Das neue Gesetz hat viele neue Eckpfeiler gesetzt. Das war aber nur der Anfang eines langen Weges, meine Damen und Herren. Ich will daher einige zentrale Aufgaben benennen, die jetzt anstehen:
Eine zentrale Herausforderung liegt in den sehr langen Zeiträumen, für die Sicherheit garantiert werden muss.
Die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, dass wir es nicht allein mit einer technischen Fragestellung zu tun haben. Der Souverän ist die Bürgerin und der Bürger. Von zentraler Bedeutung sind daher Beteiligungsfragen und sozioökonomische Fragestellungen.
Wir müssen Wissen und Erfahrungen an viele nachfolgende Generationen weitergeben. Wir müssen aber auch Kontinuität herstellen. In Kanada studiert man daher sogar im Zusammenhang mit der Endlagersuche, wie indigene Bevölkerungen ihr traditionelles Wissen bewahrt haben und wie sie Wissen und Erfahrungen von Generation zu Generation weitergeben.
Meine Damen und Herren, zum Zeitplan: Nach Verabschiedung des Gesetzentwurfes muss der Vorhabenträger zügig mit der obertägigen Erkundung starten. Dazu braucht er allerdings eine möglichst vollständige geologische Datengrundlage.
Die Zeitvorgaben sind dabei mehr als ehrgeizig. Sie entfalten keine rechtliche Verbindlichkeit, sind aber Orientierungsrahmen und Aufforderung, mit den notwendigen Arbeiten unverzüglich zu beginnen. Niedersachsen hat bei der Verabschiedung im Bundesrat nochmal deutlich gemacht, dass Zweifel an der Realisierung des Zeitplans bestehen. Andere Nationen nehmen sich teilweise sehr viel mehr Zeit für diesen Prozess.
Die Zeitvorgaben dürfen in keinem Fall zur Reduzierung der Sorgfalt bei der Ermittlung und Bewertung der notwendigen Daten, zum Verzicht bei Fehlerkorrekturen und Rücksprüngen sowie zu weniger Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger führen. Hier liegt meines Erachtens ein Schwachpunkt des Gesetzes, weil eine ehrliche und offene Kommunikation Voraussetzung für einen erfolgreichen Prozess und vor allem für Vertrauensbildung ist.
Umso mehr gilt es, besonderes Augenmerk auf den zügigen Aufbau der Institutionen für die Endlagersuche zu legen. Der Vorhabenträger, die Bundesgesellschaft für Endlagerung mit Hauptsitz in Peine, und das Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit als Aufsichts- und Genehmigungsbehörde mit Hauptsitz in Berlin müssen dazu schnell mit dem erforderlichen Personal ausgestattet werden.
Meine Damen und Herren, es gilt aber auch, die Herausforderungen für die Zwischenlagerung und die Behälterentwicklung zu meistern. Denn die Genehmigungen für Zwischenlager sind begrenzt. Die ersten laufen Ende der 2030er-Jahre aus. Die anderen Genehmigungen folgen Schlag auf Schlag bis Mitte der 2040er-Jahre. Auch wenn die optimistischste Planung wider Erwarten eintreten sollte, läge das Datum der Inbetriebnahme eines Endlagers jenseits der genehmigten Zwischenlagerzeiten.
Fast alle Länder mit Atomenergienutzung haben ihr Waterloo mit Top-down-Prozessen bei der Endlagersuche erlebt und neu begonnen. Das gilt für die Schweiz, für Kanada, für die USA und für Großbritannien. Nehmen Sie Kanada: Dort rechnet
man mit einem mindestens 50 Jahre längeren Zeitbedarf. Auch in der deutschen Kommission gab es an diesem Punkt sehr stark divergierende Auffassungen.
Für die weitere Planung sollten ein Best Case und ein Worst Case untersucht werden. In jedem Fall muss man erkennen, dass die derzeitig genehmigten Zwischenlagerzeiten nicht ausreichen. Wir werden daher Verlängerungen der Zwischenlagerzeiten oder neue Zwischenlager benötigen. Dabei muss man wissen, dass die Anforderungen an eine Verlängerung kaum geringer sind als die Anforderungen an eine Neugenehmigung. Maßstab ist dabei der aktuelle Stand von Wissenschaft und Technik. Zu bedenken ist auch, dass den Standorten damals zugesagt wurde, dass nach 40 Jahren Schluss ist.
Unterscheiden müssen wir aber zwischen Sicherheit und Sicherung. Das oben Gesagte gilt für Sicherheit. Das Thema Sicherung gegen die Einwirkungen Dritter birgt zusätzliche Herausforderungen. Ich erinnere an den Renegade-Voralarm vor wenigen Tagen und die Entscheidung des OVG Schleswig zum Zwischenlager in Brunsbüttel.
Schon jetzt muss Vorsorge getroffen werden, damit Alterungsprozesse an den in den Zwischenlagern befindlichen Lagerbehältern frühzeitig erkannt und vorbeugend behandelt werden.
Reparaturkonzepte für Behälter müssen dezentral so weiterentwickelt werden, dass die in Gorleben befindliche Pilot-Konditionierungsanlage endgültig überflüssig wird und abgerissen werden kann.
Die Zwischenlager dürfen nicht zu faktischen Endlagern werden. Daher muss der mögliche Abtransport der Lagerbehälter an einen anderen Ort gewährleistet sein. Erforderliche Zwischenlagerstandorte müssen zukünftig eine gerechte Lastenteilung unter den Bundesländern sicherstellen.
Das sind viele Fachfragen, aber auch hochpolitische Fragen, die man nicht so einfach einem Referat oder einer Abteilung des BMUB überlassen kann. Es muss daher geklärt werden, in welchem Kreis die Antworten auf diese Fragen vorbereitet werden. Die Kommission hat seinerzeit drei ver
schiedene Varianten für die Zwischenlagerung diskutiert. Hier gilt es anzuknüpfen. Wir werden uns um die Zwischenlager intensiv kümmern müssen, auch um die Sorgen der Menschen an den Zwischenlagerstandorten aufzugreifen und sie nicht allein zu lassen. Auch deshalb muss das Verfahren zeitnah gestartet werden.
Wir müssen aber auch die Behälterentwicklung vorantreiben. Abhängig vom letztendlich zu wählenden Konzept für die Endlagerung, sind sehr spezifische Anforderungen zu stellen. Das betrifft die Möglichkeit der Rückholbarkeit und der Bergbarkeit, die langfristige Beständigkeit, die Gasdichtigkeit, die Gasproduktion, die Korrosionsbeständigkeit, den Strahlenschutz, die Temperaturleitfähigkeit, den Hitzeeintrag und viele, viele andere Fragen.
Die verschiedenen derzeitig verwendeten Behälter waren ursprünglich eigentlich nur als Transportbehälter vorgesehen. Mittlerweile sind sie als Transport- und Zwischenlagerbehälter eingesetzt. Für die Endlagerung waren insbesondere ein PolluxBehälter und ein Umpacken von Brennelementen vorgesehen. Hier bestehen deshalb noch erhebliche Anforderungen an Forschung und Entwicklung.
Auch die Fragen zur Zwischenlagerung von schwach und mittelradioaktivem Abfall müssen genau betrachtet werden.
Mit der Vorlage des Nationalen Entsorgungsprogramms der Bundesregierung wurde deutlich, dass auch die Planung für schwach und mittelradioaktiven Abfall überarbeitet werden muss. Erwartet werden etwa 620 000 m³, die unter die Kategorie LAW „schwach radioaktiv“ und MAW „mittelradioaktiv“ fallen. Für Schacht Konrad sind davon 303 000 m³ eingeplant. Damit ist die Kapazität von Konrad ausgereizt, und wir werden dort keine Ausweitung zulassen, meine Damen und Herren.
Weitere ca. 320 000 m³ dieser Abfälle müssen bei zukünftigen Endlagerungsplanungen an einem anderen Standort berücksichtigt werden - sei es am Standort eines künftigen Endlagers für hoch radioaktiven Abfall oder an einem weiteren Standort.
sollte ursprünglich bereits Anfang der 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts in Betrieb gehen. Mittlerweile geht die Bundesregierung von einem Zeitpunkt nicht früher als 2022 aus. Schacht Konrad ist planfestgestellt. Klagen gegen den Standort wurden abgewiesen. Vor der Inbetriebnahme muss der Bund aber noch den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik nachweisen.
Die Sicherheitsanforderungen an die oberirdische Zwischenlagerung sind zurzeit in der Überarbeitung. Zudem sind die Anforderungen der gesetzlichen Regelungen zu beachten, die mit der Übernahme der Zwischenlagerung durch staatliche Institutionen festgesetzt wurden.
Von entscheidender Bedeutung ist die Einhaltung der Produktkontrolle beim Eigentumsübergang, um milliardenschwere Folgekosten für die öffentliche Hand zu verhindern. Die Bundesregierung ist gehalten, auch hier endlich den öffentlich-rechtlichen Vertrag zu veröffentlichen, der auf Basis des Gesetzes zur Umsetzung der Empfehlungen der Kommission zur Finanzierung des Kernenergieausstieges verhandelt wird. Überfällig ist auch die Rücknahme der offenen Klageverfahren durch die Energieversorger.
Meine Damen und Herren, die Bedeutung dieser Punkte wurde bei unserem Besuch vor wenigen Wochen im Waste Isolation Pilot Plant in New Mexico deutlich. Weil ein einziges Fass mit radioaktiven Abfällen aufgrund von Fehlern bei der Konditionierung geplatzt ist, entstanden Folgekosten von mehr als 650 Millionen Dollar. Die Kosten des dreijährigen Betriebsausfalls dürften sich ebenfalls auf 600 Millionen Dollar aufsummieren.
Das Beispiel zeigt, dass strikte Produktkontrolle nicht nur eine elementare Sicherheitsfrage ist, sondern auch eine sehr hohe ökonomische Bedeutung haben kann. Deswegen darf auch die Bundesgesellschaft für Zwischenlagerung hier überhaupt nicht nachlassen; sie muss die entsprechenden Sicherheitsanforderungen, die weiterzuentwickeln sind, strikt einhalten.
Meine Damen und Herren, auf Landesebene bedarf es einer weiteren personellen Stärkung der geowissenschaftlichen Kompetenz des Niedersächsischen geologischen Landesdienstes, damit der Endlagersuchprozess des Bundes fachlich eng
begleitet und bewertet werden kann. Allein die Bereitstellung von Daten der geologischen Dienste, die Auswertung von Gutachten und alten Bohrkernen sowie weitere mögliche Nacherhebungen von Daten werden die Länder erheblich fordern. Niedersachsen hat hier durch die jahrzehntelange Vorerfahrung wichtige Kompetenzen einzubringen. Diese gilt es, bei der Aktualisierung der Zielvereinbarungen zu berücksichtigen.
Niemand sollte darauf hoffen, dass er bei fehlenden Daten aus dem Suchprozess ausgeschlossen wird. Das Gegenteil ist der Fall. Die Verbandsanhörung des Bundestages vom 8. März 2017 hat diesbezüglich noch eine wichtige Ergänzung ergeben, die die Bereitstellung von Datenmaterial regelt. Die Landesämter sind nunmehr auch verpflichtet, bei ihnen vorliegende, aber nicht in ihrem Eigentum befindliche Daten unentgeltlich zur Verfügung zu stellen. Eine Standortsuche, die alle Landesteile einschließt, setzt eine möglichst umfassende Datengrundlage voraus. Gebiete, über die noch keine ausreichenden Daten vorliegen, dürfen nicht vorzeitig aus dem Verfahren ausgeschlossen werden.
Die Verordnung zu neuen Sicherheitsanforderungen und die Verordnung zu Sicherheitsuntersuchungen müssen noch konkretisiert werden. Diese beiden Verordnungsermächtigungen sind in ihrer Bedeutung vielfach unterschätzt worden. Die Kommission hat sich aber lange mit diesen Fragen beschäftigt. Aktuell gibt es keine allgemeine Verordnung über Sicherheitsanforderungen für hoch radioaktive Abfälle. Die bekannten Sicherheitsanforderungen von 2010 haben lediglich Erlasscharakter für eine nachgeordnete Behörde - seinerzeit für einen einzigen Standort. Im Bundesanzeiger sind sie nie veröffentlicht worden.
Auch die Konzeption der Sicherheitsuntersuchungen ist noch ein sehr weites Feld. Hier hat die Kommission wichtige Grundlagen gelegt. Es fehlen aber - neben der Verordnung - noch die untergesetzlichen Ausgestaltungen. Beide Verordnungen sind von großer Bedeutung, um die Anforderungen für bestmögliche Sicherheit für eine Million Jahre genauer zu definieren und mit Hilfe von Sicherheitsuntersuchungen festzustellen, ob ein ausgewählter Ort und eine ausgewählte Lagermethode tatsächlich dauerhaft Langzeitsicherheit gewährleisten können.
Niedersachsen besteht darauf, dass die Bundesländer bei der Erarbeitung dieser Verordnungen zu beteiligen sind. Niedersachsen wird zugleich alle Möglichkeiten nutzen, seine Expertise bei der Erarbeitung der Verordnungsentwürfe einzubringen.
Herr Minister, einen Moment, bitte! - Meine Damen und Herren, die Geräuschkulisse ist wiederum nicht in Ordnung. Das gilt jetzt vor allem für den rechten Bereich des Hauses. Aber ich spreche auch Herrn Prange an: Das ist eine wichtige Regierungserklärung. Es lohnt sich, zuzuhören. - Bitte!
Meine Damen und Herren, Niedersachsen wird weiterhin darauf drängen, dass die Empfehlungen des Kommissionsberichts in den Verordnungen 1 : 1 umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für die Methodik der Sicherheitsuntersuchungen.