Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, nun könnten wir alle sagen: Alles gut! Der Aktionsplan für die Jahre 2017 und 2018 liegt vor. Die Arbeit kann beginnen. - Ja, das kann sie. Doch ganz so leicht ist es leider nicht. Denn die kritischen Punkte - nämlich die konkrete Umsetzung der Maßnahmenvorschläge und damit die gleichberechtigte Teilhabe, Selbstbestimmung und Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen - sind im Aktionsplan leider in vielen Bereichen weiterhin offen bzw. ohne konkrete Angaben zum Zeitplan in den zwei Jahren. Ebenso liegt der Entwurf zur Novellierung des Niedersächsischen Gesetzes zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen bis heute nicht vor.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, unser ursprünglicher Entschließungsantrag „UN-Behindertenrechtskonvention endlich umsetzen - niedersächsischen Aktionsplan jetzt verabschieden und NBGG anpassen!“ wurde am 9. August 2016 gestellt und nach Eingang sofort in den Ausschuss verwiesen.
Wir als CDU-Fraktion warben am 25. August, in der ersten Ausschusssitzung, um breite Zustimmung, ganz im Sinne der Menschen mit Behinderungen, ganz im Sinne der Fachkommission Inklusion. Nur gab es dann leider nicht diese breite Zustimmung, sondern - das müssen wir im Nachhinein sagen - eine breit inszenierte Verzögerungstaktik.
Zunächst forderte man einen Sachstandsbericht seitens des Sozialministeriums an. Auch die Landesbehindertenbeauftragte sollte gehört werden, weil auch sie Kritik geübt hatte.
Bis zum 22. September letzten Jahres stand unser Antrag dann nicht mehr auf der Tagesordnung. Als ich an den Antrag erinnerte, antwortete der Vorsitzende des Ausschusses,
„dass für die Sitzungen am heutigen Tag die Beratung des Haushaltsplanentwurfs vorgesehen sei und für die weitere Behandlung dieses Antrags die Sitzung am 6. Oktober 2016 und gegebenenfalls bereits die Sitzung am 29. September 2016 in Betracht komme“.
Ich sage mal: Ein Schelm, der Böses dabei denkt! Denn auf der Tagesordnung waren noch zwei weitere Beratungspunkte. Man hätte das also gut miteinander verbinden können. Ein Vorsitzender hat auch das Recht, etwas auf die Tagesordnung zu setzen.
Sitzung am 29. September letzten Jahres: Die Landesbehindertenbeauftragte war im Rahmen der Haushaltsberatung zugegen. Zu meinem Vorschlag, sie doch bitte mit anzuhören, wurde vom Kollegen Schwarz angemerkt,
„dass es üblich sei, im Rahmen der Haushaltsberatungen Fragen zu stellen. Sofern diese Fragen nicht sofort beantwortet werden könnten, würden diese üblicherweise zurückgestellt. Dieses Verfahren könne jedoch nicht die Beratung des Entschließungsantrages und auch nicht die Anhörung der Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen und des zuständigen Abteilungsleiters ersetzen“.
Nein, nächste Sitzung, 6. Oktober: Antrag wieder nicht auf der Tagesordnung, auch nicht am 20. Oktober und auch nicht am 27. Oktober.
Doch das war das Kuriose: Plötzlich - zwischendurch, am 12. Oktober, genau an einem Tag, als eine Sozialausschusssitzung war - teilte man seitens des Ministeriums mit, dass man zu einer Veranstaltung in die Akademie des Sports einlädt, zum Dank an die Fachkommission für die von ihr geleistete Arbeit, die im Grunde genommen - das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen - bereits im Juni 2015 mit der Überreichung der Ergebnisse abgeschlossen war. Natürlich gab es kritische Anmerkungen von allen Seiten im Ausschuss. Aber auch hier: keine Unterrichtung.
Nun endlich: 3. November, die Unterrichtung. Die Landesbehindertenbeauftragte war da. Das Ministerium konnte im Ausschuss Stellung beziehen. Wurde auch über den Antrag abgestimmt? Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, weit gefehlt! Schon eine Lektüre des Protokolls zeigt: Hier sollte Zeit gewonnen werden, um den Antrag letztendlich für erledigt zu erklären, Zeit, um noch einen Schnelldurchlauf für den Aktionsplan präsentieren zu können. So war es denn auch. Schwups! Überraschenderweise kam an jenem Tag der Aktionsplan in gedruckter Form auf den Tisch. Noch eine nette Werbetasse dazu - ist doch alles gut!
Durch den verzögerten Zeitrahmen mussten wir unseren Antrag mittlerweile anpassen. Natürlich haben wir dies im Jahre 2016 nicht mehr abgeschlossen, auch nicht im Januar 2017; denn am 25. Januar wurde der Aktionsplan öffentlich vorgestellt mit einem Markt der Möglichkeiten. Natürlich geht man dorthin und trifft - weil ich ja selber aus diesem Berufszweig komme - viele ehemalige Kolleginnen und Kollegen. Man tauscht sich dann auch aus.
Genau das, was jetzt in unserem angepassten Änderungsantrag zu finden ist, haben die Fachkollegen angemerkt und bemängelt: zu wenig Verbindlichkeit, teilweise gegenläufige Entscheidungen innerhalb der Ressorts der Ministerien und das fehlende Niedersächsische Behindertengleichstellungsgesetz.
Hierzu ein paar Beispiele: Im Aktionsplan wird vermerkt, dass die gesetzlichen Grundlagen für das Steuerungsinstrument Förderzentrum geschaffen werden. - Meine Damen und Herren, genau das Gegenteil ist der Fall: Förderzentren werden nicht weiterentwickelt, sondern es wird erst einmal
eine neue Verwaltungsebene durch die sogenannten Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren geschaffen. Praxisnähe? - Weit gefehlt!
Ein weiteres Beispiel: Im Aktionsplan steht, dass die Zusammenarbeit von Schulen mit privaten Trägern und Förderzentren durch die Änderung der gesetzlichen Vorgaben gefördert werden soll. Doch auch hier ist das Gegenteil der Fall. Durch weniger Finanzmittel werden die Schulen benachteiligt. Wie soll denn eine erfolgreiche Inklusion vonstattengehen? Wie sollen zusätzliche Sonderpädagogen, die aufgrund rechtlicher Hürden noch nicht einmal in den Schulen freier Träger arbeiten können, tätig werden?
Während der Veranstaltung am 25. Januar wurde mir von den ehemaligen Kollegen ganz klar signalisiert - ich zitiere -: „Das Ding läuft vollkommen an die Wand, wenn es so bleibt!“
Ein drittes Beispiel - mein Kollege Max Matthiesen hat es schon im letzten Plenum gesagt -: Maßnahmen im Handlungsfeld Wohnen. Im Aktionsplan steht, dass die DIN 18 040-2 im Landesrecht verbindlich wird. Sie gibt als Ziel aus: Die bauliche Barrierefreiheit bei Neubauten wird gewährleistet. - Doch das Gegenteil ist der Fall. Die NBauONovelle setzt das nicht um, berücksichtigt keinen einzigen Vorschlag des Landesblindenverbandes, des Deutschen Schwerhörigenbundes oder des Sozialverbands Deutschland.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, abschließend sagen wir als CDU-Fraktion: Ja, es liegt ein Aktionsplan vor. Ja, man kann mit ihm beginnen zu arbeiten. Aber: Nein, er ist nicht verbindlich. Er gewährleistet nicht die generelle Einbeziehung der Verbände und Selbstvertreterinnen und Selbstvertreter in die laufenden Prozesse.
Die Novellierung des NBGG liegt bis heute nicht vor. Laut Aussage des Ministeriums vom 9. Februar 2017 ist sie auch noch nicht in der Verbandsanhörung gewesen.
Deswegen werbe ich wirklich dafür: Lassen Sie uns heute gemeinsam diesen Antrag beschließen! Er wäre ein starkes Signal aus diesem Hause, ein starkes Signal an unsere behinderten Menschen, ein starkes Signal an die Fachkommission, und es wäre auch ein Zeichen der Wertschätzung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Pieper hat soeben selbst darauf hingewiesen, wie intensiv dieser Antrag im Sozialausschuss beraten worden ist.
Wir haben uns damit in acht Sitzungen beschäftigt. Wir hatten uns auch darauf verständigt, dass wir den Abteilungsleiter und die Landesbeauftragte Frau Wontorra in eine gemeinsame Sitzung bitten, damit sie uns die Entstehungsgeschichte und den Sachstand darstellen kann. Dies ist am 3. November 2016 geschehen. Am 6. Januar 2017 hat sich abschließend das Landeskabinett mit dem Aktionsplan beschäftigt. Am 25. Januar wurde dieser in einer Veranstaltung öffentlich vorgestellt.
Spätestens dann hätte auch der CDU-Fraktion klar sein können, dass sie sich mal wieder hinter einen fahrenden Zug geschmissen hat, dass ihr Antrag erledigt ist und sie ihn einfach nur hätte zurückziehen müssen. Aber weit gefehlt! Frau Pieper bestätigt heute, es liegt ein Aktionsplan vor. Jetzt wird in dem Änderungsantrag gefordert, dass nun noch konkrete Maßnahmen festzulegen seien. Ehrlich gesagt, ich verstehe das nicht mehr.
Das ist der Aktionsplan. Auf 55 Seiten wird minutiös festgeschrieben, welche Handlungfelder zu bearbeiten sind, welches Ministerium dafür jeweils zuständig ist und dass all dies bis 2018 erledigt zu sein hat. Im Ausschuss ist durch das Ministerium auch deutlich geworden, dass die Abarbeitung dort sehr sorgfältig beobachtet und kontrolliert wird.
Ich finde, mehr geht nun wirklich nicht mehr, meine Damen und Herren. Aber jeder blamiert sich so gut, wie er eben kann. Das sei auch der CDUFraktion zugestanden.
Sie fordern in Ihrem zweiten Punkt zur Umsetzung, die Verbände und die Betroffenen in den laufenden Prozess einzubeziehen. - Erstens ist die Einbeziehung Betroffener eine verpflichtende Vorgabe der UN-Behindertenrechtskonvention. Zweitens hat die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderun
„Es ist sichergestellt, dass die folgenden Schritte der Umsetzung … in einem Prozess geschehen werden, in dem die unmittelbare Partizipation der Menschen mit Behinderungen erfolgt. Dazu wird es eine Begleitgruppe geben, in der Vertreterinnen und Vertreter des Landesbehindertenbeirats und ich in meiner Funktion als Landesbeauftragte aktiv mitarbeiten“.
Frau Pieper, für Lesekundige ist genau dieser Tatbestand auch im Aktionsplan beschrieben. Somit ist auch Ihr zweiter Punkt eindeutig erledigt.
Im dritten und letzten Punkt fordert die CDU die Anpassung des Niedersächsischen Behindertengleichstellungsgesetzes und stellt fest, sieben Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention lasse die Gesetzesnovellierung immer noch auf sich warten.
Ehrlich gesagt, das ist, finde ich, ein Ding aus dem Tollhaus. Erstens stimmt das nicht. Wir haben nämlich im März 2014 dieses Gesetz durch eine von SPD und Grünen eingebrachte Gesetzesänderung schon einmal angefasst. Es ging darum, dass wir der Tatsache Rechnung tragen wollten, dass Ende 2014 der langjährige Beauftragte für Menschen mit Behinderungen, Herr Finke, in den Ruhestand ging. Wir haben einen Vorschlag eingebaut, dass der Landesbehindertenbeirat einen Personalvorschlag unterbreiten kann, also ein Vorschlagsrecht für diese Besetzung bekommt, und vor einer Bestellung seitens der Landesregierung gehört werden muss. Exakt in diesem Sinne ist dann Frau Wontorra vorgeschlagen und berufen worden.
Ich will die Gelegenheit nutzen - sie hat kein wirklich leichtes Erbe angetreten -, ihr von dieser Stelle für ihre Arbeit ausdrücklich zu danken, meine Damen und Herren.
Zweitens. Wenn die CDU von sieben vergangenen Jahren spricht, erlaube ich mir, daran zu erinnern, dass die UN-BRK 2009 in Kraft getreten ist, Sie von der CDU aber bis 2013 die Regierung gestellt haben. Fünf von diesen sieben Jahren fallen also unter Ihre Regierungszeit. Wenn Sie also im Nachhinein Ihre eigene Untätigkeit beschimpfen, habe ich damit kein Problem. Das ist zumindest
Es ist 2003 die Regierung Wulff gewesen, die einen ausgearbeiteten Gesetzentwurf für ein Behindertengleichstellungsgesetz vorgefunden hat und dann in einem vertraulichen Vermerk feststellte - ich zitiere -: Das Behindertengleichstellungsgesetz soll nur noch grundsätzlich für die Landesverwaltung gelten und auf alle strittigen Regelungen verzichten.
Mit diesem Vermerk haben Sie das Behindertengleichstellungsgesetz sage und schreibe fünf Jahre lang liegengelassen und dem Parlament nicht zur Verabschiedung zugeführt. Dieses ist dann unter dem Druck der nächsten Landtagswahl erst im Jahr 2008 geschehen.
Meine Damen und Herren von der CDU, so sah Ihr Umgang mit behinderten Menschen aus! Das war übrigens in Ihrer Regierungszeit nicht das erste Mal. Darauf muss ich nun wirklich einmal hinweisen. Ich finde, wer damals so gehandelt hat und heute so tut, als habe er damit gar nichts zu tun gehabt, der ist gänzlich ungeeignet, uns hier zu belehren, meine Damen und Herren.
Ich will auf einen weiteren Punkt hinweisen. In dem dann verabschiedeten Gesetz ist eine Revisionsklausel für den 31. Dezember 2010 vorgesehen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte die damalige Wulff-Regierung das Gesetz überarbeiten müssen, und spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Aktionsplan vorgelegt sein müssen.