Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. - Es folgt jetzt für die Fraktion der CDU Kollegin Gerda Hövel. Bitte!

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir befinden uns hier heute in der abschließenden Beratung eines Gesetzentwurfs, den wir als Fraktionsgesetzentwurf von Rot-Grün im Juni dieses Jahres hier im Plenum zum ersten Mal beraten haben. In dieser Sitzung sagte der Kollege Will: Wir erreichen damit eine beihilferechtlich sichere Lösung, die wir bislang nicht hatten. - Davon, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir allerdings heute meilenweit entfernt.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

In den Tagen der Anhörung wurde nach jedem Beitrag deutlicher, dass die Frage nach der Rechtssicherheit bei diesem Gesetzentwurf im gesamten Gesetzgebungsverfahren nicht geklärt werden konnte. Auch heute bleibt nur ein einziges riesiges Fragezeichen. Beispielhaft zitiere ich aus dem Rechtsgutachten, erstellt von Herrn Professor Jörn Ipsen:

„Der Gesetzentwurf vom 31. Mai 2016 bedeutet eine Umgestaltung der Beihilfe im Sinne des Artikels 108 Abs. 3 Satz 1 AEUV und unterliegt deshalb der Notifizierungspflicht. Ohne Notifizierung gewährte Beihilfen sind formell rechtswidrig.“

Die regierungstragenden Fraktionen stützen sich bei ihrem Gesetzentwurf auf die Einschätzung einer einzigen Kanzlei. Sie waren während der Beratung auch nicht bereit, die diametralen Positionen, die in der Anhörung deutlich wurden, noch einmal näher zu hinterfragen. Unser Eindruck, dass Klarheit und möglichst große Rechtssicherheit zu erlangen nicht der Schwerpunkt der Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün war, verstärkte sich zunehmend.

Nun zu der Behauptung von Herrn Will, die Opposition habe sich nicht an den Beratungen beteiligt: Natürlich haben wir uns in jeder Phase intensiv mit dem Gesetzentwurf auseinandergesetzt und auch viele Fragen, Sorgen und Vorschläge eingebracht. Nur, Ihnen gefielen unsere Fragen nicht. Noch schlimmer: Sie konnten sie nicht beantworten. Aber das - zugegeben - fällt Ihnen natürlich schwer. Es ist viel einfacher, dann zu behaupten, die Opposition habe sich nicht beteiligt.

Jetzt noch einmal zu Ihrer ungeheuerlichen Aussage, die CDU-Fraktion respektiere den GBD nicht. Wir respektieren und wertschätzen den GBD sehr. Sie haben doch gerade ein Beispiel für Ihre

eigene Haltung geliefert, indem Sie die Meinung des GBD völlig abgeschmettert haben.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Warum wurde der CDU-Antrag, den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst im Landtag und Herrn Professor Ipsen im Ausschuss noch einmal gemeinsam zu hören, jedes Mal abgeschmettert? Warum stellte das Ministerium nicht zwischenzeitlich einen Kontakt zur EU-Ebene her, um für die notwendige Rechtssicherheit bei der Beratung zu sorgen? Warum erhielten wir auf unsere entsprechenden Fragen lediglich die Antwort, dass eine Nachfrage zu der Problematik bei der EU in Brüssel nicht geplant ist?

Dann der Zeitplan: Aktuell gültige Verträge mit den Verkehrsunternehmen wurden noch vor der Einbringung des Gesetzentwurfs zum 1. Januar 2017 gekündigt, ohne dass klar war, wie die neue Regelung aussehen würde. Damit hat sich die Koalition selbst unter Druck gesetzt.

(Beifall bei der FDP)

Das Ergebnis sehen wir jetzt: Große Verunsicherung bei Kommunen, Verkehrsverbänden und Unternehmen gleichermaßen, ein Gesetz, das nach überwiegender Ansicht nicht rechtssicher ist, und eine Landesregierung, die sich zusammen mit ihrer hauchdünnen rot-grünen Einstimmenmehrheit lediglich auf die Rechtsmeinung einer einzigen Bremer Anwaltskanzlei stützt. - Meine Damen und Herren, so geht ordentliche Gesetzgebung eben nicht!

(Beifall bei der CDU und Zustimmung bei der FDP)

Statt, wie ursprünglich geplant, den Gesetzentwurf im Januar einzubringen und vor der Sommerpause zu verabschieden, wird er jetzt mit heißer Nadel gestrickt und in einem engen Zeitkorridor gegen erhebliche Bedenken durchgedrückt. Das führt natürlich zu Unsicherheiten und zu Existenzängsten bei den privatwirtschaftlich arbeitenden Busunternehmen - erst recht, als die LNVG dann auch noch, ohne die Verabschiedung des Gesetzes abzuwarten, deren betriebsspezifischen Daten an die Kommunen, die ja die Ausgleichszahlungen vornehmen sollen, weiterleiten wollte - mit irreversiblen Konsequenzen für die Unternehmen. Die daraus folgende juristische Auseinandersetzung - das wissen wir alle - befindet sich aktuell vor dem OVG in Lüneburg.

Meine Damen und Herren, das Verhalten von RotGrün in dieser Frage ist unverantwortlich und hat nichts mit Kommunalfreundlichkeit zu tun.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Im Gegenteil. In der vergangenen Fachausschusssitzung, die kurzfristig auf Antrag von Rot-Grün als Sondersitzung in der ausschussfreien Zeit der Herbstferien anberaumt wurde, stellte sich die Frage nach den möglichen Folgen für die Kommunen für den Fall, dass das Gesetz nicht EUkonform ist. Der Gesetzgebungs- und Beratungsdienst verwies darauf, dass das eine sehr hypothetische Frage sei, die so nicht beantwortet werden könne. Ich verstehe das so, dass die möglichen Folgen für die Kommunen und die privaten Busunternehmen nicht abzuschätzen sind.

Weil die Rechtsunsicherheit um sich greift, haben Unternehmen und Verbände mittlerweile Beihilfebeschwerden in Brüssel angestrengt. Verkehrsbetriebe sind so verunsichert, dass sie die Ausgleichszahlung in 2017 nicht mehr annehmen wollen, weil sie deren Rückzahlung befürchten. Sie erhöhen deshalb die Fahrpreise.

Fragen stehen im Raum wie: Ist der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit gemäß Personenbeförderungsgesetz auch bei den geplanten zukünftigen Anwendungen des NNVG gewährleistet? - Oder: Wer trägt das finanzielle Risiko, wenn zunächst der Aufgabenträger die Ausgleichszahlungen als umsatzsteuerfrei auskehrt, später aber Finanzämter und Finanzgerichte Nachzahlungen fordern? - Oder: Erhalten eigenwirtschaftlich, also auf eigene Rechnung tätige Verkehrsunternehmen während der gesamten Laufzeit ihrer Genehmigung den bisherigen Betrag der 45a-Mittel weiter?

Ich nenne die Fragen hier nur beispielhaft. Es gibt noch zahlreiche weitere. Sie zeigen die Gesamtbreite der Verunsicherung. Der Vorrang der Eigenwirtschaftlichkeit ist jedenfalls nicht ins Gesetz eingeflossen. Das kann ich hier schon sagen.

Die Eingabe eines privatwirtschaftlichen Busunternehmers fand bei Rot-Grün ebenfalls keine Berücksichtigung. Noch in der letzten Sitzung des Fachausschusses fehlten die endgültigen Daten als Grundlage zur Berechnung der Ausgleichszahlungen. Die komplexe Berechnungsweise führte zudem zu Problemen bei der dafür notwendigen Formulierung im Gesetz. Ich muss dazu sagen, dass wir heute um 10.19 Uhr noch einen weiteren Änderungsantrag bekommen haben. Er ist per Mail eingegangen. Nichts kann diese übereilte Bera

tung des Gesetzes so deutlich machen wie dieser Änderungsantrag, der uns gerade noch zugeschickt wurde.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Ich komme nun zu der komplexen Berechnungsweise. Um diese Formulierung hinzubekommen, hatte sich der GBD ein Rechenbeispiel vom Wirtschaftsministerium gewünscht. Das Ministerium ist diesem Wunsch nicht nachgekommen. Wir Abgeordneten haben aus dieser Beratung mitnehmen müssen, dass die Formulierung im Gesetz nicht so klar ist, als dass sie wirklich endgültig belastbar ist.

Meine Damen und Herren, bei der Neufassung des § 7 mit der beachtlichen Erhöhung der Mittel für den Zweckverband Braunschweig wurde von den kommunalen Spitzenverbänden in der Anhörung deutlich formuliert, dass es Nachholbedarf auch in weiteren Regionen unseres Landes gibt und dort keine entsprechende Berücksichtigung vorgesehen ist.

Die zusätzliche Bereitstellung von 20 Millionen Euro in der zweite Säule findet unsere Zustimmung, auch wenn die Ausgestaltung zum Einsatz der Mittel wenig innovativ ist und sie den Kommunen und nicht direkt den Verkehrsbetrieben zur Verfügung gestellt werden sollten. Dabei geht es um die Sorge der Versickerung der Mittel.

Meine Damen und Herren, der uns hier ebenfalls vorliegende Antrag der CDU beinhaltet die Leitlinien, die uns bei der zukünftigen Ausgestaltung der Schülerbeförderung wichtig sind:

Erstens. Rechts- und Finanzierungssicherheit für die Kommunen und die im ÖPNV mit der Schülerbeförderung tätigen niedersächsischen Verkehrsunternehmen.

Zweitens. Qualität des ÖPNV, insbesondere im Blick auf den ländlichen Raum.

Drittens. Die wirtschaftliche Existenz und die vielfältige mittelständische Struktur der im ÖPNV und in der Schülerbeförderung tätigen privatwirtschaftlichen niedersächsischen Unternehmen. Sie dürfen durch eine Umstellung des Systems nicht gefährdet sein.

Der hier vorliegende Gesetzentwurf von Rot-Grün entspricht diesen Leitlinien gerade nicht. Er ist mit heißer Nadel nach dem Motto gestrickt: Augen zu und durch! - Er ist deshalb in hohem Maße rechtsunsicher mit unabsehbaren Folgen für Kommunen und Verkehrsbetriebe. Er führt bereits jetzt zu Kla

gen vor dem OVG und zu Beihilfebeschwerden in Brüssel. Wir, die CDU-Fraktion, halten dieses Vorgehen zur Erarbeitung eines Gesetzes für ausgesprochen unsicher. Es birgt viele, zu viele Risiken für unsere Kommunen und Verkehrsbetriebe. Die Ausgestaltung der Beratung und die völlig überstürzte Beschlussfassung in einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung haben bei uns den Eindruck „Durchdrücken um jeden Preis“

(Zuruf von der CDU: Zu Recht!)

und unseren Entschluss, diesen waghalsigen Weg nicht mitzugehen, untermauert.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Kollege Will hat sich zu einer Kurzintervention gemeldet. Herr Will, Sie wissen: anderthalb Minuten! Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Hövel, Sie wissen genau, dass die Verkehrsunternehmen ihre Klagen schon angekündigt hatten, bevor das Gesetzgebungsverfahren überhaupt begonnen hat. Das ging nach dem Motto: „Wir klagen auf jeden Fall, weil wir den Zustand nicht geändert wissen wollen. Wir sind mit der Undurchsichtigkeit und der Intransparenz der bisherigen Lösung sehr zufrieden.“

Und die Kündigung der Verträge hängt mit Herrn Bode zusammen!

(Jörg Bode [FDP]: Was?)

Er hat zwei solcher Verträge befristet abgeschlossen. Die wären Ende des Jahres ausgelaufen. Aber wenn man etwas Neues machen muss, liegt es doch nahe, die Verträge erst einmal zu kündigen, damit man auf Augenhöhe verhandeln kann.

Ich bitte Sie, damit aufzuhören, hier permanent Verunsicherung zu schüren. Ein rechtsfreier Zustand nach Auslaufen der Verträge ist nämlich nicht zu befürchten. Denn wenn es keine Neuregelung durch ein neues Landesgesetz gäbe, fiele das Ganze automatisch auf altes Bundesrecht zurück - und das wissen Sie auch genau.

Abschließend zu den Gutachten. Weil Sie im Wesentlichen wieder nur rechtlich argumentiert haben und nicht groß auf den Inhalt eingegangen sind,

möchte ich ergänzend noch etwas zitieren. In dem Schreiben des NLT heißt es:

„Die behaupteten Europarechtsverstöße sind auch durch das Gutachten von Prof. Ipsen nicht ansatzweise belegt. Wenn das Gesetz verabschiedet ist, steht weiterhin jedermann das Beschwerdeverfahren zur EUKommission offen. Wir betrachten das mit großer Gelassenheit.“

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Danke schön. - Möchten Sie erwidern, Kollegin Hövel? - Sie haben das Wort für ebenfalls 90 Sekunden. Bitte!

Herr Will, die Beschwerden bei der EU sind erst nach dem Gutachten von Herrn Professor Ipsen eingereicht worden, als man festgestellt hat, dass es dort eine große Unsicherheit gibt. Da sollten Sie schon bei der Wahrheit bleiben.