Syrien ist ja nicht über Nacht vom demokratischen Vorzeigeland in der Region zu einer Despotie geworden. Es war bereits vorher eine glasklare und für alle erkennbare Diktatur, bereits begründet von dem Vater des jetzigen Präsidenten. Dass in Syrien auch in den Jahren vor der Reise schwere Menschenrechtsverletzungen erfolgt sind, hat nicht nur Amnesty International geschrieben, sondern auch das Auswärtige Amt. Hier wäre es sicherlich sinnvoll gewesen, die Interessenlage genauer abzuwägen.
Sehr irritierend ist jedoch die Pressemitteilung zu dieser Reise des FDP-Staatssektretärs, der geschrieben hat, Syriens Wirtschaft sei in einem Transformationsprozess zur sozialen Marktwirtschaft. Da frage ich mich schon, was für ein Verständnis dahinter steckt. Soziale Marktwirtschaft bedeutet Wettbewerb, aber auch Teilhabe, Arbeitnehmerrechte, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit. In Syrien herrschten ja wohl schon zu der Zeit Günstlingswirtschaft und Unterdrückung mit Stasi-ähnlichen Sicherheitsapparaten.
- Frau König, wer einen Antrag stellt, muss sich auch der Diskussion über die Vergangenheit stellen.
Aber jetzt wollen wir ja gemeinsam neue Wege gehen. Ich glaube, das ist genau das, was Herr Oetjen in seiner Rede deutlich gemacht hat. Ich teile nämlich unabhängig davon die Auffassung, dass die Frage der Menschenrechte bei Auslands-, Delegations- und Ausschussreisen - da hat er völlig Recht - nach Möglichkeit zukünftig wesentlich stärker berücksichtigt werden sollte.
Die Information der Landesregierung und der Teilnehmer von Delegationsreisen über die Lage der Menschenrechte in den jeweiligen Besuchsländern kann dabei ab sofort forciert werden. Bei Planung, Organisation und Durchführung der Reisen können, wie in der Vergangenheit schon erfolgt, ver
stärkt Gespräche mit Vertretern der Zivilgesellschaft erfolgen, sodass dies im Einzelfall machbar, opportun und natürlich hoffentlich auch vielversprechend ist.
Der Hinweis auf die besondere Relevanz menschenrechtlicher Aspekte gegenüber im Ausland tätigen niedersächsischen Unternehmen kann bei Bedarf im Zuge von Firmenbesuchen und Netzwerkveranstaltungen erfolgen.
Ich würde es begrüßen - das ist, glaube ich, das gemeinsame Ziel -, wenn wir in Zukunft genau bei solchen Reisen viel früher - auch gemeinsam - diese Diskussion führen würden. Ich will das nicht nur auf die Frage der Menschenrechte beziehen, sondern bewusst auch auf die Auswahl der Reiseziele. Ich biete im Namen des Wirtschaftsministeriums an, dass wir in Zukunft sehr früh, auch gerade mit den Fraktionen und den Vertretern, die an diesen Reisen teilnehmen, diese Diskussion führen und gemeinsame Überlegungen anstellen, damit wir danach diese Auslandsreisen zielgerichtet und erfolgreich hier im Landtag und in unserer Arbeit präsentieren können.
Vielen Dank, Herr Minister. - Der Kollege Oetjen hat sich noch einmal zu Wort gemeldet. Sie haben 1:30 Minuten.
Ganz herzlichen Dank. - Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einleitend sagen, dass der Auslöser unseres Antrags, den wir eigentlich schon in der letzten Wahlperiode einbringen wollten, was aber dann nicht mehr sinnvoll erschien, weil sich die Periode dem Ende zuneigte und wir ihn ganz offensichtlich nicht mehr hätten abschließend beraten können,
eine Chinareise des Präsidiums war. Nach dieser Reise hatten wir den Eindruck, dass das Thema Menschenrechte dort nicht ausreichend im Mittelpunkt gestanden hat. Das war der Anlass dafür zu sagen, wir müssten uns auf unseren Reisen eigentlich mehr mit den Menschenrechten beschäftigen.
Sehr geehrter Herr Minister, die Auswahl der Reiseziele der Landesregierung will ich nicht kommentieren, aber nach meiner Erkenntnis ist es so, dass die Industrie- und Handelskammern gemeinsam mit NGlobal für die Ministerreisen die Ziele auswählen, wenn es darum geht, wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen. Von daher ist es nicht so, dass es dorthin geht, wohin man schon immer einmal wollte, sondern - zumindest in der Vergangenheit - zu Zielen, an denen die Wirtschaft Interesse angemeldet hatte, weil sie sich dort Märkte erschließen kann und weil sie dort für sie wertvolle Kontakte knüpfen kann.
Ich möchte auch deutlich machen, dass das Land Niedersachsen natürlich nicht über einen eigenen auswärtigen Dienst verfügt, sondern wir immer darauf angewiesen sind, dass wir die Informationen vom Auswärtigen Amt bekommen. Das war auch bei der Syrienreise so. Die Formulierungen, die in der Pressemitteilung verwandt worden sind, sind damals mit dem Auswärtigen Amt abgestimmt gewesen. Ich weiß, dass der Kollege Limburg gleich sagen wird: Das macht es nicht besser. - Aber es ist nun einmal so, dass wir dazu keine eigene Kompetenz haben.
Damals ist übrigens auch die Kollegin EmmerichKopatsch mit dabei gewesen. Ich hoffe, dass die gute Tradition, dass Mitglieder der Fraktionen an den Reisen teilnehmen, auch in Zukunft fortgeführt wird.
Ich hoffe, dass die Landesregierung - ich möchte Sie wirklich ermuntern, das zu tun, Herr Minister Lies - auch in Länder fährt, in denen in Bezug auf die Menschenrechte nicht alles rosig ist; denn ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir auch in diese Länder fahren, dort in einen Dialog eintreten und mit den Menschen reden. Ich bin davon überzeugt, dass wir nur über einen solchen Dialog Verbesserungen bei den Menschenrechten erreichen können.
Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat zusätzliche Redezeit beantragt. Herr Limburg, auch Sie erhalten 1:30 Minuten.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege Oetjen, nein, ich wollte auf etwas ganz anderes hinaus. Sie haben noch einmal die Lageeinschätzung durch das Auswärtige Amt angesprochen. Ich finde, unabhängig von der jeweiligen politischen Farbe, die hier oder im Bund die Regierung stellt - in Demokratien wechselt das ja zum Glück -, wäre es gut, wenn dieses Haus insgesamt diese Diskussion zum Anlass nähme, um auch in Richtung des Auswärtigen Amtes und derjenigen Leute, die dort solche Beurteilungen schreiben - das passiert ja nicht nur über Syrien, sondern über alle Staaten -, ein ganz deutliches Signal zu senden: Wir Politikerinnen und Politiker lassen so etwas nicht mehr zu. Wir nehmen es nicht mehr hin, dass solche beschönigenden Berichte geschrieben werden.
Lassen Sie uns doch gemeinsam, unabhängig vom konkreten Streit, wer wann wo die Verantwortung hatte, dieses Signal an das Auswärtige Amt und an den Auswärtigen Dienst senden!
Wer der Beschlussempfehlung des Ältestenrats zustimmen möchte und damit den Antrag der FDPFraktion in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 40: Erste Beratung: Frei, schnell, für alle, überall: Zugänge zum Internet ausbauen - Netzneutralität bewahren - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/263
Für die SPD-Fraktion wird Maximilian Schmidt - er ist schon hier vorne - den Antrag einbringen. Sie haben das Wort, Herr Schmidt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit es schnell geht, hatte ich mich eben schon auf den Weg gemacht.
Wissen Sie was? - Die Bundeskanzlerin hat gestern einen richtig großen Hit gelandet, und zwar ziemlich unfreiwillig. Sie hat nämlich auf der gestrigen Pressekonferenz mit Barack Obama einen Clip auf YouTube publiziert, der wahrscheinlich noch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Sie hat den, wie ich finde, ziemlich merkwürdigen Satz gesagt: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“
Ich muss Ihnen sagen: In meiner Generation, aber auch in der Generation meiner Oma - sie ist 80 Jahre alt - ist das Internet eben kein Neuland mehr, sondern es ist Teil unserer Alltagskultur.
Ich habe die Mittagspause für einen Besuch beim Landesjugendring genutzt. Er führt heute die Tagung NETPARTY 2013 durch, bei der es darum geht, Teilhabe für junge Menschen über das Internet und mithilfe des Internets zu organisieren. Von daher ist das Internet für uns kein Neuland, sondern die größte Innovation unserer Zeit.
Das Internet ist nicht nur ein Medium, um sich Videos anzugucken, sich Nachrichten zu schreiben oder Ähnliches. Ehrlich gesagt, es ist die Grundlage für unsere moderne Wirtschaft, wie wir sie haben. In Niedersachsen sind 11 000 Unternehmen mit über 60 000 Beschäftigten ansässig, die in diesem Bereich der IKT-Wirtschaft angesiedelt sind. Aber ich kann mir heutzutage kein einziges Unternehmen mehr vorstellen, das ohne einen schnellen, freien und offenen Internetzugang auskommt.
Vor dem Hintergrund ist der Internetzugang heutzutage ein ganz selbstverständliches Arbeitsmittel, auch bei uns hier im Hause. Der Kollege Oetjen z. B. nutzt es gerade intensiv, viele andere Kolleginnen und Kollegen auch.
Das Internet dient auch etwas anderem, was für diesen Landtag insgesamt sehr wichtig ist. Das Internet hat ein neues Zeitalter eingeläutet, mit dem endlich die gleiche Augenhöhe zwischen Regierenden und Regierten erreicht wird.
(Norbert Böhlke [CDU]: Also doch Neuland! - Ulf Thiele [CDU]: Innovati- on! Neuland! - Beifall bei der CDU)
- Ich weiß, Sie können heute noch den Gegenbeweis antreten, dass Sie an der Stelle weiter sind als Frau Merkel. Das werden Sie mit Sicherheit auch tun.
Wissen Sie, was heute die entscheidende Frage ist? - Das ist tatsächlich eine Gerechtigkeitsfrage. Da der Zugang zum Internet auch die Grundlage für wirtschaftliche Stärke, für Informations- und Meinungsfreiheit ist, besteht leicht die Gefahr, dass die Gesellschaft in zwei Teile gespalten wird: in jene, die einen solchen Zugang haben, und jene, die ihn nicht haben, etwa weil sie nicht das nötige Geld mitbringen oder weil sie am falschen Ort wohnen, z. B. im sehr ländlichen Raum, wo der Internetausbau in vielen Teilen unseres Landes noch nicht weit genug vorangeschritten ist.
Deswegen ist die Frage des Zugangs zum Internet heute gleichermaßen eine Frage von Freiheit und von Gerechtigkeit.
Doch diese Freiheit gerät zurzeit in Gefahr. Es geht um die Neutralität der Datenübermittlung im Netz. Die Deutsche Telekom hat vor einiger Zeit angekündigt, dass sie in Zukunft die sogenannten Flatrate-Angebote eingrenzen will. Das heißt: Jemand, der einen Vertrag abschließt, mit dem er sich den freien, gleichen und immer mit hoher Geschwindigkeit hinterlegten Zugang zum Netz sichern will, erfährt, dass dieser Zugang irgendwann eingeschränkt wird.
Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem freien Internet! Denn dann gilt ein anderes Prinzip. Dann gilt nicht mehr das Prinzip des freien Netzzugangs, sondern das Prinzip: Wer genug Geld mitbringt, der kann das Internet in seiner vollen Breite nutzen. - Ich glaube, das ist einfach falsch.