Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Demokratie ist kein politisches Versandhaus“. Mit diesen Worten hat Joachim Gauck in seiner Abschiedsrede dafür geworben, Freiheit und Demokratie in diesem Land energischer zu verteidigen. Er hat bewusst gesagt, sie sollten „energischer“ verteidigt werden, als es vielleicht an der einen oder anderen Stelle passiert. Er hat auch gesagt, dass wir es nicht als selbstverständlich hinnehmen sollten, dass wir in einem Land leben, in dem seit mehr als 70 Jahren Frieden, Freiheit und Demokratie herrschen.
Wir leben in Zeiten, in denen weltweit die Begriffe Lügenpresse, postfaktisch, alternative Fakten, „rumtrumpen“ und Ähnliches verwendet werden. Ich finde, es ist ein guter Kontrapunkt, dass sich Niedersachsen genau in diesen Zeiten dazu entschlossen hat, wieder eine Landeszentrale für politische Bildung einzurichten und damit ein Signal zu geben und zu dokumentieren, dass wir uns auch mit diesen Entwicklungen in der Welt auseinandersetzen und nicht bereit sind, alles als gegeben zu akzeptieren.
Es war auch richtig, dass wir hier im Landtag miteinander um den besten Weg und um Gemeinsamkeiten gerungen haben. Wir wissen, wie die Politik häufig gesehen wird und welches Image ihre tägliche Arbeit hat. Ich denke, dass das auch von dem Gefühl geprägt ist, dass sich Politik nur streitet und nicht nach Gemeinsamkeiten sucht.
Hier im Landtag haben aber alle vier Fraktionen gemeinsam im Sinne der Erwachsenenbildung und im Sinne des Beutelsbacher Konsenses den besten Weg für die Wiedereinrichtung der Landeszentrale für politische Bildung gesucht. Wir haben trotz aller Gemeinsamkeiten kontrovers diskutiert, um unterschiedliche Perspektiven mit in die Arbeit einzubringen und eine Bereicherung für dieses Land zu schaffen. Ich finde, das tut diesem Haus gut, und ich glaube, dass es auch von den Trägern der Erwachsenenbildung und von den Nutzerinnen und Nutzern sehr anerkannt wird, dass wir diesen Weg gemeinsam beschreiten.
Die Landeszentrale für politische Bildung wird keine Wunder vollbringen; sie ist ein Schritt in die richtige Richtung, um die Welt ein kleines bisschen besser zu machen. Von daher wünschen auch wir Ulrika Engler und ihrem Team viel Erfolg und sichern unsere Unterstützung zu. Die Resonanz der letzten Tage war überwältigend. Viele warten darauf, dass es nun endlich losgeht. Manchmal hat man das Gefühl, dass man sich etwas darum sorgen muss, dass die Erwartungen zu Beginn nicht zu hoch sind.
Stichwort „neue Medien“: Ich würde jedem, der sich damit beschäftigt, was im Bereich Fake News und Social Bots in den neuen Medien passiert, empfehlen, sich die Facebook-Seite der Ministerin für Wissenschaft und Kultur und den dortigen Post
zur Wiedereröffnung der Landeszentrale und die dazu geführten Diskussionen anzuschauen. Dort kann man sehen, was zum Teil in den neuen Medien stattfindet, und es ist die Aufgabe der Demokratinnen und Demokraten, dagegenzuhalten.
Wir erleben - auch das zeigt die Macht der neuen Medien - auch, dass ein Twitter-Account aus den USA die Welt in Atem hält. Jeder schaut darauf, was in den nächsten 140 Zeichen steht.
Die Stärken des Internets sind das eine. Ich glaube, dass man hier mit vielen guten Maßnahmen in der politischen Bildung Akzente setzen kann. Aber ich glaube auch, dass es darauf ankommt, die eigenen Echokammern, die virtuelle Welt zu verlassen und sich in der wirklichen Welt zu bewegen, um Dinge mit allen Sinnen zu erfassen.
Wir haben heute Vormittag zu Beginn dieses Plenarabschnitts eine beeindruckende Rede gehört. Ich glaube, Erinnerungsarbeit - auch das wird eine wichtige Aufgabe der Landeszentrale sein - funktioniert vor allem auch durch das Erleben, das Besuchen von Gedenkstätten, durch ein Erfassen mit allen Sinnen. Erinnerungsarbeit kann nicht alleine durch das Internet stattfinden. Politische Bildung sollte auch weiterhin von Lernorten, von Büchern, von Printmedien leben. Auch das sollte in dieser Landeszentrale eine Berechtigung haben.
Diese Landeszentrale soll für Demokratie begeistern, sie soll befähigen, aufklären, einordnen, Orientierung geben, aktivieren und auch emanzipieren. Der Slogan „Demokratie beginnt mit dir“ macht, denke ich, deutlich, dass die Verantwortung bei jedem Einzelnen von uns liegt. John F. Kennedy hat seine Antrittsrede 1961 auch durch die Aussage „Frage nicht, was dein Land für dich tun kannst - frage, was du für dein Land tun kannst!“ geprägt. Ich glaube, diese Aufforderung gilt in Zeiten wie diesen auch in der politischen Bildung.
Niedersachsen ist endlich wieder in den Kreis der Bundesländer mit Landeszentralen für politische Bildung zurückgekehrt; das freut uns riesig. Vor uns liegt in den nächsten Monaten eine Aufgabe, die mit vielen Erwartungen und vielen Chancen verknüpft ist. Ich finde es gut, dass Niedersachsen zeigt, dass wir dem, was in der Gesellschaft stattfindet, mit einem wirkungsvollen Instrument entgegentreten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die neue Landeszentrale für politische Bildung steht vor großen Aufgaben. In unserem gemeinsamen Entschließungsantrag sind zahlreiche Arbeitsbereiche definiert.
Ich nenne einige wichtige Aufgaben, die sich dort nachlesen lassen: Es geht um die Aktivierung von Menschen für politische Prozesse, Bürgerbeteiligung, ökonomische Bildung, Wirtschaftspolitik, Kommunalpolitik, landesspezifische Entwicklungen und Gegebenheiten, Wegweiser für gesellschaftliches Engagement, Integration von Geflüchteten, Förderung des europäischen Gedankens, Aufklärung über die Gefahren durch gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und demokratiefeindliche Bestrebungen. Dazu zählen u. a. die Gefahren der politischen und religiösen Radikalisierung, des Antisemitismus und auch des Salafismus.
Sehr geehrte Abgeordnete der Grünen-Fraktion, um all das geht es Ihnen heute aber gar nicht. Ihnen geht es um ein anderes, einzelnes Thema - ein zweifellos wichtiges Querschnittsthema -: die Medienkompetenz. Die Landeszentrale soll - so muss man den Titel Ihrer Aktuellen Stunde verstehen - als Bollwerk gegen alle Schlechtigkeiten aufgebaut werden, die unsere moderne digitale Mediengesellschaft so mit sich bringt. Sie soll ein Mittel sein, um die niedersächsischen Bürgerinnen und Bürger - wahrscheinlich schon Schülerinnen und Schüler - aufzuklären und immun gegen Fake News zu machen. Jeder soll verstehen, was Social Bots anrichten können. Dafür soll jetzt die Landeszentrale sorgen.
Meine Damen und Herren insbesondere von den Grünen, da fragt man sich doch: Was soll die neue Landeszentrale denn noch alles machen? - Das Wissenschaftsministerium hat uns am 7. Dezember 2015 darüber unterrichtet, dass für die politische Bildung in den vergangenen Jahren jeweils über 10 Millionen Euro im Haushalt zur Verfügung standen. Seit diesem Jahr kommen gerade einmal 1 Million Euro für die neue Landeszentrale hinzu. Nach Abzug der Personalaufwendungen bleiben gerade einmal 310 000 Euro pro Jahr für das Ta
Meine Damen und Herren, wir müssen die Landeszentrale für politische Bildung vor den Grünen schützen.
Es gibt schon mehr als genug wichtige Aufgaben für die neue Landeszentrale. Sie kann nicht auch noch Wahrheitsbehörde im Internet werden und den Schattenseiten der digitalen Welt trotzen.
Das kann von einer Einrichtung im Aufbau mit nur acht Mitarbeitern nun wirklich nicht erwartet werden.
Die Vermittlung von Medienkompetenz ist zuallererst Aufgabe der Schulen. Seit Jahren ist dieses Querschnittsthema in den Lehrplänen aller Schulen verankert. Was macht eigentlich Ministerin Frau Heiligenstadt mit ihrem Über-5-MilliardenEuro-Haushalt bei diesem Thema?
wenn jetzt die gerade im Aufbau befindliche Landeszentrale für politische Bildung mit einem Haushalt von gerade einmal 1 Million Euro alle Probleme unserer modernen Mediengesellschaft lösen soll, die die Landesregierung mit ihrem 28Milliarden-Euro-Haushalt liegen gelassen hat.
(Zustimmung bei der CDU - Anja Piel [GRÜNE]: Herr Hillmer, lenken Sie doch nicht davon ab, dass Sie sie ge- schlossen haben!)
Meine Damen und Herren, ich weiß, dass die Grünen ganz besonders durch Fake News und Hetze in sozialen Netzwerken provoziert sind. Das darf aber die neue Landeszentrale nicht davon abhalten, ihre unbestreitbar wichtigen weiteren Aufgaben zu verfolgen. Daher fordere ich Sie auf, Ihre Erwartungen auf ein realistisches Maß herunterzuschrauben und der Landeszentrale erstmal eine faire Chance zu geben. Sie hat es verdient.
Vielen Dank, Herr Kollege. - Für die Landesregierung hat nun das Wort Frau Wissenschaftsministerin Dr. Heinen-Kljajić. Bitte!
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will jetzt gar nicht mehr so viel über die Relevanz von Medienkompetenz reden. Dazu ist von meinen Vorrednern schon einiges gesagt worden. Ich will aber doch noch einmal deutlich unterstreichen, wie wichtig es gerade auch in diesem Kontext ist, eine Landeszentrale für politische Bildung zu haben.
Dem Thema Medienkompetenz werden wir natürlich nur in einer konzertierten Aktion vieler unterschiedlichster gesellschaftlicher Player gerecht werden. Hier hat die Landeszentrale künftig eine wichtige Rolle zu spielen. Ihre Rolle ist es, diese Player zu vernetzen. Und vor allem ist es ihre Aufgabe, fortlaufend neue Konzepte und Formate im Bereich Medienkompetenz zu entwickeln; denn die Halbwertszeit der Trends in der digitalen Kommunikation ist bekanntermaßen ziemlich kurz.
Hier attraktive und auch immer wieder neue und zeitgemäße Angebote zu konzipieren, wird eine der zentralen Aufgaben der neuen Landeszentrale sein. Das haben wir übrigens auch schon in den Stellenausschreibungen deutlich gemacht. In allen Stellenbeschreibungen ist die Medienkompetenz immer jeweils deutlich adressiert.
Mit dieser Schwerpunktsetzung auf den Bereich Soziale Medien wird deutlich, dass wir eben nicht einfach dort weitermachen, wo CDU und FDP vor zwölf Jahren fatalerweise aus dem Thema „Landeszentrale für politische Bildung“ ausgestiegen sind und sie für überflüssig erklärt haben, dass wir uns nicht am Mainstream der anderen 15 Landeszentralen orientieren, sondern dass wir ganz bewusst einen innovativen Ansatz gewählt haben, der Soziale Medien, partizipative Bildungsarbeit und Vernetzung aller bereits vorhandenen Akteure in den Mittelpunkt stellt.
Politische Kommunikation - das ist inzwischen eine Binsenweisheit - findet zunehmend im Netz statt. Folglich muss auch politische Bildung im Netz stattfinden. Das gilt vor allen Dingen, wenn wir junge Menschen erreichen wollen, getreu dem Motto „Man muss die Menschen dort abholen, wo sie sind“. Und junge Menschen verbringen nun mal viel Zeit ihres Tages im Netz!
Es geht aber nicht nur darum, die Netzaffinität junger Menschen dazu zu nutzen, um Inhalte politischer Bildung zu transportieren, wie wir das beispielsweise bei den Vorprojekten wie „Letʼs play Germany!“ machen, bei dem mit GamingElementen gearbeitet wird, oder bei „Map the gap“, einem Projekt, das die ARUG und der Landesjugendring gemeinsam gestartet haben, in dem es darum geht, per Geocaching die Chancen einer bunten Gesellschaft zu entdecken.
Vielmehr geht es auch darum, junge Menschen zu befähigen, sich in eben diesem Netz selbstbestimmt, kritisch und ohne persönlich Schaden zu nehmen zu bewegen und zu kommunizieren. Es geht darum, Quellen zu hinterfragen: „Wo kommt die Information, die mir da präsentiert wird, eigentlich her?“ Es geht darum, die Logik der Algorithmen zu verstehen, d. h. den Effekt zu erkennen, dass ich immer nur in dem bestärkt werde, was ich ohnehin in den letzten Wochen und Monaten gelesen habe. Und es geht darum, sich jenseits von Likes und Teilerquoten eine eigene Meinung zu bilden.
Es ist schlechterdings gar nicht mehr möglich, Themen politischer Bildung aufzurufen, ohne nicht auch die Frage der Medienkompetenz anzusprechen. Ob das Hetze und Verunglimpfungen, FakeNews oder Social Bots sind, sie gewinnen in der politischen Kommunikation leider immer mehr an Bedeutung. All das wird die Landeszentrale für politische Bildung jetzt selbstverständlich nicht allein in den Griff bekommen; das ist von meinen Vorrednerinnen und Vorrednern bereits erwähnt worden. Aber sie kann eine Gegenöffentlichkeit unterstützen und begleiten und all denen beratend zur Seite stehen, die genau diese Gegenöffentlichkeit mobilisieren wollen.
Und dort zeigt sich eine weitere Stärke dieser Landeszentrale neuen Typs. Sie erhebt nämlich nicht den Anspruch, das Feld der politischen Bildung als ein Player unter vielen allein zu beackern, sondern sie vernetzt zivilgesellschaftliche Akteure und Anbieter politscher Bildung wie eben die Einrichtungen der Erwachsenenbildung, die jedes Jahr viele Millionen Maßnahmen der politischen Bildung anbieten. Damit ist die Landeszentrale quasi eine Art Demokratieagentur, die koordiniert, Impulse gibt und Konzepte entwickelt.
Genau das macht die Stärke aus; denn mit diesem Ansatz der Bündelung potenziert sie am Ende ihre Wirkung um ein Vielfaches.