Protokoll der Sitzung vom 10.06.2016

Danke schön. - Frau Kollegin Polat von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich zu einer Kurzintervention auf diese Rede zu Wort gemeldet. 90 Sekunden, Frau Kollegin!

(Zuruf von Petra Tiemann [SPD])

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ja, Frau Tiemann, es ist die erste Beratung. Aber Frau von BelowNeufeldt hat mich doch gezwungen, etwas richtzustellen.

Die FDP-Fraktion müsste doch einmal klarstellen - andernfalls müssten Sie mich in Ihrer Erwiderung korrigieren -, ob sie wirklich auch für die Öffnung der Integrations- und Sprachkurse ist, die nach dem Aufenthalts- und Zuwanderungsgesetz für Neuzuwanderer ja verpflichtend sind. Das ist ein rot-grünes Gesetz. Meines Erachtens ist das das erste Integrationsgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Dieser Zugang gilt erst für anerkannte Flüchtlinge. Darüber haben wir uns im letzten Jahr auseinandergesetzt. Rot-Grün fordert hier seit Langem eine Öffnung zugunsten derjenigen, die in der Aufenthaltsgestattung sind. Das aber haben Sie abgelehnt, Herr Hillmer.

(Jörg Hillmer [CDU]: Nein! Das war genau Gegenstand unseres Antrags! Sie haben ihn gar nicht gelesen! Sie sollten bei der Wahrheit bleiben! - Dr. Stephan Siemer [CDU]: Wahrheit und Polat passen nicht zusammen! - Gegenruf von Petra Tiemann [SPD]: Hören Sie doch mal mit Ihren Unter- stellungen auf!)

Und das ist das Problem - - -

Herr Kollege Hillmer!

Und das ist das Problem, Frau von BelowNeufeldt, das auch die Menschen vor Ort haben. Die Menschen sitzen in der Falle des BAMF, warten ein Jahr - Pakistani bis zu vier Jahre - auf ihren Asylbescheid und haben keinen Zugang zu Integrationskursen. Jetzt wird die Kategorie „mit Bleibeperspektive“ aufgemacht. Menschen mit Bleibeperspektive, Herr Thiele, sind Leute, die sich de Maizière dann in diese Kategorie packt.

(Ulf Thiele [CDU]: Nein, das sind die, die die große Chance haben, hier zu bleiben!)

Das sind nur die Eritreer, die Syrer und die Iraner. Vorher waren noch die Iraker dabei; die sind inzwischen aber wieder herausgefallen. Alle Afghanen gucken in die Röhre. Niedersachsen ist für die Sudanesen zuständig.

Frau Kollegin Polat, die 90 Sekunden sind um.

Die gucken in die Röhre. Deswegen - - -

(Beifall bei den GRÜNEN - Der Präsi- dent schaltet der Rednerin das Mikro- fon ab)

Frau Kollegin Polat, die 90-Sekunden-Regelung gilt für alle.

(Beifall bei der CDU - Filiz Polat [GRÜNE]: Ich wurde ja ständig unter- brochen!)

Wir haben hier keinen Ermessensspielraum. Ich habe Herrn Hillmer aufgefordert, seine Zwischenrufe zu unterlassen. Eine Unterbrechung war es aber nicht. Sie haben weitergesprochen, und die 90 Sekunden gelten. Das ist so bei einer Kurzintervention. Halten Sie sich bitte daran!

(Filiz Polat [GRÜNE]: Aber die Zeit lief weiter!)

Sie, Frau von Below-Neufeldt, haben jetzt die Möglichkeit, für 90 Sekunden zu antworten.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Antwort gebe ich Ihnen gern, liebe Kollegin Frau Polat. Wir Freien Demokraten haben uns immer dafür eingesetzt, dass alle Menschen - auch solche ohne Bleibeperspektive - ohne Wenn und Aber völlig unbürokratisch Hilfe bekommen, um an Deutschkursen teilnehmen zu können. Wir wollen, dass die Menschen, die hier ankommen, den Alltag bewältigen und erste Schritte in Richtung einer Bildungsperspektive gehen können. Das haben wir hier im Plenum und auch in anderen Gremien schon immer deutlich gemacht.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Jörg Hillmer [CDU]: Genau das haben die Grünen abgelehnt!)

Vielen Dank. - Es geht weiter mit dem Wortbeitrag der Fraktion der SPD. Das Wort hat der Kollege Matthias Möhle.

(Zuruf von Björn Försterling [FDP])

- Kollege Försterling, wir hören Sie hier vorn. Wenn Sie etwas sagen möchten, melden Sie sich zu Wort. Jetzt ist Herr Möhle dran. - Ja, alles gut? - Danke.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ein Angebot für alle - das muss der Anfang sein. Eine solide Grundlage für diejenigen, die zu uns kommen. Eine Grundlage, auf der sich aufbauen lässt. Eine Grundlage für alle Flüchtlingsgruppen, ob anerkannte Asylbewerber oder Flüchtlinge mit lediglich einer Duldung, schnell und mit möglichst wenig Verwaltungsaufwand. Diese Lösung - gleichsam aus einem Guss - ist nicht wirklich das, was wir zurzeit vorfinden. Das Angebot ist zwar vielfältig, aber: Auch wenn wir eine breite Angebotspalette in vielen Bereichen des täglichen Lebens durchaus begrüßen, so ist die Vielfalt hier dennoch nicht wirklich zielführend.

Zur Verdeutlichung - grob - das Angebot an Sprachlernkursen für Erwachsene: In den Erstaufnahmeeinrichtungen gibt es zunächst die Wegweiserkurse - 30 Stunden zum Erwerb erster Sprachkenntnisse sowie zum Kennenlernen grundlegender Werte und wichtiger Informationen zum Leben

in Deutschland. Gefolgt von den Grundkenntnissen der deutschen Sprache in 60 Stunden, ebenfalls in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Das Ministerium für Wissenschaft und Kultur organisiert dies.

Ferner gibt es das Landesprogramm zur Förderung von Maßnahmen zum Spracherwerb - 200 Stunden, ebenfalls vom MWK organisiert. Weiterhin gibt es die bekannten Integrationskurse - 660 Stunden. Früher waren es einmal 700 Stunden. Organisation durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, finanziert vom Bund.

Der Europäische Sozialfonds (ESF) finanziert die berufsbezogene Förderung der deutschen Sprache über 730 Stunden. Das BAMF organisiert das. Es gibt eine weitere berufsbezogene Deutschsprachförderung. Grundlage ist hier der § 45 a des Aufenthaltsgesetzes. Die Finanzierung trägt der Bund; die Organisation obliegt dem BAMF.

Es gibt die vom MWK organisierten Maßnahmen für höher qualifizierte Flüchtlinge sowie - ebenfalls durch das MWK organisiert - die Programme „Deutsch als Zweitsprache“ (DaZ) und „Deutsch als Fremdsprache“ (DaF). Ferner gibt es das Modellprojekt „Virtuelle Sprachqualifizierung für Migrantinnen und Migranten in Niedersachsen“ (MOVIS) des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr.

Das MWK organisiert ein Informations- und Sprachlernportal für Integration und deutschen Spracherwerb, und das Netzwerk „Integration durch Qualifizierung“ bietet berufsbezogene Sprachförderung als Qualifizierung für reglementierte Berufe im Rahmen der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen an.

Die vielfältigen Angebote auf ehrenamtlicher Basis in den Kommunen habe ich - Sie haben es gemerkt - nicht aufgeführt. Es wären zu viele. Ich möchte sie aufgrund ihrer Bedeutung für den Einstieg in gesellschaftliche Teilhabe aber nicht unerwähnt lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, an dieser Stelle wird deutlich, dass der Begriff „Angebotsdschungel“ in der Überschrift des rot-grünen Entschließungsantrags durchaus seine Berechtigung hat. Diesen Dschungel wollen wir lichten. Der Einstieg in das Erlernen der deutschen Sprache muss standardisiert werden. Wir brauchen ein Angebot für alle - ein Kursangebot zum Erwerb einer Basisqualifikation. Abschluss dieses Basismoduls soll das zertifizierte Erreichen des Sprachniveaus A1/A2 sein.

Ein weiterer wesentlicher Bestandteil dieser Kurse ist die Feststellung des bisherigen individuellen Bildungsstandes der Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nur so lässt sich anschließend eine zielgerichtete Beratung der betreffenden Personen anbieten. Und das sind ziemlich viele. In den Einrichtungen der Erwachsenenbildung sind 700 Sprachkurse auf den Weg gebracht worden. Bis zum Ende dieses Jahres werden in Niedersachsen 33 000 geflüchtete Frauen und Männer einen Sprachkurs abgeschlossen haben.

Deren Qualifizierungsbedarfe müssen früh, schon im Rahmen dieses Basismoduls, festgestellt werden, differenziert von Analphabet bis Schnelllerner. Dann wird man passgenaue Anschlussmaßnahmen anbieten können, z. B. die berufsbezogene Deutschsprachförderung oder den Spracherwerb mit Beschäftigung wie die SPRINT-Klassen in den berufsbildenden Schulen.

Migrantinnen und Migranten, die sich auf ein Hochschulstudium vorbereiten wollen, müssen ebenso sprachlich individuell gefördert werden. Zur Feststellung dieser Bedarfe ist das erwähnte Clearing unbedingt notwendig. So kommen wir zu einem modularisierten System aus einem Guss. Dazu gehören die Einbindung der Einrichtungen der Erwachsenenbildung und die Einbindung der Kommunen. Die werden an der operativen Umsetzung direkt und verantwortlich beteiligt. Bei den Landkreisen und Städten liegt ein großer Teil der Koordinierungskompetenz. Die notwendigen Förderketten müssen vor Ort entwickelt werden.

Weiter müssen wir es hinbekommen, eine ausreichende Zahl von gut ausgebildeten Dozentinnen und Dozenten für Deutsch als Zweit- bzw. Fremdsprache bereitzustellen. Da ist die Landesregierung gefordert, auch weiterhin für entsprechende Qualifizierungsangebote zu sorgen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir wollen ein Angebot für alle. Aufenthalts- und Verfahrensstatus können bei diesem Angebot nicht die entscheidende Rolle spielen. Wir werden auch in Zukunft mit langen Wartezeiten zu tun haben, was die Entscheidungen zu den Teilnahmevoraussetzungen des BAMF betrifft. Spracherwerb darf durch diese Verfahrensprobleme aber nicht behindert werden. Wir wollen doch eine Vereinfachung!

Vor dem Hintergrund eben dieser Vereinfachung ist es nur konsequent, die Mittel, die das BAMF für die Integrationskurse vom Bund bekommt, direkt dem Land zur Verfügung zu stellen und die Koordination der Sprachkurse ebenfalls in die Verant

wortung des Landes zu übergeben. Bei aktuell immer noch hohen Fallzahlen und der damit verbundenen notwendigen Erhöhung der Kursangebote müssen die Zuweisungen vom Bund natürlich noch deutlich angepasst werden.

Meine Damen und Herren, diese Entschließung bietet eine gute Grundlage für die Weiterentwicklung der Sprachfördermaßnahmen für erwachsene Flüchtlinge in Niedersachsen in ein modularisiertes, flexibel handhabbares System.

Ich möchte am Schluss nicht unerwähnt lassen, dass wesentliche Teile des Antrags auf die Ergebnisse der ersten Sprachkonferenz der Initiative „Niedersachsen packt an!“ mit mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern zurückzuführen sind. Vielen Dank dafür.

Und Ihnen vielen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke, Herr Möhle. - Es hat jetzt für die CDUFraktion der Kollege Dr. Stephan Siemer das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bei diesem Antrag handelt es sich um eine eierlegende Wollmilchsau, die Sie aus dem Stall des Nachbarn klauen und mit Jahren Verspätung an diejenigen ausliefern wollen, die schon längst auf Eier, Milch und Fleisch gewartet haben. Das werde ich gleich noch im Detail begründen.

Zunächst möchte ich mich aber dem Lob an die Einrichtungen der Erwachsenenbildung, an die Ehrenamtlichen und an die Kommunen anschließen, die in Sachen Sprachförderung/Sprachbildung für Menschen, die in der letzten Zeit zu uns gekommen sind, sehr vieles geleistet haben, und das häufig auf eigene Kosten und ohne die notwendige Unterstützung des Landes.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Das ist doch Quatsch!)

Nun zum Thema Sprachförderung selbst.

(Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Es wäre schlau gewesen, den Antrag erst zu lesen!)

Der Landkreis Vechta ist seit 2014 in diesem Bereich tätig und fördert mit weit über 300 000 Euro Sprachfördermaßnahmen, wie Sie sie mit diesem