Geben Sie doch endlich zu, dass Sie bei der Frage der Unterbringung erst richtig wach geworden sind, als dieses schreckliche Ereignis in Papenburg passiert ist, und dass wir uns intensiv damit auseinandergesetzt haben.
(Widerspruch bei der SPD und bei den GRÜNEN - Petra Tiemann [SPD]: Herr Hilbers, gucken Sie sich doch einmal Ihre eigenen Anträge an!)
Es ist doch völlig klar, dass wir uns um die Wohnverhältnisse dieser Arbeitnehmerschaft kümmern und dass wir die Missstände abstellen wollen. Deswegen ist es auch nur gut, wenn Sie sagen, Sie haben etwas unternommen. Das ist ja in Ordnung.
Sie fordern doch selbst in Ihrem Antrag, eine gesetzliche Regelung ins Auge zu fassen. Dann schauen Sie sich doch zunächst einfach die Grundlage an, die wir geliefert haben, und lassen Sie uns auf dieser Grundlage weiter überlegen, wie wir es hinbekommen können, das in Niedersachsen gesetzlich - und damit verbindlich, einklagbar und rechtssicher - zu regeln. Das ist doch das, was wir vorhaben. Machen Sie dabei mit, wenn Sie das gleiche Ziel haben!
(Zustimmung von Lutz Winkelmann [CDU] - Petra Tiemann [SPD]: Die anderthalb Minuten müssten doch schon längst um sein!)
Ich sage Ihnen ein Zweites: Auch wenn es um die Werkverträge geht, sind Sie ständig dabei, uns zu diffamieren - als würden wir diese Modelle besonders gut finden und als hätten wir uns in der Vergangenheit dafür eingesetzt oder weggeschaut, wie Herr Schminke gesagt hat.
Sie sagen, unser Gesetzentwurf sei nur ein Placebo. - Ein Placebo wäre er dann, wenn er nicht wirken würde. Aber schauen Sie bitte genau hinein: Unser Gesetzentwurf entfacht die größtmögliche Wirkung wird. Also ist er kein Placebo, sondern Sie haben Angst davor, ihn zu beschließen!
Soziale Marktwirtschaft bedeutet für uns, dass es am Arbeitsmarkt in allen Branchen und Wirtschaftszweigen sozial, gerecht und fair zugeht und dass alle anständige Arbeitsbedingungen haben - Lohndumping und Ähnliches ausgeschlossen, Endlosketten von Werkverträgen ebenso.
Da sind wir doch einer Meinung. Die Frage ist, wie wir das erreichen können. Sie stellen den Menschen immer in Aussicht, mit einem gesetzlichen Mindestlohn wäre alles geregelt. - Das ist beileibe nicht so!
Wenn Sie den gesetzlichen Mindestlohn beschließen und zulassen, dass das Geld über Umwege, Wohnungen und Ähnliches wieder abgezockt wird, dann hilft Ihnen Ihr Mindestlohn an dieser Stelle überhaupt nicht!
In Ihrem Antrag ist ja nicht alles falsch, aber gehen Sie doch dazu über, dass wir uns dezidiert darüber unterhalten, was wir brauchen. Wir brauchen eine Regelung, die das ArbeitnehmerEntsendegesetz anpackt und für tarifliche Mindestlöhne sorgt. Heute Morgen im Radio hat ein erster Unternehmer verkündet, dass er verhandeln will. Das zu erreichen ist für die Branche richtig. Für den Übergangszeitraum fordern wir einen Kodex mit Standards, an die sich die Unternehmen halten müssen.
Scheinwerkverträge - da haben Sie recht - müssen hart angegriffen werden. Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz muss an dieser Stelle geändert werden.
Derjenige, der das missbräuchlich macht, soll sich später nicht mit einer ersatzweise vorhandenen Arbeitnehmerüberlassungszulassung rausreden können, sondern es muss klar sein, dass er dort eintritt, wie bei seiner Stammbelegschaft. Dort müssen wir die Kette schließen, und dort müssen wir den Auftraggeber verantwortlich machen. Der muss am Ende verantwortlich für das sein, was an Werkverträgen in seinem Laden läuft.
Wir brauchen natürlich auch effektive Kontrollen. Das gehört auch dazu. Es ist richtig, dass wir das noch einmal mit anführen, dass wir das insbesondere deutlich machen.
Aber ich sage Ihnen, das alles gehört zusammen. Sie erwecken hier den Eindruck, als würden Sie mit Ihrer Bundesratsinitiative alles lösen können. Sie schieben es wieder mal auf Berlin. - Das ist Ihre Strategie.
Beschließen Sie doch da, wo Sie können, erst einmal selbst etwas! Machen Sie unser Gesetz mit! Hier sind Sie elementar zuständig. Machen Sie bei uns mit - dann haben Sie schon mal einen Teil dieser Frage mit uns zusammen gelöst.
Danke, Herr Kollege Hilbers. - Jetzt hat sich von der Landesregierung Herr Minister Lies zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Hilbers, ich bin schon schwer geschockt. Ich will das hier in aller Deutlichkeit sagen: Für uns mussten wahrlich nicht erst zwei Menschen sterben, damit wir uns darüber im Klaren sind, dass hier Ausbeutung passiert und dass hier Menschen schlecht untergebracht sind. Ich
betone das noch einmal ausdrücklich, auch für die Zeit vor der Regierungsübernahme: Wir haben immer gesagt, dass da Missstände sind, wir haben immer gesagt, dass es bei den Lebensbedingungen schlecht ist, wir haben immer gesagt, dass eine Landesregierung dringend handeln muss. - Sie haben nicht gehandelt! Das gehört zur Wahrheit dazu!
Dann mutet es schon mehr als merkwürdig an, wenn Sie gemeinsam versuchen, sich jetzt hier an die Spitze der Bewegung zu setzen. Das glaubt Ihnen keiner. Bleiben Sie realistisch! Erklären Sie, was wirklich gemacht wird! Setzen Sie sich nicht an die Spitze einer Bewegung, die Sie nie unterstützt haben!
Herr Thiele, wir tauschen uns ja gerne hier aus. Von Ihnen als Generalsekretär Ihrer Partei erwarte ich ein klares Dementi gegenüber der ehemaligen Ministerin Frau Grotelüschen, die öffentlich erklärt hat, dass 5 Euro ein guter Einstiegslohn seien. Ich habe nicht gehört, dass Sie sich jemals davon distanziert hätten. Wie können Sie sich hinstellen und sagen: „Anständige Löhne müssen sein“?
Herr Thümler ist gerade nicht da; zumindest sehe ich ihn im Moment nicht. All die Bemühungen, die Sie hätten unterstützen können, alles, was Sie jetzt erklären, hätte Grundlage eines Handelns in Verantwortung sein können. Stattdessen führen Sie jetzt eine Diskussion darüber, warum der Ministerpräsident erst sechs Monate nach Regierungsübernahme dort gewesen sei. Wir haben schon Anfang April das Gespräch mit der Fleischindustrie geführt. Wir haben uns eng abgestimmt und ständig im Kabinett miteinander ausgetauscht. Sie haben zehn Jahre regiert und zehn Jahre nichts gemacht. Was ist das für ein Vorwurf, den Sie hier erheben? Überlegen Sie doch einmal!
Die Fleischindustrie hatten wir - Christian Meyer als Landwirtschaftsminister und ich - zweimal am Tisch. Einer von 16 war auf Einladung von Prälat Kossen da. Das erste Signal war - ich glaube, da kann ich auch für Christian Meyer sprechen -: Wir sind für den Mindestlohn, aber es muss ein gesetzlicher sein, der für alle gilt! - Das ist die Aussage der Fleischwirtschaft. Wie passt die zu Ihren Aussagen, zu den ständigen Debatten über branchenabhängige Mindestlöhne?
(Ulf Thiele [CDU]: Für alle in der Branche! Das wissen Sie genau! Sie erzählen hier doch nur die Hälfte!)
Wir brauchen einen gesetzlichen Mindestlohn für alle, weil wir die Probleme nicht für jede Branche einzeln lösen können und in allen Branchen die Probleme haben. Das ist die Realität, Herr Thiele.
Deswegen bin ich den Fraktionen der SPD und der Grünen sehr dankbar dafür, dass sie einen Antrag vorgelegt haben, der das gesamte Feld umfasst. Es geht um die Arbeitsbedingungen, um Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit, um Löhne. Es geht aber auch um die Wohn- und Lebensbedingungen. Genau das ist der Kern dieses Antrags.
Sie reduzieren sich auf einen gesetzlichen Weg - dazu wird die zuständige Ressortministerin gleich etwas sagen -, der nicht einmal in Abstimmung mit den Kommunen umsetzbar ist, sondern eine lange Debatte mit sich bringt. Das wollen wir nicht. Wir wollen schnell handeln. Wir wollen zeigen, dass eine Landesregierung es besser machen kann. Wir beweisen, dass man es besser machen kann, indem wir handeln und dafür sorgen, dass Grundlagen geschaffen werden.
(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN - Ulf Thiele [CDU]: Bun- desratsinitiativen! Herr Minister, Sie wissen ganz genau, dass die kurz vor der Bundestagswahl zum Schei- tern verurteilt sind!)
- Herr Thiele, jetzt will ich Ihnen einmal eines sagen, weil mich das persönlich angreift: Seit Jahren führen wir eine Debatte über den Missbrauch, seit Jahren diskutieren wir über zu geringe Löhne, seit Jahren diskutieren wir über die Ausbeutung von Beschäftigten. Uns hier vorzuwerfen, nur Wahlkampf zu betreiben, ist eine Diffamierung dieser Landesregierung, die ich nicht zulasse.
Herr Bode, Ihre Worte waren inhaltlich gut. Ich glaube, gerade zum Thema Arbeitnehmerüberlassung und zum Vorgehen ist das Richtige gesagt worden. Aber ein bisschen war es doch eine Krokodilsträne, die Sie da geweint haben. Haben Sie erst jetzt festgestellt, dass Werkverträge missbraucht werden, um die Vorschriften über die Arbeitnehmerüberlassung zu umgehen? - Das ist eine Diskussion, die wir seit Monaten, seit Jahren führen! Als wir das diskutiert haben, waren Sie noch selbst in der Verantwortung, Herr Bode!
Gestatten Sie mir deshalb zum Schluss einen Hinweis: Neben vielen richtigen Punkten, die aufgeführt werden, hat diese Landesregierung entschieden, Beratungsstellen für ausländische mobile Beschäftigte einzurichten, die hier tätig sind. Die Finanzierung wird jetzt konsequent vom Land vorgenommen, zunächst einmal für das Oldenburger Münsterland und dann auch für die Region Hannover. Ich glaube und befürchte, dass wir das auch weiter machen müssen.
Aber diesen Ansatz, sehr geehrter Herr Bode, gab es schon vorher, als er nämlich aus Bundesmitteln finanziert worden wäre und wir nur in Teilen hätten kofinanzieren müssen. Wir hätten ein Netzwerk aufbauen können, um genau diesen betroffenen Beschäftigten zu helfen. Gestatten Sie mir ein Zitat aus dem Schreiben, das Sie damals Herrn Tölle geschickt haben: