Protokoll der Sitzung vom 05.04.2017

als abhängig Beschäftigte, im Anschluss an ihre Amtszeit keinen Anspruch aus der Arbeitslosenversicherung.

Meine Damen und Herren, kein Hauptverwaltungsbeamter strebt in dieses Amt, um anschließend darauf zu schielen, in kürzester Zeit in den Ruhestand zu treten, um die Pension zu genießen.

Herr Minister, ich möchte Sie kurz unterbrechen. Herr Grascha würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Nein, danke.

Die allermeisten niedersächsischen Hauptverwaltungsbeamten stellen sich dem Amt und seinen Herausforderungen, um zu gestalten. Sie verfolgen meistens Ziele und Projekte, die sich nicht in ein paar Jahren umsetzen lassen. Das gilt, ganz gleich, ob sie einer Partei bzw. welcher Partei sie angehören.

Das Stellenprofil für einen Hauptverwaltungsbeamten hat sich deutlich verändert. Wer sich heute für eines dieser wichtigen Ämter entscheidet, muss Manager und Generalist mit ausgeprägten sozialen und kommunikativen Qualitäten sein. Gleichzeitig fällt den Hauptverwaltungsbeamten wie auch den Dezernenten die Rolle als Mittler, Moderator und Integrationsfigur zu, der die Belange von Bürgerinnen und Bürgern, Vertretung und Verwaltung im Blick haben muss. Wer sich für dieses Amt entscheidet, stellt schnell fest, dass 60 oder 80 Wochenstunden, 12-Stunden-Tage, Abendveranstaltungen und volle Wochenenden die Regel und nicht die Ausnahme sind. Anders ausgedrückt: Bürgermeister und Landräte haben zweifellos einen Fulltimejob mit überdurchschnittlich hohem Belastungspotenzial.

(Christian Grascha [FDP]: Das stellt doch keiner infrage!)

Es geht mir - damit das nicht missverstanden wird - nicht darum, um Mitleid für die Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamten zu werben. Im Gegenteil. Aus eigener Erfahrung kann ich Ihnen versichern: Bürgermeister ist ein Job mit einem hohen Zufriedenheitsgrad, weil es erfüllend ist, die eigene Kommune gemeinsam mit anderen voranzubringen und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern. Darüber darf man aber die belastenden Begleiterscheinungen, die dieses Amt zwangsläu

fig mit sich bringt, nicht ignorieren. Neben der oft extremen zeitlichen Beanspruchung, unter der nicht selten das Familienleben leiden kann, steht der Hauptverwaltungsbeamte ständig im Fokus des öffentlichen Interesses. Was er macht, wird wahrgenommen, wird öffentlich kommentiert und kritisiert.

Warum erzähle ich Ihnen das alles? Ist das von Relevanz für die heutige Debatte? - Ja. Wir müssen für solche herausfordernden Leistungsposten mit enormen Belastungen entsprechende Anreize setzen.

(Christian Grascha [FDP]: Aber ich denke, das macht deswegen keiner!)

Schon jetzt fällt es seit Jahren zunehmend schwer - das ist die Realität -, geeignete Kandidatinnen und Kandidaten für das Amt zu finden.

Meine Damen und Herren, damit die Kommunen geeignete und qualifizierte Führungskräfte finden können, ist es also unverzichtbar, einen entsprechenden Anreiz zu schaffen. Das ist nicht wie in der Privatwirtschaft über höhere Gehälter möglich, da sich die entsprechende Besoldung in das öffentliche Lohn- und Gehaltsgefüge einfügt.

Herr Minister, Herr Bley möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Ich würde gerne zu Ende ausführen.

(Christian Grascha [FDP]: Es ist wirk- lich schade, Herr Minister, dass Sie keine Zwischenfrage zulassen!)

Stattdessen wir über die versorgungsrechtlichen Regelungen eine gewisse Sicherheit für die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auch für die Zeit nach dem Ende ihrer Tätigkeit geschaffen. Das, meine Damen und Herren, ist auch vor dem Hintergrund bedeutsam, dass die Kommunen wie andere Arbeitgeber auch auf dem Arbeitsmarkt im Wettbewerb um qualifiziertes Führungspersonal stehen.

Wir schließen als Landesregierung in diesem Bereich Anpassungen ausdrücklich nicht aus. Nur müssen ihnen eine sorgfältige Güterabwägung und eine ruhige Diskussion vorausgehen, die dringend notwendig sind. Gut gemanagte Kommunen sind ein Schlüssel für den Erfolg Niedersachsens. Fähige, motivierte, qualifizierte und innovative Men

schen an der Spitze unserer Städte, Gemeinden und Landkreise sind daher unabdingbar.

Ich finde, dass gerade diese Debatte heute Anlass dazu gibt festzustellen, dass wir in der Mehrzahl sehr gute Hauptverwaltungsbeamtinnen und -beamte in Niedersachsen haben,

(Christian Grascha [FDP]: Das hat auch keiner in Abrede gestellt!)

- das weiß ich, Herr Grascha -, denen ich für ihre Arbeit ausdrücklich danke. Natürlich dürfen Besoldung und Versorgung der Kommunalpolitiker nicht ausschlaggebend sein für kommunales Engagement.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir sind am Ende der Besprechung zu Punkt c angelangt.

Ich rufe jetzt auf:

d) Kinderehen sind Kindesmissbrauch - Antrag der Fraktion der CDU - Drs. 17/7707

Ich eröffne die Besprechung. Gemeldet haben sich Frau Mechthild Ross-Luttmann für die CDU sowie Frau Andrea Schröder-Ehlers und Helge Limburg. Sie sprechen in dieser Reihenfolge. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wollen keine Kinderehen in Deutschland.

(Beifall)

Kinder, die bei uns Zuflucht suchen, müssen in einer kindergerechten und gesunden Umwelt leben und ihre Persönlichkeit frei entfalten können, und zwar genauso wie alle Kinder, die in Deutschland geboren werden. Mädchen müssen frei von Ängsten und Bevormundungen durch erwachsene Ehemänner aufwachsen können.

(Jörg Bode [FDP]: Genau!)

Das können sie aber nicht, wenn wir sie in diesen Zwangsverbindungen belassen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, SpiegelOnline berichtete am 3. November 2016, im Ausländerzentralregister seien 1 475 verheiratete Jugendliche gemeldet, davon seien 361 Kinder jünger als 14 Jahre und 120 Kinder zwischen 14 und 16 Jahre alt.

(Björn Thümler [CDU]: Unerhört!)

Wie viel Leid, wie viel seelische Pein verbirgt sich hinter diesen nüchternen Zahlen? Was wird diesen Kindern nicht nur einmal, sondern auf Dauer angetan? Sie kommen aus Krisengebieten zu uns, vorwiegend aus dem Irak, aus Afghanistan oder aus Syrien, sie brechen vielfach ihre Schulausbildung in ihrer Heimat ab, verlassen ihre angestammte Heimat, ihre Familie, Eltern, Geschwister und Freunde, machen sich auf den beschwerlichen Weg nach Deutschland und wollen hier ein besseres Leben führen. Vorher werden sie meist noch mit einem älteren Erwachsenen verheiratet, der sie angeblich auf der Flucht beschützen soll. Oder Kinder werden mit Kindern verheiratet. In Deutschland angekommen, besteht diese Ehe erst einmal fort, mag sie auch anfechtbar oder im Einzelfall auch aufhebbar sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte nicht, dass Mädchen künftig den Rest ihres Lebens als Ehefrau an der Seite eines älteren Mannes in Deutschland verbringen müssen, ohne Bildung, ohne eigene Perspektive. Welches Mädchen vor allem aus muslimischen Kulturkreisen, in denen es eine rechtliche Gleichstellung zwischen Frau und Mann nicht gibt, wo traditionell oder aus religiösen Motiven geheiratet wird, schafft es, sich aus eigener Kraft von dem Mann, mit dem sie verheiratet wurde, in Deutschland zu lösen - in einem fremden Land, ohne Sprachkenntnisse und meistens auch ohne Kenntnis der deutschen Gesetze? Diese Kinder schaffen es nicht, sich so zu entscheiden, dass sie so leben können, wie wir hier leben: Frauen und Männer entscheiden eigenverantwortlich, selbstständig, wo sie leben, wie sie leben, welche Schule sie besuchen, wo sie arbeiten und vor allen Dingen auch, wann und ob sie heiraten.

Meine Damen und Herren, diese Kinder brauchen Hilfe, und zwar schnell und unbürokratisch.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Wir brauchen ein klares und eindeutiges Verbot, im Ausland geschlossene Kinderehen in Deutschland fortzuführen. SPD und CDU/CSU im Bund wollen diese Gesetzesverschärfung. Das ist richtig.

Frau Ministerin, Sie sagen zwar, Sie seien gegen Kinderehen. So weit, so gut. Aber Sie kritisieren dann - für mich völlig unverständlich - die Pläne des Bundes, betonen, Ehen von minderjährigen Kindern müssten differenziert betrachtet werden, und führen weiter aus, insbesondere könne eine derartige Regelung dem Schutz der Kinder zuwiderlaufen, wenn aus dieser Verbindung bereits Kinder hervorgegangen seien.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist unglaublich!)

Frau Ministerin, das ist falsch verstandene Toleranz. Wenn es noch eines Beweises dafür bedarf, dass Mädchen, kleine Kinder, sexuell ausgebeutet werden, dann doch, wenn aus diesen Verbindungen mit Kindern Kinder hervorgehen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Die UN-Kinderrechtskonvention will doch gerade Kinder vor sexueller Ausbeutung schützen. Lassen Sie uns dem doch Geltung verschaffen!

Natürlich muss jungen Müttern und Kindern geholfen werden. Aber doch nicht so, mit einem Festhalten an einer Zwangsverbindung, sondern mit unserem staatlichen Hilfssystem!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Menschenschutz, Kinderschutz, Minderjährigenschutz - das muss wie das Kindeswohl absoluten Vorrang haben.

Frau Ministerin, glauben Sie ernsthaft, dass diese Mädchen unter 16 Jahren, vielleicht noch viel, viel jünger, aus freiem Willen die Ehe eingehen, dass sie die weitreichenden Folgen einer Ehe überhaupt überblicken können, dass diese Mädchen schwanger werden wollen und bewusst gesundheitliche Risiken in Kauf nehmen, dass diesen Mädchen überhaupt klar ist, was es bedeutet, für eigene Kinder zu sorgen?

Nein, Frau Ministerin, das können Sie nicht ernsthaft glauben. Das können diese Mädchen gar nicht frei entscheiden. Dazu fehlt ihnen die körperliche und geistige Reife. Das haben sie auch nicht frei entschieden. Das haben in den Herkunftsländern zumeist ihre Eltern, vielleicht wohlmeinend, vielleicht - aus welchen Gründen auch immer - aus Verzweiflung oder für Geld, und später ihr Mann für sie getan.