Protokoll der Sitzung vom 28.08.2013

Ich würde sagen, dass sich die Regierungsarbeit gerade in diesem Punkt mit „anpacken und besser machen statt liegen lassen und rumeiern“ beschreiben lässt - um einmal ein bisschen von dem aufzugreifen, was Sie hier immer vortragen.

Deswegen ist es richtig, dass wir eine Bundesratsinitiative starten, die das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz und die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte in den Blick nimmt. Ich bin davon überzeugt, dass solche Maßnahmen wieder Ordnung in den Arbeitsmarkt bringen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Label „Gute Arbeit“ muss man sich auch in Niedersachsen verdienen. Man muss es sich insbesondere

auch politisch verdienen. Daran werden wir im Gegensatz zu Ihnen arbeiten.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD - Jens Nacke [CDU]: Herr Kol- lege, Sie scheinen mir ein bisschen überfordert zu sein!)

Für die CDU-Fraktion hat sich der Kollege Thiele zu einer Kurzintervention gemeldet. Sie haben das Wort.

Herzlichen Dank. - Herr Präsident! Ich habe mich gemeldet, weil ich dieses Schwarz-Weiß-Spiel nicht mag, dass bei solchen Fragen der einen Seite immer vorgeworfen wird, sie würde in Wahrheit ganz andere Ziele verfolgen.

(Lachen bei der SPD)

Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen: Die Bundesarbeitsministerin verhandelt mit den beteiligten Arbeitgebern in dieser Branche seit Monaten darüber, dass man nicht nur einen Mindestlohn vereinbaren muss, sondern - und darum greift Ihr Ansatz auch zu kurz - dass man auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen formulieren muss. Diese Gespräche laufen, im Übrigen auch in Begleitung durch die Gewerkschaften.

Das wissen Sie aber auch. Und darum ist es reines Wahlkampfgeplänkel, wenn Sie hier so tun, als würde nichts passieren.

(Johanne Modder [SPD]: Nein, Sie haben das Thema zum ersten Mal vor der Wahl entdeckt! Sie haben es seit Jahren ausgesessen!)

- Liebe Kollegin Modder, die Wahrheit ist doch, dass die Rechtsgrundlage für das, was wir seit Jahren an Missbrauchstatbeständen beklagen, seinerzeit von Rot-Grün geschaffen wurde, und zwar im Rahmen der Hartz IV-Reform. Das wissen Sie ganz genau, und das tut Ihnen auch besonders weh.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP - Johanne Modder [SPD]: Sie haben gesessen und niedergestimmt!)

Wir hingegen räumen jetzt Branche für Branche ab und sorgen dafür, dass Mindestlöhne und Mindestarbeitsbedingungen wieder definiert und in

Gesetzesform gegossen werden, um menschenwürdige Arbeit möglich zu machen.

(Anja Piel [GRÜNE]: Eine Lachnum- mer, Herr Thiele!)

Sie aber kommen immer nur mit Ihrem Kassenschlager „Mindestlohn“ und tun so, als ob das alles lösen würde.

(Anja Piel [GRÜNE]: Herr Thiele, hö- ren Sie sich eigentlich reden?)

Herr Minister, auch Sie wissen, dass in Sachen Missbrauch von Werkverträgen ein gesetzlicher Mindestlohn erst einmal nichts hilft. Vielmehr muss das Arbeitnehmer-Entsendegesetz geändert und das Ganze auf ausländische Arbeitnehmer ausgeweitet werden, um jeden Missbrauch zu verhindern. Das passiert momentan. Das macht die Bundesregierung, und das macht sie auch sehr erfolgreich.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Möchten Sie antworten?

(Ronald Schminke [SPD]: Aber mit zusätzlicher Redezeit!)

Herr Thiele, ich bin Ihnen dankbar, dass ich nun noch ein bisschen länger reden kann.

Ich habe ja nicht gesagt, dass Sie sich in der Vergangenheit nicht bemüht haben. Klar ist aber, dass diese Bemühungen nicht von Erfolg gekrönt waren.

(Ulf Thiele [CDU]: Her Schminke hat doch die Erfolge alle aufgezählt!)

Gerade in der Fleischbranche, für die Sie vorhin sozusagen in die Bütt gegangen sind, haben die Betriebe und Unternehmen ganz offensichtlich kein Interesse an einem Branchenmindestlohn. Sie haben vielmehr das Interesse, weiterhin pro ausgelöster Schweineschulter 0,86 Cent - Cent, nicht Euro! - zu bezahlen. Lassen Sie sich das bitte einmal auf der Zunge zergehen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und dann rechnen Sie sich einmal aus, wie viel jemand verdient, der in diesen Betrieben arbeitet. - Darüber sollten Sie einmal mit Ihrer Fleischbranche reden und hier nicht solche Geschichten erzählen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank. - Alle Fraktionen haben noch genügend Redezeit, Herr Kollege Schminke. - Zu Wort gemeldet hat sich der Kollege Jörg Bode von der FDP-Fraktion. Bitte schön!

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will auf den Kern der Debatte zurückkommen. Herr Schminke, ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie klargestellt haben, dass ein Werkvertrag per se erst einmal nichts Schlechtes ist. Eigentlich ist er doch die Grundlage unternehmerischen Handelns: Dinge, die man nicht in eigener Kompetenz vorhält, kann man woanders zukaufen. So ist ein Werkvertrag vernünftig und sinnvoll.

Aber das, was wir gerade in der Fleischwirtschaft erleben, sind in der Regel gar keine Werkverträge. Es ist Zeitarbeit - wenn man bei den langen Zeiträumen, die die Arbeitskräfte dort schon sind, überhaupt noch von Zeitarbeit sprechen kann. Dort findet eine Arbeitnehmerüberlassung statt.

Damit kommen wir des Pudels Kern tatsächlich näher. Es ist auch nicht so, dass niemand versucht hätte, etwas dagegen zu tun. Die Politik hat sich sogar parteiübergreifend und rechtzeitig dafür eingesetzt, die Regeln so zu gestalten, dass solche Zustände bei der Zeitarbeit, bei der Arbeitnehmerüberlassung nicht eintreten können. Als wir die Hartz IV-Gesetze zum letzten Mal im Vermittlungsausschuss reformiert haben, haben wir zusammen mit der SPD - Verhandlungspartner war Hubertus Heil - die Regeln für das Arbeitnehmer-Entsendegesetz formuliert, damit es gerade nicht zu solchen Dingen - insbesondere mit ausländischen Arbeitskräften, aber natürlich auch mit den Subunternehmern, die hier mitverdienen - kommen kann. Damals hat sich niemand vorstellen können, dass die Regelungen, die für die Arbeitnehmerüberlassung getroffen worden sind, durch die Werkvertragsregelungen - die aus meiner Sicht alle ungesetzlich angewandt werden - so umgangen werden können.

Jetzt muss man sehen, wie man das Ganze so schnell wie möglich in den Griff bekommt, damit das, was wir damals gewollt haben, eintritt. Dazu kann ich Ihnen nur sagen, Herr Schminke: Gegen den Missbrauch von Werkverträgen, die keine sind, muss streng vorgegangen werden, insbesondere bei den Subunternehmern, die damit ein eigenes Geschäftsmodell aufgemacht haben. Es ist ja tatsächlich so: Es sind noch nicht einmal unbedingt die Auftraggeber, die davon profitieren, sondern es sind die Subunternehmer, die davon profitieren. Die Auftraggeber zahlen in der Regel noch wirklich gute Löhne. Sie werden nur von anderen Geschäftemachern abkassiert. Diese muss man in die Schranken weisen und das Geschäftsmodell, das sie entwickelt haben, zerstören.

Und da kann es auch nicht sein, Herr Ministerpräsident Weil - ich habe wirklich die Bitte, dass Sie darauf in der Bundesratsinitiative einen besonderen Schwerpunkt setzt -, dass solche schwarzen Schafe damit durchkommen, dass sie, wenn man sie erwischt, einfach sagen, sie machen aus dem Werkvertrag eine Arbeitnehmerüberlassung, und dann so weitermachen wie bisher. Nein, danach muss damit Schluss sein. So einer darf nicht immer so weitermachen können, bis er das nächste Mal erwischt wird. - Aber so ist es derzeit ja. Es ist ja nicht so, dass keine Kontrollen stattfinden und keine schwarzen Schafe erwischt werden. Nein, die schwarzen Schafe machen dann beim Nächsten einfach weiter. Dagegen müssen wir vorgehen.

Betriebsräte sind wichtig; das ist keine Frage. Aber bei den Werkverträgen geht es um eine unternehmerische Entscheidung, und da geht das, was Sie fordern, schlicht und ergreifend zu weit. Da gebe ich Volker Müller von den Unternehmerverbänden völlig recht: Wir müssen des Missbrauchs Herr werden - aber mit richtigen Instrumenten: mit Aufsichtsinstrumenten, die über die entsprechenden Behörden und nicht aus dem Betrieb selbst kommen. Wenn dort jemand gegen das Recht verstößt, muss der Staat den Hut aufhaben und dagegen angehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße auch, dass man jetzt auch das Thema der Wohnverhältnisse angeht. Ich glaube, die gemeinsame Richtlinie mit den kommunalen Spitzenverbänden ist der schnellstmögliche Weg, hier voranzugehen. Ich würde mir wünschen, dass die kommunalen Behörden das, was dort definiert ist, möglichst schnell in die Tat umsetzen, sodass wir

in diesem Bereich schnell zu Veränderungen kommen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der FDP)

Herr Minister Lies und Frau Ministerin Rundt, Sie haben sich zu Wort gemeldet. Wir arbeiten aber erst die Rednerliste mit den Kollegen ab. Es haben sich nämlich noch drei Kollegen zu Wort gemeldet. Einverstanden? - Ja.

Das Wort hat jetzt Frau Meta Janssen-Kucz von Bündnis 90/Die Grünen für 2:14 Minuten.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz garantiert das Grundrecht auf Menschenwürde und das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Aber horrende Mieten für Schrottimmobilien, in denen Osteuropäer dicht an dicht leben müssen, Löhne auf unterstem Niveau, dafür steht eine ganze Region im Fokus, eine Region stellvertretend für viele Regionen in Deutschland. Aber die Sicherung der Grundrechte ist unsere vorderste Aufgabe, und da hat die CDU mit ihrem Antrag Recht. Ich verstehe bloß nicht, dass erst zwei Menschen sterben mussten, bis auch Sie dies einfordern und auch in ihrem Kernland einfordern. Vielleicht liegt es an der Opposition, dass Sie wieder über Grundrechte, über Menschenrechte nachdenken und auch Handlungsansätze aufzeigen. Ich begrüße Ihr Engagement und hoffe, dass Sie das auch auf andere Bundesländer übertragen, auch auf die noch amtierende Bundesregierung.

Wir haben ein breites Maßnahmebündel vorgelegt, um schnell und konsequent im Interesse der Menschen zu handeln. In diesem Maßnahmebündel werden wir auch ein Wohnraumsicherungsgesetz prüfen und auf den Weg bringen, wenn es notwendig ist. Aber es geht jetzt darum, im Interesse der Menschen schnell und zeitnah zu handeln. Das haben wir gemacht. Wir haben nicht weggeschaut. Wir haben den Mund aufgemacht und haben, seit wir die Möglichkeit dazu haben, das Thema in Niedersachsen thematisiert, und zwar nicht nur anhand eines Mindestlohns von 8,50 Euro.

Aber ich muss noch einmal den Finger in die Wunde legen. Jahre vorher wurden Menschen,

die die unwürdigen Arbeitsbedingungen und Unterkünfte kritisiert haben, sozial isoliert, diskreditiert und in Teilen bedroht - egal, ob es Privatpersonen, Gewerkschafter und auch Kirchenvertreter waren. Bei diesen Menschen möchte ich mich noch einmal für die Zivilcourage bedanken, die sie bewiesen haben.

Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der SPD)

Vielen Dank. - Das Wort hat nun der Kollege Marco Brunotte von der SPD-Fraktion. Herr Brunotte, die Uhr zeigt noch 6:48 Minuten an.