Ich darf feststellen, dass wir schon recht zahlreich sind. Ich darf die Beschlussfähigkeit feststellen.
Aus gegebenem Anlass möchte ich mich vor allem bei den Kolleginnen und Kollegen bedanken, die gestern beim Parlamentarischen Abend von Norder Fleisch die Leistungsfähigkeit des Landtages unter Beweis gestellt haben. Einige sind gewürdigt worden. Zum Beispiel hat Kollege Thümler dort eine neue Krawatte erhalten. Auch der Ministerpräsident und meine Person sind gewürdigt und zu Botschaftern ernannt worden ob unserer Verdienste um den Verzehr des niedersächsischen Fleisches.
Jedenfalls war es ein schöner Abend. So etwas wünschen wir uns gelegentlich mehr und häufiger. Deswegen meine herrliche Krawatte aus niedersächsischem Gehölz, naturschonend und umweltmäßig absolut sauber, sehr kleidsam.
Zur Tagesordnung: Wir beginnen die heutige Sitzung mit Tagesordnungspunkt 15, Dringliche Anfragen. Anschließend setzen wir die Beratung in der Reihenfolge der Tagesordnung fort.
Die mir zugegangenen Entschuldigungen teilt Ihnen nunmehr die Schriftführerin zur Linken, Frau Twesten, mit.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Für heute entschuldigt haben sich von der Fraktion der CDU Herr André Bock - bis zur Mittagspause - sowie von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Frau Meta Janssen-Kucz und Frau Susanne Menge.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Seit 40 Jahren wird an deutschen Schulen Türkischunterricht angeboten. Häufig wird dieser Unterricht von Konsulatslehrkräften durchgeführt. Die Konsulatslehrkräfte sind Beamte des türkischen Staates. Ihre Lehrpläne werden von türkischen Behörden erstellt. Die Welt hat am 2. April 2017 berichtet, dass auch an niedersächsischen Schulen Konsulatslehrkräfte eingesetzt werden. Problematisch erscheint dies vor dem Hintergrund der aktuellen politischen Entwicklungen in der Türkei und der forcierten Einflussnahme der dortigen Regierung auf die türkeistämmige Bevölkerung in Deutschland. Medien kritisieren insbesondere, dass der türkische Staat über die Konsulatslehrkräfte direkten Einfluss in deutschen Schulen bekomme.
Ein politischer Einfluss ist möglicherweise auch in der muslimischen Gefängnisseelsorge gegeben, die DITIB in Kooperation mit dem Land Niedersachsen durchführt. Aufgrund der in der Satzung von DITIB verankerten Eingriffsrechte türkischer Regierungsstellen und des Umstands, dass die Imame von DITIB Beamte des türkischen Staates sind, hat der türkische Staat womöglich einen hohen Einfluss auf die Durchführung der Gefängnisseelsorge. Dies erscheint vielen problematisch, da die Seelsorge einen zentralen Baustein für die
Prävention von Radikalisierung in Gefängnissen darstellt. Unklar scheint überdies zu sein, welche Rolle DITIB-Imame auch außerhalb von Gefängnissen bei der Prävention von und der Radikalisierung zum Salafismus spielen.
In der Öffentlichkeit fordern viele - Muslime eingeschlossen -, dass der Einfluss türkischer Regierungsstellen auf den Islam in Deutschland geringer werden müsse. Nur so könne verhindert werden, dass politische Verwerfungen zwischen Deutschland und der Türkei sich negativ auf das muslimische Leben in Deutschland und die Kooperation von Staat und muslimischen Gemeinschaften auswirkten.
Zahlreiche Muslime und muslimische Organisationen engagieren sich in der deutschen Zivilgesellschaft. Sie werden aufgrund des Einflusses der türkischen Regierung in der deutschen Öffentlichkeit zunehmend misstrauisch beobachtet.
2. Plant die Landesregierung, die muslimische Gefängnisseelsorge in der heutigen Form weiterzuführen?
3. Welche Schritte unternimmt die Landesregierung, um die von vielen Seiten geforderte Unabhängigkeit muslimischer Verbände vom türkischen Staat in Zukunft besser zu gewährleisten?
Es folgt die Antwort der Landesregierung. Es hat sich Frau Kultusministerin Frauke Heiligenstadt gemeldet. - Bitte sehr, Frau Minister! Ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass mir die Anfrage die Gelegenheit gibt, auch hier im Landtag noch einmal ausdrücklich klarzustellen, dass der sogenannte Konsulatsunterricht für Schülerinnen und Schüler mit türkischen Wurzeln in Niedersachsen - anders als in anderen Bundes
ländern - so gut wie keine Rolle spielt. Aktuell erteilt in Niedersachsen nur eine türkische Konsulatslehrkraft sogenannten Konsulatsunterricht.
Vielmehr wird in Niedersachsen - schwerpunktmäßig in den Schuljahrgängen 1 bis 4 - herkunftssprachlicher Unterricht in staatlicher Verantwortung erteilt. Das ist etwas völlig anderes als Konsulatsunterricht. Herkunftssprachlicher Unterricht in staatlicher Verantwortung wird in Niedersachsen in deutlich größerem Umfang erteilt als in anderen Bundesländern. Der herkunftssprachliche Unterricht und der Konsulatsunterricht sind vollständig voneinander zu unterscheiden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Mehrsprachigkeit ist natürlich eine Chance. Deshalb wollen wir die Eltern türkischer Abstammung dabei unterstützen, ihre Herkunftssprache an ihre Kinder weiterzugeben. Das geschieht durch herkunftssprachlichen Unterricht Türkisch in den Grundschulen, an dem im Schuljahr 2016/17 rund 4 000 Kinder teilnehmen. Dieser Unterricht wird auf der Grundlage des Runderlasses „Förderung von Bildungserfolg und Teilhabe von Schülerinnen und Schülern nichtdeutscher Herkunftssprache“ vom 1. Juli 2014 angeboten. Anders als beim sogenannten Konsulatsunterricht handelt es sich bei diesem um staatlichen Unterricht in Verantwortung des Landes Niedersachsen, der auch von staatlichen Lehrkräften erteilt wird. Grundlage für den Unterricht ist ein landeseigenes Kerncurriculum, das eine Einflussnahme des türkischen Staates auf den Unterricht ausschließt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sprechen in Ihrer Dringlichen Anfrage weiterhin die muslimische Gefängnisseelsorge an. Die Kooperation des Landes Niedersachsen mit den muslimischen Verbänden im Rahmen der Gefängnisseelsorge, wie sie unter der Vorgängerregierung eingeführt wurde, hat sich in den letzten Jahren bewährt. Seit der ersten Berufung von muslimischen Seelsorgerinnen und Seelsorgern im niedersächsischen Justizvollzug im Jahr 2014 hat es auch keinerlei Hinweise auf eine politische Einflussnahme seitens der bestellten Imame oder Seelsorgehelferinnen bzw. Seelsorgehelfer auf Gefangene gegeben. Auch ein Wechsel bestellter Seelsorger, der in Zusammenhang mit politischen Veränderungen in der Türkei gebracht werden könnte, ist nicht erfolgt.
Insgesamt gestaltet sich die bisherige Zusammenarbeit der Justizvollzugseinrichtungen mit den niedersächsischen Landesverbänden von DITIB und
Schura im Bereich der Seelsorge im Justizvollzug unproblematisch und konstruktiv. Um die Professionalisierung der muslimischen Seelsorge im Sinne einer Ausrichtung auf hiesige kulturelle, sprachliche und fachliche Standards noch weiter voranzubringen, werden im niedersächsischen Justizvollzug zurzeit erste Honorarverträge mit Theologinnen und Theologen geschlossen, die ein Studium an einem islamtheologischen Institut deutscher Universitäten absolviert haben und die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Dies geschieht im Benehmen mit den beiden muslimischen Landesverbänden.
Noch im Laufe dieses Monats wird beispielsweise eine Absolventin des Bachelorlehrgangs für islamische Theologie an der Universität Osnabrück auf Honorarbasis eingestellt werden. Zwei weitere Werkverträge sind in Vorbereitung. Um geeignete Seelsorgerinnen und Seelsorger mit inländischer Sozialisation und Qualifikation zu gewinnen, erarbeitet das Niedersächsische Justizministerium zurzeit ferner einen Kooperationsvertrag mit dem Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, im dritten Teil Ihrer Dringlichen Anfrage fordern Sie von der Landesregierung, dass sie sich dazu äußern möge, welche Schritte sie unternimmt, um die von vielen Seiten geforderte Unabhängigkeit muslimischer Verbände vom türkischen Staat in Zukunft besser zu gewährleisten. Aufgrund der Vorbemerkung der Anfrage und ihrer Überschrift gehe ich davon aus, dass Sie hier auf DITIB abzielen.
Lassen Sie mich der Vollständigkeit halber vorwegschicken, dass es sich dem Einflussbereich der Landesregierung entzieht, die Unabhängigkeit von Verbänden bzw. Vereinen ausländischer Mitbürgerinnen und Mitbürger von ihren Herkunftsstaaten - wie Sie es ausdrücken - zu gewährleisten. Dies muss allen an der aktuellen Diskussion beteiligten Akteuren klar sein und gilt - wie für alle anderen entsprechenden Verbände bzw. Vereine - auch für den DITIB-Landesverband Niedersachsen/Bremen.
Von Bedeutung wird die Frage der Unabhängigkeit eines entsprechenden Verbandes allerdings dann, wenn dieser mit dem Land kooperieren will. Je nach Form der Kooperation ergeben sich dann besondere Anforderungen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade DITIB hat sich in den letzten Jahren in verschiedenen Bereichen als verlässlicher Kooperations
partner des Landes Niedersachsen erwiesen. Hinsichtlich der Gefängnisseelsorge habe ich dies eben bereits ausgeführt.
Ein weiteres Beispiel ist die in Niedersachsen praktizierte Übergangsregelung für den islamischen Religionsunterricht. Dieser ist nach zehnjähriger Erprobung zum Schuljahr 2013/2014 an niedersächsischen Grundschulen eingeführt worden - ein Jahr später auch an Schulen im Sekundarbereich I. Möglich war dies durch das sogenannte Beiratsmodell, in dem Vertreter der beiden islamischen Landesverbände Schura und DITIB als Vertreter ihrer Moscheegemeinden fungieren und diese als Ansprechpartner für das Land Niedersachsen repräsentieren.
Das Fach Islamische Religion hat inzwischen einen festen Platz in den Stundenplänen der Schulen in Niedersachsen. An fast 70 allgemeinbildenden Schulen werden etwa 3 100 muslimische Schülerinnen und Schüler von 36 Lehrkräften unterrichtet, und das an nahezu allen Schulformen. Ich denke, meine sehr verehrten Damen und Herren, hierauf können wir stolz sein.
Im Rahmen der bereits bestehenden Kooperation ist sichergestellt, dass keine Einflussnahmemöglichkeiten für den türkischen Staat bestehen. Gerade auch im Hinblick auf den islamischen Religionsunterricht wurde und wird allerdings immer wieder das Gegenteil behauptet. Richtig ist Folgendes: Der Unterricht wird auf der Grundlage staatlicher Lehrpläne von staatlichen Lehrkräften erteilt. Da es sich um konfessionellen Religionsunterricht handelt, ist dieser nach dem Grundgesetz in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaft zu erteilen. Der oben genannte Beirat kann sich bezüglich der Lehrpläne nur dazu äußern, ob die geplanten Inhalte mit den Grundsätzen der vertretenen Religionsgemeinschaften in Übereinstimmung stehen, nicht aber z. B. Inhalte fordern, die nicht im Einklang mit dem staatlichen Bildungsauftrag und unseren Wertegrundlagen stehen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, sowohl Schura als auch DITIB haben den Wunsch, möglichst zeitnah als direkter Kooperationspartner des Landes für einen konfessionellen Religionsunterricht im Sinne des Artikels 7 Abs. 3 des Grundgesetzes anerkannt zu werden. An dieser Stelle ergeben sich besondere Anforderungen, auch im Hinblick auf die Unabhängigkeit von staatlichen
Einflüssen. Hier bestehen dann auch entsprechende Reaktionsmöglichkeiten - ich betone: Reaktionsmöglichkeiten, nicht Gestaltungsmöglichkeiten - des Landes. Die Gestaltung des Verhältnisses der Verbände zu ausländischen Staaten ist zunächst eine interne Angelegenheit dieser Verbände. Wählt ein Verband diese Gestaltung dann allerdings so, dass Zweifel an seiner Unabhängigkeit vom Einfluss ausländischer Staaten bestehen, kann - bis diese Zweifel ausgeräumt sind - keine Feststellung erfolgen, dass dieser Verband die Voraussetzung erfüllt, die an eine Religionsgemeinschaft im Sinne von Artikel 7 Abs. 3 des Grundgesetzes zu stellen sind.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist das erklärte Ziel des niedersächsischen DITIBLandesverbandes, sich vom türkischen Staat unabhängig zu machen. Die Niedersächsische Landesregierung wird den Verband dabei im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützen. Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung bietet hier etwa im Rahmen der Förderrichtlinien zu Migration und Teilhabe auch den muslimischen Verbänden an, z. B. für Projekte zur Förderung der Demokratie und Toleranz sowie für Projekte, die die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund in Niedersachsen nachhaltig verbessern und ihre gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe fördern, finanzielle Zuwendung zu beantragen und entsprechende Projekte durchzuführen.