Protokoll der Sitzung vom 17.08.2016

Eine weitere wichtige Neuregelung erfolgt im Bereich der Wegweisung in Fällen häuslicher Gewalt. Es ist für die Landesregierung ein wichtiges Anliegen, diese Form der Gewalt, die für die Betroffenen unerträglich ist und mit schwerwiegenden Folgen verbunden sein kann, nicht aus den Augen zu verlieren.

Auch auf die körperlichen Angriffe auf Vollzugsbeamte der Polizei, die in letzter Zeit zugenommen haben, wird mit dem Gesetzentwurf reagiert. Es wird eine eigene Rechtsgrundlage für den Einsatz von sogenannten Bodycams geben.

Des Weiteren wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Vereinfachung des Austauschs von Informationen und Erkenntnissen innerhalb der Europäischen Union erreicht. Zentraler Regelungsgehalt ist ein Gleichstellungsgebot, wonach nicht mehr zwischen innerstaatlichen und europäischen Strafverfolgungs- und -verhütungsbehörden unterschieden wird, wenn es darum geht, vorhandene oder verfügbare Informationen einander zur Verfügung zu stellen.

Erwähnt werden muss schließlich auch die veränderte Regelung für anlass- und ereignisunabhängige Kontrollen. Dazu ist in den Medien vielfach berichtet und von verschiedenen Seiten Stellung genommen worden.

Anlass- und verdachtsunabhängige Kontrollen nach § 12 Abs. 6 sind weiterhin möglich. Sie werden aber auf ihren ursprünglichen Zweck zurückgeführt. Solche Kontrollen dürfen, wie es auch nach derzeitiger Gesetzeslage ist, nur auf der Grundlage polizeilicher Lageerkenntnisse durchgeführt werden. Aufgrund dieser Lageerkenntnisse müssen zukünftig Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass Straftaten von erheblicher Bedeutung begangen werden sollen. Das bedeutet, meine Damen und Herren, dass vor einer Kontrolle nach § 12 Abs. 6 der polizeiliche Kenntnisstand ausgewertet werden muss und Analysen begangener Straftaten durchgeführt worden sein müssen, um nachvollziehbar zu dokumentieren, an welchen Örtlichkeiten die Annahme gerechtfertigt ist. Die hoch umstrittenen, sogenannten anlasslosen - auf dieses Wort kommt es an; ich betone es gerne noch einmal: anlasslosen - Moscheekontrollen, also ohne dass es irgendeinen Verdacht gegen irgendjemanden gibt, gehören damit der Vergangenheit an.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass es seit 2010 auch keinen Anwendungsfall mehr in der Praxis gegeben hat. Erstaunlicherweise wird umso heftiger heute wieder gefordert, die Möglichkeit dafür zu belassen.

Ich will aber ausdrücklich darauf hinweisen, dass alle weiteren Befugnisse des Gefahrenabwehrgesetzes und insbesondere auch der Strafprozessordnung bei Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen selbstverständlich weiterhin anwendbar sind. Dazu gehören z. B. Befragungen nach § 12 NSOG, wenn sie zur Aufgabenerfüllung erforderlich sind, und Identitätsfeststellungen nach § 13 NSOG, die nicht nur zur Abwehr einer Gefahr, sondern auch an bestimmten, im Gesetz näher beschriebenen Orten weiter zulässig sein werden. Dazu gehören auch Durchsuchungen von Personen und Sachen nach den §§ 22 und 23 NSOG sowie das Betreten und Durchsuchen von Wohnungen. Darüber hinaus bestehen die weiteren Anwendungsmöglichkeiten und Handlungsmöglichkeiten nach der Strafprozessordnung, soweit der Verdacht einer strafbaren Handlung besteht. Das ist selbstverständlich. Die Aussage, die Landesregierung plane, Moscheen keinesfalls zu kontrollieren, ist daher schlichter Unfug.

Eine weitere Neuregelung ist die Streichung des polizeilich nicht erforderlichen Rechtsbegriffs der öffentlichen Ordnung. Er ist nicht notwendig, meine Damen und Herren, da in einem so detailliert ausgebauten Rechtsstaat wie in Deutschland alle erforderlichen Maßnahmen unter dem sehr weiten Begriff der öffentlichen Sicherheit aufgefangen werden können.

Meine Damen und Herren, das waren nur sehr wenige Änderungen, die mit dem neuen Gefahrenabwehrgesetz verfolgt werden. Weitere Änderungen ergeben sich aus der Umsetzung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere aus der jüngsten Entscheidung zum Bundeskriminalamtsgesetz, die in dem Gesetz verpflichtend umgesetzt werden mussten.

Meine Damen und Herren, ich freue mich auf die parlamentarischen Beratungen im weiteren Verfahren und danke Ihnen fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister, für die Einbringung des Gesetzentwurfs.

Ich bitte Sie jetzt um Ihre Aufmerksamkeit, was den weiteren Sitzungsverlauf angeht. Sie sind heute Morgen durch den Präsidenten darüber informiert worden, dass die Besprechung der Großen Anfrage der FDP-Fraktion unter Tagesord

nungspunkt 20 auf die September-Sitzung vertagt wird. Die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen sind eben übereingekommen, morgen anstelle des Tagesordnungspunktes 20 die heute vorgesehenen Tagesordnungspunkte 10 und 11 nach dem Punkt 19 zu beraten. Die Punkte 10 und 11 werden daher heute nicht aufgerufen. Die Rednerinnen und Redner sind jetzt darüber informiert, dass sie morgen nach Tagesordnungspunkt 19 damit an der Reihe sind. - So weit die technische Ansage.

Wir kommen jetzt zur Aussprache über den eingebrachten Gesetzentwurf. Das Wort hat zunächst für die CDU-Fraktion Herr Kollege Thomas Adasch.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Änderung des niedersächsischen Polizeirechts ist ein Produkt des mit grüner Tinte geschriebenen ideologischen Koalitionsvertrages von Anfang 2013. Dreieinhalb Jahre haben Sie, Herr Minister Pistorius, für die Umsetzung dieses unsinnigen Projektes gebraucht.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Weil in der Zwischenzeit die Anfragen von der CDU-Fraktion beantwortet werden mussten! Die von der FDP auch! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Herr Kollege Adasch, jetzt will ich Ihnen erst einmal Ruhe verschaffen.

Danke schön.

Die Geräuschkulisse, die gerade herrscht, ist nicht in Ordnung. Herr Kollege Adasch hat jetzt als einziger das Wort. Wenn Sie Gesprächsbedarf haben, dann führen Sie die Gespräche bitte nicht im Plenarsaal. Wir lauschen jetzt der Rede des Kollegen Adasch.

Danke schön, Herr Präsident.

Dieses Projekt, verehrte Kolleginnen und Kollegen, war von Anfang an falsch. In den dreieinhalb Jahren Ihrer Amtszeit ist es sogar immer noch falscher geworden. Dennoch möchten Sie es durchziehen.

Das ist nicht nur ein sicherheitspolitischer Fehler, sondern auch eine politische Dummheit ersten Ranges.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Der islamistische Terror ist in Deutschland und Niedersachsen angekommen. Wir haben den Fall des 15-jährigen Mädchens vom hannoverschen Hauptbahnhof, aber auch die Angriffe in einem Zug bei Würzburg sowie den ersten Bombenanschlag in Ansbach. Im Vergleich zu Frankreich und Belgien mögen wir bislang noch glimpflich davongekommen sein. Aber dennoch ist die Bedrohung durch den islamistischen Terror in Niedersachsen gegenwärtig, und sie wächst. Darauf reagieren Sie, Herr Minister, mit der Einschränkung der Befugnisse der Polizei.

Aktuelle Umfragen zeigen ganz deutlich, dass nur eine sehr geringe Zahl von Bürgerinnen und Bürgern die Einschränkung der Befugnisse der Polizei verlangt. Laut einer Umfrage der Bild-Zeitung lehnen ca. 75 % der Bevölkerung die Reduzierung der Befugnisse der Polizei ab. 58 % fordern sogar die Ausdehnung der Befugnisse der Polizei.

(Beifall bei der CDU)

Herr Minister Pistorius, Sie haben nicht das modernste Gesetz Deutschlands vorgelegt, sondern ein Gesetz, das den Geist des Misstrauens gegen unsere Polizei trägt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Sie setzen all die falschen Beschlüsse der Landesparteitage der Grünen um, für die die Polizei immer noch der Gegner ist, der Ort, an dem man eine Mehrheit dafür findet, dass die Polizei ihre Hunde und Pferde abgeben muss, weil sie Angst machen könnten.

Herr Minister, ich möchte all das aufführen, was an dem vorliegenden Gesetzentwurf falsch ist. Es beginnt bereits bei der Umbenennung, welche die Folge der Streichung des Schutzgutes der öffentlichen Ordnung aus dem Gesetz ist.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Die öffentliche Ordnung, also all die ungeschriebenen Regeln, die für das gedeihliche Zusammenleben unserer Gesellschaft notwendig sind, soll nicht mehr von der Polizei und den Ordnungsbehörden durchgesetzt werden. Für die kommunalen Ordnungsbehörden ist dieses Schutzgut aber extrem wichtig.

Herr Minister Pistorius, Sie sagten relativ früh in Ihrer Amtszeit den Satz: Höre auf die Kommunen, und du tust gut daran. - Die kommunalen Spitzenverbände lehnen diese Entscheidung jedenfalls ab. Hören Sie auf diese!

(Beifall bei der CDU - Jens Nacke [CDU]: Sie täten gut daran!)

Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung war in den letzten 30 Jahren immer umstritten. In der letzten Zeit ist es aber abgeflaut, und es wird mehr und mehr die Notwendigkeit eines solchen Schutzgutes gesehen. Es gab da einen Umschwung. Sie selbst benutzen diesen Begriff doch auch. Sie haben in § 16 des Justizgesetzes das Schutzgut der öffentlichen Ordnung erst eingeführt. Warum schreibt die grüne Justizministerin für Gerichte ein Schutzgut der öffentlichen Ordnung in das Justizgesetz, während der SPD-Innenminister dieses aus dem Polizeirecht streichen möchte?

(Ansgar-Bernhard Focke [CDU]: Das versteht kein Mensch!)

Es gibt noch viele weitere Punkte, die völlig aus der Zeit fallen. Das sind die Regelungen zur Videoüberwachung. Eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung wünscht sich mehr Videoüberwachung in Bussen und Bahnen und an öffentlichen Plätzen. Insbesondere Frauen fühlen sich durch Videoüberwachung sicherer.

(Beifall bei der CDU)

Der Koalitionsvertrag von Rot-Grün sieht hingegen den deutlichen Abbau von Videoüberwachung vor. Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Minister, den Willen der Bevölkerung durch eine entsprechende gesetzliche Regelung zu ermöglichen. Sie aber haben sich für das Gegenteil entschieden. Das werden wir in Zukunft weiterhin thematisieren.

Die Videoüberwachung ist sicherlich kein Allheilmittel. Es sind mir aber deutlich mehr Fälle bekannt, in denen wir uns Videoüberwachung gewünscht hätten, als Fälle, in denen Videoüberwachung ein Schaden gewesen wäre.

Was wir ausdrücklich begrüßen, ist die Einführung der sogenannten Bodycams. Die Erfahrungen im schwarz-grün regierten Hessen sind ausgesprochen positiv. Unserer Ansicht nach muss jedoch der Einsatz von Bodycams auch in Gebäuden möglich sein.

Hoch umstritten ist weiterhin die Frage des § 12 Abs. 6, also der verdachtsunabhängigen Kontrollen bei grenzüberschreitender Kriminalität. Zu

nächst einmal ist zu begrüßen, dass Sie diese Kontrollen nicht vollständig abschaffen möchten. Das klang vor Wochen noch anders. Insoweit haben Sie wenigstens etwas aus der derzeitigen Situation gelernt. Aber die vorgesehene Einschränkung und die bürokratischen Voraussetzungen werden von allen Berufsvertretungen in der Polizei zu Recht abgelehnt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Hier sind Sie in Ihre selbst gebaute Falle der Ablehnung angeblich diskriminierender Moscheekontrollen getappt. Sogenannte Moscheekontrollen sollen laut Gesetzesbegründung nicht mehr zulässig sein. Hier spielen Sie ein altes Lied, das außer grünen Romantikern niemand mehr hören möchte.

(Beifall bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Oh jemine!)

Weiterhin möchten Sie einige bislang nicht geregelte polizeiliche Maßnahmen speziell normieren. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen, muss aber praktikabel sein. Die von Ihnen vorgegebenen Regelungen zur Gefährderansprache sind es jedoch nicht. Sie setzt erst zu spät ein, nämlich erst dann, wenn in der Vergangenheit Straftaten begangen wurden. Schon vorher kündigt sich das aber häufig an. Dann muss die Polizei reagieren können und nicht erst hinterher.

Die hochspeziellen Regelungen zur Datenerhebung in Wohnungen oder bei Demonstrationen bedürfen einer intensiven Prüfung. Die im Koalitionsvertrag angekündigten Einschränkungen der Befugnisse der Polizei lehnen wir aber auch hier ab.

Herr Minister, Sie möchten weiterhin - ihn interessiert offenbar die Debatte nicht - - -