Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Kollege Marco Brunotte von der SPD-Fraktion. Herr Brunotte, die Uhr zeigt noch 6:48 Minuten an.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Am 13. Juli 2013 starben zwei rumänische Arbeiter der Papenburger Meyer Werft in ihrer Unterkunft. Danach berichtete der NDR, dass Anwohner diese Unterkunft schon lange als Bettenburg tituliert hatten. Manchmal waren dort bis zu 40 Personen untergebracht. - Eine menschenwürdige Unterbringung und menschenwürdige Arbeitsbedingungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sehen anders aus.

Zu den Arbeitsbedingungen hat mein Kollege Ronald Schminke schon gesprochen. Ich will mich jetzt auf das Thema Wohnbedingungen konzentrieren.

Die Wohnbedingungen, mit denen wir es hier zu tun, kommen nicht nur in Papenburg vor. Die Investoren und Unternehmen, die sich auf diesem Markt bewegen, erzielen mit Arbeiterunterkünften und Asylbewerberunterkünften eine mordsmäßige Rendite. Sie haben ein Geschäftsmodell gefunden, mit dem sie zwar enormes Geld verdienen, dessen moralische Grundlage aber mehr als fragwürdig ist. Dieses Geschäftsmodell werden wir in den nächsten Wochen effektiv zerschlagen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das tragische Unglück in Papenburg hat den Fokus sehr deutlich auf diese Wohnsituation gelenkt und klargemacht, dass es hier nicht um einen Einzelfall geht, sondern dass hier ein grundsätzlicher Handlungsbedarf besteht. Der Kreis Emsland spricht von 330 vergleichbaren Wohnungen und Objekten. Im Kreis Oldenburg sollen 8 000 Menschen unter vergleichbaren Bedingungen

leben müssen wie die Menschen in dieser Unterkunft in Papenburg.

Hier wird auch sehr deutlich, welche grundsätzliche Bedeutung das Thema Brandschutz hat. Ich möchte an dieser Stelle an Diskussionen erinnern, die wir im Zuge der Novellierung der Niedersächsischen Bauordnung geführt haben. Hier besteht wirklich Handlungsbedarf, und zwar schnell. Wir brauchen eine rechtssichere und zeitnahe Lösung.

Wir glauben, dass der Vorschlag der CDU deutliche Probleme aufwirft. So regelt er z. B. nicht den Bestand, sondern kann nur für zukünftige Einrichtungen gelten.

Außerdem gilt es, rechtlich eindeutig zwischen den Themen Wohnung und Unterkunft zu unterscheiden. Würden wir das Thema entsprechend dem Vorschlag der CDU in der NBauO für den Bereich Wohnung regeln, dann bekämen wir Probleme wegen des Eingriffs in privates Wohnen von Großfamilien, die vor allem in kleineren Einheiten leben.

Ich bitte auch zu überlegen, wie viel Zeit wir brauchen würden, um das Gesetz umsetzen zu können. Das würde mehrere Monate dauern. - Von daher hat die CDU-Fraktion hier einen Schnellschuss abgegeben.

Als die Niedersächsische Bauordnung novelliert wurde, waren es vor allem CDU und FDP, die im Sinne einer Deregulierung möglichst wenig regeln wollten. Im Zuge dessen haben sie sich auch geweigert, die Beherbergungsstättenmusterverordnung für Niedersachsen zu übernehmen - die, wenn wir sie jetzt hätten, ein wirksames Instrument sein könnte.

Wir sind der Landesregierung sehr dankbar - federführend war das Sozialministerium -, dass sie gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden schnell und umfassend gehandelt hat.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Der Kriterienkatalog, der die baulichen Anforderungen für sicheres und gesundes Wohnen in Unterkünften regelt und somit den § 3 der Bauordnung konkretisiert, ermöglicht den unteren Baubehörden ein einheitliches Vorgehen. Die technischen Regeln für Arbeitsstätten und Unterkünfte sind eine gute Grundlage, um handlungsfähig zu sein. Ich will in diesem Zusammenhang auch auf das Urteil des OVG Lüneburg hinweisen,

das deutlich macht, wie Nutzungskonflikte aufgelöst werden können.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Handeln der Landesregierung ist das eine. Wir wollen aber auch - das hat schon die Kollegin von den Grünen klargemacht - das Thema Wohnraumaufsicht weiterhin prüfen. Hier brauchen wir einheitliche Regeln, aber auch einen starken Vollzug dieser Regeln - Stichwort Ordnungswidrigkeiten, harte Sanktionen -, um solche menschenunwürdigen Unterbringungen zu verhindern.

Für uns heißt das - schließlich hat auch die FDP schon deutlich gemacht, dass sie diese Lösung, die die Landesregierung zusammen mit den kommunalen Spitzenverbänden gefunden hat, unterstützt -: Wir bedanken uns bei unserer Landesregierung, die nicht erst ein Parlament braucht, um zu handeln, sondern die, wie sie gezeigt hat, in der Lage ist, zum Wohle der Menschen schnell, gemeinschaftlich und in Partnerschaft nach Lösungen zu suchen und diese zu finden.

Wir werden in den Ausschüssen, und hier insbesondere im Sozialausschuss, in die Diskussion eintreten und prüfen, ob es weitergehende Regelungsbedarfe gibt. Da sind wir offen. Wir glauben, dass hier sehr konsequent gehandelt wurde, und wir werden uns mit diesem Thema weiterhin beschäftigen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Eine Kurzintervention von der CDU-Fraktion. Herr Kollege Toepffer, Sie haben das Wort.

Herr Kollege Brunotte, ich danke Ihnen durchaus für Ihren weitgehend sachlichen Beitrag. Aber auch Sie haben noch einmal die Frage gestellt, wer denn wann und wie schnell reagiert habe. Dazu will ich Ihnen sagen: Ich kann es einfach nicht mehr hören, nicht mehr ertragen.

(Johanne Modder [SPD]: Das kön- nen wir uns vorstellen! - Weitere Zu- rufe)

Ich will Ihnen einmal sagen, wie sich Ihr Ministerpräsident vor Ort verkauft hat. NWZ online vom 15. August 2013:

„Auf die Frage, warum denn erst jetzt ein solches Gespräch zustande komme, konnte Weil während der anschließenden Pressekonferenz nicht so recht eine Antwort servieren.“

Ich sage: Er hätte schon seit sechs Monaten dort sein können!

(Zustimmung bei der CDU - Johanne Modder [SPD]: Wo waren Sie denn, Herr Toepffer? - Gerd Ludwig Will [SPD]: Zehn Jahre gepennt! - Weite- re Zurufe)

Meine Damen und Herren, auf welchem Niveau Sie die Diskussion führen, wird auch aus weiteren Presseartikeln deutlich. Ich lese einmal vor, wie das auf Herrn Weil gewirkt hat:

„Dabei stieß er auf gute und schlechte Beispiele: Während die Unterkünfte in Badbergen (Landkreis Osnabrück) absolut nicht annehmbar seien, entspräche die Wohnanlage in Ahlhorn (Landkreis Oldenburg) dem guten Standard einer Jugendherberge.“

Welch ein Zufall! Wo es der CDU-Landrat ist, ist es absolut unannehmbar, aber da, wo es der SPD-Landrat ist, da ist es der gute Standard einer Jugendherberge. - Bitte nicht auf diesem Niveau!

(Zurufe von der SPD und von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, diese wunderbare Tour hatte natürlich auch Folgen, die wir als CDU einmal ansprechen wollen. Nach dieser Besuchstour konnte ich in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung Folgendes lesen:

„Die Realität ist eine andere - und äußerst bitter. Eine ganze Region hat viele Jahre davon profitiert, dass vor ihren Augen billige Arbeitskräfte ausgebeutet wurden.“

Und es heißt weiter: Örtliche Immobilienbesitzer konnten heruntergekommene Häuser gewinnbringend vermieten.

Sie müssen zum Schluss kommen!

Sofort. - Meine Damen und Herren, die Menschen in dieser Region haben bis auf wenige Ausnahmen ihren Wohlstand mit ihrer Hände Arbeit erwirtschaftet. Wir wehren uns dagegen, dass Sie

mit dieser Debatte eine ganze Region in Verruf bringen.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Wissen Sie überhaupt, wovon Sie reden?)

Herr Kollege Brunotte, ich gehe davon aus, dass Sie antworten wollen.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Toepffer, ich finde es klasse, dass wir eine Landesregierung haben, die rausfährt und nicht nur über das Land fliegt,

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

die sich mit den konkreten Problemen der Menschen beschäftigt und sich ein eigenes Bild vor Ort macht. Das hat hier stattgefunden, und das finde ich sehr eindrucksvoll. Der Ministerpräsident hat sehr deutlich gemacht, dass er dieses Thema zur Chefsache macht.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier bringt auch niemand einen Landkreis in Verruf.

(Björn Thümler [CDU]: Doch! Sie!)

Wir haben es sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch auf dem Wohnungsmarkt mit Bedingungen zu tun, die in keiner Form akzeptabel sind. Wir unterstützen die Gebietskörperschaften, die mit ihren unteren Baubehörden gegen diese Missstände vorgehen. Wir geben ihnen einen landesweit einheitlichen Rahmen und sorgen dafür, dass diese Art der menschenunwürdigen Unterbringung in Niedersachsen endlich ein Ende hat. - Das hätten Sie schon seit Jahren angehen können!

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Brunotte. - Das Wort hat jetzt Reinhold Hilbers von der CDU-Fraktion für 4:16 Minuten.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir beraten hier heute ein wichtiges Gesetz. Ich verwehre mich gegen Ihre permanente Schwarz-Weiß-Malerei - die insbesondere von

Herrn Schminke und Herrn Schremmer zu hören war; bei Herrn Brunotte muss ich konstatieren, dass das, was er vorgetragen hat, überwiegend sachlich war -, nach der Sie von SPD und Grünen die Gutmenschen sind, während für uns von FDP und CDU Worte wie „Ihre Fleischindustrie“, „Ihre Leute“, „Sie haben das zugelassen“ und Ähnliches gefunden werden. Hören Sie doch endlich damit auf!

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Ronald Schminke [SPD]: Nein! Nein!)