Protokoll der Sitzung vom 23.11.2016

(Maximilian Schmidt [SPD]: Ach nein!)

- Das mag daran liegen, dass ich natürlich auch von Vorurteilen geprägt bin.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Aber Ein- sicht ist der erste Weg zur Besserung, Herr Kollege! Selbsterkenntnis!)

- Doch. Auch wenn man versucht, diese Vorurteile hin und wieder abzubauen.

Eines dieser Vorurteile lautet: Aus dem linken Raum gibt es immer eine gewisse Vorliebe für Arbeitsgruppen, Gesprächskreise und Kommissionen; es ist basisdemokratisch, da kann man alles mitnehmen, wunderbar und vor allen Dingen gründlich beraten. - Bei der Nordseekommission fragt man sich dann: Ist das jetzt auch so eine Kommission, in der viel geredet und wenig entschieden wird?

(Maximilian Schmidt [SPD]: Antwort: Nein!)

Ich will dieser Kommission nicht zu nahe treten. Ich kann es wirklich nicht sagen. Aus der Arbeit und von Erfolgen der Nordseekommission ist relativ wenig bekannt. Herr Haase, Sie haben eben auch in weiten Teilen über die Nordseekonferenz geredet, die nicht 100-prozentig mit der heutigen Nordseekommission identisch ist. Das habe ich herausbekommen.

Also: Was ist diese Kommission? - Da sind 34 Mitglieder, wir nennen sie einmal Verwaltungsbezirke, weil sie in ihrer Form sehr unterschiedlich sind. Das sind zum Teil Regionen, Departements, und sie alle liegen an der Nordsee. Einige sind größer, und einige sind kleiner. Das geht von

100 000 bis zu 4 Millionen Einwohnern. Die Aufgaben der Kommission haben Sie richtig beschrieben. Es geht darum, Lösungen für die Probleme der Nordsee zu finden - das ist gut -, und man will, insbesondere im wirtschaftlichen Bereich, Entwicklungschancen aufdecken; auch das ist gut. Aber, wie gesagt, zum bisher Erreichten ist wirklich wenig dokumentiert.

Ich habe ein einziges Papier der Kommission gefunden - der Kommission! - Ich bin aber bereit dazuzulernen. Dieses Papier trägt den Titel - ich habe ihn übersetzt -: „Nordseeregion 2020“. Das ist aber keine Strategie, sondern dieses Papier beschäftigt sich mit der Frage, ob man überhaupt eine Strategie braucht. Das ist eine Art Selbstfindungsprozess.

Seit 2009 ist man in der jetzigen Form tätig. Man hat bisher EU-Gelder beantragt. Die sind auch bewilligt worden. Und der Vorsitzende der Kommission hat vor dem Europaausschuss des Landtages in Schleswig-Holstein dargestellt, wie die EU-Mittel verwendet worden sind, und hat gesagt: Wir haben sie verwendet, um festzustellen, ob eine makroregionale Strategie Auslöser sein kann, um die Ziele der Kommission zu erreichen. - Mit anderen Worten: Die Kommission prüft mit EU-Geldern derzeit, wie sie ihre eigene Arbeit optimieren kann bzw. ob das überhaupt sinnvoll ist.

Vielleicht ist es diese Skepsis gewesen, die - in der Tat: in besseren Zeiten - einen für seine Sparsamkeit bekannten niedersächsischen Finanzminister veranlasst hat, auf den Austritt des Landes Niedersachsen aus der Kommission hinzuwirken.

Nun sollte man bei 40 000 Euro - es geht ja um hehre Ziele - vielleicht nicht allzu kleinlich sein. Da gebe ich Ihnen recht. Ich will jetzt auch nicht darüber diskutieren, was alles man mit 40 000 Euro stattdessen machen könnte. Aber es bleiben, um es vorsichtig auszudrücken, gewisse Zweifel an der Effektivität der Kommission.

Nun gibt es aber neben diesen Zweifeln zwei gravierende Argumente, die meines Erachtens gegen den Antrag in seiner jetzigen Form sprechen.

Ad eins: Niedersachsen wäre in der jetzigen Form mit 8 Millionen Einwohnern das mit Abstand größte Mitglied dieser Kommission. Das ist - so muss man sagen - bislang einfach nicht unsere Gesprächsebene. Nun kann man sagen: Schwamm drüber!

Schwierig wird es aber in dem Augenblick, in dem kontrovers diskutiert und gar entschieden wird. Dann haben nämlich 8 Millionen Niedersachsen

genau wie die 170 000 Einwohner der norwegischen Kommune Telemark exakt eine Stimme; denn jedes Mitglied der Kommission hat unabhängig von der Einwohnerzahl eine Stimme.

Da wäre es doch sinnvoller, Herr Kollege Haase, wenn wir die an der Nordsee liegenden Landkreise - in Niedersachsen neun an der Zahl - ermunterten, der Nordseekommission beizutreten, und für sie den Beitrag bezahlten. Das wäre auch günstiger; denn der Beitrag bemisst sich wiederum nach der Einwohnerzahl, und die neun Landkreise haben weniger Einwohner als das Land insgesamt. Wir könnten dann mit neun Stimmen in der Kommission vertreten sein und könnten vor allen Dingen mit dem vor Ort erworbenen Sachverstand einwirken.

(Beifall bei der CDU - Björn Thümler [CDU]: Sehr gut!)

Herr Kollege Toepffer, Sie sehen, dass sich der Kollege Haase eben gemeldet hat, um Ihnen eine Zwischenfrage zu stellen.

Bitte, Herr Haase!

Herr Kollege Toepffer, Ihnen ist aber schon klar, dass die Bundesländer Schleswig-Holstein und Bremen als Bundesländer jeweils Mitglied sind, oder?

Herr Toepffer, bitte!

Herr Haase, das ist mir durchaus klar. Aber warum sollten wir Niedersachsen nicht klüger sein als die Menschen in Schleswig-Holstein und in Bremen, wenn wir sogar mit weniger Geld mit neun Stimmen in derselben Kommission statt nur mit einer Stimme vertreten sein könnten? - Das verstehe ich nicht.

(Beifall bei der CDU und Zustimmung von Jörg Bode [FDP])

Das Tolle ist ja, dass wir nicht nur neun Stimmen mit weniger Geld hätten, sondern dass diejenigen

vor Ort, die viel größere Sachkenntnis über die speziellen Problemen haben, nämlich unsere Kommunalpolitiker, das Mandat ausüben könnten. Bei Ihrem Antrag bliebe es bei 8 Millionen und einer Stimme, und diese hätten nicht die Betroffenen, sondern die Landesregierung.

Das bringt mich zu Problem Nr. 2, sehr geehrter Herr Kollege Haase: Wenn schon eine Stimme für das Land Niedersachsen und 8 Millionen Niedersachsen, dann aus diesen Reihen, dann aus diesem Parlament und nicht aus der Landesregierung.

(Beifall bei der CDU)

Warum nicht wie beim Ausschuss der Regionen? - Auf europäischer Ebene vertritt uns Herr Kollege Schmidt, wie es Herr Lammerskitten früher gemacht hat. Sie haben es ja beschrieben: In der Kommission war es Herr Thümler, der früher das Land Niedersachsen vertreten hat. - Warum sollen wir uns eigentlich kleiner machen, als wir sind? - Ich finde, unserem Selbstverständnis sollte es entsprechen, dass diese Stimme, wenn es schon das Land Niedersachsen mit einer Stimme ist, aus dem Niedersächsischen Landtag und nicht aus der Exekutive kommt. Deswegen müssen Sie noch viel Überzeugungsarbeit für diesen Antrag leisten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Toepffer. - Das Wort hat jetzt für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen die Kollegin Regina Asendorf.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Toepffer, ich kann Ihnen, glaube ich, bei Ihrer Frage, wer nun eigentlich Mitglied wird, ein bisschen weiterhelfen. Das ist nämlich die Region Weser-Ems und nicht ganz Niedersachsen. Das sind die sogenannten NUTS-Ebenen, NUTS 0, 1, 2, 3. In diesem Fall ist die NUTS-Ebene 2 gemeint. Das ist Weser-Ems. So ist es auch angemeldet. Insofern sind, glaube ich, alle Ihre Bedenken obsolet.

(Dirk Toepffer [CDU]: Ist es schon an- gemeldet? Das ist doch noch gar nicht beschlossen!)

- Weser-Ems ist angedacht und soll dort als Region mitarbeiten. Das ist die NUTS-Ebene 2.

(Dirk Toepffer [CDU]: Hier steht „Nie- dersachsen“!)

- Na ja.

(Zurufe: Na ja!)

- Das können wir dann vielleicht im Ausschuss klären.

Frau Asendorf, Sie müssen jetzt nicht diskutieren. Sie haben das Wort zu einer Rede.

Gut! Ich dachte, das wäre vielleicht klärend.

Meine Damen und Herren, wenn Sie an der Küste durch Weser-Ems, Groningen und Friesland in den Niederlanden entlangfahren, stellen Sie unweigerlich fest, dass diese Regionen sehr viel mehr miteinander zu tun haben als z. B. Weser-Ems mit der Harzregion. Die Landschaft, die geografische Lage, die wirtschaftlichen Grundlagen, der Tourismus - vieles verbindet diese Regionen. Es ist daher nur logisch, diese Regionen darin zu unterstützen, weiter zusammenzuwachsen und ihre Potenziale zu verbinden.

In diesem Zusammenwachsen der Regionen wird Europa beständiger und für die Menschen erkennbarer. Die Menschen identifizieren sich mit ihrer Region. Als ich letztens in meiner alten Schule in Jever einen Vortrag über Europa gehalten habe, habe ich die Kinder gefragt, wohin sie mit ihren Vereinen, Schulklassen oder mit der Kirche ins Ausland fahren. Da haben sie mir gesagt, nein, sie fahren nicht ins Ausland. Ich fragte: Wohin fahrt ihr denn? - Ja, wir fahren immer in die Niederlande. - Für die Kinder waren die Niederlande schon kein Ausland mehr.

(Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr gut!)

Das ist auch - um auf Sie, Herr Toepffer einzugehen - bereits ein großer Erfolg dieser Region.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Das müssen wir uns von diesen jungen Leuten sagen lassen. Die sind schon viel weiter als wir. Diese beständige Arbeit in der Region, grenzübergreifend mit den Niederlanden, hat schon dazu geführt, dass hier überhaupt keine Grenzen mehr wahrnehmbar sind, sondern eine gemeinsame Identifikation an der Nordsee erfolgt.

Es ist daher mehr als nur eine Solidaritätsbekundung zu Europa, wenn wir wieder in die Nordseekommission zurückkehren - eine Kooperationsplattform mit immerhin 34 an den Küsten der Nordsee gelegenen Regionen. Es ist gar nicht vorstellbar, dass Niedersachsen beim Zusammenwachsen der europäischen Regionen nicht mitmacht und vor allen Dingen auch nicht mit entscheidet. Die Jugendlichen, die ich in der Schule getroffen habe, haben das schon längst begriffen.

Europa wird zunehmend in Regionen gedacht. Es liegt auf der Hand, dass die regionalen Interessenlagen eine hohe Motivation für gemeinsame Projekte über Ländergrenzen hinweg liefern.

Mit der erneuten Mitgliedschaft kann Niedersachsen jetzt an der von der EU-Kommission 2013 in Auftrag gegebenen Nordsee-Strategie mitwirken. Der Ausschuss der Regionen fordert dies bereits seit 2010. Da Niedersachsen obendrein den Vorsitz des deutschen Ausschusses INTERREG Nordsee innehat, ist es wichtig, dass Niedersachsen in der Dachorganisation die Entwicklung in diese Richtung mit beeinflussen kann. Schließlich ist es das Ziel der Nordsee-Strategie, im Nordseeraum einen ähnlich hohen Einfluss zu bekommen wie die Ostsee-Strategie im Ostseeraum, die sich bereits als Makro-Region entwickelt hat.