Daher haben wir als erstes Bundesland ein Verbot der politischen Betätigung für den stellvertretenden AKP-Vorsitzenden nach § 47 des Aufenthaltsgesetzes erlassen - und er hat sich daran gehalten.
Auch bei dem Thema Bespitzelung durch den türkischen Geheimdienst von Menschen, die der Gülen-Bewegung angehören oder denen man unterstellt, sie stünden ihr nahe, haben wir uns sehr deutlich geäußert: Wir werden in Niedersachsen nicht zulassen, dass unbescholtene Bürgerinnen und Bürger ausspioniert werden, von welchem Geheimdienst auch immer,
und das in diesem Fall nur deshalb, weil sie einer Bewegung angehören, die angeblich an dem Putschversuch im letzten Jahr beteiligt war, wofür es keine Anhaltspunkte gibt. Und schon gar nicht werden wir - um das auch deutlich zu sagen - in irgendeiner Form Amtshilfe leisten. Der einzig richtige Weg war, die Menschen zu warnen, und das haben wir in Niedersachsen getan.
Im Zuge der Entwicklungen und Diskussionen um das Referendum in der Türkei und angesichts der Tatsache, dass es offenbar hohe Zustimmungswerte für den türkischen Staatspräsidenten Erdogan bei den türkischstämmigen Menschen in Deutschland gibt, ist auch immer wieder über die Integration der hier lebenden Türkinnen und Türken debattiert worden. Um es gleich vorwegzunehmen, meine Damen und Herren: Es wäre falsch, zu bestreiten, dass in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bei der Integration Fehler gemacht worden sind. Und genauso falsch wäre es, zu behaupten, die Integration sei überall gescheitert. Wer das behauptet, tut den vielen gut integrierten türkischstämmigen Männern, Frauen und Kindern bei uns - übrigens auch hier im Landtag - großes Unrecht.
Meine Damen und Herren, es ist richtig und notwendig, immer wieder zu hinterfragen, wie wir die Integration optimieren können. Es ist allerdings grundfalsch, die Fragen nach einer besseren Integration mit einer Diskussion über die Aufhebung der doppelten Staatsbürgerschaft zu verknüpfen. Zum einen wäre es nach meiner Überzeugung alles andere als eine verlässliche Politik, eine bundesweite Regelung, die erst vor etwas mehr als zwei Jahren über alle Parteigrenzen hinweg beschlossen worden ist, jetzt wieder zu kippen, nur weil die politische Stimmung es einem nahezulegen scheint. Das sieht offensichtlich und dankenswerterweise auch die Bundeskanzlerin so, die den Beschluss zur Abschaffung der doppelten Staatsangehörigkeit auf dem CDU-Parteitag als falsch bezeichnet hat.
Zum anderen halte ich es aber auch für widersinnig, aufgrund der Entwicklungen in einem Land und der Beziehungen zu diesem Land eine Regelung infrage zu stellen, die im Grunde genommen alle Nichteuropäer gleichermaßen betrifft. Wir müssen uns dabei ohnehin von dem Denken verabschieden, dass die Annahme einer Staatsangehörigkeit oder eines Passes Menschen automatisch, auch innerlich, zu Bürgern eines Landes macht.
Das Zugehörigkeitsgefühl wird doch nicht allein durch einen Pass definiert. Wenn wir Türkinnen und Türken, die hier geboren sind, mit 18 Jahren wieder vor die Wahl stellen, eine Staatsangehörigkeit abzugeben, dann fühlen sie sich aufgrund ihrer Familie, ihrer Freunde, ihrer Sozialisation doch weiterhin zu einem Teil als Deutsche oder Deutscher und zum anderen Teil als Türkin oder Türke. Das kann man nicht durch Umlegen eines Schalters ausschalten. Deswegen betone ich es noch einmal: Es ist möglich, sich als Bürgerin oder Bürger eines Landes oder eben auch eines anderen Landes zu fühlen. Deshalb sollten wir an der doppelten Staatsangehörigkeit auch festhalten und eine Entscheidung nicht von der jeweiligen politischen Tageslage abhängig machen, meine Damen und Herren.
Zur Wahrheit bei dem Thema Integration gehört es aber auch, deutlich anzusprechen, dass es gerade in größeren Städten teilweise zur Bildung von mehr oder weniger geschlossenen Communities gekommen ist. Das gilt übrigens auch für andere Bevölkerungsgruppen, was wiederum zeigt, dass
wir Integrationsprobleme nicht nur bevölkerungsspezifisch, d. h. nur auf hier lebende Türkinnen und Türken bezogen, anpacken müssen. Vielmehr bin ich der Überzeugung: Es lohnt sich, darüber nachzudenken, wie wir Integration sozialräumlich gestalten können, d. h. nach den jeweiligen Räumen, in denen die Menschen leben - und nicht nur auf den jeweiligen Pass oder die Herkunft zu schielen, meine Damen und Herren.
Integration ist ein gesamtgesellschaftlicher Prozess, an dem der Staat und die Zivilgesellschaft gleichermaßen beteiligt sind. Gelingen kann die Integration nur dann, wenn auch der Wille dazu vorhanden ist, und zwar sowohl bei der Bevölkerung, bei denjenigen mit Migrationshintergrund und bei denjenigen, die neu zu uns kommen.
Gerade, um jene neu zu uns kommenden Menschen bei uns erfolgreich integrieren zu können, ist es zentral, ihnen unsere demokratischen freiheitlichen Werte als Basis unseres gemeinsamen Zusammenlebens immer wieder zu vermitteln. Deutschland ist ein Einwanderungsland und auf die Zuwanderung angewiesen. Das sollte angesichts des demografischen Wandels allen bewusst sein.
Daher hatten wir als Landesregierung eine Initiative zu einem Einwanderungsgesetz in den Bundesrat eingebracht, das leider vor allem am Widerstand der CDU-geführten Bundesländer gescheitert ist, die sich dem Thema Einwanderungsgesetz weiterhin beharrlich verschließen. Nichtsdestotrotz werden wir uns als Niedersächsische Landesregierung weiter für eine geregelte Zuwanderung von Arbeitskräften aus dem Ausland einsetzen. Auch unsere Integrationsbemühungen müssen und werden wir weiter verstärken. Das gilt bereits jetzt, und das wird auch nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei gelten, unabhängig davon, wie es ausgeht.
c) Altersvorsorge neu regeln - BürgermeisterVersorgung aus der Zeit gefallen - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/7703
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es wird in diesen Tagen ja viel über Gerechtigkeit diskutiert. Dabei werden aus meiner Sicht auch viele richtige Fragen gestellt. Die Antworten teile ich nicht. Aber das ist der Zusammenhang, aus dem heraus meine Fraktion dieses Thema zur Aktuellen Stunde angemeldet hat. Aus unserer Sicht ist es nämlich auch eine Frage der Gerechtigkeit, wenn ein Bürgermeister fünf Jahre in seinem Amt war und nach seinem Ausscheiden unabhängig vom Alter lebenslang eine Sofortrente erhält.
Schauen wir uns einmal die Lebenswirklichkeit der Menschen an. Ich habe neulich mit einem Bekannten bei mir vor Ort gesprochen. Er arbeitet als Geselle in einem Handwerksbetrieb und verdient dort ungefähr 2 000 Euro netto. Er ist verheiratet, seine Frau arbeitet in Teilzeit, und die Familie hat zwei Kinder. Dem Handwerksbetrieb droht die Insolvenz und die Betriebsschließung. Der Bekannte muss sich nun fragen: Was geschieht, wenn der Betrieb tatsächlich pleitegeht? Was ist, wenn ich meinen Arbeitsplatz verliere? Kann ich dann meine Baufinanzierung weiter tragen? Wie ernähre ich meine Kinder? Wie bekomme ich einen neuen Job?
Wie wird sich dieser Bekannte wohl fühlen, wenn er von der Debatte hört, die heute und in den vergangenen Tagen öffentlich geführt wurde?
An diesem Beispiel merkt man, dass die Altersversorgung der Bürgermeister und Landräte aus der Zeit gefallen ist. Hier gibt es dringenden Reformbedarf, meine Damen und Herren.
Sie ist deshalb aus der Zeit gefallen, weil die Erwerbsbiografien in unserem Land mittlerweile ganz andere sind. Brüche in den Erwerbsbiografien sind heutzutage eher die Regel als die Ausnahme. Es
ist selbstverständlich, dass sich Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer fort- und weiterbilden und im Laufe ihrer Erwerbstätigkeit gegebenenfalls auch mehrere Jobs haben. Vor diesem Hintergrund ist die Frage berechtigt, warum dieses individuelle Risiko bei Bürgermeistern und Landräten auf den Steuerzahler übertragen werden soll, während Bürgerinnen und Bürger es selbst tragen müssen.
Meine Fraktion hat dazu eine Anfrage an die Landesregierung gestellt. Es war etwas holperig, bis wir dann zu den Antworten kamen, aber immerhin, diesmal hat es geklappt. Vorher hatten wir ein wenig im Nebel gestochert, da uns nicht klar war, welches Ausmaß diese Versorgungssituation im Lande hat.
Von der Landesregierung wurde immer gesagt, das seien nur Einzelfälle, die wir hier nicht zu diskutieren brauchen.
In Wahrheit ist es aber so, dass es insgesamt 650 Ruhegehaltsempfänger im Land gibt. Von diesen 650 Wahlbeamten in der B-Besoldung, die entsprechend ihr Ruhegehalt beziehen, sind immerhin 80 % vor dem 65. Lebensjahr in den Ruhestand getreten, 50 % vor dem 60. Lebensjahr, und einige sind sogar unter 40 in den Genuss des Ruhegehaltes gekommen.
Diese Überversorgung, meine Damen und Herren, kostet den Steuerzahler insgesamt über 200 Millionen Euro. Deswegen müssen wir diese Debatte nicht nur unter Gerechtigkeitsaspekten führen, sondern auch unter finanziellen Aspekten. Eine Reform der Altersversorgung bei den Wahlbeamten ist dringend erforderlich.
Meine Fraktion hat den Vorschlag gemacht, die Bürgermeister genauso zu behandeln wie die Landtagsabgeordneten. Das heißt: Ein Übergangsgeld - z. B. für die Dauer eines halben Jahres - soll den Übergang in eine Tätigkeit auf dem normalen Arbeitsmarkt ermöglichen.
Nun kommt immer gleich das Gegenargument, dann würden wir keine guten Leute mehr gewinnen. Aber da, meine Damen und Herren, stelle ich
Oder befinden sich hier im Raum Personen, die sich für nicht qualifiziert halten? - Die können sich jetzt ja melden.
Die Antwort fällt erwartungsgemäß aus. Das heißt, das kann nicht das Problem sein. Wir müssen also an anderer Stelle daran arbeiten, die Ämter der Bürgermeister und der Landräte wieder attraktiver zu machen, meine Damen und Herren.
Jeder kennt solche Beispiele aus seinem Umfeld. Deswegen möchte ich ein anonymes Beispiel vortragen: Ein 48-Jähriger, der Bürgermeister einer Gemeinde mit 16 000 Einwohnern und nach B 3 besoldet war und der nach fünf Jahren aus seinem Amt ausscheidet, bekommt lebenslang ein Ruhegehalt von monatlich 2 500 Euro. Das heißt: Bis zum 67. Lebensjahr, 19 Jahre lang, bekommt er diese Sofortrente. Das sind insgesamt 550 000 Euro, meine Damen und Herren.
Dass der Steuerzahlerbund hier von einem Lottogewinn spricht, kann ich nur allzu gut verstehen. Dass allerdings einer Partei wie den Sozialdemokraten, die ja über eine Deckelung der Managergehälter spricht und Gerechtigkeitsfragen in den Vordergrund stellen will, angesichts dieser Zahl nicht das Herz blutet, wundert mich tatsächlich, meine Damen und Herren.