Protokoll der Sitzung vom 06.04.2017

Deswegen müssen diese Verhütungsmittel vom Bund bezahlt werden. Das brauchen wir und nichts anderes.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Unruhe)

- Wenn Ruhe eingekehrt ist, fahren wir fort.

Jetzt hat für die Landesregierung Frau Sozialministerin Rundt das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2016 wurden Frauen im Sozialleistungsbezug zu ihrem Verhütungsverhalten befragt. Etwa ein Viertel von ihnen hat angegeben, schon einmal allein aus Kostengründen auf Pille oder Spirale verzichtet zu haben. Das heißt, aus reinem Geldmangel sind diese Frauen das Risiko einer ungewollten Schwangerschaft eingegangen. Das ist für mich ein unhaltbarer Zustand.

(Zustimmung bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Die heutige Rechtslage führt dazu, dass ärmere Frauen in sozial ungesicherten Lebenslagen häufiger ungewollt schwanger werden und sich dann für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Wir wissen auch, dass dies mit erheblichen physischen, vor allen Dingen aber psychischen Belastungen verbunden ist. Und - das Zynische ist

schon genannt worden - kommt es zum Schwangerschaftsabbruch aufgrund der Notlage der Frau, besteht bei Bedürftigkeit ein gesetzlicher Anspruch auf Übernahme der Kosten durch das Land. Für Prävention gibt es aber kein Geld.

(Unruhe)

Einen Moment bitte, Frau Ministerin! - Auch Sie haben Anspruch darauf, dass Ihnen hier aufmerksam zugehört wird. Vielleicht gehen Sie etwas näher zum Mikrofon! Es kommt die Rückmeldung, dass es etwas leise ist. Nichtsdestotrotz bitte ich, die Gespräche einzustellen. Das betrifft übrigens alle Fraktionen. - Bitte, Frau Ministerin!

Bislang vertritt der Bundesgesetzgeber die Auffassung, dass Frauen im Sozialleistungsbezug die Verhütungsmittel aus dem Regelsatz bestreiten sollen. Das Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz aus diesem Jahr - durchaus richtig ist, dass man dessen Kalkulationen bezweifeln kann - sieht auch eine Pauschale für den Bereich der Gesundheitsleistungen vor. Die schlechte Nachricht ist: Sie ist noch niedriger als gedacht, nämlich gerade jüngst reduziert auf 15 Euro. Damit ist Verhütung mit Sicherheit nicht zu bezahlen. Schon ohne Berechnung ist eindeutig, dass diese Summe nicht ausreichen kann; denn die Pille kostet bis zu 40 Euro im Quartal, und für die Spirale sind 100 bis 400 Euro fällig.

Das heißt, bei der heutigen Rechtslage werden Frauen im Sozialleistungsbezug bei dem Thema Verhütung und Familienplanung allein gelassen. Deshalb ist klar, dass gehandelt werden muss und dass Frauen hier Unterstützung gegenüber dem Bundesgesetzgeber brauchen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der vorliegende Antrag wird auch Rückenwind für das Projekt geben, das dankenswerterweise in Wilhelmshaven läuft.

Frau Ministerin, lassen Sie eine Frage der Kollegin Joumaah zu?

Nein. Ich möchte zu Ende ausführen.

(Ulf Thiele [CDU]: Das ist nicht sehr souverän!)

Dann fahren Sie bitte fort.

Ich möchte auch den Kommunen ausdrücklich danken, die hier freiwillige Leistungen übernehmen, weil sie sehr verantwortungsvoll handeln. Es macht aber doch wenig Sinn, die Kommunen in die Zwangsverpflichtung zur Kostenübernahme bringen zu wollen, wenn die eigentlichen, die originären Kostenträger der Bund oder die Krankenkassen sind. Das heißt, die Antwort der Kommunen ist vorhersehbar. Auf sie brauchen wir nicht zu warten.

Es besteht also kein Grund zum Zeitverzug. Ziel muss eine Änderung der bundesgesetzlichen Regelungen sein, für die ich mich gerne einsetze.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Frau Kollegin Joumaah hat noch einmal um das Wort gebeten. Frau Joumaah, Sie haben noch 1:13 Minuten Redezeit zur Verfügung. Bitte sehr!

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Frau Ministerin, zum einen wehre ich mich wirklich ganz erheblich gegen Ihre Behauptung, wir wollten die Kommunen in eine Zwangsverpflichtung nehmen. Das Einzige, was die CDU wollte, ist nachweislich - in jedem Protokoll ist nachzulesen, dass wir darum gebeten haben -, die kommunalen Spitzenverbände anzuhören. Das mit einer Zwangsverpflichtung gleichzusetzen, finde ich wirklich unerhört.

(Unruhe - Glocke des Präsidentin)

Zum anderen möchte ich darauf hinweisen - das liegt als Vorlage 1 zu Drucksache 6904 Ihnen und uns allen schriftlich vor -, dass z. B. bei einer Unverträglichkeit, wenn eine teure Spirale oder eine andere teure Verhütung medizinisch erforderlich ist, natürlich eine sogenannte Härtefallklausel anzuwenden ist. Das muss zwar beantragt werden. Aber wenn von einem Mediziner bestätigt wird, dass die betreffende Frau - Sie haben eben die Spirale erwähnt - z. B. die Spirale braucht, dann

bekommt sie sie auch. Lesen Sie es in Vorlage 1 nach!

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, sodass ich die Beratung schließe und zur Abstimmung komme.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in der Drucksache 17/6904 unverändert annehmen will, den bitte ich um ein Handzeichen. - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Das Erste war die Mehrheit. Damit wurde dem Antrag gefolgt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 26: Abschließende Beratung: Kein Pfand auf Milchtüten - Verpackungsgesetz muss überarbeitet werden - Antrag der Fraktion der FDP - Drs. 17/7424 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/7668

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag abzulehnen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Ich eröffne die Beratung und erteile das Wort für die FDP-Fraktion Herrn Kollegen Dr. Hocker. Bitte!

Verehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die SPD-Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat sich vor einigen Monaten mit den Worten zitieren lassen - ich darf das kurz verlesen, Frau Präsidentin -:

„Die (Getränke-)Kartons lassen sich gut recyceln und verwerten. Und im Übrigen schneidet der Getränkekarton in der Umweltbilanz nicht schlechter ab als die Mehrwegglasflasche.“

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn man den Worten der Bundesumweltministerin Glauben schenken darf - und das tue ich sehr gerne -, die behauptet, dass die Umweltbilanz von Milchtüten und anderen Getränkeverpackungen

ohnehin schon gleichwertig ist mit derjenigen der Mehrwegglasflasche, dann muss die Frage erlaubt sein, warum um alles in aller Welt es dann noch eines neuen Mehrwegsystems bedarf, auch noch extra für Milchtüten. Diese Frage muss gestattet sein.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung von Frank Oesterhelweg [CDU])

Ich frage Sie, ob Ihnen bewusst ist, welche logistischen Herausforderungen es gerade für mittelständische Einzelhändler bedeutet, wenn sie künftig ein zusätzliches Recyclingsystem vorhalten müssen.

Meine Damen und Herren, in Sonntagsreden sprechen der Wirtschaftsminister und andere gerne davon, dass wir mehr Wettbewerb wollen, gerade im Lebensmittelbereich, weil die Marktmacht der großen Konzerne z. B. gegenüber Landwirten so groß und die Verhandlungsposition der Konzerne so stark sind, dass die Landwirte bestimmte Preise akzeptieren müssen.

Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, wäre es tatsächlich möglich gewesen, die Wettbewerbssituation im Einzelhandelsbereich nicht zusätzlich auf nur noch einige wenige zu fokussieren. Denn die Vorgaben, die durch ein solches Recyclingsystem entstehen, zu tragen und zu bewältigen, wird insbesondere für die kleinen und mittelständischen Einzelhandelsbetriebe eine Herausforderung sein. Denen machen Sie nämlich in besonderer Weise das Leben schwer.

Ein solches Recyclingsystem bindet nämlich Personalressourcen im Bereich Verwaltung und anderswo - es muss abgerechnet werden -, und - ich will gar nicht verschweigen - auch technisch ist das natürlich eine Herausforderung. Stellen Sie sich vor, dass im Sommer, bei höheren Temperaturen, Milchtüten in ein Recyclingsystem gegeben werden und die Rohstoffe erst nach drei oder vier Tagen abgeholt werden! Das kann im Hochsommer durchaus problematisch werden. Der eine oder andere Einzelhändler wird sich überlegen, ob er nicht sogar ein Extrakühlsystem auf den Weg bringt, ganz einfach um Gärungsprozesse und entsprechenden Gestank zu vermeiden. Ob es tatsächlich noch einen positiven ökologischen Fußabdruck gibt, wenn bei einem solchen Recyclingsystem auch noch ein eigenes Kühlsystem mit auf den Weg gebracht werden muss, das möchte ich doch ausdrücklich infrage stellen.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Das ist total hanebüchen!)

- Herr Kollege Heere, dann erklären Sie mir doch einmal, wie ein mittelständischer Einzelhändler das machen soll, wenn die Milch gärt und bei sommerlichen Temperaturen erst einmal vier Tage lang in einem Bereich liegt, der nicht gekühlt ist!

(Gerald Heere [GRÜNE]: Wie machen Sie das denn zu Hause beim Recyc- ling?)

Ich glaube, dass Sie der Letzte wären, der dort noch einkaufen würde.

(Gerald Heere [GRÜNE]: Wie machen Sie das beim Recycling?)