Wollen Sie denn wirklich hinnehmen, dass dieser Vorwurf gegenüber dem Kollegen Schminke ungeklärt im Raum bleibt, obwohl wir doch sicher sind, dass an dem Vorwurf nichts dran ist? Herr Schminke selbst hat von den Abgeordneten des Landtages öffentlich eingefordert, dass sie seine Immunität nicht aufheben sollen. Er hat damit das Verfahren zusätzlich belastet. Die gestrige Entscheidung des Ältestenrates kommentiert Herr Schminke ausweislich der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen wie folgt:
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, warum soll denn das nur für Abgeordnete gelten? Warum dieses Sonderprivileg nur für Abgeordnete? Was wenn es kein Parlamentarier, sondern ein Bürgermeister gewesen wäre, der keine Immunität für sich in Anspruch nehmen kann, aber genauso in der Öffentlichkeit steht und auf eine Wiederwahl angewiesen ist? Und wieso, Herr Kollege Schminke, „am Ende“? „Am Ende“ hätte doch wohl eine Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft gestanden, wenn Sie sich nichts haben zu Schulden kommen lassen.
Welche Anhaltspunkte gibt es dafür, dass gegen eine andere Person keine Anzeige wegen Verleumdung erhoben worden wäre, wenn sie solche Behauptungen öffentlich aufgestellt hätte? Warum soll ein Abgeordneter das Recht haben, gleich alles in der Zeitung zu veröffentlichen, ohne dafür Rechenschaft ablegen zu müssen, selbst wenn es nicht stimmen sollte, während sich alle anderen an die Heimaufsicht wenden müssten?
Mit seinen öffentlichen Einlassungen macht Herr Schminke deutlich, dass er die Aufhebung der Immunität als Vorverurteilung und Stigmatisierung empfindet. Einige Kollegen der SPD haben ebenfalls so argumentiert. Aber damit sagen Sie ja, dass nicht die Strafanzeige, nicht das Verfahren, sondern die Aufhebung der Immunität selbst den Abgeordneten in seiner Arbeit belaste. Was für eine absurde Argumentation, wenn man gleichzeitig ein Sonderrecht dieser Art für sich in Anspruch nimmt!
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die CDU hat sich die heutige Entscheidung nicht leicht gemacht. Wir haben deshalb um eine Einschätzung des unabhängigen Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtages gebeten. Wenn der Landtag die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft unterbindet, handelt er ermessensfehlerhaft, so der Schluss des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes.
Aus all dem ergibt sich, dass wir heute die Immunität des Kollegen Schminke aufheben müssen. Wir müssen leider dabei bleiben, Herr Kollege Tonne. Jede andere Entscheidung begründet in der Tat eine Zweiklassenjustiz und wäre ein Verstoß gegen die Gewaltenteilung.
Meine Damen und Herren von der SPD und den Grünen, mit Ihrer heutigen Entscheidung haben Sie sich verrannt. Sie sind sich so sicher, dass Herr Schminke ein feiner Kerl ist und die Anzeige keine Aussicht auf Erfolg hat.
(Grant Hendrik Tonne [SPD]: Ich habe es exakt anders begründet! - Anja Piel [GRÜNE]: Erzählen Sie uns nicht, was wir denken! - Thomas Schremmer [GRÜNE]: Darum geht es nicht!)
- Ich habe den Eindruck, dass es genau darum geht, Herr Kollege, dass es genau darum geht, dass Sie sich sicher sind, dass Herr Schminke ein feiner Kerl ist und die Anzeige gegen ihn keine Aussicht auf Erfolg hat. Das ist der Grund, aus dem Sie heute der Staatsanwaltschaft das Recht absprechen, diese Frage zu prüfen, und der Bürgerin das Recht absprechen, überhaupt eine Anzeige zu stellen. Herr Schminke verlangt von Ihnen eine Besserstellung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land, und Sie haben nicht die Kraft, ihm diese Forderung abzuschlagen.
Meine Damen und Herren von den Mehrheitsfraktionen, Sie nutzen dabei ein Mittel, das ursprünglich einen Abgeordneten vor staatlicher Willkür schützen sollte. Tatsächlich ist jedoch Ihre heutige Entscheidung sachlich nicht zu begründen und damit Ihrerseits ein Akt staatlicher Willkür.
Mit der heutigen Entscheidung verhindern Sie ein rechtsstaatliches Verfahren. Damit fällt ein großer Schatten auf dieses Parlament, auf diese Regierung - denn auch der Ministerpräsident wird sich gegen die Staatsanwaltschaft entscheiden -, auf Ihre Einstimmenmehrheit und letztlich auch auf den Abgeordneten Schminke.
Vielen Dank, Herr Kollege Nacke. - Der nächste Redner ist für die FDP-Fraktion der Kollege Christian Grascha. Herr Grascha, ich erteile Ihnen das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Aus Sicht der FDP-Fraktion müssen wir heute der Staatsanwaltschaft Göttingen die Genehmigung erteilen, ein Ermittlungsverfahren gegen den Kollegen Schminke zu eröffnen. Wir befinden uns damit - der Kollege Nacke hat darauf hingewiesen - in guter Gesellschaft; denn ein Gutachten des unabhängigen Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes kommt zu demselben Urteil.
Dabei geht es nicht darum, den Sachverhalt selbst zu beurteilen. Wenn es in diesem Heim Missstände gibt, dann muss den Bewohnerinnen und Bewohnern geholfen werden; dann müssen die Missstände umfassend aufgeklärt und beseitigt werden. Da gibt es doch in diesem Haus überhaupt keinen Dissens.
Für diese Beurteilung gibt es allerdings in unserem demokratischen Rechtsstaat die Judikative, die im Rahmen der Gewaltenteilung dafür zuständig ist. Und es geht auch nicht um eine Vorverurteilung, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Im Gegenteil: Auch für den Kollegen Schminke gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. Das ist doch völlig klar.
Es geht darum, dass die Staatsanwaltschaft ein Verfahren eröffnen kann, damit sowohl belastende, aber auch entlastende Umstände ermittelt werden können. Dies ist ohne die Aufhebung der Immunität nicht möglich. Für uns ist das ein formaler Akt, meine Damen und Herren, so, wie es bis zur 15. Wahlperiode in diesem Haus auch übliche Praxis war.
Die Immunität hat eine bedeutende Schutzfunktion für die Abgeordneten in einer parlamentarischen Demokratie. Sie soll die Handlungsfähigkeit des Parlaments und seiner Abgeordneten schützen. Sie schützt damit die Abgeordneten vor sachfremden, ja politisch motivierten Straftaten. Das bedeutet aber nicht, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Immunität ein Freifahrtschein ist. Die Abgeordneten dürfen grundsätzlich nicht bessergestellt werden als Bürgerinnen und Bürger, die nicht Abgeordnete sind, und müssen sich selbstverständlich, wie diese, einem Strafverfahren stellen; es sei denn, es gibt tatsächlich Anhaltspunkte dafür, dass das Strafverfahren dazu dient, die Ausübung der Tätigkeit als Abgeordneter zu beeinträchtigen. Diese liegen offensichtlich - übrigens auch nach Meinung des GBD - in diesem Fall nicht vor.
Ich möchte hier deshalb sehr deutlich und sehr ernsthaft sagen: Ihre Verweigerung, die Immunität aufzuheben, ist schlicht rechtswidrig und dreister Rechtsbruch, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP und bei der CDU - Ottmar von Holtz [GRÜNE]: Nur weil Sie das anders sehen, ist das noch kein Rechtsbruch!)
So kommt es zu einer Zweiklassenjustiz, wodurch der Rechtsstaat großen Schaden nimmt, wir das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger insgesamt verlieren und das Immunitätsrecht entwertet wird. Das ist Ihre Verantwortung.
In anderen Ländern und auch auf der Bundesebene unterliegen die Strafverfahren nach § 187 des Strafgesetzbuches einer allgemeinen Genehmigung für die Staatsanwaltschaft. Das heißt, hier kann ohne vorherige Genehmigung des Parlaments ermittelt werden. Bis einschließlich der 15. Wahlperiode galt das auch in Niedersachsen. Aus unerklärlichen Gründen ist dies nach Auskunft des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes aus dem Katalog herausgefallen.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Sie haben zugestimmt! Die Vorlage ist zweimal durch das Parlament gegangen!)
Wahrscheinlich war es aber ein Versehen, wie es der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst vermutet hat. So banal ist es manchmal.
Wenn dies nicht passiert wäre, wäre das Ermittlungsverfahren gegen Herrn Schminke längst eröffnet und womöglich schon beendet worden, und wir könnten uns diese zweifelhafte und schädliche Debatte hier sparen.
Es ist für mich auch überhaupt nicht nachvollziehbar, warum sich einige Abgeordnete der SPDFraktion in einer überzogenen Art in der Öffentlichkeit zu Wort gemeldet haben. Aussagen wie „Kein Maulkorb für Ronny!“ und „Solidarität mit Ronny!“ sind doch angesichts der Sachlage absolut unangemessen und peinlich, meine Damen und Herren.
Auch wie sich der Betroffene selbst in der Öffentlichkeit geäußert hat, lässt eher Raum für Spekulationen. Erst gibt es in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen Empörungsaufschlag von Herrn Schminke mit der Bitte, dass der Ältestenrat ihn vor dem Ermittlungsverfahren schützen soll, und anschließend darf dann die SPD-Fraktion intern entscheiden, ob sie ihren Abgeordneten schützen will. Die Motivation, meine Damen und Herren, liegt doch auf der Hand: Wegen der Ein
Hierin liegt eine größere Einflussnahme auf die Ausübung der Abgeordnetentätigkeit der anderen Abgeordneten von SPD und Grünen als in dem Strafverfahren selbst, meine Damen und Herren. Sie lassen sich nötigen und stellen Politik über Recht und damit wegen einer Lappalie zentrale Grundsätze unserer Verfassung infrage.
Der unabhängige Rechtsstaat ist eine der tragenden Säulen unserer Demokratie. Wer versucht, hier politisch einzugreifen, der schadet dem Rechtsstaat und dem Vertrauen in die Demokratie insgesamt. SPD und Grüne wollen nun einen Abgeordneten aus ihren Reihen vor der unabhängigen Justiz schützen. Das ist, meine Damen und Herren, unerträglich. Die Politik darf noch nicht einmal den Eindruck erwecken, dass Schutzfunktionen der Abgeordneten parteipolitisch ausgenutzt werden. Sie, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von SPD und Grünen, erwecken hier allerdings mehr als nur diesen Eindruck; Sie tun es einfach und wundern sich dann, dass sich die Menschen von der Politik abwenden.
Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Ich erteile jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herrn Helge Limburg das Wort. Bitte sehr!
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es geht bei der aktuellen Debatte nicht um die Frage, ob der Kollege Schminke ein guter Kerl ist oder nicht, sondern es geht um die Frage, ob dieses Parlament im Jahr 2016 die Kraft aufbringt, ein über Jahrhunderte erkämpftes Schutzrecht, nämlich die parlamentarische Immunität, auch tatsächlich zur Anwendung zu bringen, um das