Die Erörterung der in den vergangenen Monaten so vehement und zum Teil auch sehr emotional geführten Debatte über die Chancen und Risiken der Rückkehr des unter strengem Artenschutz stehenden Wolfes kann nur dann seriös geführt werden, wenn wir uns auch die Zeit nehmen, die vielfältigen wissenschaftlichen Aspekte der Wildtierentwicklung anzusprechen.
ist die Jagd nicht mehr in erster Linie Nahrungserwerb, sondern ein, wenn auch vielfach mit großem Ernst und großem Engagement betriebener, Zeitvertreib.
Der Jäger geht heutzutage im täglichen Leben einem Beruf nach und hat nur begrenzt Freizeit. Die weit verbreitete Trophäenjagd bringt mit sich, dass Eingriffe in die Jugendklasse und beim weiblichen Wild nur in geringem Umfang stattfinden.
Wildfütterung ermöglicht höhere Wildstände, als die Ökosysteme von Natur aus tragen können. Hinzu kommt, dass die moderne Landwirtschaft mit zum Teil riesigen und unübersichtlichen - und damit kaum bejagbaren Schlägen und riesigen Futtermengen - dem Schalenwild während der Vegetationsperiode hervorragende Ausgangsbedingungen verschafft.
Moment, bitte, Herr Minister! - Herr DammannTamke, die CDU hat noch ihre volle Redezeit. Sie haben die Möglichkeit, sich entweder mit einer Frage zu Wort zu melden oder anschließend zu reden. Aber jetzt bitte ich darum, dass Herr Minister Wenzel seine Ausführungen machen kann.
- Ich würde mich auch freuen, wenn die Beratungen in den Fluren beendet werden könnten. - Vielen Dank.
- Darum geht es jetzt nicht. Er kann die auch gerne Ihnen gegenüber machen. Aber hier hat jetzt Herr Minister Wenzel das Wort, und er fährt jetzt fort. - Bitte!
Das hat zur Folge, meine Damen und Herren, dass die Schalenwildpopulationen stetig anwachsen. Daraus folgen erhebliche Schäden, die vor allem Hirsche und Rehe an den Waldbeständen verursachen. Deshalb wurden in Niedersachsen viele Millionen Euro zum Schutz des Waldes gegen Wildschäden ausgegeben.
Der Jäger ist nicht der bessere Wolf. Der Wolf ist aber auch nicht der bessere Jäger. Die Erwartungen an Revier- und Beutetiere sind schlicht grundverschieden. Dabei steht für mich völlig außer Zweifel - die Jagdstatistiken aus den mittlerweile ältesten Wolfsgebieten in Deutschland in der Lausitz zeigen das -, dass der Wolf nicht in der Lage ist, unsere Schalenwildbestände maßgeblich zu reduzieren. Das kann nur der Mensch selbst.
Aber es gibt einen anderen maßgeblichen Effekt. Dazu ist zunächst einmal festzuhalten, dass im Räuber-Beute-Verhältnis grundsätzlich nicht der Räuber die Beute, sondern vielmehr die Beute den Räuber reguliert. Gerade für den Wolf gibt es sehr anschauliche und überzeugende Untersuchungen, z. B. von der Isle Royal in Kanada. Mit anderen Worten: Je höher die Schalenwilddichte, umso größer ist am Ende auch die Wolfspopulation.
Meine Damen und Herren, nun zu der Bedeutung des Wolfs für das Ökosystem. Im natürlichen Ökosystem haben die Beutegreifer eine unersetzliche Rolle. Aus Opportunitätsgründen sortieren sie immer zuerst die schwächsten Tiere einer Population aus. Auch aus anderen Ursachen verstorbene Tiere verschmähen sie nicht. Damit kommt den Beutegreifern eine ganz wichtige Rolle als Gesundheitspolizei zu. Durch diesen Jagddruck, der ganz anders geartet ist als der Jagddruck des Menschen, halten sie die mittleren und großen Pflanzenfresser - bei uns sind das vor allem die hirschartigen - mehr oder weniger immer in Bewegung. Das hat vor allem positive Wirkungen auf Bäume und Büsche, die dadurch weniger intensiv verbissen werden und höhere Chancen erhalten, dem Äser des Wildes zu entwachsen. Ein altes Sprichwort sagt nicht umsonst: „Wo der Wolf geht, kann der Wald wachsen.“
Dieser positive Einfluss auf die Vegetationsentwicklung wirkt sich in der Folge direkt auf den Wasserabfluss und auch auf Erosions- und Überschwemmungsgeschehen aus. Meine Damen und Herren, das hat Folgen für die Resilienz von Ökosystemen. Ökosysteme können umso besser auf Störungen reagieren und sich selbst bei vielfältigen negativen Einflüssen erhalten, je vielfältiger ihre Ausstattung mit Tier- und Pflanzenarten ist. Auf einen kurzen Nenner gebracht: Je größer die Artenvielfalt, desto größer die Resilienz eines Ökosystems. Das ist gerade dann von Bedeutung, wenn Ökosysteme vielfältigem Stress durch menschliche und klimatische Einflüsse ausgesetzt sind.
Was heißt das im Zusammenhang mit dem Wolf? - Der prägende Einfluss einzelner Pflanzenfresserarten nimmt ab. Dadurch werden zahlreiche ökologische Nischen geschaffen, die auch von anderen pflanzenfressenden Tierarten genutzt werden können. Von diesen profitieren andere kleine und mittelgroße Beutegreifer, die ihrerseits für die Fitness ihrer jeweiligen Beutetierpopulationen eine ähnliche oder dieselbe Rolle spielen wie der Wolf für die Schalenwildarten. Das wiederum schafft Lebensmöglichkeiten für weitere Arten. Wölfe und andere große Beutegreifer tragen damit maßgeblich zur Erhöhung der Widerstandsfähigkeit des jeweiligen Ökosystems bei.
Wie steht es um die Risiken in der Industriegesellschaft? - Deutschland ist ein hoch entwickeltes Land mit einer sehr hohen Bevölkerungsdichte und vielfältigen Ansprüchen an die Landschaft. Da wird ein Großprädator wie der Wolf von Teilen der Bevölkerung als außergewöhnliche neue Bedrohung empfunden. Die Bedrohung ist aber eher umgekehrt zu sehen: Es ist der Wolf, der in unserer modernen Industriegesellschaft oft bedroht ist, vor allem durch den Verkehr. So provozierend es klingt, so zutreffend ist es doch: Jedes Überqueren einer Straße ist heute in der Regel gefährlicher als ein Spaziergang in einem Wolfsterritorium.
Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang lassen Sie mich auch erwähnen, wie sich der Mensch im Wald und auf der Heide verhalten sollte, damit das so bleibt. Kürzlich musste in Niedersachsen erstmalig ein Wolf der Natur entnommen werden, weil eine Gefährdung von Menschen durch dieses Tier MT6 nicht mehr auszuschließen war. Was wirklich zu der Fehlentwicklung bei diesem speziellen Tier geführt hat, lässt sich im Nachhinein nicht mehr abschließend klären. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass dieser Wolf - darauf lassen Verhaltensweisen, die eine Erwartungshaltung erkennen ließen, schließen - durchaus positive Erfahrungen mit Menschen gemacht hat. Diese „positiven“ Erfahrungen können dadurch initiiert worden sein, dass er als Welpe von Menschen Futter direkt erhalten hat, zumindest aber Futter gefunden hat, das menschlichen Ursprungs war. Denkbar ist beispielsweise ein Rest von Marschverpflegung auf dem Truppenübungsplatz.
Das führt mich zu einer wichtigen Information für die Bevölkerung, aber auch für die Verantwortlichen in Kreisen und Gemeinden: Alle sollten sich darum bemühen, den wildlebenden Wölfen den Zugang zu anderen Nahrungsquellen als der Wildtierpopulation so schwer wie möglich zu machen, d. h. Müll am Haus, in der Siedlung, an Parkplätzen, Grillplätzen usw. nur in gut verschlossenen Behältern zu lagern, bei gemeinschaftlichen Jagden auf zentrale Aufbruchplätze entweder zu verzichten oder von diesen alle Aufbruchreste gründlich zu entfernen und ordnungsgemäß zu entsorgen, Luderplätze als jagdliche Einrichtungen z. B. durch ein senkrecht eingegrabenes Betonrohr so zu gestalten, dass Wölfe keine Möglichkeit haben, an das Luder zu kommen. Einzelaufbrüche in der Landschaft dagegen sind, auch wenn sie mit menschlichen Gerüchen verbunden sind, als weni
Aber die Gewöhnung an den Menschen entsteht nicht nur über das Futter. Das Internet ist voll von kurzen Filmsequenzen und Fotos, auf denen zu erkennen ist, dass Menschen sich längere Zeit in der Nähe von frei lebenden Wölfen aufgehalten, vielfach sich diesen aktiv genähert haben. Dadurch hatten diese Tiere mannigfache Gelegenheit, zu lernen, dass in der Regel der Mensch ungefährlich zu sein scheint. In der Folge bedeutet das, dass Wölfe mit diesen Erfahrungen sich von Menschen und deren Lebensäußerungen, auch wenn das mit Geräuschen verbunden ist, nicht beeindrucken lassen. Kommt dann noch ein Hund dazu, gibt es für den Wolf einen Grund mehr, sich zu nähern; denn Hunde werden als Artgenossen wahrgenommen, die entweder als Revier- oder Nahrungskonkurrenz zu bekämpfen sind oder als potenzieller Geschlechtspartner gesehen werden. Der am anderen Ende der Hundeleine befindliche Mensch wird dabei aus Wolfssicht weitgehend ignoriert.
Meine Damen und Herren, das muss heißen: keine aktive oder passive Fütterung, keine aktive Annäherung an Wölfe, z. B. um ein noch besseres Foto zu bekommen, ein Fahrzeug beim Antreffen eines Wolfes nicht verlassen, kein Dulden der Wölfe in der näheren Umgebung von Spaziergängern durch diese selbst, Hunde in Wolfsgebieten an der Leine halten - der Mensch ist für den Hund der beste Schutz -, Wölfe, die sich zu stark annähern
- hören Sie zu! -, beispielsweise unter 30 m, aktiv vertreiben, auch unter Einsatz körperlicher Abwehrmittel wie Anschreien, Pfeifen, Bewerfen und Schlagen mit Gegenständen, Treten
Meine Damen und Herren, von gesunden Wölfen geht in der Regel für den Menschen keine Gefahr aus. Damit das so bleibt, ist es wichtig, dass die eben genannten Punkte von den Bürgerinnen und Bürgern auch beachtet werden. Ein von Menschen gefütterter Wolf kann nicht nur für denjenigen ge
Meine Damen und Herren, ich komme zur Entwicklung des Wolfsmanagements. Die sehr zügig verlaufende Entwicklung der Rückkehr von Wölfen nach Niedersachsen hat schnell die Grenzen für ein ehrenamtliches Management erkennen lassen. Das hat diese Regierung zum Anlass genommen, das Wolfsmanagement zunehmend zu professionalisieren. Das niedersächsische Wolfsbüro wurde gegründet. Dort arbeiten drei Biologen an der Dokumentation von Wolfsereignissen, der Schadensprävention, der amtlichen Feststellung von Nutztierschäden durch Wölfe, dem Schadensausgleich durch Billigkeitsleistungen, der Beratung von Nutztierhaltern, der Aufklärung der Öffentlichkeit und in diesem Jahr auch an der Vergrämung und Entnahme von MT6.
Das Wolfsbüro wurde um zwei Tierärzte verstärkt. Eine hat bereits am 1. Juni ihren Dienst angetreten. Die Aufgaben der beiden Veterinäre werden vor allem sein: die schnellere Abwicklung der amtlichen Feststellung bei Wolfsrissen oder Nutztierrissen, verstärkte Beratung der Nutztierhalter zu Präventionsmaßnahmen, Einsatz bei gegebenenfalls nötigen Besenderungen, Vergrämungen oder auch Entnahmen, Einsatz beim Umgang mit verletzten Wölfen und Öffentlichkeitsarbeit. Eine Verwaltungsfachkraft zur Abwicklung von Präventions- und Billigkeitsförderanträgen soll künftig das Team des Wolfsbüros ergänzen.
In diesem Zusammenhang ist auch die öffentlich diskutierte Leitlinie für Wolfsberater zu sehen. Ein Entwurf des Ministeriums wurde den ehrenamtlichen Beratern vorgestellt. Die Wolfsberater hatten Gelegenheit, diesen Entwurf zu kommentieren. Derzeit werden die Rückmeldungen ausgewertet, und danach wird die Endversion des Leitfadens erstellt.
Meine Damen und Herren, in der Planung war, einen weiteren Wolf in der Region Diepholz zu besendern, um eventuelle Verhaltensauffälligkeiten nachweisen zu können. Zur Vorbereitung dieser Besenderung hat die Landesjägerschaft Niedersachsen in unserem Auftrag ein intensives Monitoring im Raum Diepholz/Vechta/Oldenburg durchgeführt.
Aus heutiger Sicht erscheint eine umgehende Besenderung aktuell nicht mehr angezeigt. Die von dieser Wölfin verursachten Nutztierrisse trafen zu rund 98 % Tierbestände, die keinen ausreichenden Grundschutz zur Wolfsabwehr aufwiesen.
In den vergangenen Monaten sind Rissvorfälle in dem genannten Raum stark zurückgegangen. Vor allem aber waren keine weiteren Risse in geschützten Tierbeständen zu verzeichnen. Deshalb werden wir - damit haben wir schon begonnen - die Beratung der Nutztierhalter in der Region