Meine Damen und Herren, bei so viel sozialdemokratischer Vielstimmigkeit fehlen jetzt nur noch SPD-Umweltministerin Hendricks, die natürlich den Führerscheinentzug bei Umweltvergehen fordern muss, es fehlt SPD-Sozialministerin Nahles, die sich vielleicht mit einem Beitrag zum Thema Rentenniveau und Höchststrafe in die Diskussion einbringt, und es fehlt die SPD-Außenministerin Zypries, bei der ich mir aber eine inhaltliche Positionierung aktuell gar nicht vorstellen kann.
(Helge Limburg [GRÜNE]: Wirt- schaftsministerin! - Weitere Zurufe von der SPD - Christian Dürr [FDP]: Das ändert sich doch ständig!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist jetzt aufgeklärt, welche Ressortzuständigkeit besteht, sodass Sie das hier nicht weiter diskutieren müssen. Herr Kollege Calderone fährt jetzt fort.
Hier in Niedersachsen können wir die wirren Zustände in dieser Frage noch weiter durchdeklinieren. Während sich die grüne Justizministerin bisher in der Öffentlichkeit eher negativ zum Führerscheinentzug als Strafmittel eingelassen hat, sagt der rote Innenminister in der gleichen rot-grünen Koalition: Führerschein weg für junge Straftäter!
Da ist es geradezu wohltuend, in den Koalitionsvertrag auf Bundesebene zu schauen, in dem auch der im Entschließungsantrag der FDP zitierte Satz steht:
„Um eine Alternative zur Freiheitsstrafe und eine Sanktion bei Personen zu schaffen, für die eine Geldstrafe kein fühlbares Übel darstellt, werden wir das Fahrverbot als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht einführen.“
Meine Damen, meine Herren, dieser Satz könnte in seiner Klarheit von einem Christdemokraten formuliert worden sein. Er zeigt das Ziel, und er zeigt den Grund.
Ein Satz ist allerdings nicht geeignet, um sich mit einem wie in vielen Fragen durchaus bestehenden Katalog von Pro- und Kontraargumenten auseinanderzusetzen. Die FDP trägt in ihrem Antrag einige unstrittig bestehende bedenkenswerte Kontrapositionen vor, insbesondere die Schwierigkeit bei der Überwachung der Strafe und härtere Auswirkungen je nach individueller Lebenssituation, insbesondere für Vielfahrer, Pendler und Bewohner des ländlichen Raums. Beide Argumente gelten im Übrigen heute bereits, wenn bei Verkehrsdelikten Fahrverbote verhängt werden.
Auf der anderen Seite ist die Auswirkung von Strafe auf das Individuum immer unterschiedlich; Kollegin Wahlmann hat darauf hingewiesen. Eine zur Bewährung ausgesetzte Haftstrafe mag im Zweifel keine Auswirkungen auf Leben und Verfassung des Verurteilten haben. Einem Wohlhabenden ist eine Geldstrafe im Zweifel eher egal. Eine Strafhaft kann im Zweifel dem einen den Arbeitsplatz kosten, der andere besitzt ihn erst gar nicht. Auch ein Fahrverbot belastet Menschen in unterschiedlicher Weise.
Mobilität kann schließlich nicht nur eine Notwendigkeit, sondern unstrittig auch Vergnügen und Statussymbol sein.
Es kommt also auch heute bereits darauf an, dass das Gericht die individuelle Lebenssituation und die Auswirkung von Strafe darauf mit in die Erwägungen einbezieht.
Vor diesem Hintergrund kann eine Erweiterung des Kataloges der Strafmittel tatsächlich der Richterin oder dem Richter bessere Möglichkeiten geben, auch heute existierende härtere oder mildere Folgen von Strafe noch besser auszutarieren, also die individuelle Gerechtigkeit von Strafe noch mehr in den Blick zu nehmen. Dass dies unseren Gerichten gelingt, ist zutiefst Überzeugung der CDU.
Dass sogenannte verkehrsausschließende Maßnahmen jedenfalls Sanktionen sind, die in einer Mobilitätsgesellschaft spürbar zu sein scheinen, zeigt, dass gegen sie vor Gericht oft heftig gekämpft wird.
Mein Fazit: Die Aufnahme des Führerscheinentzuges als eigenständige Sanktion im Jugend- und Erwachsenenstrafrecht kann zu einer sinnvollen Erweiterung richterlicher Möglichkeiten und einer besseren Anpassung von Strafen an die Lebenswirklichkeit führen, jedenfalls wenn es gut gemacht ist.
Wie es gut gemacht werden kann und ob wir, was wahrscheinlich ist, um es tatsächlich gut zu machen, abwarten müssen, bis Heiko Maas nicht mehr Bundesjustizminister ist, können wir gerne im Fachausschuss im weiteren Verfahren diskutieren.
(Beifall bei der CDU - Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Hel- ge Limburg [GRÜNE]: Wieso wollen Sie noch acht Jahre warten mit der Entscheidung? Das habe ich nicht verstanden! - Grant Hendrik Tonne [SPD]: Der Kollege Calderone richtet sich auf eine lange Wartezeit ein!)
Vielen Dank, Herr Kollege Calderone. - Für die Landesregierung hat nun Frau Justizministerin Niewisch-Lennartz das Wort. Bitte!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Der Entschließungsantrag der FDP gibt mir Gelegenheit, noch einmal zu dem Thema „Fahrverbot als eigenständige Sanktion“ zu sprechen. Vielen Dank dafür.
Ich stehe grundsätzlich Strafsanktionen neben Haft- und Geldstrafen, vor allem bei Bagatellstrafsachen, sehr positiv gegenüber. Die Einführung des Fahrverbotes als eigenständige Sanktion im Erwachsenen- und Jugendstrafrecht bei allen Straftaten begegnet allerdings Bedenken.
Ein Fahrverbot bei allen nicht verkehrsbezogenen Straftaten, Höchstdauer sechs Monate, birgt viele Risiken. Ob diese Risiken die Vorteile überwiegen, scheint mir sehr zweifelhaft zu sein. Die größte Gefahr wurde hier schon angesprochen, und zwar die ungleiche Wirkung dieser Strafe. Den einen Täter wird das Fahrverbot hart treffen, bei dem anderen wird es praktisch wirkungslos bleiben. Finanziell gut gestellte Menschen können sich Fahrdienste und Taxis leisten. Wer dagegen keinen Führerschein hat, auch weil er ihn sich bisher
vielleicht gar nicht leisten konnte, hat umgekehrt keine Möglichkeit, durch ein Fahrverbot eine Geld- oder Freiheitsstrafe abzuwenden. Das ist eine Ungleichheit, die kein Richter bei aller Anstrengung in der Abwägung vermeiden kann.
Wer in der Stadt wohnt - nehmen wir die Landeshauptstadt -, hat beste Voraussetzungen, den öffentlichen Nahverkehr zu nutzen. Dann kann er ein solches Fahrverbot leicht verschmerzen. Lebt er jedoch im ländlichen Bereich, wird er von seinem Arbeitsplatz und von seinen sonstigen sozialen Kontakten abgeschnitten.
Nicht nur das, sondern Dritte, vor allem auch Kinder, werden von der Sanktion erheblich mit betroffen: Wie kommen sie zum Fußballtraining, zur Musikschule, zum Geburtstag der besten Freundin?
Unbestritten bietet aber die Erweiterung von Sanktionsmöglichkeiten neben Geld- und Freiheitsstrafen auch Chancen. Ich habe mich immer für die Flexibilisierung bei der Ahndung von Straftaten eingesetzt. Es muss dabei geprüft werden, wie wir Täter erreichen, die insbesondere von kurzen Freiheitsstrafen einfach nicht profitieren, die Gesellschaft aber eben auch nicht. Deswegen meine ich, dass das vermieden werden sollte.
Ich möchte hier aber ein weiteres Risiko ansprechen, das noch nicht diskutiert wurde. Es ist das erste Mal, dass wir ohne inhaltlichen Bezug zur Tat als originäre Strafe den Entzug einer hoheitlichen Erlaubnis in den Blick nehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir damit nicht eine Tür aufmachen, die wir ansonsten nicht wieder zukriegen: Als eigenständige Sanktion den Entzug des Jagdscheins? Als eigenständige Sanktion den Entzug des Waffenscheins? Als eigenständige Sanktion den Entzug des Bootsführerscheins, des Flugscheins? - Dann sind wir auch nicht mehr weit weg von gewerblichen Erlaubnissen.
Ich halte das für einen Punkt, den man intensiv betrachten muss. Bei allem Interesse von mir persönlich an Alternativen zu Geld- und Haftstrafen, meine ich, sind das Dinge, die wir im Zuge Ihres Antrags intensiv betrachten und erörtern sollten, bevor wir uns endgültig für die oder die andere Seite entscheiden.
Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor, sodass ich die Beratung schließen kann.
Federführend soll der Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen sein. Wer so beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Sie haben es so beschlossen.
Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung: Lehrermangel in Niedersachsen: Daten zur Unterrichtsversorgung jetzt vorlegen! - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/7276
Vielen Dank. - Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir sind von dieser Landesregierung ja schon viel gewohnt, vor allen Dingen vonseiten des Kultusministeriums. Aber gerade in diesen Tagen muss man sich wieder die Frage stellen: Was ist da eigentlich los im Niedersächsischen Kultusministerium?
Da werden am 18. August letzten Jahres die offiziellen Daten zur Unterrichtsversorgung erhoben, und heute - ein halbes Jahr später und zu einem Zeitpunkt, zu dem sogar schon das zweite Schulhalbjahr begonnen hat - ist dieses Ministerium immer noch nicht in der Lage, diese Daten offiziell vorzulegen.