Aber diesen Ansatz, sehr geehrter Herr Bode, gab es schon vorher, als er nämlich aus Bundesmitteln finanziert worden wäre und wir nur in Teilen hätten kofinanzieren müssen. Wir hätten ein Netzwerk aufbauen können, um genau diesen betroffenen Beschäftigten zu helfen. Gestatten Sie mir ein Zitat aus dem Schreiben, das Sie damals Herrn Tölle geschickt haben:
„Angesichts der insgesamt für Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung stehenden begrenzten Mittel muss ich Sie jedoch um Verständnis dafür bitten, dass ich eine finanzielle Beteiligung des Landes an einer solchen Stelle nicht für angezeigt halte.“
„Zu einer weitergehenden Beratung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über ihre Rechte und Pflichten bei einer Beschäftigung in Deutschland sehe ich in erster Linie die Gewerkschaften als Interessenvertreter sicherlich auch der ausländischen Beschäftigten berufen. Hierzu bedarf es der Unterstützung durch das Land nicht.“
Darin unterscheidet sich diese Landesregierung: Wir sind davon überzeugt, dass es der Unterstützung durch das Land bedarf.
Vielen Dank, Herr Minister Lies. - Jetzt hat sich Frau Ministerin Rundt zu Wort gemeldet. Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr geehrten Abgeordneten des Niedersächsischen Landtages! Menschenwürdige Wohnverhältnisse sind ein Menschenrecht. Eine ordnungsgemäße Nutzung von Wohnungen ist eigentlich selbstverständlich. Wohnungen müssen den Mindestanforderungen an erträgliche Wohnverhältnisse genügen. Alles andere ist inakzeptabel.
Die Landesregierung geht die Verbesserung der Unterkunftssituation ausländischer Werkvertragsarbeitnehmer sofort an. Sie geht sie in einem engen Schulterschluss mit den kommunalen Spitzenverbänden an. Denn uns kommt es darauf an, möglichst schnell, nämlich sofort, den unteren Bauaufsichtsbehörden Handlungsempfehlungen zu geben, wie sie mit diesem Thema umgehen sollen. Das wird in einen mit den kommunalen Spitzenverbänden abgestimmten Erlass münden.
Die Niedersächsische Bauordnung sieht bereits Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse vor. Sie regelt Brandschutz, Schallschutz, Wärmeschutz, Verkehrssicherheit, Mindestgrundflächen, lichte Höhen, Belichtung. Selbst Küchen, Toiletten, Badewannen sind dort geregelt. Nun stellt sich die Frage: Warum dann ein neues Gesetz?
Der Gesetzentwurf der CDU-Fraktion geht mit seinem Regelungswerk weit über die Bauordnung hinaus und versucht Dinge zu regeln, die längst an anderer Stelle geregelt sind. Es gibt nämlich jenseits der Bauordnung eine Vielzahl fachgesetzlicher Regelungen, die Basis für aufsichtsrechtliche Tätigkeiten und Entscheidungen der Kommunen sein können, z. B. im Bauplanungsrecht, im Aufenthaltsrecht und im Arbeitsstättenrecht.
Arbeitsstätten - ASR - klar definiert. Die Landesregierung empfiehlt den unteren Bauaufsichtsbehörden, die Technischen Regeln für Unterkünfte - ASR A4.4 - anzuwenden. Es handelt sich bei diesen Regeln um auf Bundesebene herausgegebene Regeln, die - darauf sind wir stolz - hier durchaus rechtssicher anzuwenden sind; denn in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 24. Oktober 2008 zum Thema „Unterkünfte von Beschäftigten“ wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass bei Nutzungskonflikten entsprechende analoge Regelungen eingesetzt werden können.
Diese Technischen Regeln gehen über die Bauordnung hinaus. Sie regeln den Raumbedarf pro Person, die Unterbringung von Männern und Frauen, Belichtung, Mindestnutzflächen und, und, und. Das Ganze docken wir an § 3 der Niedersächsischen Bauordnung an. Damit schaffen wir eine sofortige Verbesserung der Wohnsituation ausländischer Werkarbeitnehmer.
Der Gesetzentwurf der CDU greift nämlich weder kurzfristig noch rückwirkend. Würde er in Kraft treten, hätten die vorhandenen Wohnunterkünfte Bestandsschutz. Das kann nicht in unserem Sinne sein.
Nun ist Herr Thümler leider nicht da. Heute Morgen war ich ein bisschen peinlich berührt, als Herr Thümler sagte: Das soll auch alles auch für Altenheime gelten. - Ich erkläre ihm einmal, dass es auf Bundesebene eine Heimmindestbauverordnung gibt, die weit über das hinausgeht, was die CDU hier vorschlägt. Mit anderen Worten: Das ist auch fachlich ein bisschen peinlich gewesen.
Mit unserem Vorschlag lösen wir das Grundproblem, nämlich dass alle Vorschläge der CDU nur bei neu errichteten Gebäuden überhaupt zum Zuge kämen.
Kommen wir zur Beherbergungsstättenverordnung, deren Erlass hier auch vorgeschlagen wird. Eine Beherbergungsstättenverordnung gilt nur für Hotels und Pensionen; so ist das Ganze definiert. Die Missstände in den Unterkünften von Werkvertragsarbeitnehmern betreffen aber gerade diesen Bereich so gut wie nicht; denn es sind kaum genehmigte Beherbergungsstätten betroffen. Das heißt, eine solche Verordnung würde erstens überhaupt nicht greifen. Zweitens gäbe es auch hier das Phänomen: Rückwirkend würde nichts
Ein bisschen tut mir auch das Hotel- und Beherbergungsgewerbe in Niedersachsen leid, von dem wir wissen, dass es sehr positiv auf Tourismus ausgerichtet ist, dass dieses mit den Unterkünften für Werkvertragsarbeitnehmer gleichgesetzt werden.
Was im Übrigen das ganze Thema Beherbergungsstätten betrifft, so fand ich es etwas atemberaubend, als eben gesagt wurde, man könnte doch einfach schnell die Muster-Beherbergungsstättenverordnung einführen. Erstens greift, wie gesagt, die Beherbergungsstättenverordnung ohnehin nicht. Zweitens enthält der Koalitionsvertrag von Schwarz-Gelb aus dem Jahre 2008 ausdrücklich eine Deregulierung der Niedersächsischen Bauordnung als Ziel. Genauso hat sich die damalige Landesregierung auch verhalten. Sie hat nämlich die Musterverordnung abgelehnt und eine entsprechende Verordnung in Niedersachsen nie eingeführt. Dann ist es atemberaubend, jetzt zu fragen: Warum macht ihr das eigentlich nicht?
Ich denke, es gibt vieles, woran man erkennen kann, dass dort ein schlechtes Gewissen vorhanden ist, weil man sich jahrelang nicht um das Problem gekümmert hat. Wir haben da ein deutlich besseres Gewissen; denn wir handeln sofort. Ich danke den Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen für ihren Antrag, der das Grundproblem wunderbar analysiert und sehr sachlich beschreibt. Ich freue mich darauf, anhand dieses Antrags weiterzudiskutieren.
Frau Ministerin, vielen Dank. - Die CDU-Fraktion hat um zusätzliche Redezeit nach § 71 Abs. 3 der Geschäftsordnung gebeten. Herr Kollege Hilbers bekommt das Wort für dreieinhalb Minuten.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal, Herr Lies, verwahre ich mich gegen den von Ihnen gezogenen Umkehrschluss. Ich habe hier gesagt, dass uns alle
schockiert hat, was sich dort zugetragen hat, dass dort in den Unterkünften zwei Arbeitnehmer ums Leben gekommen sind. Das lässt aber nicht den Umkehrschluss zu, dass immer erst etwas passieren muss, bevor wir handeln. Gegen diesen Vorwurf verwahre ich mich mit aller Entschiedenheit.
Dann will ich hier ein Weiteres sagen. Wir sind uns einig, dass es auf dem Arbeitsmarkt sozial und fair zugehen soll. Wir sind uns einig, dass die Menschen, die bei uns arbeiten, unter menschenwürdigen Bedingungen untergebracht werden müssen und bei der Unterbringung nicht ausgebeutet werden dürfen. Wir sind uns weiterhin einig, dass Nebenleistungen, unhaltbare Arbeitsbedingungen und Ähnliches nicht dazu führen dürfen, dass Menschen bei uns unter unwürdigen Bedingungen arbeiten und leben müssen. Was sollen eigentlich vor dem Hintergrund dessen, dass wir uns darin einig sind, die Betroffenen darüber denken, dass wir diese kleinkarierte Diskussion darüber führen, wer wann ein Gesetz hätte vorlegen können, wer wann welche Diskussion hätte führen können und welche Dinge wir wann hätten beschließen können? Es geht doch darum, dass wir jetzt handeln, wenn wir uns in der Sache einig sind.
Es wundert sich so mancher über die kleinkarierte Frage, was man denn im Gesetz hier und da noch ändern kann, was man denn im Einzelnen noch eisern diskutieren kann. Lassen Sie uns doch einmal vor dem Hintergrund dessen diskutieren, was da passiert ist, wie wichtig diese Frage ist und wie die Betroffenen - auch die Kirchen und andere, die sich einsetzen - damit umgehen! Wir sollten mit den ständigen Schuldzuweisungen aufhören. Das tut doch der Politik insgesamt nicht gut. Lasst uns doch einmal das betonen, was uns eint, und lasst uns bei der Frage weitermachen, wie wir eine Lösung finden, statt so vorzugehen, wie Sie es hier machen!
Das Parlament ist der Souverän. Und noch einmal: Wenn Sie es früher hätten diskutieren wollen, warum sind Sie nicht entsprechende Schritte gegangen und haben Sie nicht einen Gesetzentwurf zur Unterbringung vorgelegt, als Sie noch in der Opposition waren? Wir tun es doch jetzt auch aus der Opposition heraus. Sie hätten es ja auch
Dann noch einmal dazu, was Sie hier alles zum gesetzlichen Mindestlohn erzählen. Es stimmt ja alles nicht, wie Sie es hier darstellen; denn es geht im Kern um eine andere Frage. Die Fleischbranche plant längst die Einrichtung eines Dachverbandes. Wir konnten es heute in der Nordwest-Zeitung wieder lesen. Sie tun sich zusammen. Die NGG als zuständige Gewerkschaft hat einen Vorschlag unterbreitet. Das ist das, was die Branche will. Sie will eben keinen gesetzlichen Mindestlohn, sondern einen tariflichen Mindestlohn und will ihn aushandeln.
Dazu soll dieser Dachverband gegründet werden. Es ist sachdienlich, dass die Gewerkschaft zusammen mit der Fleischbranche den tariflichen Mindestlohn aushandelt. Der muss dann so gestaltet sein, dass er für allgemeingültig erklärt werden kann. Der muss so ausgestaltet werden, dass man ihn nicht mehr durch Tricks umgehen kann. Der muss so ausgestaltet werden, dass Equal Pay gilt, dass das also auch dann gilt, wenn Leiharbeit und Ähnliches im Spiel ist. Deswegen müssen wir diesen Weg gehen. Den sollten wir konsequent gehen.
Vor dem Hintergrund dessen, was wir an wichtigen Fragen zu lösen haben, kann ich nur sagen: Hören Sie doch auf mit den ständigen Schuldzuweisungen und arbeiten Sie im Sinne der Sache! Wir bieten Ihnen ausdrücklich unsere Mitarbeit an. Steigen Sie auf unseren Gesetzentwurf ein! Er ist eine gute Grundlage dafür.
Vielen Dank. - Auch die SPD-Fraktion hat zusätzliche Redezeit beantragt. Das Wort für die SPDFraktion bekommt Grant Hendrik Tonne auch für dreieinhalb Minuten.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will eines vor die Klammer ziehen; denn ich glaube, das sollten wir nicht in Debatten einbringen. Dass der Tod zweier Menschen alle die, die
es zur Kenntnis nehmen müssen, betroffen macht, ist in diesem Raum, glaube ich, völlig unstrittig. Das sollten wir zwischen den Fraktionen nicht hin- und herwerfen. Das, was da passiert ist, ist ein schlimmes Ereignis. Unser Mitgefühl kann nur den Familien und denen gelten, die davon betroffen sind.
Aber, Herr Hilbers, ich will Ihnen ganz deutlich sagen - deswegen habe ich mich auch zu Wort gemeldet -: Diesen Versuch der Klitterung von Dingen, die hier im letzten Jahr passiert sind, werde ich nicht so stehen lassen. Der Wirtschaftsminister hat gerade sehr deutlich die Missstände dargelegt. Die Sozialministerin hat eben sehr deutlich dargelegt, weswegen der Gesetzentwurf nicht der richtige Weg ist, um die Probleme zu lösen. Diese Landesregierung hat, so schnell es ihr möglich war, Regelungen auf den Weg gebracht, die jetzt angewendet werden können. Das ist der richtige Weg.
Herr Hilbers, wir haben im Jahre 2012 fast im Rahmen jeder Plenardebatte über das Thema „Missbrauch von Werkverträgen“ geredet. Fast im Rahmen jeder Plenardebatte haben Sie negiert, dass es hier ein Problem gibt. Ich will Ihnen das gerne einmal anhand einiger Zitate vorhalten.
Am 22. Februar 2012 - es geht um den Entschließungsantrag der Linken „Prekäre Arbeitsverhältnisse bei Discountern“ - lässt sich Frau König von der FDP mit den Worten ein: