Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Zurufe von der CDU)

Die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz haben Verfassungsrang. Das ist auch gut so, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber was Sie, insbesondere von CDU und FDP, hier immer wieder zu übersehen scheinen, ist die Tatsache, dass auch die Immunität in Artikel 15 der Niedersächsischen Verfassung und das freie Abgeordnetenmandat Verfassungsrang haben. Wir müssen hier zu einer sauberen Abwägung kommen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Mechthild Ross-Luttmann [CDU]: Ja, zu einer sauberen! - Christian Grascha [FDP]: Willkür ist das!)

SPD und Grüne hätten es sich einfach machen können. Wir hätten es uns so einfach machen können wie die FDP. So hat sich Herr Dürr in der Zeitung mit den Worten zitieren lassen: Warum soll denn für Herrn Schminke etwas anderes gelten als für andere Bürger?

(Christian Grascha [FDP]: Genau!)

Herr Kollege Dürr, dieselbe Frage könnten Sie heute Abend stellen, wenn wir uns unsere Grundentschädigung erhöhen. Wir sind die einzige Gruppe in diesem Land, die in der Lage ist, selbst über die Höhe ihrer eigenen Entschädigung zu entscheiden. Herr Kollege Dürr, diese Frage können Sie auch stellen, wenn wir einmal wieder über Vorratsdatenspeicherung oder ähnliche staatliche Eingriffsinstrumente reden, von denen wir als Abgeordnete nach der Strafprozessordnung ausdrücklich ausgenommen sind.

(Christian Dürr [FDP]: Ich klage gegen die Vorratsdatenspeicherung! Das war die Unwahrheit, die Sie gerade gesagt haben!)

Herr Kollege Dürr, diese Fragen könnten Sie sich stellen, wenn wir wieder einmal einen Fall haben, bei dem die Indemnität aus Artikel 14 der Niedersächsischen Verfassung zur Anwendung kommt.

Herr Dürr, ja, es ist ein Privileg, aber es ist nicht ein individuelles Privileg des Kollegen Schminke, damit er quasi machen kann, was er will, sondern es ist ein Privileg, das die Tätigkeit von Abgeordneten schützt - von allen Abgeordneten.

Natürlich - Herr Nacke, das übersehen Sie völlig - besteht die eklatante Gefahr - nicht, dass der Kollege Schminke eingeschüchtert wird; ehrlich gesagt, diese Befürchtung habe ich nach den Erfahrungen der letzten Jahre weniger -, dass erstens alle Kolleginnen und Kollegen in diesem Haus,

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ganz ge- nau!)

wenn sie mitbekommen „Wenn wir etwas öffentlich machen, kommt der Staatsanwalt, dann kriegen wir ein Strafverfahren an den Hals und werden wir öffentlich an den Pranger gestellt“, beim nächsten Mal mehrfach überlegen, ob sie einen solchen Missstand öffentlich machen. Diese Gefahr besteht, und dieser Gefahr wollen wir heute begegnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Ulf Thiele [CDU]: Sie wollen mit dieser Entscheidung die Bürger ein- schüchtern? Das ist ja unglaublich!)

Es besteht zweitens die Gefahr, dass gerade die Menschen, die - wie im konkreten Fall - in Heimen sind, aber auch andere Menschen, die sich in einer hilflosen Lage befinden und an einen Abgeordneten in der Hoffnung wenden, dass ihnen jetzt vielleicht geholfen wird, mitbekommen: „Nein, im Zweifel wird auch der Person, an die du dich gewandt hast, Druck gemacht und wird ihr mit Strafverfolgung gedroht“, in Zukunft völlig entmutigt sind und sich an niemanden mehr wenden. Auch dieser Gefahr müssen wir begegnen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD - Zuruf von der CDU: Das ist doch Blödsinn!)

Der Staatsanwaltschaft ist kein Vorwurf zu machen. Dem schließe ich mich ausdrücklich an. Aber ich muss mich über CDU und FDP schon sehr wundern, die sowohl in der 16. als auch in der 17. Wahlperiode einstimmig einen Katalog zu Immunitätsangelegenheiten mittragen, nach dem wir in vielen Fällen ausnahmslos die Ermittlungen pauschal genehmigen, aber in einigen Fällen eben nicht. Der § 187 gehört zu diesen Fällen. Auch Sie, lieber Herr Kollege Grascha, haben dafür die Hand gehoben. Also stellen Sie sich jetzt auch der Verantwortung und kommen Sie hier zu einer Einzelfallabwägung, anstatt diese Pauschalargumentation ins Feld zu führen!

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

CDU und FDP haben diesem Katalog zugestimmt. Dann muss er auch mit Leben gefüllt werden, meine Damen und Herren.

Der Katalog ist nicht sakrosankt; das ist klar. Herr Tonne hat das gesagt: Wir können darüber diskutieren. Aber solange wir ihn haben, müssen wir zusammen mit der Verpflichtung aus Artikel 15 eine Abwägungsentscheidung treffen.

Meine Damen und Herren, zum Abschluss: Herr Grascha, Sie haben uns gestern in einer Pressemitteilung Rechtsbeugung vorgeworfen. Ich kann ja nachvollziehen, dass man hier auch zu anderen Abwägungen kommen kann. Ich kann aber die Schärfe, die Sie in die Debatte bringen, nicht nachvollziehen.

(Christian Dürr [FDP]: Nein? Das ist offener Rechtsbruch!)

Würde ich Ihre Maßstäbe anlegen, Herr Grascha, dann müsste ich Sie für die gestrige Pressemitteilung anzeigen,

(Christian Grascha [FDP]: Gerne!)

wir müssten Ihre Immunität aufheben, und wir müssten Sie der Staatsanwaltschaft zuführen.

(Christian Dürr [FDP]: Dann tun Sie es doch einfach!)

Das werden wir nicht tun, Herr Grascha, weil es falsch wäre, weil es Teil der politischen Auseinandersetzung ist, weil wir das aushalten müssen und weil wir dem politisch begegnen und nicht juristisch.

Vielen Dank, Herr Grascha.

(Starker Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Dürr [FDP]: Tun Sie es doch bitte!)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor, sodass wir jetzt in die Abstimmung eintreten können.

(Unruhe)

- Ich darf bitten, jetzt die Gespräche einzustellen!

Meine Damen und Herren, wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrats zustimmen und damit die Genehmigung zur Einleitung eines Strafverfahrens gegen den Landtagsabgeordneten Ronald Schminke nicht erteilen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Die Gegenprobe! - Enthaltungen? -

Sehe ich nicht. Das Erste war die Mehrheit. Damit ist die Genehmigung nicht erteilt.

(Dr. Stefan Birkner [FDP]: Wahnsinn! - Unruhe)

- Meine Damen und Herren, ich bitte um Ruhe!

Es gibt noch Interessantes, liebe Kolleginnen und Kollegen, jedenfalls Wichtiges. Bevor ich den Tagesordnungspunkt 5 aufrufe, will ich Sie darauf hinweisen, dass ich bei normalem zeitlichen Verlauf der Beratung dieses Tagesordnungspunktes entsprechend der Abstimmung mit den Fraktionen noch den Tagesordnungspunkt 7 aufrufen werde. Dazu wird es - anders als ausgedruckt - keinen schriftlichen Bericht, sondern einen kurzen mündlichen Bericht geben, aber keine Debatte, sodass das zügig gehen dürfte. Versuchen wir es miteinander!

Ich rufe jetzt auf den

Tagesordnungspunkt 5: Abschließende Beratung: a) Entwurf eines Gesetzes zur Sicherung der Ausbildungsverkehre in Niedersachsen und zur landesrechtlichen Ersetzung der Ausgleichsregelung gemäß §§ 45 a, 64 a Personenbeförderungsgesetz durch die Zusammenführung von Aufgaben- und Ausgabenverantwortung bei den kommunalen Aufgabenträgern sowie zur finanziellen Unterstützung für Mobilitätsverbesserungen und zur Weiterentwicklung des straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehrs in den Kommunen und zur landesrechtlichen Ersetzung der Ausgleichsregelung §§ 6 a, 6 h Allgemeines Eisenbahngesetz - Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/5836 - b) Schülerverkehr bezahlbar halten, den ÖPNV für alle sichern - Mittel für die Schülerbeförderung im ÖPNV rechtssicher verstetigen - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/5136 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr - Drs. 17/6693 - Schriftlicher Bericht - Drs. 17/6729 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6762

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Gesetzentwurf mit Änderungen anzunehmen und den Antrag abzulehnen.

Der Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vom heutigen Tag zielt auf eine Aktualisierung der Anlage 1 zu Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzentwurfs.

Wir treten in die Beratungen ein. Das Wort hat jetzt der Kollege Gerd Will.

(Unruhe)

- Ich darf noch einmal um Ruhe bitten! Wer irgendetwas zu erörtern hat, möge das bitte draußen machen.

(Anhaltende Unruhe)

- Einen Moment, bitte, Herr Kollege Will! So kann man hier nicht verhandeln. Ich bitte, einen Moment zu warten. - Wer etwas zu klären hat, Herr Kollege Schönecke, Herr Kollege Schiesgeries, bitte außerhalb des Plenums! - Herr Kollege Siebels, Herr Kollege Grupe, Herr Pantazis!

Jetzt kann es losgehen. Herr Kollege Will, bitte!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Seit der Einbringung des Gesetzentwurfs zur Sicherung der Ausbildungsverkehre in Niedersachsen am 7. Juni wurde den Verbänden in einer umfangreichen Anhörung Gelegenheit gegeben, zum Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Es gab eine überwiegend positive Resonanz, mit Ausnahme der Stellungnahmen des GVN und einer Reihe von Anwaltskanzleien, die auf Bestreben der Opposition wohl nur die Aufgabe hatten, den Gesetzentwurf rechtlich infrage zu stellen.

(Widerspruch von Gabriela König [FDP])

Es war in erster Linie Lobbyarbeit für die Verkehrsunternehmen,

(Karl-Heinz Bley [CDU]: Ein unhaltba- rer Vorwurf!)

die mit der Vertragswirtschaft von Herrn Bode so gut gefahren sind, dass sie alles tun, um die Neuregelung zu verhindern. Das endete in der letzten Woche mit der bekannten Lobbyarbeit des GVN über einen Antrag an den Ältestenrat, den Tagesordnungspunkt zur zweiten Lesung des Gesetzentwurfs von der Tagesordnung zu nehmen.