Protokoll der Sitzung vom 28.10.2016

Die Länder Baden-Württemberg - grün-schwarz regiert -, Bayern - schwarz-regiert - und Hessen - schwarz-grün regiert - haben eine Bundesratsinitiative auf den Weg gebracht, die im Wesentlichen auf diese Punkte abzielt.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir fordern die Niedersächsische Landesregierung auf, ebenfalls in diesem Sinne im Bundesrat tätig zu werden, um eine Änderung der Richtlinie zu erreichen.

Ich freue mich auf die Beratungen im Ausschuss und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Siemer. - Zur Einbringung des Antrags der FDP-Fraktion hat der Kollege Christian Grascha das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Prinzip der Baufinanzierungen funktioniert in Deutschland seit über 150 Jahren, und zwar relativ unspektakulär, man könnte auch sagen: relativ langweilig.

Wie läuft so etwas in der Regel ab? - Man geht zu seiner Bank und sagt, dass man eine Finanzierung möchte. Die Bank erkundigt sich nach dem Preis der Immobilie. Anschließend wird anhand des Einkommens und der Bonität ausgerechnet, welche Belastung an Zins und Tilgung man tragen kann. Ferner wird nach dem Anteil des Eigenkapitals gefragt. Der macht in der Regel 20 % aus.

Wenn alles passt, wird die Finanzierung genehmigt. Die Bank oder Sparkasse sichert das Ganze

mit einer Grundschuld im Grundbuch ab. Geht dann etwas schief, beispielsweise dass der Kreditnehmer arbeitslos oder krank wird oder dass er es sich aus sonstigen Gründen nicht mehr leisten kann, die Finanzierung weiterzuführen, wird das Objekt veräußert oder gegebenenfalls sogar versteigert.

Dieses Prinzip hat sich in Deutschland bewährt. Es führte einerseits dazu, dass wir hier eine relativ gesunde Marktentwicklung haben. Der Kollege Siemer hat schon darauf hingewiesen, dass es in Deutschland keine Anzeichen für eine Immobilienblase gibt, und das schon seit Jahrzehnten. Andererseits wurden die Banken durch dieses Prinzip auch davon verschont, sich übermäßige Risiken in ihre Bücher zu holen.

In den Jahren 2008 und 2009 gab es dann die Immobilienkrise in den USA. In den USA wurden die Immobilienfinanzierungen aber ganz anders gestaltet als hier. Dort wurde hauptsächlich auf den Wert der Immobilie abgestellt. Man setzte darauf, dass die Immobilienpreise permanent steigen, und hat die Objekte zu 100 % finanziert bzw. beliehen, zum Teil sogar noch darüber hinaus. Das Prinzip war also ein gänzlich anderes.

Hinzu kam, dass in den USA derartige Finanzierungen nicht, wie in Deutschland, mit einer über 10 bis 15 Jahre festen Verzinsung ausgestattet wurden, sondern mit einer variablen Verzinsung. Das heißt, ein Anstieg der Zinssätze hat sich 1 : 1 in der Zinsbelastung der Darlehen widergespiegelt.

Und darüber wurden die Immobilienkredite dann auch noch weiterverkauft, und zwar in Form von Verbriefungen. Das hat dieses ganze System letztlich ins Wanken gebracht und ist eine Ursache dafür, dass wir heute über diese Wohnimmobilienkreditrichtlinie auf der europäischen Ebene reden.

Aber wie gesagt, das alles sind Faktoren, die auf den deutschen Immobilienfinanzierungsmarkt nicht zutreffen. Das heißt, man muss nicht nur die Umsetzung dieser Richtlinie in deutsches Recht infrage stellen - was wir mit unserem Antrag genauso wie die Kollegen von der CDU-Fraktion tun -, sondern man muss auch die Richtlinie an sich infrage stellen. Denn das, was darin an Konsequenzen gezogen wird, hat mit dem deutschen Immobilienfinanzierungsmarkt letztlich nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Dr. Stephan Siemer [CDU])

Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was müssen wir bei der Umsetzung - da kommen wir so ohne Weiteres auf die Schnelle nicht raus - besser machen? - Üblicherweise ist es ja so: Die Diskussion wird geführt, und dann wird von den Bankenvertretern darauf hingewiesen, dass das etwas ist, was von der europäischen Ebene kommt. Vergessen hat die deutsche Politik allerdings, darauf hinzuweisen, dass das, was auf der europäischen Ebene verabschiedet wurde, hier nicht 1 : 1 umgesetzt wurde, sondern dass noch etwas draufgesattelt wurde. Das aber geht aus unserer Sicht in die falsche Richtung. Deswegen begrüßen wir die Bundesratsinitiative der Länder Hessen und Bayern und fordern mit unserem Antrag die Landesregierung auf, diese Bundesratsinitiative zu unterstützen.

Die Umsetzung der Kreditrichtlinie trifft vor allem ältere und junge Kreditnehmer. Dieser Personenkreis wird durch die Umsetzung massiv benachteiligt. Ich würde hier sogar das Wort „verfassungswidrig“ oder zumindest „fragwürdig“ verwenden; denn hier werden einzelne Gruppen diskriminiert, was wir keinesfalls zulassen können.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Im Einzelnen geht es darum - das haben wir in unserem Antrag angeführt -, dass wir einerseits bei der Umsetzung der Kreditrichtlinie mehr Rechtssicherheit haben wollen; denn Rechtssicherheit sorgt letztendlich dafür, dass Banken bei der Vergabe von Krediten auf der sicheren Seite sind. Andererseits wollen wir einzelne Punkte verändern, sodass diese Diskriminierung insbesondere von jungen und älteren Menschen gar nicht erst eintritt. Wir appellieren, wie gesagt, an die Niedersächsische Landesregierung, diese Bundesratsinitiative zu unterstützen und dadurch mit dazu beizutragen, dass der bewährte Baufinanzierungsmarkt, der bewährte Immobilienmarkt in Deutschland durch diese Kreditrichtlinie nicht in eine Schieflage gerät.

Vielen Dank.

(Zustimmung bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Grascha. - Damit sind beide Anträge durch die Fraktionen eingebracht worden. In der Beratung hat jetzt zunächst für die

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Miriam Staudte das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Sehr geehrter Herr Siemer! Sehr geehrter Herr Grascha! Grundsätzlich ziehen wir hier, glaube ich, an einem Strang und können alle feststellen, dass die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie in deutsches Recht tatsächlich zu sehr, sehr negativen Auswirkungen geführt hat. Nun kann man sagen: Im Nachhinein ist man immer schlauer. - Ich glaube, es wäre nicht richtig, Herr Siemer, jetzt die ganze Last bei Herrn Maas abzuladen; denn damals hat auch die CDU dieses Gesetz mit beschlossen. Sicherlich aber ist allen klar, dass ein deutlicher Handlungsbedarf besteht.

Es gibt auch positive Aspekte wie die Pflicht zu einer stärkeren Risikoberatung auch gegenüber künftigen Kreditnehmern, damit die nicht in Kredite getrieben werden, die sie nicht bedienen können. Aber wie gesagt: Hier wird deutlich über das Ziel hinausgeschossen.

In den eigenen vier Wänden zu wohnen, ist, glaube ich, der große Wunsch vieler Menschen. Sie wollen auch im hohen Alter weiterhin in ihren eigenen vier Wänden wohnen bleiben. Das müssen wir unterstützen, und das war ja auch immer politisch gewollt. Bis vor wenigen Jahren gab es auch noch die Eigenheimzulage, damit die Wohneigentumsquote in Deutschland erhöht werden kann. Sie liegt in Deutschland sehr weit unter dem EU-Schnitt von 71 %. In Deutschland leben hingegen nur etwa 53 % der Menschen in einer eigenen Wohnung.

Durch diese sehr strenge Umsetzung in deutsches Recht bleibt dieser Wunsch nach den eigenen vier Wänden für viele Menschen aber nur ein Traum. Vielfach ist dieser Traum schon geplatzt; denn einige hatten bereits Zusagen, die dann aber wieder zurückgenommen worden sind. Das sind sicherlich sehr dramatische Entwicklungen für die betroffenen Menschen.

Es ist gerade schon erläutert worden: Es darf nicht mehr die Immobilie selbst als grundpfandliche Sicherheit hauptsächlich in die Bewertung der Kreditwürdigkeit einbezogen werden, sondern es geht um die Höhe des Einkommens und die statistische Lebenserwartung. Wieviel Zeit haben die Menschen noch, um die Kredite zurückzuzahlen? - Dadurch wird - gerade für einkommensschwache Familien - nicht nur der Erwerb erschwert, sondern

auch der barrierefreie Umbau von Bestandswohnungen. Ich glaube, das wollen wir alle auf gar keinen Fall. Menschen, die ihre eigene Autonomie bewahren wollen, die in ihrem Haus weiterleben und einen Umbau durch einen Kredit finanzieren wollen, müssen diese Möglichkeit haben, und zwar insbesondere dann, wenn sie in einem schon abbezahlten Haus wohnen. Es wäre doch absurd, dieses Haus dann nicht als Sicherheit anzuerkennen.

Zum Thema „Energiesparen im Gebäudebestand“ sagen ja immer alle: Das Sorgenkind ist der Altbau. - So steht es auch im Antrag der FDPFraktion, sehr geehrter Herr Hocker. Es geht also auch um die energetische Sanierung. Probleme gibt es nicht beim Neubau, sondern beim Wohnungsbestand. Diese Sanierungen müssen auch älteren Menschen möglich sein.

Sicherlich gibt es aber auch Länder und Regionen, in denen die Tendenz in Richtung einer Immobilienblase geht. Spanien wurde eben schon genannt. In Deutschland aber ist eine systematische Überbewertung von Immobilien meines Erachtens nicht zu verzeichnen. Insofern müssen die Ausnahmetatbestände, die die Richtlinie ja zulässt, genutzt werden, um diese negativen Auswirkungen auszuschließen. Meiner Meinung nach kann man auch nicht sagen, dass die jungen Familien bzw. die Rentnerinnen und Rentner diejenigen sind, die die Immobilienpreise im Moment nach oben treiben. Wir haben ein niedriges Zinsniveau. Vielmehr sind es die Vermögenden, die sozusagen nicht wissen, wohin mit ihrem Geld, und auch bereit sind, sehr hohe Preise zu bezahlen.

Wir als Politik sind nicht nur von der Kreditwirtschaft angesprochen, sondern auch von der Handwerkerschaft, von den Handwerkskammern, vom Verband der Wohnungswirtschaft. Ich möchte an dieser Stelle einmal Herrn Litmathe, Herrn Mang, Herrn Steinmann und Herrn Pott ganz herzlich danken für ihr Schreiben, das sie an uns gerichtet haben, um auf diese akuten Entwicklungen hinzuweisen.

Gerade eben wurde es schon erwähnt: Es gibt eine Bundesratsinitiative der Länder Baden-Württemberg und Hessen. Unsere Landesregierung hat signalisiert, dass sie diese Initiative ausdrücklich unterstützt, da auch sie die genannten Probleme sieht. Ich glaube aber, dass es trotzdem angemessen ist, dass wir uns als Parlament im Ausschuss mit den beiden von Ihnen soeben eingebrachten Anträgen befassen und ein deutliches Zeichen

setzen. Letztendlich geht es darum, dass wir im Bundesrat eine Mehrheit bekommen, damit dieses Gesetz geändert wird.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Herr Dr. Siemer möchte kurzintervenieren. Er hat dazu für 90 Sekunden die Möglichkeit. Bitte schön!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Staudte, ich freue mich, dass wir hier ein großes Maß an Übereinstimmung haben. Unser Dank gilt auch den Vertretern der Sparkassen und der Genossenschaftsbanken - Sie haben ja Herrn Litmathe und andere genannt -, die hier tätig geworden sind.

Ich möchte allerdings noch einen Punkt ergänzen: In der Tat ist es so, dass die Banken schon jetzt Kreditanträge sehr sorgfältig prüfen bzw. so oder so prüfen müssen.

(Miriam Staudte [GRÜNE]: Ja, im ei- genen Interesse!)

Die Sachbearbeiter klagen über ein enormes Ausmaß an Bürokratie. Da hat ihnen die neue Richtlinie sozusagen gerade noch gefehlt. Ich kann nicht erkennen, dass irgendeine Bank übermäßig Kredite vergibt.

Wichtig in diesem Zusammenhang ist - das ist auch in der Bundesratsinitiative klargestellt worden -, dass wir nicht nur das Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ändern müssen, sondern wir müssen auch das BGB ändern, da es auch solche Finanzberater gibt, die den Anforderungen an die Banken eventuell nicht unterworfen sind. Aber auch an die müssen die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie an die Banken; denn sonst erleiden die Banken hier erhebliche Nachteile.

Eine Blase würde ich nicht so sehr an den Preisen festmachen. In Spanien ist die Blase deshalb geplatzt, weil dort extrem viele Wohnungen gebaut worden sind, die kein Mensch gebraucht hat. Auch in den USA war das der Fall. In fast allen deutschen Städten aber - ob in Hannover, Vechta oder sonst wo - können wir sehen, dass das nicht der Fall ist.

Das war es, Herr Kollege. Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Frau Staudte, möchten Sie? - Nein. Okay. Keine Erwiderung. - Dann ist jetzt Frau Kollegin Renate Geuter für die SPD-Fraktion an der Reihe. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem Anfang des Jahres vom Deutschen Bundestag verabschiedeten Gesetz zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie sollte erreicht werden, Verbraucherinnen und Verbraucher vor Zahlungsunfähigkeit zu schützen und Banken zu verpflichten, ihre Kundinnen und Kunden vor der Kreditvergabe besser zu prüfen. Der Bundesjustizminister, der bekanntlich nicht Mitglied des Bundestages ist, konnte über dieses Gesetz nicht abstimmen. Es entspricht auch nicht unserem Verständnis von Gewaltenteilung, dass einzelne Minister Gesetze verabschieden können.

(Beifall bei der SPD)

Banken und Sparkassen sind jetzt gehalten, nicht nur hauptsächlich den Immobilienwert, sondern auch die Lebensumstände der Kreditnehmer stärker in den Blick zu nehmen. Verstößt eine Bank gegen die gesetzliche Vorgabe, die Prüfung dezidiert zu dokumentieren, und kommt so ein Vertrag trotz fehlender Kreditwürdigkeit zustande, kann der Kunde den Kreditvertrag jederzeit ohne Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung kündigen.

Diese Regelungen zur Kreditwürdigkeitsprüfung führen - so wird vor allem von Sparkassen und Genossenschaftsbanken beklagt - zu negativen Folgen gerade für junge Familien und Senioren. Auch bei einer Anschlussfinanzierung und bei der Finanzierung von Umbau- und Renovierungsmaßnahmen soll es Probleme bei der Kreditvergabe geben. Allerdings ergibt sich - das gehört dazu - bei der Bewertung möglicher Folgen der Wohnimmobilienrichtlinie noch ein nicht ganz einheitliches Bild. Nicht alle Banken sehen diese geschilderten Probleme.