Protokoll der Sitzung vom 07.04.2017

Auch wenn ich das Fahrverbot für nicht geeignet halte, ist es doch eine Chance, im Rahmen dieser Diskussion zu weiteren alternativen Sanktionsformen zu kommen. Deswegen bitte ich darum, diese Diskussion intensiv fortzuführen.

Vielen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Ministerin. - Weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen nicht vor. Wir treten daher in die Abstimmung ein.

Wer der Beschlussempfehlung des Ausschusses folgen und damit den Antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 17/7271 ablehnen will, den bitte ich jetzt um ein Handzeichen. - Ich frage nach Gegenstimmen. - Das ist die FDP-Fraktion. Gibt es Enthaltungen? - Dann sind Sie mit großer Mehrheit der Ausschussempfehlung gefolgt.

Ich rufe auf den

Tagesordnungspunkt 33: Abschließende Beratung: Wirtschaftliche Entwicklung und gesellschaftlichen Wohlstand umfassend messen - Informationsgrundlage für Entscheidungen verbessern - Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Drs. 17/6403 - Beschlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt, Energie und Klimaschutz - Drs. 17/7667

Der Ausschuss empfiehlt Ihnen, den Antrag unverändert anzunehmen.

Eine Berichterstattung ist nicht vorgesehen.

Wir treten in die zweite Beratung zu diesem Antrag ein. Das Wort hat Frau Kollegin Maaret Westphely, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Debatte gerne mit einer eigentlich ganz einfachen Frage beginnen: Was ist eigentlich wirklich wichtig, damit wir ein gutes Leben führen können? Ist nur entscheidend, wie viel Geld wir verdienen und wie viel wir ausgeben können? - Nein, natürlich nicht. Es kommt genauso darauf an, dass man Freunde hat, auf die man sich verlassen kann, und dass man Teil der Gesellschaft ist.

(Beifall bei den GRÜNEN - Helge Limburg [GRÜNE]: Richtig!)

Ich z. B. habe Kinder. Ich will, dass sie sich frei, gesund und mit Zuversicht auf einer lebenswerten Erde entfalten können. Mit diesen Wünschen bin ich hier sicherlich nicht allein. Der Dreiklang aus ökonomischen, sozialen und ökologischen Interessen sollte sich genauso in der gesellschaftlichen Betrachtung wiederfinden.

Aber daraus erwächst auch eine Verantwortung. Wer heute Politik für die Menschen und für die Wirtschaft von morgen machen will, muss sein Verständnis für Wohlstand an einer Strategie der Nachhaltigkeit ausrichten. Nachhaltigkeit kann nur gelingen, wenn wir Gerechtigkeit, Ökonomie und Ökologie zusammen denken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Leider wird Wohlstand allzu leicht gleichgesetzt mit wirtschaftlichem Wachstum und mit der vermeintlich passenden Kennziffer dazu, dem BIP, als der in Geld gemessenen Wirtschaftsleistung in einem bestimmten Zeitraum. Das hat gerade in den Industriestaaten dazu geführt, dass wir über unsere Verhältnisse leben und dass wir die natürlichen Ressourcen über die Maßen zum Nachteil der uns folgenden Generationen und zum Nachteil der Menschen in anderen Erdteilen ausbeuten.

Dazu kommt, dass auch bei uns die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen ist. Aber es gibt Hoffnung: Immer mehr Menschen und Länder versuchen, Alternativen als Ergänzung zum BIP und umfassendere Indikatoren zu entwickeln, um auf dieser Grundlage politische Entscheidungen treffen zu können, die negativen Entwicklungen entgegenwirken.

Die Stellungnahmen zu unserem Antrag haben uns gezeigt, wie überfällig diese Debatte auch bei uns in Niedersachsen ist. Fast alle Anzuhörenden

sind genau wie wir davon überzeugt, dass es ein „Weiter so!“ nicht geben kann.

Gleichzeitig haben die Beiträge - vor allem die Beiträge der Unternehmerverbände Niedersachsen - deutlich gemacht, dass eine solche neue Messgröße wie der Wohlfahrtsindex für Ängste sorgt, seien sie nun berechtigt oder nicht. Das ist auch kein Wunder; denn wir stellen althergebrachte Verfahren infrage. Bei mir ist angekommen, dass den Unternehmen Transparenz, Verlässlichkeit und vor allem eine nationale wie internationale Vergleichbarkeit wichtig sind. Das sehe ich genauso.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber wir sind erst am Anfang dieser Entwicklung. Die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung mit dem BIP wurde auch nicht an einem Tag gemacht.

Seit 2009 beschäftigen sich der Bund und zunehmend auch Bundesländer wie Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hamburg, Thüringen, Sachsen und Bayern konkret mit dem Thema einer nachhaltigen Wohlstandsmessung. Wir schließen uns in Niedersachsen dieser Bewegung spät, leider erst jetzt an, weil Schwarz-Gelb über Jahre hinweg einen weiten Bogen um dieses Thema gemacht hatte. Aber bald sind auch wir dabei.

Fürs Erste wollen wir, wie die meisten anderen Bundesländer vor uns, den regionalen Wohlfahrtsindex, der von Professor Dr. Diefenbacher entwickelt wurde, erstellen lassen und unsere Ergebnisse mit denen anderer Länder vergleichen können. Danach muss es darum gehen, dass auch Niedersachsen an einem Indikatorenset mitarbeitet, das die vorhin genannten Erwartungen, vor allem einer Vereinheitlichung, erfüllt.

Ich bin mir sicher, dass es ein längerer Weg wird, zu einem validen Maß für eine zufriedenstellende Wohlstandsmessung zu kommen. Entscheidend ist aber, dass wir uns jetzt aufmachen. Ich freue mich darauf.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN und Zu- stimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Westphely. - Das Wort hat jetzt für die FDP-Fraktion der Herr Kollege Dr. Gero Hocker.

Verehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Frau Kollegin Westphely, ehrlicherweise muss man sagen: Ganz neu, wie Sie es eben in Ihrer Rede beschrieben haben, ist die Diskussion darüber, ob das Bruttoinlandsprodukt tatsächlich ein angemessener Maßstab ist, um Wohlstand in Deutschland oder in Niedersachsen zu messen, ja nicht. Ich erinnere mich an mein eigenes Studium; das liegt jetzt 15, 18, 20 Jahre zurück. Ich weiß, dass diese Diskussionen schon damals geführt wurden. Insofern haben Sie nicht etwas völlig Neues erfunden.

Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich: Es ist der falsche Anspruch an das Bruttoinlandsprodukt, zu glauben, dass es die Zufriedenheit von Menschen in einer Gesellschaft messen könnte. Es misst die Summe der Güter und Dienstleistungen innerhalb eines Jahres. Das hat durchaus Schwächen. Aber Sie dürfen bitte an das Bruttoinlandsprodukt nicht den Anspruch haben, dass es die Zufriedenheit von Menschen messen könnte.

Sie haben völlig recht: Wenn z. B. ein Unfall mit Personenschäden passiert, dann mehren die Instandsetzungsmaßnahmen für das Automobil das Bruttoinlandsprodukt, auch wenn jemand ins Krankenhaus kommt und dort ärztliche Pflege erhält, wenn ein Öltanker leckschlägt und Strände verschmutzt werden, die gereinigt werden müssen, wenn z. B. in ein Haus eingebrochen wird und viele andere Dinge mehr.

Sie selber haben eben in Ihrer Rede gesagt, Sie möchten gerne gutes Leben abbilden. Dazu sage ich Ihnen ganz ausdrücklich: Das, was gutes Leben ist, ist hochsubjektiv. Ich behaupte, dass Sie völlig andere Vorstellungen davon haben, als ich sie habe. Deswegen ist es falsch, über einen alternativen Index nachzudenken, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Ich sage es Ihnen ganz ausdrücklich: Den letzten Sonntag, als das Wetter gut gewesen ist, habe ich mit viel Freude dafür genutzt, mein Motorrad aus der Garage zu holen. Ich bin bestimmt 300 km durch Niedersachsen über die früher noch besser ausgebauten Landstraßen gefahren. Ich habe dabei Treibstoff verbrannt. Die Reifen sind abgenutzt worden. Ich habe Öl verbraucht. Motorgeräusche habe ich emittiert. Sie haben völlig recht: Das wird der eine oder andere nicht als gute Aktivität bezeichnen. Aber ich sage Ihnen eines: Mir hat es

Spaß gemacht, und das mehrt das Bruttoinlandsprodukt. Deswegen werde ich das auch in Zukunft tun.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU)

Oder wenn ein Freund von mir am Samstagabend Bier trinkt und Zigaretten raucht.

(Jörg Bode [FDP]: Meinst du mich?)

- Der Kollege Bode ist hier über jeden Verdacht erhaben, weil er nur Bier trinkt und nicht so viel raucht.

(Heiterkeit)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch da werden Sie gegebenenfalls sagen: Das ist aber nicht gutes Leben. - Aber der Kollege Bode muss selber entscheiden, welche Drogen er zu sich nimmt, ob er Bier trinkt, ob er raucht oder andere Dinge tut. Das entzieht sich doch völlig Ihrer Bewertung, meine sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und Zustimmung bei der CDU - Zurufe von der SPD - Unruhe - Glocke des Präsidenten)

- Wir können ja die Diskussion über den Drogenkonsum einzelner Kolleginnen und Kollegen an geeigneter anderer Stelle fortsetzen. Aber das alles geht von meiner Zeit ab. Deswegen mache ich mit meiner Rede weiter.

Meine Damen und Herren, das Bruttoinlandsprodukt ist ein objektiver Maßstab für volkswirtschaftliches Wachstum und kein subjektiver, der bewertet, ob das Wachstum von Ihnen als gut oder als schlecht angesehen wird. Er dient zwangsläufig nicht dazu, die Zufriedenheit der Menschen zu messen. Er sagt nichts über die Verteilung des Wohlstands aus. Er sagt nichts darüber aus, wie der Wohlstand erwirtschaftet worden ist.

Aber, Frau Kollegin Westphely, das Bruttoinlandsprodukt ist tatsächlich die einzige seriöse Größe, die es erlaubt, Wachstum über die Zeitschiene, also von einem Jahr im Vergleich zum anderen Jahr, oder das volkswirtschaftliche Wachstum verschiedener Länder zu messen. Die subjektive Zufriedenheit eines jeden einzelnen Mitglieds einer Gesellschaft zu messen, ist nicht Aufgabe von volkswirtschaftlichen Indizes wie Bruttoinlandsprodukt oder Nettoinlandsprodukt. Dafür müssten Sie dann Befragungen durchführen oder sich anderer wissenschaftlicher Instrumente bedienen.

Meine Damen und Herren, beim Bruttoinlandsprodukt, beim Nettoinlandsprodukt, bei der Investitionsquote, bei Lagerumschlagsquotienten und vielen anderen Dingen regieren Zahlen, Daten und Fakten. Das ist auch gut so, und deswegen soll es auch in Zukunft so bleiben.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank, Herr Dr. Hocker. - Für die SPD-Fraktion erteile ich jetzt das Wort Herrn Abgeordneten Marcus Bosse.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es liegen mittlerweile verschiedene Systeme, und zwar nationale und internationale Systeme, zur Messung von Wohlfahrtsindikatoren und zur Messung der Lebensqualität vor. Alle diese Systeme gliedern sich letzten Endes in mehrere Dimensionen, die mit unterschiedlichen Indikatoren belegt sind. So konnten wir das auch im Ausschuss lernen.

Das Bruttoinlandsprodukt - das sage ich an dieser Stelle ganz deutlich - ist und wird weiter der wichtigste Indikator zur Betrachtung der wirtschaftlichen Entwicklungen bleiben. Aber das Bruttoinlandsprodukt gibt eben nicht über alle Punkte Aufschluss. Das muss man auch sagen. Es gibt an der Stelle einiges nachzubessern.