Protokoll der Sitzung vom 21.06.2013

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Ich komme zurück zu heißem Asphalt und aufplatzenden Autobahnen.

(Unruhe - Glocke des Präsidenten)

Meine Damen und Herren, die Kollegin Menge hat das Recht, uns jetzt ihren Debattenbeitrag für ihre Fraktion darzubieten. Ich bitte Sie, auch wenn Sie jetzt über irgendwelche Dinge vielleicht ungehalten sein sollten, nicht im Plenarsaal darüber zu diskutieren, sondern die Debatte zu Tagesordnungspunkt 46 zu ermöglichen. - Das scheint jetzt weitestgehend der Fall zu sein. Frau Menge, bitte schön!

Danke schön, Herr Präsident.

Zwei kanadische Verkehrsökonomen, Duranton und Turner, haben den Zusammenhang zwischen Straßenbau und Verkehrsaufkommen am Beispiel der USA über einen Zeitraum von 20 Jahren empirisch untersucht. Das umfangreiche und regional aufgeschlüsselte Material dieser Studie belegt übrigens, Frau König, dass ein Ausbau des Straßennetzes um 1 % in einer Region dazu führt, dass der Autoverkehr dort um 1 % zunimmt, und zwar in weniger als zehn Jahren. Eine Verdoppelung der Straßen verdoppelt also den Verkehr.

Dieses Ergebnis ist umso interessanter, je stärker man sich mit den Faktoren wie Demografie und Ökonomie auseinandersetzt. Die Entwicklung des motorisierten Verkehrs nimmt zu, völlig unabhängig vom Bevölkerungswachstum und der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region, unabhängig auch davon, wie gut und dicht das Angebot an öffentlichen Verkehrsmitteln ist.

Der Verkehr nimmt also zu, sobald es mehr Straßen gibt. Menschen fahren mehr Auto, wenn das Straßennetz ausgebaut wird. Und genau das ist Ihre Philosophie. Auf umwelt- und damit zukunftsorientierte Verkehrspolitik verzichten Sie nach dem Motto: Hinschauen, nichts dazulernen, Geld verkloppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn Sie haben bereits die GVFG-Mittel in Höhe von 205 Millionen Euro nur für den Straßenbau für die kommenden drei Jahre verbraten!

(Unruhe)

- Herr Präsident, das ist mir hier zu laut.

Meine Damen und Herren, wenn die Kollegin Menge selbst feststellt - und das ist ihr gutes Recht -, dass sie sich nicht ausreichend Gehör verschaffen kann, dann greife ich das gerne auf. Bitte ermöglichen Sie ihr, ihren Debattenbeitrag hier in Ruhe zu leisten.

Danke schön, Herr Präsident.

Wohl wissend, dass sich hier gleich wieder Interpretationen ergeben wie „die Grünen wollen alle Straßen abschaffen“ oder „wollen Güter mit Pferd und Wagen durch die Republik rollen“, möchte ich drei Punkte hervorheben:

Erstens. Wie auch die Dringliche Anfrage am gestrigen Tag wiederholt zeigte, haben wir ein massiv vernachlässigtes Verkehrsnetz und damit einen Sanierungsstau, der sich nur mit Disziplin über einen langen Zeitraum mit einer verantwortungsvollen Verkehrspolitik abbauen lässt. Wir brauchen jährlich allein für die Bundesfernstraßen in Niedersachsen zusammen mit den Ingenieursbauwerken 250 Millionen Euro, um deren Bestand zu erhalten. Quelle: Straßenbaubehörde.

Zweitens. Auf Bundesebene bestätigen die Ergebnisse der Daehre-Kommission, dass es äußerst schlecht um unsere Verkehrswege bestellt ist. Eine Politik der Überzeichnung bei Neubauten hat den Erhalt unseres Verkehrsnetzes in Vergessenheit geraten lassen. Das Ergebnis dieses blinden Aktionismus: 20 % der Autobahnen, 40 % der Bundesfernstraßen und fast die Hälfte der Brücken an Bundesfernstraßen befinden sich in einem bedenklichen Zustand.

Frau Kollegin Menge, der Kollege Miesner möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Nein, jetzt bitte nicht.

In den nächsten Jahren sind jährlich zusätzlich 7,2 Milliarden Euro nötig, um unsere Verkehrswege so zu erhalten, dass die Bürger dieses Landes und die Wirtschaft sie auch nutzen können, sagt die Daehre-Kommission.

Drittens. In Niedersachsen sind außerdem 550 Millionen Euro vom Haushaltsjahr 2014 an gebunden, um bereits im Bau befindliche Projekte fertigzustellen.

Sehr geehrte Damen und Herren, das sind Fakten, denen wir uns als Verantwortungsträger zu stellen haben. Der Sanierungsaufwand und die Zahlen werden nicht besser, wenn wir sie immer und immer wieder hier am Pult und im Ausschuss wiederkäuen.

(Glocke des Präsidenten)

Rot-Grün ist angetreten, eine moderne und nachhaltige Verkehrspolitik einzuleiten und diese Politik in den kommenden Jahren auch umzusetzen.

Es kann eigentlich nicht wahr sein, dass ausgerechnet Sie von CDU und FDP, die Sie in den letzten zehn Jahren verantwortlich für den Zerfall unseres bestehenden Netzes waren, sich weiterhin in

Ihrer Stimme überschlagen und Neubauten fordern.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist geradezu so, als wenn es in Ihr Haus hineinregnet, sich an den Wänden Schimmel breit macht und im Schlafzimmer der Putz von den Wänden bröckelt, Sie aber trotzig den Bau eines schicken Wintergartens einfordern.

(Ulf Thiele [CDU]: In welchem Land leben Sie eigentlich?)

Erst den Bestand sanieren und dann über Neues nachdenken: So herum gelingt ein verantwortungsvoller Umgang mit dem uns anvertrauten Netz.

Die Mittel, die Niedersachsen bislang durch das Entflechtungsgesetz in Höhe von jährlich rund 123 Millionen Euro zur Verfügung stehen, sind Mittel, die für den Neubau und den Ausbau der Verkehrsträger Straße und Schiene zu verwenden sind. Diese Mittel werden wir in den kommenden Jahren vernünftig einsetzen.

(Glocke des Präsidenten)

Für einen fließenden Verkehr, für die Anbindung der Menschen auch auf dem Land und für eine starke Wirtschaft in Niedersachsen brauchen wir weit mehr als eine ideenlose graue Betonpolitik. Das ist schon lange nicht mehr zeitgemäß.

Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.

Rot-Grün wird mit diesen wichtigen Parametern eine zukunftsfähige Verkehrspolitik entwickeln, die mehr als nur eine einzige Strategie bereithält. Wir räumen dem Erhalt und dem Bestand unserer Verkehrswege Priorität vor dem Neubau ein, und wir werden Verkehrsträger, deren ökologische Kosten geringer ausfallen als andere, stärker fördern.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Zu dem Beitrag der Kollegin Menge liegen zwei Wortmeldungen zu Kurzinterventionen vor. Ich erteile zunächst dem Kollegen Miesner von der CDU das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Kollegin Menge, Sie haben überwiegend überhaupt nicht zum Thema gesprochen.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben den Tagesordnungspunkt genutzt, um hier eine rein ideologische Rede grundsätzlich gegen den Straßenbau in Niedersachsen zu halten.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Sie haben die totale Gegenrede zu den Worten von Herrn Minister Lies vorgestern zum Thema Bundesfernstraßenbau gehalten.

(Thomas Adasch [CDU]: Genau so ist es!)

Sie haben sich ganz eindeutig gegen die Bundesautobahnprojekte A 20 und A 39 ausgesprochen. Sie haben das mit Betonpolitik erklärt. Das alles lässt sich im Protokoll nachlesen.

Ich komme jetzt zu dem Thema, über das wir gerade sprechen. Es geht darum, Mittel für den kommunalen Straßenbau und auch für den kommunalen Radwegebau bereitzustellen. Wir stellen fest, dass bis 2017 die Mittel in diesen Bereichen durch Ihre Politik um ein Drittel gekürzt werden sollen.

Jetzt können Sie einmal dazu Stellung nehmen, wie viele Radwege zukünftig in den Kommunen, in den Gemeinden und Landkreisen, in Niedersachsen nicht mehr gebaut werden sollen. Diese Frage möchte ich gerne beantwortet wissen.

(Beifall bei der CDU)

Zu einer weiteren Kurzintervention hat die Kollegin König von der FDP das Wort.

Herr Präsident! Frau Menge, ich kann meinem Vorredner nur beipflichten: Sie sind völlig vom Thema abgewichen.

Niedersachsen ist ein Flächenland mit sehr vielen großen Industrie- und Logistikbereichen. Wir haben in den einzelnen Bereichen in den Städten und Kommunen Wachstum, was Gewerbegebiete angeht. Wir wollen im Prinzip die Dorfzentren wieder vernünftig darstellen, indem wir den Verkehr,

vor allen Dingen den Schwerlastverkehr, dort herausholen. Wir wollen also den Unternehmen nicht nur einen Anreiz bieten, sich weiterhin in Niedersachsen zu betätigen und sich niederzulassen, sondern wir wollen auch die Dörfer von ihrer jetzigen Struktur in eine verbesserte hineinführen. Das haben wir in der Vergangenheit phantastisch gewährleistet, und die Dörfer haben sich grundsätzlich besser entwickelt.