Protokoll der Sitzung vom 26.10.2016

aber auch für das Land Niedersachsen. Ich widerspreche ganz eindeutig dem hier heute Morgen schon zitierten Interview, in dem sich Herr Busemann positioniert hat.

(Zustimmung bei der SPD und Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, der ausgehandelte Kompromiss enthält also viele positive Aspekte, und dennoch gibt es, wie ich finde, für uns auch eine Kröte zu schlucken. Die Verwaltung der Bundesfernstraßen soll in Zukunft in die Verantwortung des Bundes fallen und dort in einer Infrastrukturgesellschaft Verkehr gebündelt werden. Das ist insbesondere für uns in Niedersachsen eine bittere Pille. Das darf man, glaube ich, auch so benennen. Für andere Länder mag das in dieser Form nicht zutreffen, aber bei uns funktioniert die Verwaltung und Planung der Bundesfernstraßen in der bisherigen Form ausgesprochen gut, und ich finde die Einlassungen des Herrn Verkehrsminister in dieser Sache genau richtig. Vielen Dank dafür.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, die Beschäftigten der niedersächsischen Autobahn- und Straßenmeistereien sowie der Planungsbüros der Landesbauverwaltung leisten hier wirklich hervorragende Arbeit. Aus diesem Grund hat Ministerpräsident Stephan Weil bei diesem Verhandlungspunkt auch mit einer Protokollnotiz klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Niedersachsen die Übertragung dieser Länderaufgabe ablehnt.

(Zuruf von Christian Dürr [FDP])

- Herr Dürr, da Sie nie verhandeln müssen, müssen Sie sich auch gar nicht so aufregen.

(Christian Dürr [FDP]: Die haben ge- schickt verhandelt! - Weitere Zurufe von der FDP und der CDU)

- Ja, weil Bayern von der Stange gegangen ist, weil Bayern sich eingekauft hat. Ja, genauso ist das.

Nun ist es jedoch so, dass es praktisch - - -

(Zurufe von der CDU und der FDP - Gegenrufe von der SPD und den Grünen)

Einen Moment, bitte, liebe Kollegen! - Herr Hilbers, Sie hatten doch schon Gelegenheit, alles zu sagen. Bitte Ruhe auf allen Seiten; vorher geht es nicht weiter.

Herr Hilbers, wie war das noch mal mit dem Reden und Denken?

Jetzt geht es weiter. Bitte!

In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, dass sich der Kollege Hilbers von der CDU bereits am Tage der Einigung hinstellt und in einer Pressemitteilung davon spricht, dass Niedersachsen ein Verlierer der Einigung sei. Das haben wir ja heute Morgen noch einmal gehört.

Ich weiß nicht, Herr Hilbers, wie Sie das Wort „verlieren“ definieren.

(Christian Dürr [FDP]: Letzter Platz! - Heiterkeit bei CDU und FDP)

- Herr Hilbers, aber wenn Sie jährliche Mehreinnahmen - - -

(Christian Dürr [FDP]: Wie der HSV! Letzter in der Tabelle!)

- Na ja, dann muss ja die Wahlniederlage für Sie eine Katastrophe gewesen sein.

Ich weiß nicht, wie sie „verlieren“ definieren. Herr Hilbers, wenn Sie Mehreinnahmen von 600 Millionen Euro und all die anderen Punkte, die hier genannt wurden, in eine Niederlage umdeuten, noch bevor Sie überhaupt die Details gekannt haben, wird Sie mittlerweile niemand mehr ernst nehmen.

(Beifall bei der SPD)

Ich kann Ihren Kummer aber verstehen, den Sie hier heute Morgen auch noch einmal versprüht haben. Es tut Ihnen weh, weil wir es sind, die erstmals in der Geschichte des Landes Niedersachsen einen Haushalt ohne neue Schulden vorlegen, weil wir es sind, die die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen ausgehandelt haben, von der Niedersachsen in weiten Teilen stark profitieren wird.

(Jörg Hillmer [CDU]: So wenig wie kein anderes Land!)

Das tut wirklich weh, das kann ich schon verstehen.

Meine Damen und Herren, der nun vorliegende Kompromiss ist ein Durchbruch nach jahrelangen, zähen Verhandlungen - das wischen Sie hier heute Morgen ja alles weg - und damit, wie ich finde, ein großer Erfolg. Es wurden sehr unterschiedliche Interessenlagen in ein tragfähiges Modell gegossen. Wir in Niedersachsen können mit dem Ergebnis sehr zufrieden sein. Deshalb gilt unser Dank unserem Ministerpräsidenten Stephan Weil.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Modder. - Meine Damen und Herren, es folgt nun für die Fraktion der FDP Herr Kollege Christian Dürr.

(Renate Geuter [SPD]: Aber nicht zu laut!)

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Modder, Ihre Rede lässt sich sinngemäß mit den Worten zusammenfassen: Neben all den Punkten, von denen Nieder

sachsen nicht profitiert, hat Niedersachsen auch noch eine Kröte zu schlucken.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Ministerpräsident, das kommt mir alles ein bisschen vor wie: von Bürokraten für Bürokraten. Wissen Sie, Herr Weil, wen Sie nicht mit einem einzigen Wort in Ihrer Rede erwähnt haben? - Das sind die Menschen, die das alles bezahlen sollen. Nicht mit einem einzigen Wort ist vom Steuerzahler die Rede gewesen.

In Ihrer Welt, Herr Weil, scheint es ja ausschließlich Gewinner zu geben. Das ist wie ein selbsterhaltenes System: Man stellt sich hin, und es gibt am Ende nur Gewinner. Das zahlen die Menschen in Deutschland. Die Wahrheit ist: Die Bundesländer haben sich gemeinsam mit dem Bund zulasten der Bürgerinnen und Bürger geeinigt. Das ist die Realität dieses Kompromisses.

(Beifall bei der FDP)

Ich will das an einem Punkt deutlich machen. Der Solidaritätszuschlag wird zur Dauereinrichtung. Auch das kam nicht in Ihrer Rede vor, Herr Ministerpräsident. Das Versprechen bei der Einführung des Solidaritätszuschlags, dass er die Vollendung der Deutschen Einheit finanzieren sollte, ist damit endgültig gebrochen. Sie versündigen sich am Erbe von Hans-Dietrich Genscher und Helmut Kohl, um das in aller Deutlichkeit zu sagen. Das ist das Ergebnis dieses Kompromisses!

(Beifall bei der FDP - Zurufe von der SPD)

Reden wir doch einmal über Politikverdrossenheit. Dieses Verhalten schürt doch Politikverdrossenheit! „Die Bürger sind mir vollkommen egal, Hauptsache ich als Bürokrat überlebe.“ - Das ist die Politik von Stephan Weil, meine Damen und Herren. Das ist die Realität, die wir erleben!

(Beifall bei der FDP)

Auch das ursprüngliche Ziel einer solchen Reform haben Sie vollkommen aus den Augen verloren. Der Wettbewerb um den besten Weg, um die besten Ideen zwischen den Bundesländern kommt nicht mehr vor. Stattdessen wird das genaue Gegenteil gemacht. Die ehemaligen Nehmerländer gehen in die dauerhafte Abhängigkeit vom Bund. Nicht die Anstrengung, besser zu werden, steht im Mittelpunkt, sondern die dauerhafte Abhängigkeit vom Bund.

(Johanne Modder [SPD]: Welchen Spielraum haben die denn?)

Ich bin dem Kollegen Hilbers dankbar für das, was er gerade gesagt hat. Das Zitat eines gestandenen erfahrenen Sozialdemokraten, nämlich des Niedersächsischen Finanzministers, ist entlarvend, und daher möchte ich es wiederholen. Er hat nämlich in der Nordwest-Zeitung unter der bezeichnenden Überschrift „Mehr Steuereinnahmen im Visier“ am 25. Oktober gesagt:

„Ja, es ist schon so, dass die gesamte Neuregelung tendenziell eher die Bundesregierung stärkt. Aber so ist das, wenn man anderer Leute Geld haben will!“

Das war das Ziel: an anderer Leute Geld zu kommen. Es geht nicht mehr um den Wettbewerb der besten Ideen. Das, was Sie hier betreiben, ist der Anfang vom Ende des Föderalismus, um das in aller Deutlichkeit zu sagen!

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Sie legen sich als dauerhafte Transferempfänger in die soziale Hängematte des Bundes und sagen dabei: Seht her, es geht auch ohne Anstrengung. Und die Steuerbürger zahlen das am Ende alles.

Sie, Herr Ministerpräsident, machen Niedersachsen zum dauerhaften Bittsteller in Berlin, zum dauerhaften Bittsteller gegenüber dem Bund.

Das ist auch eine Frage der Bedeutung dieses Landesparlamentes. Ich denke, die Kollegen von SPD und Grünen sind sich über die Tragweite dieses Kompromisses überhaupt nicht im Klaren. Im Grundgesetz ist zu Recht angelegt, dass die Bundesländer den Bund konstituieren, und nicht der Bund aus sich heraus. Es sind die Bundesländer, die den Bund konstituieren! Bei dem übernächsten Tagesordnungspunkt werden wir über die Bedeutung des Landesparlamentes und der Parlamentarier mit Ihnen diskutieren.

Wenn es darum geht, einen Parlamentarier vor dem Rechtsstaat zu schützen, und zwar rechtswidrig, sind Sie ganz vorne dabei.

(Zuruf von Wiard Siebels [SPD])