Aber Sie haben sich wenigstens entscheiden können - ganz offensichtlich -, diesen Antrag mitzuunterschreiben. So haben Sie wenigstens ein Papier im bevorstehenden Bundestagswahlkampf, das Sie hochhalten können, sodass Sie nicht komplett nackt dastehen. Aber dabei bleibt es dann auch.
Ich stelle mir nur einmal vor, dass die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen bei einer Podiumsdiskussion vielleicht eines Sozialverbandes oder der Gewerkschaften auf dieses Papier und auf Ihre Forderung nach „kostenlosen Beratungsangeboten zur Energieeinsparung für einkommensschwache Haushalte“ verweisen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, viel Spaß bei diesen Podiumsdiskussionen! Da wird Ihnen einiges zufliegen, aber das werden nicht die Herzen der Zuhörer sein, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Die Menschen in Deutschland brauchen keine Berater, die wie die Zeugen Jehovas von Tür zu Tür gehen und sie bekehren wollen, dass sie vielleicht öfter mal einen neuen Kühlschrank kaufen
oder dass vielleicht in irgendeiner anderen Art und Weise Strom gespart werden kann: mit Stoßlüften oder Ähnlichem. Nein, die Menschen in Deutschland verlangen von uns Politikern, dass wir ein Konzept auflegen, wie wir systematisch erreichen können, dass die Strompreise nicht durch die Decke gehen. Und da haben Sie leider überhaupt nichts in der Schublade, meine Damen und Herren von SPD und Grünen.
Ihr Lieblingsthema, Frau Kollegin Piel, ist ja die Einschränkung der Befreiung der energieintensiven Unternehmen von der Ökostromumlage. Darüber können wir gerne diskutieren. Dabei geht es nicht um den berühmten Schnellimbiss, Herr Kollege Becker, oder den Golfplatz; die müssen ausdrücklich nicht von dieser Umlage befreit sein. Aber das ist doch nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein, damit werden Sie doch dem Problem überhaupt nicht gerecht.
Ich sage Ihnen: Ich stehe ganz ausdrücklich dazu, dass z. B. die Dow in Stade, die täglich 1 % des bundesweit erforderlichen Strombedarfs benötigt, und dass auch andere energieintensive Unternehmen wie Continental oder die Molkerei Ammerland auch in Zukunft von der Ökostromumlage befreit sind. Deutschland ist Industrieland Nummer eins. Deutschland ist Exportweltmeister. Wir sind kein grüner Bauernhof. Und das wollen wir auch nicht werden, meine Damen und Herren.
Sie doktern an den Symptomen herum, aber Sie bekämpfen nicht die Ursachen. Wir brauchen einen Systemwechsel weg von starren Einspeisevergütungen über 20 Jahre hin zu mehr Markt und mehr Wettbewerb. Ich behaupte, dass die Politik völlig damit überfordert ist, für die Jahre 2013, 2019 oder 2022 Preise für die Kilowattstunde Strom festzulegen, der aus Sonne oder Wind erzeugt wird. Das können weder die Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag noch kann das irgendein anderer Abgeordneter leisten, auch wir in diesem Hohen Hause nicht. Wir können nicht sagen, ob 5, 7 oder 9 Cent der richtige Betrag sind, weil sich bis dahin Lernkurveneffekte ergeben, weil es bis dahin Kosteneffizienzen gibt. Deswegen ist Politik hier völlig überfordert. Und nicht zuletzt hinkt Politik auch immer den Entwicklungen hinterher.
Ich habe mich hier gerade mit Ihrer Redezeit befasst, die nämlich abgelaufen ist, Herr Dr. Hocker. - Ich lasse die Zwischenfrage von Herrn Bajus noch zu, aber dann müssen Sie wirklich zum Schluss kommen.
(Björn Thümler [CDU]: Aber beantwor- ten darf er sie noch! - Norbert Böhlke [CDU]: Keine Kritik am Präsidenten!)
Vielen Dank, Herr Hocker, dass Sie zwei Aufgaben gleichzeitig erledigen können und so aufmerksam waren, mir das Wort zu geben.
Unser Antrag zielt ja darauf ab, die Energiewende und die Strompreise miteinander in Verbindung zu bringen. Da Sie unser Engagement explizit angesprochen haben - aber nicht ohne dabei Ihr eigenes Engagement in den Vordergrund zu stellen -, frage ich Sie: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang die Vorschläge Ihres Spitzenkandidaten Rainer Brüderle zum sofortigen Ausbaustopp für Wind- und Solaranlagen? Welche Auswirkungen hätte das Ihrer Meinung nach auf die Energiewende?
Von Herrn Böhlke kam gerade der Zwischenruf „Keine Kritik am Präsidenten!“. Wir sehen Unterstützung von Abgeordneten nicht als Kritik an. Es ist halt so, dass ich festgestellt habe, dass die Redezeit von Herrn Dr. Hocker abgelaufen ist, und das wollte ich ihm gerade kundtun. Deswegen konnte ich nicht sehen, dass sich Herr Bajus zu einer Zwischenfrage gemeldet hat.
Herr Dr. Hocker, Sie haben die Zwischenfrage zugelassen und dürfen diese jetzt auch noch beantworten; denn das wird nicht auf die Redezeit angerechnet. Aber Sie dürfen jetzt keinen weiteren Sachbeitrag mehr leisten.
Verehrter Herr Präsident, herzlichen Dank. Erlauben Sie mir nur den Hinweis, dass meine Antwort auf die Zwischenfrage des Kollegen Bode auf meine Redezeit angerechnet wurde, was, glaube ich, nicht ganz korrekt war.
Ich beantworte die Zwischenfrage des Kollegen Bajus sehr gerne. Unser Spitzenkandidat hat einen Vorschlag gemacht, der richtig ist. Er hat gesagt, wir müssen bei der Förderung der erneuerbaren
Energien endlich einen Systemwechsel hinbekommen. Damit greift er die Befürchtungen und Bedenken vieler, vieler Menschen in Deutschland auf, die einfach Angst davor haben, welche Stromrechnungen sie in 10 oder in 15 Jahren bekommen.
Meine Damen und Herren, eine warme Wohnung darf auch in Zukunft kein Luxusgut werden. Deswegen wird Ihr Antrag dazu keinen Beitrag leisten, dass wir die Energiewende so in den Griff bekommen, dass Energie auch in Zukunft noch erschwinglich ist.
Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Für die Landesregierung hat sich Herr Minister Wenzel zu Wort gemeldet. Bitte schön!
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Energiewende ist eines der größten Umbauprojekte, dem sich diese Industriegesellschaft in den vergangenen Jahrzehnten gestellt hat.
Ich will an dieser Stelle Folgendes sagen, auch wegen der zugespitzten Debatte, die wir hier nicht zum ersten Mal führen. Meines Erachtens ist es in erster Linie eine gesellschaftspolitische, eine mentale und eine soziale Herausforderung, die Energieversorgung in einem hochindustrialisierten Land zu verändern. Das erfordert den Willen vieler beteiligter Akteure, nicht nur in den Parlamenten, sondern vor allen Dingen auch in der Bürgerinnen- und Bürgergesellschaft, in der am Ende ja die Umsetzung stattfinden muss.
Deshalb ist es bedauerlich, dass wir, nachdem wir den Konflikt um die Nutzung der Atomenergie überwunden und uns gemeinsam entschlossen haben, als Gesellschaft einen anderen Weg zu gehen, immer wieder solche Debatten führen: mit immer den gleichen Stichworten, aber mit wenig Entwicklung in der Praxis..
Wir sind als Industrienation deshalb stark geworden, weil wir Handwerk und Mittelstand entwickelt haben, weil wir Technologie, Forschung und Entwicklung vorangebracht haben, weil wir es geschafft haben, in beispielhafter Weise kleine und mittelständische Unternehmen zu fördern, die im
Das Gleiche ist uns auch bei der Energiewende gelungen. Wir sind nämlich das Land, das bei sehr vielen Produkten und Verfahren auf diesem Gebiet weltweit führend ist, weil hier ganz viele Tüftler, ganz viele Menschen angefangen haben, etwas zu entwickeln, was früher belächelt wurde und was heute am Weltmarkt eine ganz bedeutende Rolle spielt - Windkraft beispielsweise, Solarthermie oder Photovoltaik.
Heute erleben wir, dass Großmächte um die Technologieführerschaft auf diesem Gebiet kämpfen, dass es darum geht, wer hier bei Forschung und Entwicklung vorn bleibt. Die Dumpingpreisdiskussion mit China ist ein Beispiel dafür. Aber auf der anderen Seite müssen wir feststellen, dass ein Bundeswirtschaftsminister und ein Bundesumweltminister gerade diese Branchen schlechtreden, gerade diesen Branchen Knüppel zwischen die Beine werfen und nicht die technologischen Möglichkeiten nutzen, die wir hier geschaffen haben und die es jetzt zu verteidigen und weiterzuentwickeln gilt.
Die Diskussion ist immer noch geprägt von den Antagonismen zwischen dem alten und dem neuen Markt, zwischen der alten und der neuen Entwicklung, zwischen dem alten und dem neuen Weg. Und deshalb ist es falsch, immer wieder auf das alte Geschäftsmodell, auf fossile bzw. atomare Großkraftwerke zu setzen und darauf zu hoffen, dass die alte Welt zurückkommt.
Es steht zwar nicht im Vordergrund, aber ist im Hintergrund immer noch Teil der Auseinandersetzung, dass hier sozusagen alte Geschäftsmodelle wegbrechen.
Die Preisentwicklung im Griff zu behalten, ist natürlich eine zentrale und permanente Herausforderung. Wir wollen, dass es für jeden Haushalt auch in Zukunft möglich ist, sich mit Strom und Gas zu günstigen Preisen zu versorgen.
Aber wir wollen auch, dass Industriebetriebe, Chemiewerke und Stahlwerke hier in Niedersachsen und in Deutschland eine Chance haben, wirtschaftlich produzieren zu können. Deshalb hat der Bundesumweltminister von der Ministerpräsiden
tenkonferenz auch den Auftrag erhalten, alle Preisbestandteile zu prüfen und dafür Reformvorschläge zu unterbreiten. Stattdessen aber hat er sich nur mit einem einzigen Segment auseinandergesetzt - und das hat er am Ende dann auch noch so in Grund und Boden geredet, dass viele Investoren verunsichert waren und ihre Tätigkeit erst einmal eingestellt haben.
Herr Minister, ich darf Sie kurz unterbrechen. - Es gibt hier, insbesondere im hinteren Bereich auf der rechten Seite, laute Gesprächsrunden. Jeder meiner Versuche, selbst der mit der Glocke, wird nicht gehört, und deswegen greife ich jetzt ein. Das Murmeln ist wirklich so laut, dass es die anderen Kolleginnen und Kollegen beeinträchtigt, dem Redner zuzuhören.
Das, meine Damen und Herren, wollen wir nicht, und deswegen sehen wir den Antrag als eine gute Stärkung, als Rückendeckung für die Politik der Landesregierung.
Wir werden die Ideen und Vorschläge sehr gerne aufnehmen. Wir bringen sie in den Dialog um das künftige Energiekonzept der Landesregierung mit ein und werden dazu Konzepte entwickeln. Ich freue mich auf eine interessante Diskussion im Ausschuss, nicht zuletzt auch deshalb, weil der Klimawandel die zentrale Herausforderung der kommenden Jahre ist.
Die Extremwetterereignisse der letzten Wochen haben uns gezeigt, welche wirtschaftlichen, welche ökonomische Folgen entstehen können, wenn wir dieses Thema nicht angehen. Alle Prognosen, die im Moment auf dem Tisch liegen, sind weit gruseliger als die, die wir noch vor fünf Jahren für möglich gehalten haben. Von daher hoffe ich, dass hier im Hause in Zukunft immer öfter die Gelegenheit besteht, an einem Strang zu ziehen.
Federführend soll der Ausschuss für Umwelt, Energie und Klimaschutz sein, mitberatend der Ausschuss für Haushalt und Finanzen. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich rufe als letzten Punkt dieses Tagungsabschnitts den gestern zurückgestellten Tagesordnungspunkt auf, also
Tagesordnungspunkt 36: Abschließende Beratung: Das Standortauswahlgesetz ist gut und notwendig für Niedersachsen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/177 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/258 - Änderungsantrag der Fraktionen der CDU und der FDP - Drs. 17/347 - Änderungsantrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/348