Ich erwarte das übrigens nicht nur bei Volkswagen. Ich erwarte das genauso bei der Salzgitter AG, wo der Vorstandsvorsitzende im Jahr 2011 - die letzte veröffentlichte Zahl - 700 000 Euro Fixgehalt und 900 000 Euro Boni hatte. Nach den Grundsätzen, die Sie hier festlegen, hätten das höchstens insgesamt 900 000 Euro sein dürfen.
Ich erwarte das auch bei den Gesellschaften, bei denen Sie es sofort umsetzen könnten, beispielsweise bei der NORD/LB, von der uns die Zahlen nicht bekannt sind, beispielsweise bei der Messe AG, beispielsweise beim Flughafen Hannover. Genau das, was Sie hier beschließen, müssen Sie dort umsetzen. Und jetzt sagen Sie mir bitte: Wann werden Sie das tun, und wie werden Sie da aktiv?
Vielen Dank. - Für die Landesregierung hat nun die Justizministerin Frau Niewisch-Lennartz das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich freue mich, dass über das grundsätzliche Ziel, ausufernde Managergehälter in Zukunft zu verhindern, in diesem Hohen Hause offenbar Einigkeit besteht. Das ist doch schon einmal ein sehr positiver Ansatz. Wir leben in Zeiten, in denen immer mehr Menschen trotz voller Erwerbstätigkeit von ihren Arbeitseinkommen kaum existieren können und ergänzende Hilfeleistungen in Anspruch nehmen müssen. Da trifft es natürlich auf Unverständnis, wenn Spitzenmanager Jahresgehälter in bis zu zweistelliger Millionenhöhe beziehen, wie Sie, Herr Bode, eben selbst zitiert haben.
Derartige Gehaltsvorstellungen stehen, wie ich finde, weder mit einer gerechten Einkommensverteilung noch mit dem Gedanken der sozialen Marktwirtschaft im Einklang. Ich glaube sogar, dass es die Akzeptanz der sozialen Marktwirtschaft insgesamt gefährdet, wenn sich die Einkommen von unter 8,50 Euro pro Stunde bis in solche Höhen aufspreizen.
Die Vorstellungen, wie dieses Ziel zu erreichen ist, gehen dann allerdings doch weit auseinander. Die Bundesregierung, deren Bestrebungen die Landesregierung im Bundesrat unterstützen soll - das ist der Ansatz des ursprünglichen Entschließungsantrags -, setzt auf die Stärkung der Aktionärsrechte. Einer Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums vom 8. Mai zufolge soll das Votum der Aktionäre in der Hauptversammlung hinsichtlich des Vergütungssystems verbindlich sein. Wie der Pressemitteilung weiter zu entnehmen ist, soll das noch innerhalb dieser Legislaturperiode Gesetz werden.
Zweifel habe, ob das innerhalb dieser Legislatur tatsächlich noch eine Initiative im Bundesrat wird, die die Landesregierung überhaupt unterstützen könnte.
Ich habe aber auch Zweifel, ob allein durch die Stärkung von Aktionärsrechten ausufernde Managergehälter nachhaltig eingedämmt werden könnten. Das klingt sehr verlockend. Man schließt daraus natürlich automatisch, dass die Anteilseigentümer auch das entsprechende Interesse daran haben, eine solche Begrenzung durchzusetzen. Aber die Realität sieht anders aus. Solche Hauptversammlungen bringen nicht unbedingt die Entscheidungen hervor, die aus gesamtgesellschaftlicher Sicht zu erstreben sind. Das könnte man vielleicht von Kleinanlegern erwarten, die eine solche Entwicklung im Blick haben würden. Aber nicht die sind maßgeblich bei den Mehrheiten, sondern Großanleger und Banken, die selbst entsprechende Gehaltsstrukturen haben und deswegen, aufgrund ihrer eigenen Kultur, kein Interesse daran haben, in einer solchen Hauptversammlung zu einer Änderung beizutragen.
Ich meine daher, dass die von der Bundesregierung beabsichtigte Änderung des Aktiengesetzes zu kurz greift. Wer die Managergehälter begrenzen will, und zwar wirksam, der kommt um die Steuerung der Vergütungssysteme nicht herum.
Vor diesem Hintergrund ist die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr zu begrüßen. Ich möchte nur einen der dort genannten Punkte herausgreifen, und zwar die Einschränkung der steuerlichen Absetzbarkeit von Vergütungen, Boni und Abfindungen. Zur Beantwortung der Frage, ab welcher Höhe Managervergütungen als unangemessen hoch anzusehen sind, gibt es verschiedene Ansätze.
Die Bundesregierung hat in der Verordnung zur Durchführung des Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetzes - die deutsche Sprache ermöglicht wunderbare Gesetzesüberschriften - einen Maßstab geliefert. Danach gilt die monetäre Vergütung von Organmitgliedern und Geschäftsleitern, die 500 000 Euro pro Jahr übersteigt, als grundsätzlich unangemessen. Damit hat die Bundesregierung ja schon einmal einen Betrag in Vorlage gebracht, an dem man die Boni usw. messen kann.
Ich meine, wir sollten den Weg gehen, der meines Erachtens verfassungskonform ist, die steuerliche Absetzbarkeit auf ein solches angemessenes Maß zu begrenzen. Das würde die Gewähr dafür bieten, dass inakzeptabel hohe Managergehälter künftig nicht mehr in voller Höhe die Steuerlast der Unternehmen senken.
Frau Ministerin hat die Redezeit leicht überzogen. - Um zusätzliche Redezeit hat Herr Bode gebeten. Ich gewähre ihm eine Minute. Bitte schön, Herr Bode!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hätte jetzt ein bisschen mehr Unruhe bei Rot-Grün erwartet. Die Landesregierung hat gerade erklärt, dass sie das, was Sie hier beschließen wollen, gar nicht umsetzen wird, sondern auf den Bund wartet. Was ist das denn hier für ein Verständnis von Politik, meine sehr gehrten Damen und Herren?
Bei der Messe, bei Volkswagen, bei Salzgitter, bei der NORD/LB, bei allen anderen Landesgesellschaften könnten Sie sofort handeln. Aber kein Wort davon, dass Sie das, was Sie hier beschließen, auch umsetzen wollen. Das ist: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass!“ - Das entspricht nicht meinem Demokratieverständnis, wenn der Landtag heute gegen meinen Willen diesen Antrag beschließt, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Stellen Sie sich doch einmal der Diskussion mit Herrn Winterkorn, dass Sie sein Gehalt um 80 % reduzieren wollen. Stellen Sie sich doch einmal der Diskussion bei der NORD/LB und bei anderen. Aber machen Sie hier nicht solche Showanträge.
Und dann ignorieren Sie bei der Salzgitter AG auch noch den Corporate Governance Kodex, bloß weil Sie Herrn Schneider einen Gefallen tun und ihn in den Aufsichtsrat bringen wollen. - Ehrliche, vernünftige, ethisch-moralische Politik sieht anders aus!
Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses zustimmen und damit den Antrag der Fraktion der CDU in der sich aus der Beschlussempfehlung ergebenden geänderten Fassung annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Beschlussempfehlung ist mit Mehrheit gefolgt worden.
Ich darf Sie noch einmal daran erinnern, dass Tagesordnungspunkt 36 morgen beraten wird. Mithin rufe ich jetzt die Tagesordnungspunkte 37 und 38 auf, die vereinbarungsgemäß zusammen beraten werden:
Tagesordnungspunkt 37: Abschließende Beratung: Schulgeldfreiheit in der Altenpflege gesetzlich absichern - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/167 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Migration - Drs. 17/289
Tagesordnungspunkt 38: Erste Beratung: Wiedereinführung einer solidarischen Umlagefinanzierung in der Altenpflegeausbildung - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/261
Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag in der Drucksache 17/167, Tagesordnungspunkt 37, unverändert anzunehmen.
Zur Einbringung des Antrags unter Tagesordnungspunkt 38 erteile ich Herrn Kollegen Uwe Schwarz von der SPD-Fraktion das Wort. Bitte schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kein sozialpolitisches Thema hat das Parlament seit 2003 häufiger beschäftigt als die Situation in der
Pflege, vor allem in der Altenpflege - in der Regel übrigens aufgrund von parlamentarischen Initiativen aus der Opposition heraus, nämlich von SPD und Grünen.
Die Erblasten, die CDU und FDP der neuen Regierung auch in der Sozialpolitik hinterlassen haben, sind gewaltig. Ich nenne nur die Themen Behindertenhilfe und Inklusion - hier: Vorarbeit faktisch null -, die fehlende Krankenhausplanung - hier: ich verweise auf den Landesrechnungshof -, die ärztliche Versorgung im ländlichen Raum und die Folgen der ausschließlich ideologisch geprägten Privatisierung der Landeskrankenhäuser - ohne jede Psychiatrieplanung.
Am dramatischsten allerdings ist die Situation in der Pflege, insbesondere in der Altenpflege. Hier tickt die sozial- und gesellschaftspolitische Zeitbombe immer schneller. Gerade der Pflegebereich war für die CDU/FDP-Regierung zehn Jahre lang der Steinbruch für Haushaltskürzungen und Haushaltssanierungen.
- Ich habe Ihren Widerspruch ja geahnt, und ich nehme ja schon die ganzen Tage wahr, dass bei Ihnen, seitdem Sie die Rolle der Opposition übernommen haben, das Erinnerungsvermögen offensichtlich stark sinkt.
Deshalb will ich Sie doch noch einmal erinnern: 2004 hat Frau Sozialministerin von der Leyen die Landesmittel im stationären Bereich vollständig gestrichen; 2009 hat Frau Ministerin Ross-Luttmann 20 % der Mittel in der ambulanten Pflege gestrichen, um es hinterher, 24 Monate später, gönnerhaft als „Pflegepaket“ zu verkaufen; 2011 hat Frau Ministerin Özkan die Kurzzeitpflege um 6 Millionen Euro gekürzt. Damit stellte sie übrigens den Grundsatz „ambulant vor stationär“ auf den Kopf und bestrafte obendrein die größte Gruppe der Pflegekräfte in unserem Land, nämlich die Gruppe der pflegenden Angehörigen, die ehrenamtlich häufig bis zum eigenen körperlichen Zusammenbruch zu Hause pflegen. Das sind 100 000 Betroffene in unserem Land. Zwei Drittel aller Pflegebedürftigen werden zu Hause gepflegt.
Sie müssen seit dieser Kürzung für eine vierwöchige Erholungsphase 450 Euro mehr bezahlen. Damit erhöht sich der Eigenanteil von ca. 800 Euro auf ca. 1 250 Euro allein in der Pflegestufe I. Über die Steigerungsraten für die Betroffenen in den
Pflegestufen II und III will ich hier gar nicht reden. Viele von ihnen können das finanziell nicht, und sie können damit Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege nicht mehr in Anspruch nehmen.
Ich sage Ihnen: Dies ist für mich ein wirklich immer noch ungeheurer Vorgang, was gerade von einer Partei beschlossen wurde, die den christlichen Bereich in ihrem Namen vertritt.
Die bei Regierungsübernahme vorgefundene Ausgangslage in der Pflege ist jedenfalls besorgniserregend, man könnte auch sagen: sie ist bisweilen katastrophal. Niedersachsen ist Schlusslicht bei den Pflegesätzen in der Altenpflege.