Tat Diskussionsbedarf. Insofern freue ich mich für meine Fraktion auf die Ausschussberatung.
Vielen Dank.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Vereinbarung der 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris, die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad, wenn möglich auf 1,5 Grad zu begrenzen und die Treibhausgasemissionen bis zur Mitte des Jahrhunderts weltweit auf null zu reduzieren, setzen nicht weniger als einen kompletten und globalen Umbau der Energieerzeugungs- und -versorgungsstrukturen voraus. In Deutschland sollen die erneuerbaren Energien bis 2020 einen Anteil von mindestens 35 % am Stromverbrauch erreichen, bis 2050 einen Anteil von mindestens 80 %. Niedersachsen ist heute schon weiter. Im Jahr 2015 betrug der Anteil der regenerativen Energieträger an der gesamten Stromerzeugung in Niedersachsen 40,1 %. Er lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 29 %.
Nach dem vom Landeskabinett am 16. August 2016 beschlossenen Leitbild für die Energie- und Klimaschutzpolitik sollen die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 % reduziert und die Energieversorgung bis zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Damit hat die Energiewende in Niedersachsen bereits heute eine erfreulich klare und in vollem Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen stehende Zielperspektive.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist aber natürlich die Frage der Umsetzung. Wir können der weiteren Entwicklung nicht zusehen und abwarten, bis Investoren irgendwo in Niedersachsen Windenergie-, Biogas- oder Photovoltaikanlagen errichten. Darum ist es ausgesprochen hilfreich, dass uns mit dem für den Runden Tisch Energiewende erarbeiteten Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahr 2050“ ein Fahrplan vorliegt, an dem sich der weitere Umbau unserer Energieerzeugung bis zum Jahr 2050 orientieren kann. Die in dem Gutachten entwickelten Szenarien beschreiben und begründen die weitere Entwicklung der regenerativen Energieerzeugung in Niedersachsen in den kommenden Jahrzehnten.
Danach wird sich insbesondere der Energiemix der Erneuerbaren deutlich verändern. Die gegenwärtig dominierende Stellung der Windkraft wird sich zugunsten der Solarenergie verschieben. Nach dem Gutachten soll die Photovoltaik im Jahr 2050 mit 36,1 % den größten Deckungsbeitrag zum Energieendverbrauch in Niedersachsen liefern. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 lag dieser Anteil mit ca. 3 Milliarden kWh bei vergleichsweise geringen 9,4 %.
Meine Damen und Herren, wenn dieser Umbau gelingen soll, dann müssen die Rahmenbedingungen jetzt angepasst werden. Der Bau von Photovoltaikanlagen muss auch im Norden attraktiver werden.
Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten Beschäftigten im Bereich der erneuerbaren Energien. Prozentual gesehen, arbeiten in Niedersachsen so viele Menschen in der ErneuerbareEnergie-Branche wie in kaum einem anderen Flächenland. Die Erneuerbaren stehen bei uns für 55 000 Arbeitsplätze, bisher vor allem im Bereich der Wind- und der Bioenergie.
Den zurzeit unklaren Wachstumsaussichten der Photovoltaik steht in Niedersachsen das bundesweit zweitgrößte Potenzial zur solaren Energieerzeugung unter allen Bundesländern gegenüber. Der Ausbau der Solarenergie ist allerdings bisher in Niedersachsen nur unterdurchschnittlich.
Das sollte man auch deswegen ändern, weil sich Sonnen- und Windenergie ausgesprochen gut ergänzen. Während die Windenergie im Winter ihre Stärken hat, ist die Sonnenenergie gerade im Sommer intensiv nutzbar. Eine Kombination von Wind und Sonne minimiert nicht nur den Bedarf an fossilen Energien, sondern auch die erforderlichen Übertragungs- und Speicherkapazitäten.
Meine Damen und Herren, einen wesentlichen Schritt zur Beschleunigung des Ausbaus dezentraler Photovoltaik hat der Bundesrat bereits mit seinem Beschluss vom 10. März 2017 auf den Weg gebracht. Damit ist die Bundesregierung aufgefordert worden, die im EEG 2017 enthaltene Verordnungsermächtigung für eine Gleichstellung von Eigenverbrauch und Mieterstrommodellen bei der EEG-Umlage umzusetzen. PV-Mieterstrommodellen kann wieder eine wirtschaftliche Perspektive gegeben werden, indem der Direktverbrauch dem Eigenverbrauch wirtschaftlich gleichgestellt wird.
In diesem Zusammenhang leisten insbesondere dezentrale Solarstromanlagen zum Eigenverbrauch einen sinnvollen Beitrag zur Energiewende. Der erzeugte Strom kann größtenteils lokal genutzt werden, sodass aufwendige Transport- und Speicherlösungen entbehrlich sind.
Allerdings halten sich Hausbesitzer erkennbar immer noch mit Investitionen in Photovoltaikanlagen zurück. Das ist wohl auch eine Folge der hitzigen Debatten, die wir alle um die 2014er EEGNovelle geführt haben. Seitdem werden Investitionen in PV-Anlagen vielfach als unwirtschaftlich und als nicht mehr sinnvoll angesehen.
Diese Einschätzung ist aber faktisch kaum gerechtfertigt und wohl darin begründet, dass Aspekte wie die Eigenstromnutzung nicht in die Überlegungen einbezogen werden. In der Regel lohnen sich die Investitionen in dezentrale Photovoltaikanlagen aber, wenn es gelingt, den selbst hergestellten Strom auch größtenteils selbst zu verbrauchen.
Aufklärung tut not, um investitionshemmende Überzeugungen mit Informations- und Aufklärungsmaßnahmen aufzulösen. Da ist es doch gut, dass wir als Instrument die niedersächsische Klimaschutz- und Energieagentur zur Verfügung haben, mit der landesweit ein Beratungsschwerpunkt zu diesem Aspekt auf den Weg gebracht werden kann.
Auch die Landesverwaltung selbst kann im Rahmen internen Handelns einen Beitrag zum Ausbau dezentraler Photovoltaik leisten, indem sie vorrangig bei Neu- und Umbauten landeseigener Gebäude die Eignung von Dachflächen für die Errichtung von PV-Anlagen zur Eigenstromversorgung prüft und im Eignungsfall realisiert.
Meine Damen und Herren, ein weiteres Hemmnis für den Ausbau der Photovoltaik stellt schlechter
dings die geografische Lage Niedersachsens dar. Die meteorologischen Bedingungen für die Erzeugung von Strom aus Sonne sind in Niedersachsen schlicht ungünstiger als in Süddeutschland. Die geografische Lage Niedersachsens kriegen wir aber selbst mit Beschlüssen in diesem Hause nicht geändert.
Aber man kann natürlich diese Benachteiligung durch eine Anpassung der Förderkulisse ausgleichen. Bei der Windenergienutzung machen wir das schließlich auch. Dort werden die standortbezogenen Nachteile Mittel- und Süddeutschlands durch das sogenannte Referenzertragsmodell ausgeglichen. Eine entsprechende Regelung gibt es für Solarenergie leider nicht, jedenfalls noch nicht.
Wenn wir die PV-Nutzung in Niedersachsen ausbauen wollen, dann müssen niedersächsische Investoren im Ausschreibungswettbewerb für Solarstromanlagen die gleichen Chancen auf Zuschlagserteilung haben wie Investoren an süddeutschen Standorten.
Hier muss der Bund faire Chancen schaffen, damit auch Projekte an Standorten im Norden mit gegenüber dem Süden etwas geringerer Sonneneinstrahlung Erfolgsaussichten in dem mit dem EEG 2017 eingeführten Ausschreibungswettbewerb haben.
Meine Damen und Herren, einen weiteren Ansatzpunkt zur Stimulierung des Ausbaus dezentraler PV-Anlagen stellen die kleinen und mittleren Unternehmen dar. Bedauerlicherweise können Photovoltaikanlagen mit großen Nennleistungen unter den begrenzenden Bedingungen des EEG-Ausschreibungsmodells kaum wirtschaftlich betrieben werden. Die auf den selbst erzeugten Strom zu zahlende EEG-Umlage macht diese Anlagen für die Eigenstromversorgung von Wirtschafts- und Industriebetrieben in der Regel unwirtschaftlich.
Es wäre darum sehr wünschenswert, wenn die mit dem EEG 2014 eingeführte Umlagepflicht für den gesamten Eigenverbrauch gelockert werden könnte, sodass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen eine wirtschaftliche Perspektive für die Eigenstromnutzung aus selbst erzeugtem PVStrom erhalten.
Dass in diesem Zusammenhang eine europa- und beihilferechtskonforme Regelung gefunden werden muss, ist klar. Aber die Chancen, hier einen nennenswerten Beitrag zum Ausbau der dezentralen Energieversorgung zu generieren, sind überzeu
gend. Darum sollten diese Möglichkeiten noch einmal geprüft werden.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der CDU, mit Ihrem Antrag haben Sie uns hier eine Scheinlösung vorgelegt - und jetzt suchen Sie händeringend nach einem Problem, das dazu passt.
Das, meine Damen und Herren, ist absehbar erfolglos. Bereits Ihre Problemannahmen treffen den Kern nicht. Seit nunmehr vier Jahren versuchen Sie, hier den Eindruck zu erwecken, mit der Sicherheit in Niedersachsen werde irgendwie alles immer schlimmer. Das Gegenteil ist richtig! Die Opferzahlen und die Zahl der Straftaten gehen in Niedersachsen zurück, und die Aufklärungsquote ist auf einem im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlich hohen Niveau festgenagelt. Wir haben mehr Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte als jemals zuvor. Sie sind - im Gegensatz zu Ihrer Regierungszeit - sogar mit ihrem Dienstherren zufrieden,
weil er ihre soziale Situation nachhaltig verbessert hat.
- Da können wir ja mal graben, Herr Nacke, wie das mit der Zufriedenheit unter SPD und Grünen ist und wie das mit der Zufriedenheit der Polizistinnen und Polizisten zu Ihrer Regierungszeit war.
Sie sind mit ihrem Dienstherren nicht nur deswegen zufrieden, weil er ihre soziale Situation nach
haltig verbessert hat, sondern auch, weil er sie an Entscheidungsprozessen beteiligt und aktiv einbindet.
Meine Damen und Herren von der CDU, trotz dieser positiven Bilanz in der Sicherheitsfrage versuchen Sie, den Menschen Angst zu machen, nur um hier Scheinlösungen präsentieren zu können. Mehr Videoüberwachung soll es jetzt also richten - das kann sie aber nicht. Videoüberwachung kann die Aufklärung von Straftaten erleichtern
und kann im Zusammenhang mit anderen Maßnahmen auch eine begrenzte präventive Wirkung entfalten.
Ein alleinwirksames Wundermittel gegen Kriminalität und Gewalt ist sie nachweislich nicht.
- Na ja, da bin ich mir nicht ganz so sicher. Schauen Sie sich Ihren Antrag einmal genau an!
Meine Damen und Herren, aus der kriminalistischen Forschung - bezeichnenderweise fast ausschließlich aus den USA und aus Großbritannien - wissen wir recht präzise, welche Wirkung wir von der Videoüberwachung erwarten dürfen. Die Hoffnungen darauf waren ja vor zehn Jahren noch fast unbegrenzt: Straftaten sollten verhindert und Täter leichter ermittelt werden können. Nicht zuletzt sollte die Videoüberwachung das Sicherheitsempfinden erhöhen und damit die Lebensqualität der Bevölkerung verbessern.
Im Lichte der Forschungsergebnisse stellte sich dann aber heraus, dass sich das Sicherheitsempfinden tatsächlich nicht verbessert. Wenn überhaupt, nimmt es nur kurzfristig zu. Außerdem taucht die Frage nach den unterstellten Sicherheitsdefiziten an einer Örtlichkeit auf, an der die Videoüberwachung durchgeführt wird.
Ich sage Ihnen aus eigener Erfahrung: Wer sich diese überdimensionalen Hinweise auf die Videoüberwachungsmaßnahmen in den britischen Städten angeschaut hat, der kann das gut nachvollziehen. Wohlfühleffekte lösen die Dauerpräsenz von Videokameras und die plakativen Wandtapeten von Schutzmännern, die freundlich lächelnd darauf
hinweisen, dass dort zum Zwecke der Kriminalitätsbekämpfung flächendeckend videografiert wird, jedenfalls nicht aus.
Abschreckungseffekte zur Verhinderung von Straftaten sind auch zweifelhaft. Erfahrungen aus Großbritannien weisen zwar einen moderaten Rückgang der Kriminalitätsrate aus, allerdings hauptsächlich in Parkhäusern. Vergleichbare Untersuchungen aus den USA konnten nicht einmal diesen Effekt bestätigen. Lediglich eine Unterstützung bei der Täterermittlung konnte durch die Forschung belegt werden. Immerhin! Das erkenne ich an, das ist etwas. Aber dazu, meine Damen und Herren von der CDU, brauchen wir wahrhaftig keine flächendeckende oder sonst wie maßlos ausgeweitete Videoüberwachung.
Meine Damen und Herren, was wir viel tiefergehend diskutieren sollten, ist die Technik, die sich hinter Ihrem - wie ich finde - Euphemismus „moderne Formen der ‚intelligenten‘ Videoüberwachung“ - so formulieren Sie es in Ihrem Antrag - verbirgt. Bezeichnenderweise sind Sie uns während der gesamten Antragsberatung und auch heute die Erklärung dafür schuldig geblieben, was sich nach Ihrer Auffassung hinter diesem Ausdruck „moderne Formen der ‚intelligenten‘ Videoüberwachung“ verbirgt.
In Ihrer Antragsbegründung schreiben Sie dazu lediglich: „Moderne ‚intelligente‘ Überwachungssysteme können Gefahren teilweise sogar besser erkennen und helfen, Verbrechen oder Terror zu bekämpfen.“ In Ermangelung Ihrer Erklärung, die ich mir gewünscht hätte, erlaube ich mir daher selbst eine Interpretation Ihrer Intention:
Meine Damen und Herren, wir alle wissen, dass die Bilderflut massenhafter Videoüberwachung personell nicht ausgewertet werden kann, schon gar nicht in Echtzeit. Also soll als Notlösung die IT heran. Dazu wird den Überwachungskameras ein Algorithmus nachgeschaltet, der das Aussehen und/oder das Verhalten von Menschen bewertet und die Situation dann völlig autonom als normal oder als außergewöhnlich einstuft und dementsprechend Alarmierungen oder weitergehende Maßnahmen auslöst.
Meine Damen und Herren, kann mir mal jemand erklären, welches Aussehen ein Mensch haben muss, damit er als „normal“ oder als „außergewöhnlich“ kategorisiert wird? Und kann mir mal jemand erklären, wie wohl Menschen diese intelligente Überwachungstechnik bewerten, die in ihrem Leben zwar noch keine Straftat begangen
haben, aber aufgrund ihres Aussehens bei diesen Automaten ständig Alarme auslösen und dann bei jedem Besuch eines Bahnhofs oder eines Flughafens von freundlichen Polizisten nach dem Ausweis gefragt werden, während andere Gäste dieser Institution ungehindert weitergehen können?
Das erzeugt persönliche Auswirkungen bei diesen Menschen. Das erzeugt Haltungen. Ich finde, dass das deutlich tiefer diskutiert werden muss, als Sie es mit diesem einen Satz in Ihrem Antrag getan haben.
Meine Damen und Herren von der CDU, vielleicht sollten Sie aufhören, bloß Werbebotschaften von Sicherheitsdienstleistern abzuschreiben, und an dieser Stelle selbst nachdenken.
Am Ende bleibt jedenfalls von Ihrem Antrag nichts übrig. In Niedersachsen wird Videoüberwachung durch die Polizei und durch die Verkehrsträger nach wie vor als begleitendes Instrument zur Strafverfolgung und -verhütung eingesetzt, und zwar in Anerkennung der Grenzen, die diese Technik nun einmal hat - nicht flächendeckend, sondern auf der Grundlage einer Lagebildanalyse an konkreten kriminalitätsbelasteten Örtlichkeiten und ausgewogen, orientiert an dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, aber bestimmt nicht nach dem Maßlosigkeitsprinzip „viel hilft viel“, meine Damen und Herren von der CDU.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Die Weltgemeinschaft hat auf der 21. UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in Paris die Notwendigkeit des Klimaschutzes geschlossen anerkannt und sich zu einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf deutlich unter 2°C, möglichst 1,5°C, bekannt - also fast die ganze Weltgemeinschaft, bis auf Donald Trump und den Kollegen Hocker, soweit das für mich erkennbar ist.
Im Gegensatz zu Herrn Hocker kann Herr Trump mit seiner Auffassung zur Förderung regenerativer Energien und Klimaschutz allerdings tatsächlich Schaden anrichten. Wir hingegen wollen das nicht. Wir wollen in Niedersachsen unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten, und wir haben bereits viel erreicht.
Niedersachsen ist bekanntlich das ErneuerbareEnergien-Land Nummer eins. Der Anteil der regenerativen Energieträger an der gesamten Stromerzeugung betrug bei uns im Jahr 2015 40,1 % und lag damit deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 29 %. Meine Damen und Herren, bei einem so weit fortgeschrittenen Ausbau muss man der Entwicklung Leitplanken geben, um die Weiterentwicklung der Erzeugungsstrukturen, der Netze und der Speicher zu steuern. Das am 16. August 2016 durch das Landeskabinett beschlossene Leitbild für die Energie- und Klimaschutzpolitik gibt für Niedersachsen diese Leitplanken vor.
Die zweite gute Nachricht ist, dass das zugrunde liegende Gutachten „Szenarien zur Energieversorgung in Niedersachsen im Jahre 2050“ die technische Realisierbarkeit der niedersächsischen Klimaschutzziele auch tatsächlich nachweist.
Die dritte gute Nachricht besteht darin, dass Niedersachsen seine Energieversorgung bis 2050 komplett auf heimische erneuerbare Energien umstellen kann. Wir verfügen über ausreichend geeignete Flächen,
und der Strom ist im Jahr 2050 auch nicht teurer als unter Beibehaltung der heutigen Systembedingungen.
Ja.
Herr Dr. Hocker, ich empfehle Ihnen gelegentlich das Studium des Gutachtens. Darin ist niedergelegt, dass der Beitrag der Photovoltaik zur regenerativen Energieversorgung in Niedersachsen gegenüber dem Istzustand von derzeit 9 % auf dann 36 % steigen soll.
Diese werden zu einem großen Teil auf den Dächern in Niedersachsen liegen. Das z. B. ist ein großer Teil der Flächen, die in Niedersachsen dann genutzt werden können. So weit meine Antwort in aller Kürze. Vielen Dank dafür.
Eine Feststellung des Gutachtens, Herr Dr. Hocker, die Sie auch interessieren wird, will ich Ihnen nicht vorenthalten. Das Gutachten weist nach, dass bis zum Jahr 2050 durch die Energiewende der Strom nicht teurer wird,
als er unter Beibehaltung der gegenwärtigen Systembedingungen wäre.
Meine Damen und Herren, unter Einbeziehung der Sektorkoppelung und des daraus resultierenden Strommehrbedarfs geht das Gutachten für das Zieljahr 2050 von einem um 47 % geringeren Energieverbrauch gegenüber dem Istzustand, also dem Status quo, aus.
Das kann natürlich nur mit ganz maßgeblichen Effizienzsteigerungen erreicht werden, insbesondere im Gebäudebestand. Durch energetische Sanierungen des gesamten Gebäudebestandes kann der Raumwärmebedarf auf rund ein Drittel
von 125 auf 45 kWh pro m2 im Jahr 2050 gesenkt werden.
Dazu ist allerdings nach Berechnung des Bundesamtes eine jährliche Sanierungsrate von 2,6 % erforderlich, um den gesamten Gebäudebestand in der Bundesrepublik Deutschland bis 2050 vollständig saniert zu haben.
Meine Damen und Herren, wir sind in Niedersachsen schon weit vorangekommen, aber das große Stück des Weges liegt noch vor uns. Darum brauchen wir neue Ideen und den Freiraum, diese Ideen auch praktisch erproben zu können. Unter diesem Gesichtspunkt, meine Damen und Herren von der CDU, war Ihr Antrag der emissionslosen Nordseeinsel ein Beitrag, der uns durchaus weiterbringen kann.
- Ja, das haben wir im Ausschuss immer betont.
In den Anhörungen zu diesem Antrag ist allerdings auch deutlich geworden, dass die Nordseeinseln im Hinblick auf flexible Laststeuerung und die Einbeziehung des Mobilitätssektors eher wenig Potenzial haben. Die auf den Inseln weitgehend einheitlichen Siedlungs- und Quartiersstrukturen mit weitgehend hohem energetischen Sanierungsbedarf bieten sich damit für ein Modellprojekt mit einem deutlichen Schwerpunkt auf die energetische Quartierssanierung geradezu an, zumal in der enera-Modellregion, in den Landkreisen Aurich, Friesland, Wittmund und der Stadt Emden, bereits heute 170 % regenerativ erzeugter Strom in die Netze eingespeist werden. Da treten bereits jetzt die Herausforderungen und Problemstellungen auf, die die gesamte Bundesrepublik Deutschland erst im Jahr 2050 erwartet.
Auch im Hinblick auf die Beherrschbarkeit der Volatilität regenerativ erzeugten Stroms können die vorgelagerten Inseln als Modellregion gelten. Dementsprechend haben wir einen Änderungsantrag vorgelegt, bei dem wir die Ergebnisse der Anhörung verarbeitet haben. Ich hätte eigentlich erwartet, dass wir diesen weiterentwickelten Antrag gemeinsam tragen. Aber leider war das im Ausschuss nicht erreichbar. Vielleicht entscheiden Sie sich heute ja neu.
Meine Damen und Herren, ein Modellprojekt kann natürlich nicht alle Probleme der Energiezukunft lösen. Die entscheidenden Herausforderungen des weiteren Ausbaus der erneuerbaren Energien liegen in den Flexibilitätsanforderungen des Stromsystems der Zukunft. Je flexibler Stromerzeugung und Nutzung aufeinander abgestimmt werden können, desto effizienter wird das gesamte Energiesystem. Der steigende Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung führt nämlich bereits heute dazu, dass in Zeiten, in denen viel Wind weht und die Sonne stark scheint, große Überschussmengen an elektrischem Strom produziert werden.
Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien wird sich diese Problemstellung naturgemäß weiter zuspitzen. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Stromverbrauch soll bundesweit auf 40 bis 45 % im Jahr 2025, auf 55 bis 60 % im Jahr 2035 und auf mindestens 80 % im Jahr 2050 steigen. Das muss auch so geschehen, meine Damen und Herren; denn die heutigen Ausbauszenarien für die regenerative Energieerzeugung reichen bei Weitem nicht aus, um auch die Sektoren Wärme und Mobilität mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen.
In Niedersachsen mit seinem gegenüber dem Bundesdurchschnitt deutlich fortgeschrittenem Ausbau der erneuerbaren Energien stellen sich die daraus resultierenden Fragen für die Netzanpassung, den Ausbau von Speichern oder die Koppelung der Energiesektoren Strom, Wärme und Mobilität natürlich früher als im Bundesgebiet.
Meine Damen und Herren, der Ausbau des Nachfragemanagements kann einen wesentlichen und kostengünstigen Beitrag leisten, um diese Unterschiede zwischen Angebot und Nachfrage auszugleichen. Wir werden aber auch die gesamte Breite der verschiedenen Speichermöglichkeiten benötigen, um die Volatilität der zukünftigen Stromproduktion ausgleichen und Angebot und Nachfrage zusammenführen zu können.
Wenn wir die Entwicklung der verschiedenen Speicheroptionen von Wärme über „Power-to-X“ bis hin zu Batteriespeichern vorantreiben wollen, dann müssen wir nicht einmal zuerst an aktive wirtschaftliche Anreize denken. Als erster Schritt würde schon die Beendigung der doppelten Belastung durch Netzentgelte für Speicher genügen.
Solange nämlich Speichersysteme sowohl für den aus dem Netz geladenen als auch den später wieder ins Netz abgegebenen Strom, also zweimal, mit Netzentgelten belastet werden, ist ein wirtschaftlicher Betrieb dieser Speicher kaum möglich.
Dementsprechend sollten Speicher fördertechnisch nicht als Letztverbraucher, sondern als eigenständige Systemkomponenten eingestuft und bewertet werden.
Meine Damen und Herren, „Power-to-X“-Projekte, also die Umwandlung von Strom in Flüssigkeiten, in Gas oder in chemische Grundstoffe, sind ein möglicher Weg mit einer realistischen wirtschaftlichen Perspektive. Damit werden zukünftig auch Entscheidungen der Bundesnetzagentur obsolet, nach denen die Regionen, in denen in der Vergangenheit die meisten neuen Windparks entstanden sind, also ganz Norddeutschland, künftig mit etwas mehr als der Hälfte des bisherigen Zubaus auskommen müssen.
Meine Damen und Herren, mit der Unterstützung des Energiewendegroßprojektes enera in den Landkreisen Aurich, Friesland, Wittmund und der Stadt Emden und des Aufbaus einer praktikablen Wasserstoffwirtschaft in der Region Unterelbe ist die Landesregierung bereits auf einem guten Weg. Wir wollen diesen Weg mit unserem Antrag weiter unterstützen und bitten um Ihre Zustimmung.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Miesner, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Würden Sie mir zustimmen, dass der Ausbau der Übertragungsnetze eine Bundesaufgabe ist und dass die Verzögerungen daraus resultieren, dass die alte schwarz-gelbe Bundesregierung dort den Vorschlag zugrunde gelegt hat, das Ganze als Trassenleitung - also überirdische Leitung - zu führen, was zu erheblichen Widerständen in der Bevölkerung geführt hat, die jetzt hoffentlich zurückgehen, nachdem inzwischen eine komplette Erdverkabelung vorgesehen ist?
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir haben in den vergangenen Monaten in den Fraktionen unterschiedliche Bewertungen zu den Ursachen der Entwicklung der Einbruchskriminalität abgegeben. Das eingangs festzustellen, ist mir deswegen wichtig, weil man auf Basis unterschiedlicher Bewertungen natürlich auch zu unterschiedlichen Handlungsempfehlungen kommt.
Meine Damen und Herren von CDU und FDP, Sie argumentieren, dass die niedersächsische Polizei bestehende Handlungsoptionen zur Bekämpfung der Einbruchskriminalität nicht ausgeschöpft habe, und legen dabei Wert auf die Feststellung, dass sich diese Kritik nicht an die Polizei, sondern irgendwie an die Landesregierung richtet.
Mir ist zwar nicht ganz klar, Herr Oetjen, wo und was Sie da exakt trennen wollen, aber lassen wir das mal so stehen: Die Landesregierung soll schuld sein. Diesen Komplex sehen wir in der Tat völlig anders. Aber das lässt sich ja klären, indem man ein paar aussagekräftige Fakten heranzieht. Schließlich muss man nicht alles faktenfrei beurteilen.
Zunächst einmal ist die Zunahme der Einbruchskriminalität kein niedersächsisches Phänomen. Die Fallzahlen steigen bundesweit. Da kommt uns der Föderalismus entgegen. Wir können die Entwicklung in Niedersachsen nämlich recht gut anhand der Entwicklung des Durchschnitts der Bundesländer bewerten.
Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, liegen die gegenwärtigen Einbruchszahlen weit hinter jenen der 1990er-Jahre. Im Jahr 1993 hatten wir in Niedersachsen mit 32 045 Wohnungseinbruchsdiebstählen in etwa die doppelte Anzahl der Einbrüche des vergangenen Jahres. Im Jahr 2006 gab es in Niedersachsen nur noch 10 555 Einbruchsdiebstähle. Seitdem gibt es einen Anstieg auf 16 405 Fälle im vergangenen Jahr. Das bedeutet für Niedersachsen eine Steigerung auf circa die Hälfte des Höchststandes aus dem Jahr 1993.
Die bundesweite Entwicklung ist demgegenüber allerdings deutlich steiler verlaufen. Der bundes
weite Anstieg lag im Jahr 2015 bereits bei zwei Dritteln der Fallzahlen des Jahres 1993.
Meine Damen und Herren, halten wir also fest: Erstens. Die Einbruchsdiebstähle nehmen bundesweit zu und in Niedersachsen deutlich langsamer als im Bundesdurchschnitt. Ich finde, das muss man zunächst einmal zur Kenntnis nehmen, bevor man Bewertungen abgibt.
Zweitens. Die Aufklärungsquote bei Einbruchsdiebstählen ist in Niedersachsen um ca. 50 % höher als im Bundesdurchschnitt. Herr Bäumer, ja, ich finde, das ist ein Erfolg.
Drittens. Der Anstieg der Einbruchskriminalität konnte in Niedersachsen im Jahr 2016 mit einem Rückgang der Fallzahlen um 1,04 % gestoppt werden.
Meine Damen und Herren, anhand dieser Entwicklung wird deutlich, dass in Niedersachsen von einem polizeilichen Mangel bei der Bekämpfung des Einbruchsdiebstahls keine Rede sein kann.
Noch absurder wird die Kritik, wenn über den phänomenologischen Tellerrand hinaus auf die gesamte Kriminalitätsentwicklung in Niedersachsen geschaut wird. Ausweislich der Kriminalitätsstatistik ist die Gesamtzahl der Straftaten in Niedersachsen während der vergangenen zehn Jahre um 7,43 % zurückgegangen. Parallel konnte die Aufklärungsquote in den vergangenen zehn Jahren von 56,9 % auf 61,4 % gesteigert werden. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei ca. 55 %. Auch das, Herr Bäumer, können Sie durchaus als Erfolg werten.
Meine Damen und Herren, das sind sehr gute Leistungen unserer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten, für die wir ihnen an dieser Stelle auch einmal Dank sagen sollten.
Wenn die Kritik der Opposition zuträfe, die Landesregierung sei irgendwie für angebliche Schlechtleistungen der Polizei verantwortlich, wären wohl entsprechende Auswirkungen auf alle Phänomenbereiche zu erwarten. Genau das, meine Damen und Herren, trifft nicht zu. Selbst Sie loben, die
Polizei arbeite das allgemeine Einsatzgeschehen bei Fußballspielen und Großdemonstrationen prima ab und habe das allgemeine Kriminalitätsgeschehen voll im Griff. Nur den Anstieg der Einbruchsdiebstähle soll die Polizei bzw. die Landesregierung zu verantworten haben? - Meine Damen und Herren, das ist doch völlig unplausibel.
Aber die Konsequenzen einer so verschrobenen Lagebeurteilung sind natürlich klar: Man kommt zwangsläufig zu fragwürdigen und in der Sache nicht zielführenden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen.
Meine Damen und Herren, wir sind anhand der sicherheitsspezifischen Kennzahlen der begründeten Überzeugung, dass die niedersächsische Polizei eine hervorragende Arbeit abliefert.
Weil sie das tut und weil das der objektive Sachverhaltsbefund ist, werden wir anders, als Sie es in Ihren Anträgen nahelegen, selbstverständlich nicht in die operativen Entscheidungen der Dienststellenebene eingreifen und beispielsweise vorgeben, spezielle Ermittlungsgruppen einzurichten.
Ob solche Sonderkommissionen sinnvoll oder nicht sinnvoll sind, müssen wir nicht beurteilen. Das können die Polizeiinspektionen und die Polizeikommissariate vor Ort aus ihrer eigenen Kompetenz heraus viel besser beurteilen, als wir dazu in der Lage sind.
Wir haben uns darum mit unserem Antrag auf die zielführenden politischen Impulse konzentriert, die die Ausschussanhörung zutage gefördert hat, nämlich zuerst die vorbeugende technische Sicherung von Wohnobjekten, den ersichtlich wirksamsten Ansatz zur Bekämpfung der Wohnungseinbruchskriminalität.
Ferner sollen Wohnungsmieter im Hinblick auf die technische Einbruchsprävention nicht länger schlechtergestellt werden, weil sie für einen Einbau von technischen Einbruchsmaßnahmen auf die Zustimmung des Vermieters angewiesen sind und diese Einbauten bei einem Auszug aus der Wohnung im Zweifel wieder entfernen müssen.
In die gleiche Richtung zielt auch der Ansatz, das Programm zur KfW-Förderung für den Einbau von Sicherheitstechnik über 2017 hinaus zu fördern
und die zur Verfügung stehenden Mittel auch für private Neubauten aufzustocken.
Meine Damen und Herren, auch in der Gestaltung unserer Städte und des öffentlichen Raums sehen wir weitere Potenziale für eine wirksame Kriminalprävention. Dazu wollen wir das Erfahrungswissen und die statistische Datenbasis der Polizei den Stadtplanern und Architekten, den Bauverwaltungen und der Wohnungswirtschaft im Rahmen von Sicherheitspartnerschaften im Städtebau noch offensiver anbieten, um bestehende kriminalpräventive Potenziale wirksamer nutzen zu können.
Nicht zuletzt wollen wir die polizeiliche Zusammenarbeit und den Datenaustausch über die Ländergrenzen hinweg erleichtern und intensivieren. Wenn Täter international agieren, muss auch die Polizei ihre Arbeit grenzüberschreitend organisieren können. Die Zusammenarbeit Niedersachsens mit den Nachbarstaaten Belgien und den Niederlanden sowie mit den Bundesländern NordrheinWestfalen und Rheinland-Pfalz ist genau das richtige Beispiel für weitere Kooperation.
Meine Damen und Herren, ich denke, das sind wichtige ergänzende Impulse für die bisher schon hervorragende Arbeit, die die niedersächsische Polizei in diesem Phänomenbereich leistet. Ich denke, wir werden genau mit diesem Ansatz ein Stück weiterkommen, um die Sicherheit in Niedersachsen weiter zu erhöhen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Oetjen, dass Sie die Frage zulassen.
Wann hätte Ihrer Meinung nach das Personal, das heute - zu welchem Zweck auch immer, nehmen wir Ihr Beispiel Einbruchskriminalität - eingesetzt werden muss, eingestellt werden müssen? Sind Sie mit mir einer Meinung, dass das im Herbst des Jahres 2013 hätte geschehen müssen - also zu einem Zeitpunkt, an dem Ihr Haushalt noch in Kraft war, in dem Sie die Streichung von 100 Polizeistellen vorgesehen hatten?
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Insbesondere meine Damen und Herren von der CDU! Am 18. August des vergangenen Jahres habe ich meine Rede zur Einbringung Ihres Antrags „Mehr Schutz für die Menschen in Niedersachsen vor Terror und Kriminalität“, den wir heute übrigens ablehnen werden, mit der Aussage beendet:
„Im Thema innere Sicherheit steckt in diesem Land und mit diesem Innenminister nicht viel Substanz für Ihre Wahlkampfzwecke, jedenfalls nicht auf diesem Niveau Ihrer Bemühungen.“
Jetzt haben wir die Ausschussberatungen zu Ihrem Antrag hinter uns, und ich stelle fest: Am Niveau Ihrer Vorschläge hat sich jedenfalls nichts geändert.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie haben nichts dazugelernt. Sie suchen die Lösung immer noch im Mehr vom Selben. Das ist ein sehr schlichtes Prinzip, meine Damen und Herren: mehr Einschränkung von Bürgerrechten, mehr Polizei, höhere Strafen. Genau das ist es, was Sie jetzt auch mit dem CDU-Entwurf zu einem Gefahrenabwehrgesetz nach Ihrem Gusto als Lösung anbieten. Das reicht aber nicht. Im Gegenteil: Das ist nicht nur unzureichend, es ist auch - mindestens im Kontext Ihrer Argumentation - in sich unlogisch.
Frau Lorberg, Sie haben eben gerade in Ihrem Vortrag ein Bild von der inneren Sicherheit gezeichnet, demzufolge es drunter und drüber geht. Das ist natürlich Unsinn, meine Damen und Herren, und das ist auch mit der jüngst vorgestellten Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2016 nicht vereinbar. Danach ist Niedersachsen im vergangenen Jahr nämlich wieder einmal ein Stück sicherer geworden. Die Gesamtzahl der Straftaten ist in den
vergangenen zehn Jahren um 7,5 % zurückgegangen, die Aufklärungsquote ist in den vergangenen zehn Jahren von 56,9 % auf 61,4 % gestiegen, und der Anstieg der Einbruchsdiebstähle konnte mit einem Rückgang der Fallzahlen um 1,02 % gegenüber dem Vorjahr gestoppt werden.
Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Ihre begründungsfrei vorgetragene Behauptung richtig wäre, dass die innere Sicherheit gefährdet ist, dann hätte sich diese Entwicklung unter Bedingungen vollzogen, die bereits seit den 70er-Jahren von einer Ausweitung der Ermächtigungsgrundlagen für Polizei und für Verfassungsschutzbehörden, von der Erhöhung der Mitarbeiterzahlen im Polizeidienst und von einer Verschärfung von Strafvorschriften gekennzeichnet sind. Wenn das richtig wäre, meine Damen und Herren, dann müssten wir heute feststellen, dass das alles nichts genutzt hat, dass das offensichtlich die falsche Strategie war und dass wir uns etwas völlig anderes überlegen müssten. Das tun Sie aber nicht. Im Gegenteil: Sie fordern exakt das Gleiche erneut, nämlich die Ausweitung von Ermächtigungsgrundlagen, mehr Polizei und die Verschärfung von Strafvorschriften, mehr vom Selben eben.
Meine Damen und Herren von der CDU, Sie sollten gelegentlich mal über die Logik dieser Argumentation nachdenken. Das ist nicht schlüssig.
Jetzt legen Sie hier einen eigenen Entwurf zum Gefahrenabwehrgesetz vor, der erneut genau diesem Credo folgt: mehr Daten, mehr Videoüberwachung, Körperkameras auch für Verwaltungsangestellte. Wir haben bisher nur rudimentäre Erkenntnisse über die Wirkung dieser Körperkameras im polizeilichen Einsatz, und Sie können nicht einmal eine halbwegs konkrete Zielsetzung für den Einsatz dieser Kameras bei Verwaltungsmitarbeiterinnen und -mitarbeitern definieren, aber Sie möchten diese Dinger den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon mal um den Hals hängen. Das ist reiner Aktionismus, meine Damen und Herren von der CDU, reine SchlagzeilenpoIitik.
Und dann - man kann das alles noch toppen - die Verlängerung der Gewahrsamsdauer auf eineinhalb Jahre! Meine Damen und Herren von der CDU, man muss schon ein Konglomerat von Bedingungen konstruieren, um die Notwendigkeit für
eine gefahrenabwehrende Maßnahme von eineinhalb Jahren Dauer als erforderlich verkaufen zu wollen. Seriös ist das nicht. Sonst müssten Sie uns nämlich erklären können, was Sie eigentlich tun wollen, wenn die eineinhalb Jahre vorbei sind.
Da ist die CSU in Bayern konsequenter. Die wollen gleich eine lebenslange Präventivhaft.
Immerhin vermeidet sie damit logische Brüche.
Sie nehmen sie hin.
Erfreulicherweise, meine Damen und Herren von der CDU, steht zwischen Ihnen und der praktischen Umsetzung solcher Vorschläge einerseits unsere Mehrheit hier im Hause
und andererseits eine unabhängige Justiz. Es ist doch sehr zweifelhaft - Herr Oetjen, da bin ich absolut bei Ihnen -, dass sich ein Richter finden ließe, der unter den Bedingungen einer freiheitlichen Verfassung und einer unabhängigen Justiz eine 18-monatige Ingewahrsamnahme, also die Inhaftierung einer Person auf der Grundlage einer Gefahrenprognose, anordnen würde, wenn gleichzeitig die Konkretheit für einen strafprozessualen Haftgrund fehlt.
Meine Damen und Herren, ich bin ganz bei der Kollegin Meta Janssen-Kucz: Freiheit und Sicherheit lassen sich nicht trennen. Freiheit und Sicherheit gehören zusammen. SPD und Grüne haben mit ihrem Entwurf eines modernen Gefahrenabwehrgesetzes und dem ergänzenden Sicherheitspaket das richtige Maß gefunden. Wir werden die Gewahrsamsdauer auf den Zeitraum beschränken, der tatsächlich benötigt wird, um die Gefahrensituation zu bereinigen
oder Inhaftierungsmöglichkeiten auf Grundlage originärer Straf- oder Verfahrensvorschriften zu ermöglichen.
Meine Damen und Herren, die Praxis belegt es eindeutig - das haben auch die Anhörungen im
Innenausschuss belegt -: Vier Tage sind grundsätzlich völlig ausreichend.
In Fällen von häuslicher Gewalt - Herr Oetjen, wenn ich vor Ihnen gesprochen hätte, hätte ich Ihnen ein bisschen Aufregung ersparen können - und in Fällen terroristischer Gefährdungslagen werden wir die Gewahrsamsdauer auf zehn Tage ausweiten.
Meine Damen und Herren, wir werden unsere Sicherheitsbehörden auch unter den Bedingungen der neuen terroristischen Herausforderungen in die Lage versetzen, Personen, bei denen die konkrete Wahrscheinlichkeit besteht, dass sie eine terroristische Straftat begehen werden, effektiv zu überwachen und an ihren Aktivitäten zu hindern.
Niedersachsen ist das erste Bundesland, das den Begriff „terroristische Straftat“ und die in diesem Kontext agierenden Straftäter gesetzlich definiert. Damit können wir die Eingriffsmaßnahmen wie die Einschränkung der Bewegungsfreiheit und der Kommunikation durch Aufenthaltsbeschränkung, Kontaktverbote, Meldeauflagen oder durch die sogenannte elektronische Fußfessel in einem gestaffelten Verfahren auf terroristische Gefährder beschränken und unverhältnismäßige Grundrechtseingriffe vermeiden.
Die Menschen in Niedersachsen können sicher sein, dass wir auch weiterhin verstärkt in Präventionsprogramme investieren und so Radikalisierungsprozessen im Vorfeld entgegenwirken. Genau darum haben wir die Landeszentrale für politische Bildung wieder aufgebaut, nachdem Sie, meine Damen und Herren von der CDU, sie abgeschafft hatten.
Meine Damen und Herren, bei uns stimmt der Dreiklang aus Repression, Prävention und Ausstiegshilfe, und genau darum sind die innere Sicherheit und die Freiheitsrechte bei Rot-Grün in diesem Land in allerbesten Händen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Schünemann, zuhören hilft manchmal und schützt vor unangemessener Aufregung. Wenn Sie mir zugehört hätten, dann hätten Sie wahrgenommen, dass ich hier ausgeführt habe, dass im Grundsatz vier Tage ausreichen. Das bestätigen alle Polizeibeamten, die praktische Arbeit leisten. Lesen Sie sich die Anhörungsprotokolle zum NGefAG-Entwurf durch! Darin werden Sie das wiederfinden. Alle Polizeigewerkschaften haben das durch die Bank so bestätigt.
Ich habe zu den Ausnahmen ausgeführt. Das eine ist die häusliche Gewalt, weil dort Situationen auftreten können, in denen die Gefahr für das Opfer häuslicher Gewalt eben nicht innerhalb von vier Tagen beseitigt werden kann, sondern es durchaus vorstellbar ist, dass die Regelung der dazu erforderlichen Sachverhalte länger dauert. Darum ist es gut, an dieser Stelle die Frist auf zehn Tage zu verlängern.
Der zweite Aspekt betrifft vor dem Hintergrund des Vorkommnisses in Göttingen den islamistischen Terrorismus. Wir werden den Unterbindungsgewahrsam für diese Fälle auf zehn Tage verlängern. Das genau ist die Lernkurve aus dieser Situation. Das reicht, das ist ein angemessener Zeitraum. Darum werden wir so verfahren.
Ich warte auf Ihre Begründung für die Verlängerung auf anderthalb Jahre. Wenn Sie sich hier hinstellen und die bringen, dann haben Sie meinen Respekt. Wenn Sie einfach nur nicht zuhören und hier Behauptungen aufstellen, die auf einem falschen Verständnis dessen, was gesagt worden ist, beruhen, dann nicht.
Danke schön.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir haben in der Vergangenheit bereits mehrfach Fragen der inneren Sicherheit und der Kriminalitätsentwicklung erörtert. Im Mittelpunkt standen aber häufig die Fallzahlen bei der Einbruchskriminalität. Das ist natürlich keine schöne Entwicklung. Ich will hier aber sehr deutlich feststellen, dass wir die Reaktion der niedersächsischen Polizei auf diese Entwicklung für absolut angemessen und hoch wirksam halten.
Meine Damen und Herren, die niedersächsische Polizei legt im Bereich der Einbruchskriminalität natürlich die gleiche Professionalität und die gleiche Konsequenz an den Tag wie bei der Bekämpfung aller anderen Kriminalitätsphänomene auch. Ich stelle das hier auch aus dem Grunde fest, weil Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, in der Vergangenheit der Versuchung nicht immer widerstehen konnten, den Anstieg der Einbruchskriminalität isoliert zu bewerten. Ich kann Ihre Motivlage gut nachvollziehen, aber Ihre Argumentation ist mir da ein bisschen zu schlicht. Dieser unzulässig verkürzte Rückschluss - die Fallzahlen der Einbruchskriminalität steigen, ergo arbeitet die Polizei schlecht -, dieser verkürzte Ansatz ist zu einfach und führt auch zu fehlerhaften Ableitungen.