Protokoll der Sitzung vom 03.03.2017

Die Ausbildung in Osnabrück, die Sie angesprochen haben, ist zum großen Teil daran gescheitert, dass das Vertrauen zwischen der damaligen schwarz-gelben Landesregierung und den muslimischen Verbänden vollkommen den Bach runtergegangen war.

(Widerspruch bei der CDU)

- Nein. In Osnabrück gibt es keine Imamausbildung, sondern eine Imamfortbildung, eine Fortbildung für Imame, die beispielsweise aus der Türkei kommen und sozusagen auf die hiesige Situation ausgebildet werden. Ich glaube, dass man darauf aufbauen kann, aber das bietet nicht die Grundlage für die Lösung unseres eigentlichen Problems.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch die Frage der Finanzierung ist nicht geklärt. Sie haben eben etwas von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts hineingerufen. Das ist ein Modell, über das man diskutieren kann.

Mir geht es darum, dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, wenn wir dieses Problem angehen wollen. Daher sollten wir uns ein bisschen sputen. Wie gesagt, ich sehe eine gewisse Einigkeit, was die Zielrichtung angeht, aber ich wundere mich eben auch über die Rhetorik, die im Zusammenhang mit dem Staatsvertrag immer wieder an den Tag gelegt worden ist.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Herr Dr. Birkner für die FDPFraktion, bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der CDU-Fraktion dankbar, dass sie diesen Antrag eingebracht hat, gibt er doch Gelegenheit, sich hier im Parlament erneut über die Frage auszutauschen, wie wir als Politik künftig mit den Vertretern des muslimischen Lebens in Niedersachsen umgehen wollen.

In dem, was ich von Herrn Onay und Herrn Thiele vernommen habe, habe ich sowohl hinsichtlich der Analyse als auch hinsichtlich der Perspektive viele Übereinstimmungen festgestellt. Daher frage ich mich, ob es jetzt nicht besser als bei den Vertragsvorhaben des Ministerpräsidenten gelingt, die Dinge frühzeitig gemeinsam voranzubringen. Wir stecken zum Teil ja auch deshalb in dieser Situation, weil das ganze Vorhaben schlecht vorbereitet war und schlecht durchgeführt worden ist. Vieles geschah hinter verschlossenen Türen, und es ist gerade nicht frühzeitig über grundsätzliche Fragestellungen diskutiert worden.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Herr Kollege Onay hat zu Recht darauf hingewiesen: Dass DITIB Partner des deutschen Staates ist, war politisch gewollt. Das hat der deutsche Staat in den 80er-Jahren genau so gewollt. Man hat ja auch nur denjenigen Imamen eine Einreisegenehmigung erteilt, die von DITIB quasi bestätigt waren und vom türkischen Staat, von Diyanet, entsendet wurden. Das geschah, um Extremisten etwa aus arabischen Räumen auszuschließen.

Damit hat man am Ende eine Struktur begünstigt, von der wir heute sagen, dass sie nicht mehr zeitgemäß und gerade vor dem Hintergrund der Entwicklungen in der Türkei auch nicht mehr angemessen ist. Diese Struktur hat die DITIB zumindest hinsichtlich der Bezahlung der Imame, aber möglicherweise auch darüber hinaus in Abhängigkeit zu Diyanet und damit zum türkischen Staat gebracht. Deshalb ist es richtig, dass wir das diskutieren. Diese Struktur ist nicht mehr zeitgemäß. Die Situation in der Türkei führt dazu, dass wir mit völlig inakzeptablen Einflussnahmen rechnen müssen.

Wenn wir DITIB als Partner behalten wollen - und davon gehe ich aus; ich habe noch niemanden gehört, der dagegen gesprochen hat -, allerdings

unter der Voraussetzung, dass die Unabhängigkeit gewährleistet ist, dann müssen wir uns aber auch ehrlich machen. Und „ehrlich“ bedeutet Geld. Wir können den Gemeinden ja nicht sagen, dass sie das von heute auf morgen selbst bezahlen müssen. Das wird nicht funktionieren, weil sie dazu gar nicht in der Lage sind.

Aber wir müssen auch Forderungen stellen. Das ist angesprochen worden. Die Verbände müssen sich aus meiner Sicht mitgliedschaftlich organisieren. Das deutsche Religionsrecht ist auf mitgliedschaftliche Organisation, auf einen Körperschaftstatus ausgerichtet. Daran knüpft vieles an, am Ende auch die demokratische Binnenstruktur in den Organisationen. Dahin müssen sich die Verbände bewegen. Sie können nicht einfach sagen, das sei nicht islamisch. Denn das ist ja gar nicht der Punkt. Es ist ja auch nicht so, dass körperschaftliche Organisationen christlich sind. So etwas gibt es in anderen Staaten auch nicht.

Es ist also schon die Frage: Welche Forderung stellen wir? Wir müssen klarmachen, was wir definieren, und das den Partnern dann auch deutlich sagen. Da sehe ich viele Übereinstimmungen, die eine Basis für gemeinsame Positionierungen sein können.

Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir diesen Übergangsprozess aus dieser abhängigen und von uns selbst gewollten und begleiteten Struktur in eine unabhängige Struktur hinbekommen, und das mit einer körperschaftlichen Ausrichtung mit mitgliedschaftlicher Organisationsform verbinden.

Diese Fragen vor dem Hintergrund der Verträge mit den islamischen Religionsgemeinschaften diskutieren zu wollen, ist allerdings der falsche Fokus. Denn materiell geben die Verträge gar nicht so viel Neues her; das hat eher symbolischen Charakter. Ich teile die Einschätzung, dass sie eher den Rahmen für das weitere Miteinander beschreiben.

Aber wenn das ein Problem ist und wir nicht einmal die Verträge abschließen können - in denen inhaltlich nicht viel Neues steht -, dann können wir mit den Partnern auch nicht über den Religionsunterricht und auch nicht über die Seelsorge im Justizvollzug sprechen. Und dann, würde ich konsequenterweise sagen, ist DITIB auch kein Partner für die Ausbildung der Imame.

Wenn das so ein wichtiges Kriterium ist, kann ich diesen Wertungsunterschied nicht nachvollziehen.

(Zustimmung bei der FDP - Helge Limburg [GRÜNE]: Sehr richtig!)

Ich glaube, dass wir diese Diskussion führen müssen. Die Unabhängigkeit ist eine unabdingbare Voraussetzung. Dabei geht es nicht in erster Linie darum, dass die Unabhängigkeit in der Satzung abgebildet wird. Das ist, sage ich mal, Rechtstechnik. Vielmehr müssen wir sichergehen, dass die Unabhängigkeit auch gelebt wird. Und da muss DITIB liefern und sich nicht nur auf Rechtsgutachten verlassen. Da muss es ein klares Bekenntnis von DITIB geben, dass man die Unabhängigkeit auch erreichen will.

In Niedersachsen gibt es solche Signale. Aber der Landesverband ist Bestandteil einer Bundesorganisation, die auch Einfluss nimmt. Es muss eine gemeinsame Position des gesamten Verbandes und nicht nur einzelner Akteure sein.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Dr. Birkner. - Jetzt hat sich der Ministerpräsident zu Wort gemeldet. Bitte schön, Sie haben das Wort, Herr Ministerpräsident!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich freue mich sehr, dass die Diskussion, die wir zu diesem schwierigen Thema führen, sehr reflektiert ist und ein großes Maß an Gemeinsamkeiten erkennen lässt.

Beim Blick zurück sehen wir, dass das Land Niedersachsen - auch unter ganz unterschiedlicher politischer Verantwortung - auf vielen Feldern eng, vertrauensvoll und auch erfolgreich mit DITIB zusammengearbeitet hat, obwohl die Repräsentanten des Landes Niedersachsens durchaus immer wussten - so hat es der Kollege Birkner eben auch ausgeführt -, dass es eine besondere Beziehung zwischen DITIB und dem türkischen Staat gibt.

Das ist es also wohl nicht, was uns gerade umtreibt. Nein, was uns umtreibt, ist die deutliche Veränderung in der politischen Ausrichtung der Türkei. Die Türkei hat sich in den letzten Jahren von einem betont laizistischen Staat zu einem Staat mit einer deutlich religiösen Ausrichtung und von einer sehr lebendigen, vitalen Demokratie zu einem autoritär-politischen System gewandelt. Gerade in den letzten Tagen und Wochen haben wir mit der Einschränkung der Pressefreiheit und der strafrechtlichen Verfolgung von Journalisten

Beispiele dafür erlebt, die uns allen miteinander Sorgen machen.

Diese Beispiele müssen dazu führen, dass unser Land, aber auch der Staat insgesamt sein Verhältnis zu DITIB neu definiert. Vor allem aber - und darauf lege ich Wert - muss DITIB selbst sein Verhältnis zur Türkei neu definieren. Das ist eine Diskussion, die innerhalb des DITIB-Bundesverbandes geführt werden muss und die, soweit ich das erkennen kann, auch geführt wird.

Ich habe es als sehr wohltuend empfunden, dass alle Redner sauber differenziert haben zwischen dem, was wir an politischer Ausrichtung des DITIBBundesverbandes zur Kenntnis nehmen, und dem, was wir von unserem niedersächsischen DITIBLandesverband kennen. Ich will auch ausdrücklich hervorheben, dass DITIB Niedersachsen in der Diskussion im Bundesverband aus meiner Sicht eine sehr positive Rolle spielt: mit dem Ziel einer klaren Loslösung und klarer Unabhängigkeit. Dafür kann man dem Repräsentanten aus Niedersachsen nur viel Erfolg wünschen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Unter diesen Voraussetzungen muss DITIB Niedersachsen gleichzeitig alle Voraussetzungen dafür schaffen, dass wir weiter davon ausgehen können, es mit durch und durch unabhängigen Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern zu tun zu haben, damit das, was bei uns als selbstverständlich erachtet wird, auch innerhalb der DITIB-Gemeinden eingehalten wird. Das versteht sich meines Erachtens von selbst. So dürfen Sie im Übrigen auch mein Schreiben an Herrn Kilic verstehen, das zwar nicht für die Öffentlichkeit gedacht gewesen ist, aber das, wie ich finde, einem ehrlichen, klaren Umgang unter Partnern entspricht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mit der richtigen Reaktion auf der Seite des niedersächsischen DITIB-Landesverbandes sind selbstverständlich noch nicht die Probleme gelöst worden. Aus meiner Sicht gibt es im Grunde genommen noch eine Frage, die der Klärung bedarf. Nach dem Verlauf der bisherigen Diskussion bin ich aber zuversichtlich, dass wir am Ende zu einem gleichen Ergebnis gelangen können.

Es geht um die Frage: Müssen wir zu einem klaren Schnitt kommen? Müssen wir sagen, die Voraussetzungen für eine partnerschaftliche Zusammen

arbeit sind nicht gegeben? Oder sollten wir nicht viel lieber miteinander und insbesondere auch mit DITIB intensiv daran arbeiten, sicherzustellen, dass die notwendige Unabhängigkeit der DITIB von einem anderen Staat auch in Niedersachsen gewahrt wird?

Das ist der Kurs, den die Landesregierung fährt. An dieser Stelle bitte ich um Ihre Unterstützung.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. - Die CDUFraktion bittet um zusätzliche Redezeit. Herr Thiele, zwei Minuten. Bitte schön!

Herzlichen Dank, Herr Präsident. - Herr Ministerpräsident, nehmen Sie es mir nicht übel, aber damit lassen wir Sie heute nicht ins Wochenende.

Egal, ob Ihr Brief für die Öffentlichkeit bestimmt war oder nicht: Sie haben an keiner Stelle erklärt, warum Sie in diesem Brief an DITIB - also an den Verband, über den der Imam, der unter Verdacht stand, beschäftigt war - eine Information preisgegeben haben, die dem Parlament gegenüber nicht geäußert werden durfte und die mit Sicherheit dazu geführt hat, dass dieses Ermittlungsverfahren behindert worden ist. Das müssen Sie diesem Landtag hier erklären.

(Zustimmung bei der CDU)

Zweiter Punkt: Herr Ministerpräsident, Sie haben an keiner Stelle deutlich gemacht, wie es jetzt weitergehen soll. Was Sie gesagt haben, war weiße Salbe. Ich finde, wir müssen in dieser Lage und nach einer solch differenzierten Debatte von der Landesregierung erfahren, wie die weiteren Gespräche mit DITIB laufen und mit welcher Perspektive sie angelegt sein sollen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Vielleicht klären Sie das zunächst einmal mit Ihrer Sei- te des Hauses! Bei uns ist klar, wie es weitergeht!)

- Nein, das muss ich nicht mit unserer Seite des Hauses klären, sondern das muss der Ministerpräsident hier deutlich machen; denn er hat erklärt, warum die Verhandlungen mit DITIB abgebrochen worden sind, nämlich mit Blick auf die Türkei. Niemand von uns weiß, welche Perspektive diese

Gespräche aus Sicht der Landesregierung haben sollen. Darüber sind wir heute im Unklaren gelassen worden, und ich finde, das ist für alle Beteiligten - übrigens auch für DITIB selbst - eine Zumutung.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.