Erneut sage ich es in aller Deutlichkeit, weil es uns diese Woche bewegt hat: Im Fall Belm sagen Sie: Vollverschleierung wollen wir in den Schulen nicht. Aber mit dem Detail, mit dem Einzelfall haben wir überhaupt nichts zu tun.
Ich will das zusammenfassen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Es gibt keinen Grund, warum Sie weitere fünf Jahre in diesem Bundesland Verantwortung tragen.
(Starker, lang anhaltender Beifall bei der FDP und bei der CDU - Heiner Schönecke [CDU]: Das hat aber ge- sessen, was? - Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir diskutieren heute den Haushalt für die Jahre 2017 und 2018. Das ist das parlamentarische Ereignis schlechthin. Und was passiert? - Dasselbe wie in jedem Jahr: Wir rechnen uns gegenseitig vor, ob die schwarze Null wirklich eine schwarze Null ist, und wir reden kleinteilig über die technische Umsetzung von Entscheidungen.
Es ist sehr bezeichnend, dass Herr Dürr sich die Mühe macht, uns aus den Haushaltsplänen einzelne Umsetzungsschritte für größere Investitionen vorzulesen. Mehr ist es aber auch nicht.
Es ist einfach die Debatte eines Buchhalters, der keine Buchhaltung mehr zu tun hat, sondern seine Zeit damit nutzt - ich finde, auch das war ein sehr entlarvender Rückblick -, auf den Internetseiten der Landesregierung nach Überbleibseln aus der FDPZeit zu suchen und festzustellen, dass sein eigener letzter Wirtschaftsminister seine eigene Seite nicht korrigiert hat. - Herzlichen Glückwunsch, Herr Dürr, für diesen Einblick in Ihr Privatleben und in Ihre politische Arbeit!
Klar, technische Fragen sind wichtig. Aber sollten wir uns an diesem Tag nicht auch einmal die Mühe machen, politisch zu diskutieren? - Damit meine ich nicht, dass Sie uns nur wieder erzählen, was Sie alles hätten besser machen können. Das langweilt mich auch zunehmend. Mir kommen Herr Dürr und Herr Thümler ein bisschen vor wie Siegfried & Roy. Warum? - Weil das diese großen Zauberer waren, die es geschafft haben, das eine zu verstecken und das andere wieder hervorzuzaubern.
Sie haben hier gerade eindrucksvoll versucht, uns zu vermitteln, dass Sie alle Ihre Ideen umsetzen und gleichzeitig noch die Schuldenbremse einhalten können. Das glauben Sie doch selber nicht! Herr Schünemann hat in der Aktuellen Stunde mit seiner Wünsch-dir-was-Liste am Ende über sich selber lachen müssen. So geht es uns hier auch.
(Heiterkeit und Beifall bei den GRÜ- NEN und bei der SPD - Björn Thümler [CDU]: Siegfried & Roy waren erfolg- reich, und zwar sehr erfolgreich! Au- ßerdem kam einer aus Nordenham! Das muss man dazusagen!)
Ich möchte meine Zeit nutzen, um auf einen echten und grundsätzlichen Unterschied zwischen rotgrüner und schwarz-gelber Haushaltspolitik aufmerksam zu machen. Er betrifft den Umgang mit Verunsicherung. Darin waren Sie in Ihrer Rede auch wieder ganz groß. Stellen Sie sich einmal vor, Sie planen eine Radtour. Nicht nur unsere Justizministerin, sondern auch viele grüne und rote Abgeordnete unternehmen Radtouren bei ihren Sommertouren durchs Land. Man sieht dann übrigens auch mehr, als wenn man mit dem Auto unterwegs ist.
(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Christian Grascha [FDP]: Es gibt auch manche Leute in diesem Land, die auf das Auto angewiesen sind, Frau Kollegin!)
Sie freuen sich also auf diese Radtour, haben aber auch Respekt vor der Herausforderung. Sie erzählen Ihren Freunden von Ihrem Vorhaben. Und was erzählen Ihnen die? - Wenn darunter solche wie Herr Thümler sind, dann sagen die wahrscheinlich: Geben Sie acht auf wilde Tiere! In Niedersachsen gibt es schon Wölfe. Vielleicht könnten Sie gefressen werden. Haben Sie keine Angst vor Überfällen? Sie müssen ein zweites Handy mitnehmen. Vielleicht nimmt Ihnen jemand eines weg. - Das alles ist gutgemeint und im Einzelfall vielleicht auch nicht verkehrt. Allein: Die Lust auf den Ausflug ist weg!
Meine Damen und Herren, auch mir ist klar: Wir haben keine Radtour vor uns. Wir haben die Planung der niedersächsischen Zukunft vor uns. Ihre Radtour können Sie zur Not absagen - der Zukunft können Sie nicht absagen. Wie bei einer Radtour sind auch hierbei Freunde keine Hilfe, die von nichts anderem als von Angst und Gefahren reden.
Ich bin der Kollegin Frau Modder für ihre klaren Worte zum PUA dankbar. Auch hierzu haben Sie uns in den vergangenen Tagen wieder sehr eindrucksvoll gezeigt, dass Sie sich an Angst und Ängsten und nicht an politischen Vorgaben orientieren.
Meine Damen und Herren, stellen Sie sich vor, Sie planen einen Landeshaushalt! Stellen Sie sich das einfach einmal vor! - Ich weiß, das ist für Sie im Moment ganz weit weg. Aber stellen Sie sich das einfach einmal mit uns zusammen vor!
Wir leben in einer Zeit großer Umbrüche. Ob der Klimawandel, die Finanzkrise, Migration oder Digitalisierung - im Moment verändert sich ziemlich viel. Auf der einen Seite gewinnen Rechtspopulisten die Wahlen, und auf der anderen Seite leben wir mit der Gefahr von Terroranschlägen. Die große Aufgabe ist: Mit dem Haushalt für die nächsten zwei Jahre müssen wir auf alle diese Herausforderungen Antworten finden. - Das ist unsere Verantwortung!
Meine Damen und Herren, jetzt fällt Ihnen von der CDU aber nicht mehr ein, als dazu zu sagen: Die Menschen sind verunsichert, und wir sollen die Sorgen der Menschen ernst nehmen. - Ist es wirklich die Lösung für alle unsere wichtigen Aufgaben, so zu tun, als stünden wir immer kurz vor dem Abgrund? Und dann lösen wir alles, indem wir Rechtsverschärfungen fordern, auch solche, die überhaupt nichts bringen. Wir konnten das beim CDU-Bundesparteitag erleben, als es um die doppelte Staatsbürgerschaft ging.
Was heißt es denn tatsächlich, die Sorgen der Menschen ernst zu nehmen? - Das heißt doch wohl, dass wir die großen Veränderungen unserer Zeit so mitgestalten, dass sie sich für alle zum größtmöglichen Vorteil entwickeln. Das Ziel der rotgrünen Politik in Niedersachsen ist es, in einer Zeit der Umbrüche Niedersachsen auf die Zukunft einzustellen. Wir arbeiten an der Zukunft!
Zukunft heißt - und da war ich sehr dankbar, dass Sie vorhin den Städtetag und auch Herrn Scholz zitiert haben; die werden sich sicherlich auch darauf bezogen haben -, dass wir, wenn Sie Ihre Hausaufgaben in der schwarz-gelben Regierungszeit gemacht hätten, heute nicht so viele Anstrengungen unternehmen müssten, um Erzieherinnen und Erzieher zu finden, die Sie nicht unterstützt und gefördert haben.
Zukunft heißt, dass die Kinder in den Kitas Förderung erhalten, anstatt nur betreut zu werden. Da haben wir in der Tat Maßnahmen umgesetzt. Mehr Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten und Kindertagesstätten sorgen nicht nur für bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten, sondern das heißt auch, dass Kinder aus allen Schichten, unabhängig vom Einkommen der Eltern, eine bessere Förderung erhalten. So beugen wir sozialer Ungleichheit vor. Das ist die soziale Sicherheit, von der wir sprechen.
Zukunft heißt für uns auch, dass Kinder nachmittags in den Schulen ein besseres Angebot bekommen und dass die Jüngsten unter den Flüchtlingen eine gute Sprachförderung erhalten. Zukunft heißt auch, dass die Flüchtlinge in Niedersachsen nicht nur ein Dach über den Kopf bekommen. Ich schließe mich ausdrücklich dem Dank von Hanne Modder an all die vielen Ehrenamtlichen an, die uns im letzten Jahr bei der Arbeit begleitet haben und auch jetzt noch dabei sind, ihren Nachbarn mit Sprachkursen und Touren zu helfen.
Die Geflüchteten erhalten im Alltag auch die nötige Hilfe, um bei uns Fuß zu fassen. Das heißt für schwer traumatisierte Menschen aus Kriegsgebieten, sie brauchen erst einmal einen Dolmetscher und psychologische Betreuung. Die Ausweitung der psychosozialen Zentren ist hier ein ganz besonders wichtiger Baustein, weil der Bedarf für so viele Menschen so akut ist. Andere brauchen rechtliche Beratung oder Hilfe bei bürokratischen Vorgängen. Die meisten benötigen einen Sprachkurs. Viele brauchen die Möglichkeit, sich beruflich weiterzuentwickeln. Integrationsangebote zu schaffen, heißt, alle Angebote, die es ohnehin schon gibt, daraufhin zu überprüfen, ob sie auch für Geflüchtete zugänglich sind. Das tun unsere Ministerinnen und Minister. Mein Dank geht da ausdrücklich an unsere beiden Ministerinnen aus dem Bereich Bildung, an Frau Heinen-Kljajić und an Frauke Heiligenstadt, die sich an dieser Stelle wirklich Gedanken machen. Vielen Dank!
Zukunft heißt für uns aber auch, dass wir die Menschen, denen es nach langer Arbeitslosigkeit nicht mehr ohne Weiteres gelingt, Arbeit zu finden, auch
unterstützen. Wir lassen sie in ihrer Armut nicht allein. Das kann auch bedeuten, dass die betroffenen Menschen ein Coaching bekommen, sodass sie sich noch neu beruflich orientieren können. Auch das ist Teil unserer politischen Liste.
Zukunft heißt, dass Krankenhäuser in ganz Niedersachsen saniert werden. Eine gute Gesundheitsversorgung braucht Infrastruktur. Auch davon profitieren alle im Land. Zukunft heißt für uns auch, dass wir in den Gebäuden des Landes dafür sorgen, dass sie nicht den Großteil der Wärme nach draußen ziehen lassen. Denn wenn wir im nächsten Jahr mit dem Klimagesetz die Bedingungen dafür schaffen werden, dass sich der Treibstoffausstoß bis 2030 halbiert, dann muss das Land in Vorleistung treten. Das tun wir auch in diesem Haushalt.
Schließlich heißt Zukunft, dass die Menschen in den Städten und auf dem Land Luft zum Atmen haben. Auf dem Land ist es die Menge an Gülle, die einem den Atem verschlägt.
- Ich weiß, dass es Ihnen schwerfällt, an dieser Stelle zuzuhören. Aber reden Sie mit den Leuten auf dem Land!
Unser Landwirtschaftsminister Christian Meyer fördert auch im nächsten Jahr wieder den Ausbau des Ökolandbaus.
Wir arbeiten auch weiterhin an Maßnahmen - davon werden Sie uns nicht abhalten - gegen die hohen Nitratwerte und für mehr Tierwohl.
(Hermann Grupe [FDP]: Die Bauern sind an allem schuld! Polemik pur! - Gegenruf von Helge Limburg [GRÜ- NE]: Das haben Sie gesagt, Herr Grupe! Das hat sie überhaupt nicht gesagt!)
Aber es rückt zumindest die völlig unvernünftige und einseitige Förderpolitik der Vorgängerregierung wieder ins Lot.