Mit dem Instrument der Förderung von Arbeitsverhältnissen nach § 16 e SGB II kann die Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen für die Dauer von maximal 24 Monaten mit bis zu 75 % des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts gefördert werden. Für eine zeitnahe Realisierung eines von uns gewünschten sozialen Arbeitsmarktes in Niedersachsen sind daher ergänzende Mittel des Landeshaushalts notwendig. Hierüber werden wir im Zusammenhang mit den anstehenden Haushaltsberatungen für die Jahre 2017 und 2018 entscheiden.
Unser Ziel ist, gemeinsam mit unseren Partnern in den Jobcentern und Kommunen zeitnah 1 000 Arbeitsplätze in einem verlässlichen sozialen Arbeitsmarkt in Niedersachsen zu schaffen.
Wir erhoffen uns dadurch - wir sind ja heute erst am Anfang unserer Beratungen - natürlich die Unterstützung des gesamten Niedersächsischen Landtages. Somit sind alle Fraktionen eingeladen, mit uns gemeinsam ein Signal für die Menschen zu senden, die zu den schwächeren in unserer Gesellschaft gehören.
Bei unseren Beratungen im Ausschuss werden wir über das Auswahlverfahren, die notwendige Beratung des ausgewählten Personenkreises und Maßnahmen im Bereich der gesundheitlichen und psychischen Betreuung sprechen. Bei diesem ganzheitlichen Ansatz soll der Blick natürlich auch immer auf die Möglichkeit einer späteren Rückkehr in den Arbeitsmarkt gerichtet sein.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Hilbers, wir wissen, dass wir mit unserem Vorhaben nur einen Teilbereich der Langzeitarbeitslosen erreichen und damit die Probleme einer verkrusteten Langzeitarbeitslosigkeit in Niedersachsen nicht gänzlich lösen. Wir schaffen aber Perspektiven und Chancen für langzeitarbeitslose Menschen und ihre Familien und erhöhen das Selbstwertgefühl derjenigen, die dann im öffentlichen sozialen Arbeitsmarkt unter
Wir schaffen wieder Teilhabe an unserer Gesellschaft, von der sich so viele Langzeitarbeitslose oftmals ausgegrenzt fühlen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit der Etablierung eines öffentlichen Beschäftigungssektors in Niedersachsen als Perspektive für den Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit haben wir eine große, aber, ich denke, auch schöne Aufgabe vor uns. Die heutige Beratung soll hierfür nur der Anfang sein. In diesem Sinne freue ich mich auf die in Kürze folgenden Ausschussberatungen.
Vielen Dank, Herr Ansmann. - Jetzt hat sich Herr Dr. Max Matthiesen, CDU-Fraktion, zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Kolleginnen und Kollegen! Lieber Holger Ansmann, Langzeitarbeitslosigkeit, also Arbeitslosigkeit von mindestens einem Jahr, und verdeckte Langzeitarbeitslosigkeit sind die Schattenseite der anhaltend guten Wirtschaftslage in Niedersachsen.
Der rot-grüne Antrag hat den Mut, ein dickes Defizit der rot-grünen Regierungspolitik in Niedersachsen und der sozialdemokratischen Bundesarbeitsministerin seit 2013 beim Namen zu nennen.
Seit Amtsantritt der rot-grünen Landesregierung in Niedersachsen und der Bundesarbeitsministerin in 2013 ist die Zahl der Langzeitarbeitslosen deutschlandweit bei 1 Million und in Niedersachsen bei 100 000 stabil geblieben. Gleichzeitig ist aber in diesem Zeitraum die Zahl der öffentlich geförderten Stellen für Langzeitarbeitslose in Deutschland von rund 140 000 um 50 000 auf 90 000 zurückgegangen.
Der Rückgang der öffentlich geförderten Stellen kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass Langzeitarbeitslose von der guten Konjunktur profitieren. Der DGB Niedersachsen geht davon aus,
dass über 80 % aller Abgänge aus der Langzeitarbeitslosigkeit nicht auf den Widereinstieg ins reguläre Berufsleben zurückzuführen sind. Nach wie vor 100 000 Langzeitarbeitslose in Niedersachsen dürfen uns nicht ruhen lassen. Dabei ist die Idee des sozialen Arbeitsmarktes nichts Neues.
Der Antrag von SPD und Grünen zielt dabei auf einen nur sehr kleinen Personenkreis. Das ihm zugrunde liegende Konzept des DGB Niedersachsen zum Landesprogramm gegen Langzeitarbeitslosigkeit geht von nur 2 000 geförderten Plätzen aus und will dafür mit dem Instrument der Förderung von Arbeitsplätzen (FAV) gemäß § 16 SGB II arbeiten und damit das Ganze zu 75 % aus dem Eingliederungstitel der Jobcenter bezahlen lassen, also aus Bundesmitteln. Die restlichen 25 % sollen aus Landesmitteln aufgebracht werden. Dafür veranschlagt der DGB 10 Millionen Euro.
Das macht sich nun der Antrag von SPD und Grünen zu eigen, sagt es aber nicht ausdrücklich. Holger Ansmann hat es jetzt getan. Es sollen in den kommenden zwei Jahren auch nur 1 000 Langzeitarbeitslose gefördert werden und dann wohl im Bereich der sozialen Infrastruktur eine öffentlich geförderte Beschäftigung finden. Reinhold Hilbers hat es gerade eingeworfen. Das sind nur 1 % von 100 000, also nur ein Tropfen auf den heißen Stein.
Und jetzt kommt es. Die SPD bezeichnet dies als ein Landesprogramm. Das ist aber kein Landesprogramm, weil es überwiegend aus Bundesmitteln finanziert werden soll, nämlich über die freie Förderung und eben diese FAV. Laut Antrag sollen Bundesmittel noch besser eingesetzt und zusätzliche Bundesmittel erschlossen werden. Da fehlt wirklich der richtige landespolitische Ansatz.
Es ist zutreffend, dass öffentliche Fördermaßnahmen auf die häufigen Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit abstellen müssen, insbesondere geringe Qualifizierung, Resignation, gesundheitliche und individuelle Probleme und den Umstand, dass in Niedersachsen fast die Hälfte der Langzeitarbeitslosen 50 Jahre und älter sind.
Das vor zwei Jahren ausgelaufene Bundesprogramm „Bürgerarbeit“ hat hier sehr gute Erfolge gebracht. In meiner Heimatstadt Barsinghausen beispielsweise konnten damit gute Arbeitsplätze in der Betriebsgesellschaft für das Besucherbergwerk und die Zechenanlagen finanziert werden. Die Beschäftigten waren sehr zufrieden. Leider floppen jetzt die beiden Anschlussprogramme der Bundesarbeitsministerin. Die sind auch im Antrag erwähnt.
Es muss jetzt tatsächlich dringend etwas Zusätzliches geschehen. Dafür sieht die CDU-Fraktion drei Ansatzpunkte:
Erstens die Förderinstrumente des SGB II sind noch flexibler und praxistauglicher auszugestalten. Darüber wird in Berlin und auch bei uns diskutiert. So könnten die FAV beispielsweise dadurch viel flexibler gemacht werden, dass nicht mehr die Begrenzung auf 24 Monate in fünf Jahren vorgesehen ist, sondern dass jährlich über diese Förderung zugunsten eines Menschen entschieden werden kann. Und es könnte einem von Langzeitarbeitslosigkeit Betroffenen der Zugang erleichtert werden.
Als Beispiel möchte ich wiederum meine Heimatstadt Barsinghausen anführen. Dort gibt es eine langzeitarbeitslose Tierpflegerin, die gerne im örtlichen Tierschutzverein weiter tätig sein wollte. Das ist an der Grenze dieser Förderinstrumente gescheitert. Ein weiteres Beispiel sind die Ein-EuroJobs. Die müssen gestärkt und vereinfacht werden.
Das geht übrigens auch in die Richtung eines Positionspapiers der Bundesagentur für Arbeit, des Landkreis- und des Städtetages vom Februar 2016. Das wurde sicherlich auch bei Ihnen besprochen.
Zweitens ist es wichtig - in der Praxis ist immer wieder zu sehen, wie notwendig das ist -, dass die Schlagkraft der Bundesagentur für Arbeit und der Jobcenter noch deutlich gestärkt wird: durch die Verlagerung der Entscheidungsverantwortung in die Agenturen und Jobcenter vor Ort. Das muss mit den Kommunen verzahnt werden, und dann muss es möglich sein, dass die Kommunen selbst, also in kommunaler Trägerschaft, eigene Maßnahmen durchführen - mit finanzieller Unterstützung der Bundesagentur und Jobcenter. Das ist im Moment nicht möglich.
Der dritte, für uns entscheidende Punkt ist: Dass es deutlich besser geht, zeigen Erfolge beispielsweise in dem CDU-geführten Emsland als Optionskommune und zugelassener kommunaler Träger.
Bernd-Carsten Hiebing hat gerade eine Erfolgsbilanz herausgebracht: „Zehn Jahre Option SGB II“. Er kommt darin zu dem Ergebnis, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sehr gut über den Landkreis, über die Gemeinden Bescheid wissen,
gute regionale Kenntnisse haben und vor allem über eine sehr gute Vernetzung mit der regionalen Wirtschaft und den Gewerbetreibenden verfügen. Dadurch sind sie in der Lage, gut in Arbeit vermitteln und auf den Job qualifizieren zu können, sodass dabei auch etwas herauskommt. Dieses System wollen wir gerne zugrunde legen. Infolgedessen können wir im Emsland eine Arbeitslosenquote von 1,4 % und eine SGB-II-Quote von nur 5,3 % verbuchen.
Deswegen sagen wir: Nach diesem Vorbild sollten wir die Kommunen noch besser in den Stand versetzen, gegen Langzeitarbeitslosigkeit aktiv zu werden. Wir fragen uns: Warum können wir diese 10 Millionen Euro nicht den Kommunen geben, um dort Stellen zu finanzieren, damit sie für den hier angesprochenen Personenkreis viel aktiver werden können? - Das halten wir für einen strukturell sehr wichtigen Beitrag, der allen Langzeitarbeitslosen zugutekommen würde, auch denjenigen, die Sie in Ihrem Antrag ansprechen.
Das wird auch Gegenstand unserer Diskussion im Ausschuss sein. Wir hoffen, dass für die arbeitslosen Menschen etwas dabei herauskommt.
Vielen Dank, Herr Dr. Matthiesen. - Jetzt hat sich Gabriela König für die FDP-Fraktion gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Niemand ist glücklich darüber, dass wir Langzeitarbeitslose haben. Und noch mehr würden wir uns sicherlich freuen, wenn wir gar keine Arbeitslosen hätten. Aber leider ist das Problem da und muss angegangen werden. Und es wird auch angegangen.
Allerdings muss man auch sehen: Die Arbeitslosigkeit hat in Deutschland respektive in Niedersachsen einen historisch niedrigen Wert erreicht. Das ist ein großer Verdienst unserer florierenden Wirtschaft und damit unserer Unternehmen, die nun sogar einem Fachkräftemangel begegnen müssen.
Viele Wirtschaftsfachleute behaupten seit Jahrzehnten, dass es immer einen bestimmten Anteil an der Bevölkerung gibt, der nicht arbeitsfähig ist. Das kann an krankheits- oder altersbedingte Hindernisse liegen oder auch an familiären Unterbrechungen durch Pflege oder Betreuung. Das kennen wir alle.
Alle, die zwar arbeitsfähig, aber arbeitsunwillig oder schwer vermittelbar sind, werden allerdings auch schon seit ewiger Zeit von der Arbeitsagentur und von den Jobcentern mit unterschiedlichen Projekten und Angeboten aufgefordert und eingebunden. Hierfür gibt es unterschiedliche Projekte, und diese werden auch immer wieder auf den Prüfstand gestellt. Die Arbeitsagentur hat für diese Maßnahmen auch ganz schön gefüllte Kassen und braucht deswegen auch gar nicht geschont zu werden, zumal sie auch sehr versiert und gut aufgestellt ist. Hinzu kommt, dass die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also der SGB-II-Empfänger, rückläufig ist. Im Juli 2016 waren es 93 000, im August waren es 92 523 und im September, also im letzten Monat, waren es nur noch 91 202.
Stellen wir doch einfach einmal folgende Berechnung auf: Rechnen wir, weil die Menschen anfangs noch nicht voll, also keine 38 Stunden, sondern ein bisschen weniger arbeiten, mit 800 Euro im Monat. Aktuell haben wir, wie gesagt, ca. 90 000 Langzeitarbeitslose. Wenn wir also 1 000 Menschen im Jahr fördern, brauchen wir ca. 90 Jahre, um alle Langzeitarbeitslosen unterzubringen. - Ich glaube, das brauchen wir nicht ernsthaft zu erörtern. In 90 Jahren leben die meisten von ihnen wahrscheinlich nicht mehr.
Also muss eine Auslese erfolgen. Das ist natürlich schwierig. Nehmen wir das Beispiel der Altenpflege; denn wir wollen die Langzeitarbeitslosen ja auf einem Arbeitsmarkt unterbringen, der möglicherweise im sozialen Bereich zusätzlich vorhanden ist. Ich kenne das von den Ein-Euro-Jobbern. In der Altenpflege gibt es durchaus Hilfskräfte, die sagen, dass sie sich eine solche Arbeit gut vorstellen könnten. Aber was passiert dann? - Die Alten- und Pflegeheime müssen ihnen leider sagen, dass ihnen für ihre Weiterbeschäftigung die notwendigen finanziellen Mittel fehlen. Und die Arbeitslosen stehen dann wieder ohne Beschäftigung da!
Das gilt genauso für Kitas und für Schulen. Wir können nicht alle Arbeitslosen in Kitas und in Schulen unterbringen, weil sie dafür gar nicht die erforderlichen Qualifikationen oder auch nicht das Gefühl, das man dafür haben muss, mitbringen.
Auch bei den kommunalen Unternehmen gibt es Spannungen zwischen fest Angestellten und Langzeitarbeitslosen. Auch das kennen wir. Das kann und würde auch sehr schnell zu Ungerechtigkeiten führen, die dann in anderen Bereichen möglicherweise zu einer anderen Arbeitslosigkeit führen mit der Folge, dass es zu einem Wettbewerb mit denjenigen Arbeitslosen kommt, die aus dem zweiten Arbeitsmarkt in den ersten Arbeitsmarkt überführt werden und vielleicht auch auf genau diese Stellen drängen wollen. Das ist also eine sehr, sehr schwierige Sache, die nicht unbedingt sozialverträglich sein muss.
Andererseits denke ich, dass man im Prinzip vorsichtig damit umgehen muss. Wir wissen, dass diese Dinge in vielen Bereichen einfach nicht möglich sind und dass Qualifizierungsmaßnahmen in der Wirtschaft eine bessere Struktur hervorrufen sollten. Die Aufgabe, Menschen zu qualifizieren und heranzuführen, ist, glaube ich, bei den Jobcentern, bei den Kommunen, die sich auf dem Arbeitsmarkt auch besser auskennen, und auch bei der Arbeitsagentur besser angesiedelt. Denen sollten wir das überlassen; denn wird dort eine gute Arbeit geleistet, die ich nicht unbedingt auf den Prüfstand stellen muss.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau König, ich finde, man muss das eine tun und das andere nicht lassen, um einmal an das Letzte, das Sie gesagt haben, anzuknüpfen.