Deshalb, meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, hätten wir uns klugerweise erst einmal um die Lage hier bei uns in Niedersachsen kümmern sollen. Wir wissen, dass die Anzahl der Schwangerschaftsabbrüche in den letzten zehn Jahren glücklicherweise beständig gesunken ist. Wir haben aber keine Informationen darüber, wie viele Schwangerschaftsabbrüche insgesamt bei einkommensschwachen Frauen vorgenommen wurden. Da können wir nur spekulieren, da das MS auf Nachfrage im Ausschuss ausgeführt hat, dass in der Statistik über Schwangerschaftsabbrüche die Daten anonymisiert erhoben werden und die finanzielle Situation der betroffenen Frauen nicht abgefragt wird.
Wir wissen noch eins: Hier in Niedersachsen gibt es auf regionaler Ebene viele Kommunen, die diese Kosten freiwillig finanzieren, z. B. die Region Hannover. Ich glaube, es war Kollege Schremmer, der in den Ausschusssitzungen von einem Flickenteppich sprach. Das mag sein. Aber niemand von uns weiß, wie dieser Flickenteppich aussieht.
Deshalb haben wir von der CDU-Fraktion gesagt: Lasst uns mit den kommunalen Spitzenverbänden sprechen! Lasst uns herausfinden, wie die konkrete Lage hier bei uns in Niedersachsen ist - wo werden die Kosten freiwillig übernommen, und wo werden sie nicht übernommen? -, um in einem zweiten Schritt mit den kommunalen Spitzenverbänden die Frage zu klären, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, diese freiwillige Kostenübernahme landesweit und damit flächendeckend einzuführen!
Bedauerlicherweise haben Sie im Ausschuss die Anhörung der Spitzenverbände abgelehnt und sofortige Abstimmung beantragt, damit wir hier heute abschließend beraten. Uns ist überhaupt nicht klar, warum diese Eile nötig ist. Wir sind der festen Überzeugung: Unsere geplante Vorgehensweise wäre richtig gewesen,
zum einen die Ergebnisse des bundesweiten Modellprojektes abzuwarten und zum anderen hier in Niedersachsen sofort initiativ zu werden und nicht immer nur den Bund zum Handeln aufzufordern, sondern auch selbst tätig zu werden.
Meine Damen und Herren, ich bin sicher: Unser Weg wäre der bessere gewesen. Deshalb lehnen wir Ihren Antrag ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben schon über öfter das Thema der Hartz-IV-Warenkörbe gesprochen, und zwar zum Teil bei der Anhörung zum Thema Kinderarmut. Dort wurde auch der Berechnungsgrundsatz kritisiert und gesagt: Es ist einfach zu wenig für das ganze Thema eingestellt.
Frau Dr. Wernstedt hat das schon angesprochen. Der Betrag, der im Hartz-IV-Bezug für die Gesundheitsversorgung eingestellt ist, reicht nicht für die Zahlung von Verhütungsmitteln aus. Das heißt, es ist schon Aufgabe, auch in Berlin zu sehen, inwieweit die Berechnung der einzelnen Hartz-IVSätze - was kommt da rein, und was kommt da nicht rein? - demnächst durchdacht werden muss.
Liebe Petra Joumaah, zu der Begründung, dass der Bund das abgelehnt hat, sage ich ganz frank und frei heraus: Das ist mir ziemlich egal. Ich finde schon, dass es auch niedersächsische Aufgabe ist, zu fordern: Wir müssen da jetzt tätig werden. - Mir ist auch nicht so ganz klar, warum wir jetzt auf die Zahlen warten müssen.
Fakt ist, dass es, wie Thomas Schremmer gesagt hat, einen Flickenteppich gibt. Ich weiß, die Region Hannover bezahlt das. Ich habe mit meinem Kollegen Horst Kortlang gesprochen, der auch gesagt hat, dass die Kommunen das bezahlen. Aber es kann nicht vom Wohnort und von dem Glück, wo man wohnt, abhängig sein, ob man daran partizipieren darf oder nicht daran partizipieren darf.
Als FDP fragt man sich natürlich immer: Ist es eine staatliche Aufgabe? Das ist dieses ewige Abwägen, was man vornimmt. Meines Erachtens trägt sich das moralische Argument, zu sagen, dass die Abtreibungen über Sozialämter bezahlt werden, moralisch so schwer, dass man dann eben nicht
sagen kann: Wir entscheiden uns aus rein ordnungspolitischen Gründen dafür, dass es nicht Aufgabe des Staates ist, das zu übernehmen.
Aus den Gründen und nach einer intensiven Abwägung werden wir dem Antrag von SPD und Grünen zustimmen und finden es gut, dass er heute beschlossen wird.
Vielen Dank, Frau Kollegin Bruns. - Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun Herr Schremmer das Wort.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Frau Joumaah, Flickenteppich bleibt Flickenteppich. Sie stolpern in jedem Fall, egal, wie er aussieht. Insofern ist es unsere Aufgabe, das zu verändern.
17,36 Euro sind in dem Warenkorb für Gesundheitspflege enthalten. Davon wird einiges zu bezahlen sein. Ich habe noch keine Initiative von der CDU-Bundestagsfraktion oder von Ihnen hier gesehen, die dahin geht, dass man die SGB-IIRegelsätze erhöht oder den Warenkorb verändert. Der Warenkorb wird durch eine Verbrauchsstichprobe ermittelt, und diese bezieht sich auf die unteren Einkommensbereiche. Damit haben Sie das Problem, dass Sie immer nur bei denjenigen eine Stichprobe machen, die sowieso schon wenig haben. Aber Verhütungsmittel und andere Gesundheitsprodukte kosten für jeden gleich. Das ist aus meiner Sicht eine sehr fadenscheinige Argumentation
Sie sagen, es gibt keine validen Zahlen. Das mag sein. Deswegen macht man ja vielleicht auch mal ein Modellprojekt. In Niedersachsen werden jährlich 7 700 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Das Land bezahlt 2,8 Millionen Euro jährlich für Frauen mit niedrigem Einkommen, natürlich nicht nur für SGB-II-Leistungsempfängerinnen. Wenn man 500 Euro pro Schwangerschaftsabbruch ansetzt, dann macht das im Jahr 5 600 Abbrüche. Insgesamt sind es 7 700 in Niedersachsen. Daran können Sie sehen: 73 % aller - auch
unerwünschter - Schwangerschaftsabbrüche werden bei Frauen vorgenommen, die dafür kein Einkommen zur Verfügung haben. Daher spricht einiges dafür, dass man sagt: Lassen Sie uns das so regeln, wie wir das hier vorschlagen, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wenn der Bund den Bedarf verneint - ich habe Ihnen gerade vorgerechnet, dass es den Bedarf offensichtlich gibt -, frage ich mich, wieso er dann Modellprojekte macht und wieso er nicht anschließend sagt: Aufgrund dieser Modellprojekte müssen wir nun doch in die Finanzierung einsteigen.
Das ist aus meiner Sicht fadenscheinig und zeigt - ich sage das ganz bewusst -, dass es vielleicht eine dahinter liegende andere Ideologie gibt. Anders kann ich es mir nicht erklären, dass sich der Bund so verhält.
Es ist also gut, dass der Bund ein Modellprojekt durchführt, das Frauen wieder das Recht auf reproduktive Gesundheit gibt, und dass diese reproduktive Gesundheit nicht mehr vom Geldbeutel abhängt. Aber wir sagen - dazu stehen wir auch weiterhin -: Was wir brauchen, ist eine bundeseinheitliche Lösung für alle Frauen. Wir beschließen daher unseren Antrag für eine entsprechende Bundesratsinitiative. Ich bedaure sehr, dass gerade Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, unserem Antrag nicht folgen können.
Vielen Dank, Herr Kollege Schremmer. - Zu einer Kurzintervention auf Sie erhält nun Frau Kollegin Joumaah das Wort. Bitte sehr!
Erstens. Wo soll man bitte ansetzen, wenn man eine Übersicht darüber bekommen will, welchen Betrag wir beim SGB einsetzen müssen? Müssen wir den Verbrauch bei den Millionären oder bei den Menschen abfragen, die in der unteren Einkommensgruppe leben? - Die Bemessungen sind also korrekt.
Zweitens. Ich habe es vorhin ausgeführt: Sie stellen sich hier hin und sagen: Soundso viele Schwangerschaftsabbrüche werden in Niedersachsen vorgenommen und die meisten davon bei einkommensschwachen Frauen. - Sie waren doch im Ausschuss anwesend, als wir das MS gefragt haben. Frau Wernstedt und ich haben gesagt, wir brauchten dringend Zahlen, wie viele einkommensschwache Frauen ihre Schwangerschaften unterbrechen lassen. Frau Wernstedt hat es - Sie können es im Protokoll nachlesen - sogar mehrfach gefragt. Die ganz klare Antwort lautete: Das ist überhaupt nicht zu benennen.
Da können Sie sich doch jetzt nicht hinstellen und einfach eine wilde Zahl in den Raum werfen, als ob nur einkommensschwache Frauen bzw. das Gros von einkommensschwachen Frauen Schwangerschaftsabbrüche vornehmen lässt. Das ist unseriös.
Zum ersten Punkt, zum Warenkorb bzw. zu den SGB-II-Regelsätzen, kann ich Ihnen eine einzige Antwort geben. Es gibt reihenweise Berechnungen, die viel seriöser sind als das, was der Bund im Augenblick an Berechnungen zu dieser Verbrauchsstichprobe durchführt.
Sie können einen der vielen Wohlfahrtsverbände fragen, beispielsweise den Paritätischen. Dieser und viele andere Verbände zeigen Ihnen auf, wie Warenkörbe heutzutage seriös berechnet werden können.
Ein Kollege hat es gesagt: Geschlechtsverkehr ist doch nicht vom Geldbeutel abhängig. Verhütung kostet für jeden Menschen gleich. Man hat also immer den gleichen Preis zu bezahlen.
Zweitens. Ich habe das doch eben vorgerechnet. Die 2,8 Millionen Euro werden nur für Frauen verwendet, die einen Abbruch nicht selbst finanzieren können. Das sind doch keine Millionärinnen. Das sind Frauen, die sich das nicht leisten können. Die können sich aus meiner Sicht im Vorfeld auch keine Gesundheitsleistung, also auch keine Verhütungsmittel, leisten.
Deswegen müssen diese Verhütungsmittel vom Bund bezahlt werden. Das brauchen wir und nichts anderes.