- Herr Thümler, hören Sie zu. Ich habe Ihnen auch zugehört. Sie lösen überhaupt kein einziges Problem in der Türkei mit dieser Abwehrhaltung.
Moment, bitte! Ich habe jetzt unterbrochen. - Herr Thümler, Sie haben noch eine Restredezeit von nahezu sieben Minuten. Diese können Sie gleich nutzen, wenn Sie möchten. Jetzt sollten Sie Frau Kollegin Piel Ihre Aufmerksamkeit schenken. - Bitte, Frau Kollegin!
Ich habe unterstützt, dass wir die Veränderungen, die die CDU in die Vertragsverhandlungen eingebracht hat, mit einarbeiten. Ich komme aus der Sommerpause zurück und höre, dass die CDU ohne eine persönliche Anrede, ohne ein Gespräch mit einem von uns, die Verhandlungen aufkündigt.
Ich sage es noch einmal, Herr Thümler: Sie lösen überhaupt kein einziges Problem in der Türkei oder hier damit, dass Sie Gespräche mit muslimischen Verbänden verweigern oder türkischstämmigen Menschen die Ausweisung oder den Passentzug androhen.
Wie soll das funktionieren? Glauben Sie vielleicht, dass die Verbände ihre Arbeit einstellen, wenn wir nicht mehr mit ihnen reden? Sie arbeiten weiter.
Meine Damen und Herren, machen wir doch den Leuten an dieser Stelle nichts vor! Die Welt ist nicht so einfach, und sie war es nie. Das können wir beklagen oder feiern; es wird sich nicht ändern. Aber weil das so ist, müssen wir mit den Menschen und den Verbänden in diesem Land sprechen und sie einladen, Niedersachsen mitzugestalten.
Moment, bitte! - Herr Kollege Dürr, Frau Kollegin Piel hat erklärt, dass sie keine Fragen zulässt. Bitte versuchen Sie es jetzt nicht auf diesem Wege. - Bitte, Frau Kollegin!
Meine Damen und Herren, jede Landesregierung muss die Probleme lösen, die sich ihr stellen. Ich bin Herrn Ministerpräsident Weil außerordentlich dankbar, dass er nicht nur eine Idee vom Zusammenleben in Niedersachsen hat, sondern sich mit seinen und unseren gemeinsamen Ideen der Auseinandersetzung stellt.
Im Übrigen knüpfen wir in manchen Feldern auch an die Arbeit der alten Landesregierung an, die - und da bin ich wieder bei Ihnen, Herr Dürr und Herr Thümler - natürlich nicht alles falsch gemacht hat.
Ein kleines Beispiel: Für die gute Zusammenarbeit mit den muslimischen Verbänden in den Bereichen der Seelsorge und beim Religionsunterricht in den Schulen haben Sie die Grundlage geschaffen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP. Zum Glück war die CDU in Regierungszeiten offensichtlich noch etwas mutiger als jetzt.
Politik kann gesellschaftliche Prozesse nicht einfach nur begleiten; sie muss sie moderieren. Dazu braucht es den Mut, mit seinen Ideen und Überzeugungen in die Auseinandersetzung zu gehen. Hier nutzen wir als Koalition aus SPD und Grünen die Chance, inmitten aller gesellschaftlichen Veränderungen dieses Land voranzubringen. Danke auch an den Koalitionspartner!
Vielen Dank, Frau Kollegin Piel. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass die Besprechung zur Regierungserklärung abgeschlossen ist.
Bevor ich den nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchte ich Ihnen mitteilen, dass die Fraktionen übereingekommen sind, den Tagesordnungspunkt 3, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Wasserverbandsgesetz, nach der Mittagspause zu beraten.
Für diesen Tagesordnungspunkt sind mir vier Themen benannt worden, deren Einzelheiten Sie der Tagesordnung entnehmen können.
Die in unserer Geschäftsordnung für den Ablauf der Aktuellen Stunde geregelten Bestimmungen setze ich bei allen Beteiligten als bekannt voraus.
Der Ältestenrat hat sich in seiner letzten Sitzung mit der in den vergangenen Jahren geübten Praxis befasst, den Fraktionen nur dann über den nach der Geschäftsordnung geltenden Redezeitrahmen von fünf Minuten hinaus zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung zu gewähren, wenn die Landesregierung diesen Zeitrahmen mit ihrem Beitrag selbst nennenswert überschritten hat. Diese Handhabung gab mit Blick auf den Wortlaut der Geschäftsordnung bereits verschiedentlich Anlass zu Zweifeln.
Daher haben der Herr Landtagspräsident, die Herren Vizepräsidenten und ich nach der Diskussion im Ältestenrat den wohl von allen Fraktionen getragenen Gedanken aufgegriffen und uns in der gestrigen Vorbesprechung darauf verständigt, § 71 Abs. 3 unserer Geschäftsordnung bis auf Weiteres allgemein auch in der Aktuellen Stunde anzuwenden. Sofern also ein Mitglied der Landesregierung spricht und wenn einer Fraktion nicht mehr ausreichende Redezeit für eine Erwiderung zur Verfügung steht, wird das Präsidium angemessene zusätzliche Redezeit für eine Erwiderung gewähren. Ich glaube, das ist in Ihrer aller Sinne.
a) Teilhabe statt Populismus: Für den Erhalt der doppelten Staatsbürgerschaft - Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6283
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie alle kennen sicherlich aus Kindertagen das Kasperletheater mit seinen Handpuppen. In den Märchen kommt zwangsläufig irgendwann der böse Wolf vor, um allen einen Heidenschrecken einzujagen.
Daran erinnert mich, dass nun mal wieder die alte Idee aus der Kiste gezogen wurde, denjenigen Deutschen, die auch Türken sind, eine Entscheidung zwischen den Staatsangehörigkeiten aufzuhalsen.
Auch wenn diese Puppe, wie meistens, schnell wieder verschwindet, tut sie doch ihren Dienst: Sie jagt den Betroffenen einen Schrecken ein. Und die Argumente für diese Forderung bleiben in der Welt, auch wenn vom Doppelpass schon lange keiner mehr spricht.
Grund genug, sich auch hier im Landtag genauer mit der Forderung zu befassen, die doppelte Staatsbürgerschaft abzuschaffen!
So halten Sie, Herr Thümler, beharrlich an dieser Forderung fest - auch wenn andere CDU-Politiker, wie von Frau Modder beschrieben, schon wieder aus dem fahrenden Zug ausgestiegen sind -, wie Sie gerade wieder in der Nordwest-Zeitung betont haben. Dort sagen Sie - ich zitiere -:
„Wer verschiedenen politischen und gesellschaftlichen Interessen gerecht werden will, gerät unweigerlich in einen Konflikt.“
Das ist erst einmal eine kühne These, die Sie da in den Raum stellen. Was folgern Sie aber daraus? Es geht ja noch weiter. Ganz einfach! Zwingen wir die Leute zu einer Entscheidung: Entweder ihr erklärt euch zu reinen Deutschen, oder wir erklären euch zu Fremden in dem Land, in dem ihr lebt. - Bemerkenswert, wie einfach Konflikte gelöst werden können, die man selber erfindet und erst einmal in den Raum stellt, Herr Thümler.
Aber es geht noch weiter: Sie argumentieren in anderen Fällen nämlich genauso. Weil Sie in der türkischen Gesellschaft - ich nehme an, Sie meinen Deutsche türkischer Herkunft - eine Affinität zu Erdogan feststellen, glauben Sie, nicht mehr mit den muslimischen Verbänden DITIB und Schura reden zu können. Sie pauschalisieren nicht nur gnadenlos, Sie machen auch keine eigenen Vorschläge. Und das ist unverantwortlich.
(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Johanne Modder [SPD] - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)
Meine Damen und Herren, Herr Thümler, Sie mögen ja vielleicht ein Problem mit transnationalen Identitäten haben. Aber vielleicht geht es nicht grundsätzlich darum, sondern nur um die DeutschTürken; denn der Parteivorsitzende McAllister besitzt ja auch zwei Pässe. Er wird nach dem Brexit dann wahrscheinlich auch einen davon aberkennen lassen müssen.