Protokoll der Sitzung vom 22.11.2016

Um es an dieser Stelle noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die Privatisierung der Bundesfernstraßen steht nicht an. Das Schreckgespenst, welches Sie hier an die Wand malen wollen, gibt es nicht.

Ich sage aber auch: Die guten Instrumente ÖPP und PPP sollten wir in Zukunft als Alternative, als Option behalten, wenn wir keinen Verkehrsinfarkt bekommen wollen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Gerd Ludwig Will [SPD]: Steuergelder verschwenden!)

Das eigentliche Problem ist die Abtretung der Bundesfernstraßenverwaltung an den Bund. Es gibt Länder, für die das sinnvoll ist, z. B. Bremen, die nur gerne Radwege planen. Niedersachsen hat mit seiner leistungsfähigen Straßenbauverwaltung eine gute Geschichte geschrieben. Wir hätten sie gerne in hiesiger Zuständigkeit erhalten, aber dafür fehlten dem Ministerpräsidenten die Kraft und das Durchsetzungsvermögen. Unser eigentliches Problem ist also nicht die Privatisierung von Bundesautobahnen, sondern eine schwache Regierung in Niedersachsen ohne Ideen.

Herr Kollege Bley, Sie haben um eine halbe Minute überzogen.

Letzter Satz!

Sie müssen jetzt zum Schluss kommen! Bitte!

Das werden die Niedersachsen lösen. Ich bin nicht nur zuversichtlich, sondern sicher, dass das spätestens am 14. Januar 2018 geschehen wird.

Ich danke Ihnen.

(Zurufe von der CDU: Bravo! - Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Bley. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Susanne Menge.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Landtages! Was der Bundesfinanzminister vorhat und was aus dem Haushaltsausschuss letzte Woche durchsickerte, ist nichts anderes als ein Milliardengeschenk an Banken, Versicherungen und Aktionäre auf Kosten der Allgemeinheit.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Würde der Deal zustande kommen, würden über weite Strecken gut funktionierende Strukturen zerschlagen und viele hoch qualifizierte Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ins Nirwana geschickt. Der Knicks vor der Finanz- und Versicherungsbranche lässt wertvolles Know-how einfach verpuffen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung von Gerd Ludwig Will [SPD])

Wo „Verkehrspolitik“ draufsteht, muss auch Verkehrspolitik drin sein. Planung, Bau und Betrieb von Bundesfernstraßen gehören nicht in die Zuständigkeit von Renditejägern. Was in der Finanzwirtschaft aktuell schlecht läuft, darf nicht durch den Ausverkauf unserer Bundesfernstraßen geheilt werden.

Eigentlich hatte ich angenommen, dass der Irrglaube, Private machten alles besser, schneller und billiger als die öffentliche Hand, längst in der Abstellkammer der Verkehrsgeschichte verstaubt. Tatsächlich aber kramt Herr Schäuble diese dumme Idee abermals hervor. Dabei wissen wir, dass Public Private Partnership in der Regel den Staat teurer zu stehen kommt, als wenn Bundesfernstraßen konventionell gebaut werden.

(Christian Dürr [FDP]: Was?)

Der Bundesrechnungshof, Herr Dürr, hat im Jahr 2013 eindrucksvoll nachgerechnet, dass von sechs in ÖPP gebauten Autobahnen fünf so teuer wurden, dass sie Mehrkosten in Höhe von 2 Milliarden Euro verursachten.

(Zustimmung bei der SPD)

Jeder weiß, dass Private Geld verdienen wollen. Eine aktuelle Umfrage im Auftrag der ARD ergab: 74 % der Befragten lehnen die Privatisierung von Autobahnen ab. Natürlich geht es privaten Anlegern nicht in erster Linie darum, die Substanz zu erhalten, sondern für eine maximale Rendite möglichst viel Geld mit wenig Einsatz aus dem System

zu ziehen. Das dürfen Private auch, nicht aber Politiker und hochrangige Regierungsvertreterinnen und -vertreter. Diese, verehrte Damen und Herren, haben die Aufgabe, die Verkehrswege im Sinne aller zu verwalten und zu betreiben. Den Bau von Autobahnen mit ÖPP zu finanzieren oder die angedachte Infrastrukturgesellschaft zu privatisieren, bedeutet, sich der zentralen Aufgabe und Verantwortung in der Verkehrspolitik zu entziehen.

Herr Schäuble macht sich hier einen schlanken Fuß. Als Vorbild seines Hilfsprogramms für die Finanzwirtschaft nennt er die Privatisierung der Telekom - ein schlechtes Beispiel, wie ich finde; denn wir sind heute noch weit davon entfernt, dass alle Menschen in diesem Land Zugang zum schnellen Internet haben. In Deutschland wird mit dem Vectoring noch immer in eine Technik investiert, bei der wir heute schon wissen, dass sie nicht zukunftsfähig ist. Gerade beim Breitbandausbau sehen wir klar und deutlich, dass die Privatisierung öffentlicher Daseinsvorsorge zum Marktversagen führen kann.

Sehr geehrte Damen und Herren, während Minister Schäuble sein Hilfspaket für die Finanzbranche schnürt, wünschen sich andere Länder, die ihre Autobahnen einst verkauften, die Zeit zurückdrehen zu können.

(Zustimmung bei der SPD)

Frankreich beklagt, dass von 100 Euro Mauteinnahmen 22 Euro als Reingewinn für die privaten Betreiber von Frankreichs Autobahnen abfielen. Insgesamt sollen sie seit der Privatisierung 15 Milliarden Euro an ihre Aktionäre ausgeschüttet und eine jährliche Rendite von bis zu 24 % erzielt haben. Zu gern würden die Sozialisten den Verkauf rückgängig machen, aber das ist zu teuer.

Sehr verehrte Damen und Herren, wir haben eine gut funktionierende Straßenbauverwaltung in Niedersachsen. Das haben wir mit unserem rotgrünen Antrag, den wir im Januar gemeinsam beschlossen haben, deutlich gemacht.

(Christian Dürr [FDP]: Die Landesre- gierung hat das Gegenteil gesagt!)

Die aktuellen Probleme im Straßenbau rühren nicht von einer schlecht aufgestellten Mannschaft. Wir haben es hier mit strukturellen Problemen zu tun. Ob das Land oder der Bund künftig den Hut aufhaben wird, ändert nichts an der Tatsache, dass wir es flächendeckend mit einem massiven Fachkräftemangel zu tun haben und deswegen Planungen nicht abgeschlossen werden konnten.

Unser Nachbarbundesland wollte 100 Stellen mit Ingenieurinnen und Ingenieuren besetzen. Tatsächlich konnten gerade einmal 40 neue Stellen besetzt werden. Auch die massive systemimmanente Unterfinanzierung der Verkehrswegeinfrastruktur über viele Jahre kann doch nicht ernsthaft den Ländern zum Vorwurf gemacht werden, denen nicht ausreichend Mittel zur Verfügung standen.

(Christian Dürr [FDP]: Doch! Sie ha- ben sie doch gestrichen!)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen mit dem Beipackzettel zum Länderfinanzausgleich einen guten Umgang finden.

(Jörg Bode [FDP]: Aha!)

Wir lehnen im Sinne unseres Landtagsbeschlusses vom Januar die Infrastrukturgesellschaft weiterhin ab und wünschen uns, dass an dieser Stelle das Paket aufgeschnürt, neu justiert und verhandelt wird.

(Zustimmung bei der SPD und von Jörg Bode [FDP])

Sollte der Bund trotz Gabriels Intervention die Zentralisierung tatsächlich durchsetzen, muss in der Änderung des Grundgesetzes zweifelsfrei geklärt sein, dass ÖPP auszuschließen ist.

Eine wie auch immer geartete Privatisierung des Fernstraßennetzes darf es nicht geben.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

Vielen Dank, Frau Kollegin Menge. - Auch wenn wir uns einig sind, dass wir die Liste der hier nicht zu verwendenden Worte gemeinsam überarbeiten wollen, gilt sie noch so, wie sie ist. Die Formulierung war mindestens hart am Rande eines Ordnungsrufes: diese „dumme“ Idee von Herrn Schäuble.

(Jörg Bode [FDP]: Ist doch so!)

Insofern möchte ich Sie ermahnen, Frau Menge.

(Zuruf)

- Ja, „dumm“ darf hier nicht gesagt werden. Es darf auch niemand als solcher bezeichnet werden. Das gilt auch für dessen Ideen und dessen Arbeit. Deswegen ermahne ich Sie, das zu unterlassen. Der Sitzungsvorstand ist sich einig, dass er auf einen Ordnungsruf verzichtet, weil die Formulie

rung an der Grenze ist. Aber die Ermahnung wollte ich ausgesprochen haben.

(Zuruf von Ronald Schminke [SPD])

- Und keine Kommentare bitte, Herr Schminke!

Herr Kollege Bode, Sie haben jetzt das Wort. Wir haben eine Situation, die wir so auch noch nicht hatten: Sie haben das Wort in der Aktuellen Stunde für Ihren Redebeitrag. Gleichzeitig liegt eine Wortmeldung von Ihnen zu einer persönlichen Bemerkung nach § 76 Geschäftsordnung vor.

Es ist ja nicht zwingend vorgeschrieben, dass diese am Ende sein muss. Das entscheiden Sie jetzt. Sie haben sehr wohl die Möglichkeit, mit dieser persönlichen Bemerkung zu beginnen. Dann würde die Uhr für die fünf Minuten Redezeit noch nicht laufen. Ich überlasse das Ihnen. Wir werden erkennen, wie Sie sich verhalten. Sie haben jetzt in jedem Fall erst einmal das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das mache ich lieber danach, weil das nicht in den Zusammenhang passt.

Es ist schon eine erstaunliche Situation, dass ich in diesem Plenum als einziger Frau Menge Beifall spende.